“Es lohnt sich, über das Examenstoff hinauszuschauen und zu fragen, welche gesellschaftlichen Interessen und Folgen das Recht hat. Recht vollzieht sich in Gesellschaft und wirkt intensiv auf Menschenleben.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Ich merkte früh, dass im Strafrecht Schuld und Unschuld unmittelbar aufeinandertreffen. Dort entscheidet sich existenziell, ob der Staat in Freiheit oder Haft eingreift. Diese Spannung zwischen Dogmatik und praktischer Gerechtigkeit packte mich – und ich wollte verstehen, warum manche Urteile dogmatisch wackeln, aber dennoch Menschenleben prägen.
Bei Gerhard Strate sah ich brillante Verteidigungspraxis und entdeckte Grenzen: selbst beste Schriftsätze ändern nichts, wenn das Gericht dogmatisch anders will. Diese Erfahrung zeigte mir, wie mächtig unabhängige Gerichte sind – und bestärkte meinen Entschluss, Verantwortung dort zu übernehmen.
Als Strafverteidiger darfst du argumentieren, doch entscheiden tut letztlich das Gericht. Ich wollte, dass dort nicht nur konservative Stimmen sitzen. Also wechselte ich auf die Richterbank, um Grundrechte aktiv zu schützen und eine liberale Perspektive in die Strafjustiz einzubringen.
In Karlsruhe schreibst du als Hiwi die ersten Entscheidungsvorschläge. Sechseinhalbtausend Beschwerden jährlich zwingen zu präziser Analyse und klarer Sprache. Ich begriff, wie Verfassungsrecht auf 30-seitigen „Kurzvermerken“ aufbaut und wie wichtig Teamarbeit im Senat ist – unbezahlbar für jede spätere juristische Tätigkeit.
Während meines LLM in New York interviewte ich ACLU und EFF. Deren strategische Klagen beeindruckten mich. Zurück in Berlin fragte ich NGOs, ob sie ähnliches wollten – alle fanden es nötig, niemand tat es. Also gründeten wir 2015 die Gesellschaft für Freiheitsrechte, um Grundrechte professionell vor Gericht zu verteidigen.
Wir suchen verfassungspatriotische Menschen, die dem Staat freundlich-kritisch begegnen. Freiheitsrechte stehen für sie an erster Stelle; Molotow-Cocktails sind unser Stil nicht. Wer Grund- und Menschenrechte als Kompass begreift, passt zu uns – unabhängig davon, ob er aus Justiz, Uni oder Kanzlei kommt.