IMR404. Feb 20
IMR040: Gesellschaft für Freiheitsrechte | Interview Richter und Podcaster Lage der Nation

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IMR040: Gesellschaft für Freiheitsrechte | Interview Richter und Podcaster Lage der Nation

Dr. Ulf Buermeyer, CEO | Gesellschaft für Freiheitsrechte

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Über diese Episode

Folge 040 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

Dr. Ulf Buermeyer, den viele wahrscheinlich aus seinem Podcast “Lage der Nation” kennen werden, berichtet von seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Wir sprechen darüber, warum er Richter in Berlin geworden ist und welche Ziele er damit verfolgte. Welchen Einfluss hatte seine Zeit in den USA auf die Gründung der Gesellschaft für Freiheitsrechte? Welche Ziele verfolgen die Juristen der GFF und inwieweit arbeiten sie mit externen Anwältinnen und Anwälten zusammen? Was braucht es, um erfolgreich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durchzukämpfen? Hört rein!

Inhalt:

  • 00:10Vorstellung Ulf Buermeyer
  • 1:49Warum damals Richter werden?
  • 4:37WiMi am BVerfG
  • 6:05Vorarbeiten & Gründung der GFF
  • 9:43Mitarbeiten bei der GFF
  • 13:56Buchtipp: Rettet die Freiheit!
  • 17:42Juristenausbildung & Gesellschaft
  • 24:36Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz
  • 33:57Ein Tag vor dem BVerfG
  • 43:02Unsere Schlussbemerkungen

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Zu Gast

Ulf Buermeyer

Ulf Buermeyer

Kapitel

  • 00:00:10.000Vorstellung Ulf Buermeyer
  • 00:01:49.000Warum damals Richter werden?
  • 00:04:37.000WiMi am BVerfG
  • 00:06:05.000Vorarbeiten & Gründung der GFF
  • 00:09:43.000Mitarbeiten bei der GFF
  • 00:13:56.000Buchtipp: Rettet die Freiheit!
  • 00:17:42.000Juristenausbildung & Gesellschaft
  • 00:24:36.000Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz
  • 00:33:57.000Ein Tag vor dem BVerfG
  • 00:43:02.000Unsere Schlussbemerkungen

Über Gesellschaft für Freiheitsrechte

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin. Rund 25 Mitarbeitende – vor allem Juristinnen und Juristen – führen dort strategische Klagen, um Grund- und Menschenrechte vor Gerichten in Deutschland und Europa durchzusetzen.

Das Team kombiniert amerikanisch geprägte Impact-Litigation-Ansätze mit deutscher Verfassungsdogmatik, arbeitet eng mit pro-bono-Kanzleien zusammen und glänzt mit Erfolgen etwa gegen Massenüberwachung oder für Gesundheitsfürsorge ohne Angst. Hör rein, wenn Du erfahren willst, wie Litigation zum Demokratie-Turbo wird – unsere Podcastfolgen mit der GFF warten schon in Deiner Playlist!

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Gesellschaft für Freiheitsrechte

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Es lohnt sich, über das Examenstoff hinauszuschauen und zu fragen, welche gesellschaftlichen Interessen und Folgen das Recht hat. Recht vollzieht sich in Gesellschaft und wirkt intensiv auf Menschenleben.

Sneak Peak – Q&A mit Ulf Buermeyer

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

Music:

0:09 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu Episode 40 vom 29.01.2020 von Irgendwas mit Recht. Mein Name ist Marc Ohrendorf und ich spreche heute mit Ulf Burmeier. Hallo Ulf.

0:20 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, hallo.

0:21 Min
Marc Ohrendorf:

Viele von euch werden die Stimme jetzt kennen aus dem Podcast Lage der Nation, aber stell dich vielleicht doch nochmal ganz kurz selber vor, was du eigentlich alles so machst.

