“Abstimmungen nach Mehrheitsprinzip hinterlassen unzufriedene Minderheiten, systemisches Konsensieren sucht stattdessen die Option mit dem geringsten Widerstand, um tragfähige Lösungen in Kanzleien zu finden und Zusammenarbeit zu stärken.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Während meines Jurastudiums an der Bucerius Law School merkte ich schnell, dass blanke Paragrafendiskussionen viele Konflikte offenlassen. Ich promovierte deshalb über Mediation, leitete später einen entsprechenden Studiengang und begleite seither Kanzleien als Mediator, Moderator sowie Verhandlungsberater.
Das typischste Problem sind Wachstumsschmerzen: Man startete egalitär, wächst fusionierend weiter, doch die Entscheidungsstrukturen bleiben klein. Plötzlich braucht es Ausschüsse und Ansagen. Einige Partner fürchten um Autonomie, es entstehen Ineffizienzen, knallende Türen und schließlich Stillstand.
Ein 51-Prozent-Votum klingt demokratisch, produziert aber oft frustrierte Minderheiten. Diese blockieren Umsetzungsenergie oder verlassen die Einheit. Nachhaltigkeit entsteht, wenn wir nicht Stimmen, sondern Widerstand messen und schon im Prozess Wege finden, ihn zu verringern.
Beim systemischen Konsensieren legen wir mehrere ausgereifte Alternativen auf den Tisch, schauen in Ruhe auf ihre Folgen und bewerten danach den Widerstandsgrad jeder Person. Die Option mit dem geringsten Gesamtwiderstand gilt als tragfähigster Kompromiss.
Alle Partner vergeben für jede Alternative null bis zehn Widerstandspunkte. Danach addieren wir. Liegen hohe Werte bei wenigen Personen, sprechen wir ihre Gründe vertieft an und verändern Details – etwa Zielkanzlei, Zeitplan oder Vergütung –, bis der Widerstand deutlich sinkt.
Vor der Abstimmung deklinieren wir jede Option durch: IT-Bedarf, Mandantenbindung, Honorierung nicht-billabler Tätigkeiten, Personalgewinnung, sogar kulturelle Passung. Erst wenn diese Matrix steht, kann der Partnerkreis fundiert über Widerstandspunkte entscheiden.