“Als Insolvenzverwalter muss man neben juristischem Know-how auch viel betriebswirtschaftliches Verständnis mitbringen, um Liquiditäts- und Rentabilitätsplanungen sicher durchzuführen und den Betrieb bestmöglich zu sanieren.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Nach dem ersten Examen wollte ich eigentlich Steuerrecht machen. Im Referendariat suchte ich einen Nebenjob und landete zufällig als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einem Partner, der ein Insolvenzrechts-Buch schrieb. Beim Recherchieren merkte ich, wie vielseitig das Gebiet ist. Ich blieb, machte dort Anwalts- und Wahlstation und wurde nach dem Zweiten Examen direkt übernommen – quasi wie die Jungfrau zum Kind.
Die Insolvenzordnung verfolgt zwei gegensätzliche Ziele gleichzeitig: maximale Gläubigerbefriedigung und Entschuldung beziehungsweise Sanierung des Schuldners. Ich finde es spannend, mit den juristischen Instrumenten kreativ zu entscheiden, ob man liquidiert oder saniert, damit Arbeitsplätze, Know-how und oft ganze Geschäftsmodelle gerettet werden können. Diese Mischung aus wirtschaftlicher Verantwortung und rechtlicher Präzision motiviert mich jeden Tag.
Als Verwalter oder Sachbearbeiter musst du Liquiditäts-, Ertrags- und Rentabilitätsplanungen aufstellen. Wir führen einen Betrieb weiter, verhandeln mit Banken, erstellen Lohnabrechnungen. Ohne solides Verständnis für Bilanzen, Cash-Flow und Kostenstrukturen kannst du keine fundierten Entscheidungen treffen. Ich habe mir vieles on the Job angeeignet, aber ein BWL-Grundgerüst erleichtert den Einstieg enorm.
Direkt nach dem Referendariat geht das nicht. Man beginnt als Sachbearbeiter, arbeitet mehreren Verwaltern zu und sammelt rund zehn Jahre praktische Erfahrung. Erst dann bewirbt man sich bei den Gerichten um Aufnahme auf die Vorauswahllisten. Dafür muss man fachlich überzeugen und zeigen, dass man ein Verfahren organisatorisch und wirtschaftlich stemmen kann – oft hilft der Ruf einer etablierten Kanzlei.
Im Gutachtensauftrag prüfe ich zunächst, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und ob genügend Masse für Gerichtskosten und meine Vergütung vorhanden ist. Parallel überwache ich den laufenden Betrieb: Zahlungsströme freigeben, Ausgaben stoppen, Vermögenswerte sichern. Mit Zustimmungsvorbehalt kann ich jede einzelne Verfügung des Schuldners blockieren, bis klar ist, ob wir sanieren oder liquidieren.
Ich wollte mich auf die rechtlich kniffligen Fragen konzentrieren, nicht selbst Verwalter werden. In unserer Prozessabteilung sind wir das juristische Back-Office: wir schreiben Gutachten, führen Anfechtungs- und Haftungsprozesse, sichern Vermögen im einstweiligen Rechtsschutz. So verbinde ich forensische Arbeit mit insolvenzrechtlicher Strategie und unterstütze die Verwalter, die operativ im Unternehmen stehen.