0:30 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, willkommen zu irgendwas mit Recht, hätte ich fast gesagt. Ja, ich bin eigentlich, muss ich sagen, Richter, Richter am Landgericht hier in Berlin, aber seit einigen Jahren nicht mehr als solcher tätig, weil ich 2017 bis 2019 abgeordnet war an den Berliner Verfassungsgerichtshof. Die Berliner Verfassungsgerichtshofabordnungen sind so ein Institut des Beamtenrechts, wo quasi ein Beamter oder in meinem Fall ein Richter ausgeliehen wird von einer Behörde an die andere und das Landgericht hat mich zwei Jahre lang ausgeliehen an den Berliner Verfassungsgerichtshof, wo ich wissenschaftlicher Mitarbeiter war.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt, ich habe da Entscheidungsvorschläge geschrieben für die Richterinnen und Richter. Und seit Mitte 2019 bin ich jetzt bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hier in Berlin und entwickle dort das sogenannte Funkzellenabfragen-Transparenzsystem. Was es damit auf sich hat, denke ich, erklären wir vielleicht später nochmal.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und ehrenamtlich bin ich Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Das ist ein gemeinnütziger Verein, eine sogenannte NGO, der sich widmet strategischen Prozessen zum Schutz und zur Durchsetzung von Grund- und Menschenrechten.

1:38 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist ja eine ganze Menge.

1:39 Min
Ulf Buermeyer:

Das ist eine ganze Menge und dann, vielleicht kennst du der eine oder andere, bin ich gemeinsam mit meinem Freund Philipp Banse Podcaster. Wir nehmen einmal in der Woche die Lage der Nation auf.

1:48 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, ich denke, da werden auch basierend auf den vielen Zuschriften, die ich bekommen habe, dass ich mal mit dir sprechen soll, viele der Zuhörenden dich herkennen. Lass uns mal am Anfang anfangen vielleicht.

NaN
Marc Ohrendorf:

Dieser Podcast dient ja dazu, vielen Studierenden oder möglichst vielen Studierenden auch eine Richtung aufzuzeigen, in die es mit der eigenen Karriere mal gehen kann. Warum bist du denn überhaupt mal Richter geworden?

2:11 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, ich muss dazu sagen, ich habe mich spätestens so in der zweiten Hälfte des Studiums sehr für Strafrecht interessiert. Und zwar insbesondere deswegen, weil ich das Gefühl hatte, dass es dort ganz besonders existenziell um Fragen von Gerechtigkeit, von Recht und Unrecht geht.

NaN
Ulf Buermeyer:

Natürlich stellen sich im Strafrecht so ganz besonders deutlich Fragen von Schuld und Unschuld, damit kann jeder was anfangen, nicht umsonst gibt es irgendwie Tatort und viele andere Krimiserien, aber es gibt wenige Serien, die Verwaltungsanwälte in den Mittelpunkt stellen. Ja, das heißt also, Strafrecht betrifft die Menschen unmittelbar und so war es bei mir auch und ich hatte beim Studium in diesem Bereich auch häufig das Gefühl, dass das, was da so in der Rechtsprechung läuft, sagen wir mal nicht immer ganz überzeugend ist aus einer dogmatischen Perspektive und vielleicht hier und da auch sehr ergebnisgetrieben und das hat mein Interesse geweckt und hier und da auch zu einiger Verstörung geführt und deswegen wollte ich sehr lange mich mit Strafrecht beschäftigen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und habe dann sehr intensiv mal in die Strafverteidigung hineingeschaut. Also ich habe schon im Studium ein Praktikum gemacht bei Gerhard Strate, einem Hamburger Strafverteidiger und war dann auch in der Referendarzeit bei ihm für die Anwaltsstation, also mehr als ein halbes Jahr. Ja, und wie gesagt, lange war dann der Berufswunsch tatsächlich Strafverteidiger.

