“Die juristische Ausbildung ist eine sehr gute Basis, doch das, was heute zählt, ist auch Familie, Freizeit und die passende Work-Life-Balance – das ist wichtiger geworden als früher.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Ich leite gemeinsam mit dem Minister ein Haus mit rund 12.500 Beschäftigten. Personalfragen laufen über meinen Schreibtisch – von der Einstellung bis zur Beförderung jeder Richterin und jedes Staatsanwalts. Gleichzeitig begleite ich Gesetzesinitiativen, verantworte Justizvollzug, Digitalisierung, Haushalts- und Organisationsentscheidungen. Kurz: alles, was Hessens Justiz am Laufen hält, muss bei mir fachlich, organisatorisch und politisch zusammengeführt werden.
Politik und das Miteinander in der Gesellschaft faszinierten mich bereits in der Schule. Ein Onkel, der Jurist in der Staatsverwaltung war, zeigte mir, wie Recht Gestaltungsraum eröffnet. Diese Mischung aus gesellschaftlicher Verantwortung und persönlichem Vorbild ließ mich – trotz Ärztefamilie – bewusst den Weg in die Rechtswissenschaft einschlagen.
Mich überzeugte die neutrale Rolle: Recht im Namen des Volkes zu sprechen statt parteiisch zu agieren. Arbeitsrecht verbindet Wirtschafts- und Sozialbezug, betrifft unmittelbar Menschen in Betrieben. Nach Fachanwaltslehrgang und Station am Arbeitsgericht Mainz wusste ich: Hier kann ich juristisch prägen und zugleich faire Lösungen für beide Seiten gestalten.
Nach vier Jahren Lebenszeitrichterin rief mich eine Studienfreundin aus dem Innenministerium an: Man suche jemanden für Arbeits- und Tarifrecht. Die Aussicht, Tarifverhandlungen aktiv zu gestalten, statt nur fertige Sachverhalte zu entscheiden, reizte mich. Über eine zunächst unverbindliche Abordnung wechselte ich ins Beamtenverhältnis und übernahm eine Referatsleitung.
Wir kennen Kündigungstermine oft zwei Jahre vorher, kalkulieren daher früh Forderungen und Verhandlungsspielräume. Gewerkschaften müssen mobilisieren, also starten sie höher, wir bieten niedriger – so entsteht bewusst Bewegung. Auftaktrunde, Fachgespräche, Abschluss-nacht: Alles folgt einem bewährten Drehbuch, damit am Ende alle ihre Schmerzgrenze spüren, aber mit dem Kompromiss leben können.
Voraussetzung sind zusammen 15 Punkte aus beiden Examina, wobei im zweiten mindestens 7,5 erreicht sein müssen. In Ausnahmefällen akzeptieren wir sieben Punkte, wenn besondere praktische Erfahrung oder herausragende Empfehlungen vorliegen. Die fachliche Qualifikation ist damit belegt – im Gespräch zählt dann die Persönlichkeit.