“Nachhaltigkeit im Grundgesetz bedeutet, dass bei allem staatlichen Handeln die Verantwortung für die künftigen Generationen berücksichtigt wird – ein Handlungsgebot, das Freiheit und Gerechtigkeit für heute und morgen sichert.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Als das Grundgesetz 1949 entstand, drehte sich alles um Wiederaufbau, soziale Sicherheit und die Errichtung eines demokratischen Rechtsstaats. Ökologie spielte schlicht keine Rolle. Darum wurde der Begriff „Nachhaltigkeit“ nie aufgenommen; er tauchte erst Jahrzehnte später in internationalen Debatten auf. Wer heute das GG liest, muss die Idee also aus späteren Ergänzungen und der Rechtsprechung herausarbeiten – ein spannendes Prüfungsfeld für Euch.
Staatszielbestimmungen – wie Artikel 20a – liefern dem Gesetzgeber programmatische Leitlinien. Im Unterschied zu Staatsstrukturbestimmungen, die ewig gelten, können Ziele geändert werden. Sie verpflichten den Staat, bei künftiger Gesetzgebung ein bestimmtes Anliegen – etwa den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen – stets mitzudenken. Für Klausuren heißt das: kein Individualanspruch, aber starker Auslegungsmaßstab.
20a verankert klar den ökologischen Teil und das Generationenprinzip. Doch soziale und ökonomische Dimensionen finden sich nur verstreut an anderer Stelle. Deshalb sehen wir heute einen „Flickenteppich“. Für ein wirklich kohärentes Nachhaltigkeitsverständnis müsste das Grundgesetz weiterentwickelt werden – sonst bleibt viel argumentative Kleinarbeit in Prüfung und Praxis.
Die Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 und 115 GG ist verfassungsrechtlich ebenfalls nachhaltig: Sie schützt künftige Generationen vor übermäßiger finanzieller Last. Damit ergänzt sie 20a um eine ökonomische Komponente. Im Examen könnt Ihr zeigen, wie intertemporale Gerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen des GG verankert ist.
Das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 und die Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 tragen die soziale Dimension. Aus beiden leitet das Bundesverfassungsgericht das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ab. Nachhaltigkeit bedeutet also nicht nur Naturschutz, sondern auch Teilhabe aller – ein wichtiger Prüfungsanker in Grundrechtsklausuren.
Ein expliziter Satz wie „Der Staat beachtet das Prinzip der Nachhaltigkeit“ würde alle Gewalten binden, Zielkonflikte offenlegen und Verfassungsdogmatik vereinfachen. Studierende müssten nicht länger Flicken zusammensuchen, sondern könnten auf einen klaren Prüfungsmaßstab verweisen. Politisch wäre es ein starkes Signal für die Transformation.