NaN
Ulf Buermeyer:

Ich habe dann aber in dieser letzten Station bei Gerhard Strate gemerkt, eigentlich banal, aber da ist mir das so richtig aufgegangen. Dass ja Strafverteidiger oder auch Strafverteidigerinnen natürlich gute Argumente vorbringen können und Striftsätze schreiben, das aber natürlich letztlich immer anders entscheidet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Es ist also letztlich immer ein Gericht dafür zuständig zu entscheiden, was denn jetzt Recht und Unrecht ist. Und dann habe ich mir gedacht, na wieso sollen eigentlich alle kritischen, progressiven, grundrechtsfreundlichen Menschen Anwälte werden oder Anwältinnen und in der Justiz bleiben dann nur die anderen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das schien mir irgendwie falsch und deswegen habe ich mich entschieden in die Justiz zu gehen und zwar dezidiert mit so einem grundliberalen Ansatz, dass ich mir gesagt habe, also es braucht offensichtlich auch in der Justiz mehr Menschen, die den Grundrechten am Herzen liegen und deswegen habe ich mich in die Justiz beworben. Und das hat ja auch geklappt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und ich war dann so ein Dreivierteljahr hier in Berlin als Proberichter im Amtsgericht Tiergarten, habe da vor allem Verkehrssachen bearbeitet, also, keine Ahnung, Knöllchen und so. Und bin dann nach Karlsruhe gekommen als wissenschaftlicher Mitarbeiter, war da ein Mitarbeiter bei Professor Hassimmer und später bei Professor Voskuhle, der ja heute noch Präsident ist.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und genau, dann kam ich zurück nach Berlin und bin dann Richter geworden am Landgericht Berlin.

4:36 Min
Marc Ohrendorf:

Da muss ich kurz einhaken. Wissenschaftliche Mitarbeiter in Karlsruhe, diejenigen, die das vielleicht noch nie davon gehört haben, die es nicht kennen, was macht man denn dort?

4:45 Min
Ulf Buermeyer:

Das Bundesverfassungsgericht hat ja zwei Senate mit jeweils acht Richterinnen und Richtern, bekommt aber im Jahr allein etwa sechseinhalbtausend Verfassungsbeschwerden auf den Tisch. Das heißt also, 16 Menschen alleine könnten das nicht alles bearbeiten. Und deswegen hat jeder Richter und jede Richterin ein sogenanntes Dezernat.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das besteht normalerweise aus vier wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das sind typischerweise jüngere Menschen aus der Justiz mit einigen Jahren Berufserfahrung, manchmal aber auch Leute von der Uni oder Anwältinnen und Anwälte und die schreiben für den Chef die Entscheidungsvorschläge. Das heißt also, eine Verfassungsbeschwerde, die in Karlsruhe eingeht, bekommt zunächst mal keine Richterin oder einen Richter zu sehen, sondern zunächst mal einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin und die setzen sich dann hin, schreiben einen Entscheidungsvorschlag, man könnte das Votum nennen, in die Karlsruher Praxis ist das Kurzvermerk zu nennen, wobei so ein Kurzvermerk auch schnell mal 30 oder 50 Seiten haben kann oder noch länger sein kann und dann nimmt der Fall quasi seinen Lauf.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt also, die Arbeit gerade in Karlsruhe beginnt immer so ein bisschen mit den sogenannten Hiwis, aber selbstverständlich treffen die Entscheidungen dann letztlich die Richterinnen und Richter, das versteht sich von selber. Also Kammerentscheidungen zu dritt oder wenn der Hiwi den Eindruck gewinnt, das ist jetzt ein wirklich besonders wichtiger Fall, dann kann es auch zu einer Senatssache werden.

6:06 Min
Marc Ohrendorf:

Und hast du während dieser Phase schon die Idee gehabt, die Gesellschaft für Freiheitsrechte mit zu gründen oder wie lief das genau ab?

6:11 Min
Ulf Buermeyer:

Also nee, das war ein bisschen später. Also ich war 2007, 2008 in Karlsruhe, bin dann zunächst mal zurückgegangen ans Landgericht Berlin, hab da auch ein paar Jahre gearbeitet, nebenbei meine Promotionen geschrieben und dann bin ich 2013 noch für ein Jahr im Rahmen eines Sabbaticals nach New York gegangen. Habe da ein LLM nachgemacht, so ein Master of Laws und habe mich in Amerika sehr intensiv beschäftigt mit der Arbeit amerikanischer Menschenrechtsorganisationen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also da gibt es zum Beispiel ganz bekannt die American Civil Liberties Union, ACLU oder so im IT-Bereich sehr aktiv, also im Bereich digitaler Bürgerrechte ist die Electronic Frontier Foundation, die EFF aus San Francisco. Und gerade die letzte habe ich sehr intensiv interviewt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also ich bin da hingefahren, war dann ein paar Tage im Büro, habe mich mit der Chefin lange unterhalten, mit den Juristen, es waren tatsächlich nur Männer, die da gearbeitet haben damals und habe einfach versucht zu verstehen, wie die ganz gezielt gerichtliche Verfahren einsetzen, um Grund- und Menschenrechte zu schützen. Also die IFF vor allem im Bereich der digitalen Freiheitsrechte, also Privacy.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber bei der ACLU geht es auch um alles Mögliche. Da kann es auch um Diskriminierungsfreiheit gehen oder um Pressefreiheit oder so. Die haben ein Büro in New York und einer der Anwälte aus dem Büro hat auch ein Seminar gegeben an der Columbia zum Beispiel.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also da gab es eine ganze Reihe Berührungspunkte und ich habe dann versucht, möglichst gut zu verstehen, wie die arbeiten. Und kam dann 2014 zurück nach Berlin mit der Idee, sowas müsste es auch in Deutschland geben. Also quasi professionelle Prozessführung, um Grund- und Menschenrechte zu schützen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und ich habe mich dann mit Leuten zusammengetan, die ich kannte, die in dem Bereich aktiv waren. Zum Beispiel der Neffe von Gerhard Baum, mit dem ich schon Verfassungsbeschwerden zusammen geschrieben hatte für die sogenannten Altliberalen. Er ist ein Freund von mir aus Riffandars Zeiten und der war sofort dabei und sagt, ja sowas brauchen wir quasi auch um die Tradition von Gerhard Baum, Bukatirsch, Frau Schnarrenberger und so einfach fortzusetzen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Denn drei Menschen können das auf Dauer nicht stemmen, zumal die teilweise ja auch schon über 80 sind. Das heißt, es ging so ein bisschen darum, deren Engagement auch zu institutionalisieren, in eine Vereinsstruktur zu überführen. Genau, da haben wir uns überlegt, wie könnte man das machen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Ursprünglich stand aber am Anfang gar nicht die Idee, einen eigenen Verein zu gründen, sondern es gab zunächst mal wirklich die Idee, man müsste sowas machen, man müsste mehr Prozesse führen für Grund- und Menschenrechte. Wir haben dann alle möglichen Organisationen angefragt, die es schon gab, um zu schauen, ob wir da quasi unter deren Dach so einen Arbeitsschwerpunkt einrichten könnten.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und das war ganz interessant, weil alle sagten, ja, super Idee, sowas brauchen wir auf jeden Fall in Deutschland, aber bei uns passt das nicht aus. Keine Ahnung, irgendwelchen mehr oder weniger individuellen Gründen. Und dann haben wir irgendwann gemerkt, okay, die Idee ist offensichtlich super, alle wollen, dass es sowas gibt, aber keiner will es selber machen, also müssen wir es machen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und dann haben wir 2015 die Gesellschaft für Freiheitsrechte gegründet, einen gemeinnützigen Verein wie gesagt und seitdem ist die auch sehr schön gewachsen. Also wir sind jetzt nach etwa vier Jahren Vereinstätigkeit, haben wir ein eigenes Büro, haben vier Menschen im Legal Team eingestellt, also vier Juristinnen und Juristen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Wir haben noch eine ganze Reihe anderer Leute im Büro, die uns unterstützen, Presse, Office Management. Wir haben Malte Spitz als Secretary General dabei, kennt vielleicht der eine oder andere, war lange ja bei den Grünen im Bereich Digitales aktiv. Und insgesamt sind wir jetzt im Büro so, je nachdem wie man zählen will, 12, 15 Leute, unter anderem eben auch immer mit PraktikantInnen und mit ReferendarInnen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also das ist auch durchaus eine Perspektive für junge Juristinnen und Juristen bei der GFF ein Praktikum oder eine Station zu absolvieren.

9:43 Min
Marc Ohrendorf:

Da ziehen wir den Block doch einfach mal vor. Das interessiert doch die meisten Zuhörenden dann doch auch. Wie komme ich denn eigentlich dahin, was derjenige da gerade beschreibt? Was muss man denn mitbringen, wenn man bei euch mal reinschnuppern möchte?

9:54 Min
Ulf Buermeyer:

Also zunächst mal ist natürlich ganz wichtig eine grundsätzlich mal freiheitsfreundliche Haltung. Das hat übrigens nichts zu tun mit Staatsskepsis, das möchte ich gleich voranstellen, sondern ich würde sagen, das ist eine freundschaftlich-kritische Distanz zu staatlicher Gewalt. Und das ist uns ganz wichtig, wir verstehen uns jetzt nicht als quasi die Leute, die den Molotow-Cocktail werfen, auch nicht mit juristischen Mitteln, sondern wir verstehen uns ganz gezielt als diejenigen, man kann das sogar Verfassungspatriotismus nennen, wir verstehen uns als diejenigen, die den Gehalt unseres Grundgesetzes, aber auch der Menschenrechte international schützen wollen mit rechtlichen Mitteln.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und wir glauben, dass das eigentlich viel mehr im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes ist, als das, was so mancher Innenminister veranstaltet. Also wir sind der festen Überzeugung, dass wir die eigentlichen Verfassungsschützer sind und das, was viele Geheimdienste machen, eigentlich den Ideen unserer Verfassung eher zuwiderläuft.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und diesen Grundesprit, eine freundschaftlich kritische Haltung zu staatlicher Gewalt, so wie eben gute Freunde einem sagen, wenn man zu weit geht. Da gibt es durchaus Parallelen zum privaten Umfeld. Wer will denn schon Ja-Sager im Freundeskreis? Man braucht natürlich auch Menschen, mit denen man feiern kann.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber wirklich wichtig ist, dass einem gute Freunde sagen, ey Ulf, das war richtig blöd oder mach das mal lieber nicht. Und genauso sehen wir auch unsere Rolle im, Quasi in diesem staatlichen Institutionengefüge. Also wir versuchen, die Justiz als Korrektiv zu aktivieren, damit sie einschreiten kann, wenn der Staat die Grenzen der Verfassung überschreitet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist so unsere Rolle. Und natürlich sollte man diesen Grundesprit teilen. Ja, das heißt also, so einen liberalen, kritischen Grundansatz gegenüber staatlicher Gewalt, den muss man natürlich mitbringen. Eine große Freundlichkeit gegenüber individuellen Menschenrechten, dass sich einfach zu überlegen, dass der Mensch einfach Kraft seines Menschseins, bestimmte Rechte hat und quasi der Staat für die Menschen da ist und nicht andersrum.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das sind so Grundideen, glaube ich, die man schon intuitiv teilen sollte, weil man sonst, glaube ich, einfach keinen Spaß hat an unserer Arbeit. Und dann ist aber natürlich auch wichtig, einfach eine sehr, sehr gute juristische Ausbildung.

NaN
Ulf Buermeyer:

Nun können wir nicht von unseren Praktis verlangen, dass sie schon fertig sind mit ihrem Studium, völlig klar. Klar, aber es ist uns schon wichtig, dass man insbesondere zum Thema Grundrechte, Staatsorganisationsrecht schon so ein paar Sachen gelernt hat und einfach vielleicht sogar schon das in irgendeiner Art und Weise mal angewendet hat.

NaN
Ulf Buermeyer:

Ja, zum Beispiel mal eine Seminararbeit geschrieben hat, wo man sich mit Fragen der Grundrechtsdogmatik beschäftigt hat. Natürlich ist auch Prozessrecht wichtig für uns, wobei man da immer sagen muss, das können wir jetzt von Praktiken wiederum nicht verlangen, das kommt ja im Studium sehr wenig vor.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber wer das mitbringt, da freuen wir uns natürlich auch.

12:39 Min
Marc Ohrendorf:

Wie sieht es für Referendare aus?

12:41 Min
Ulf Buermeyer:

Das sieht auch sehr gut aus. Wir haben inzwischen zwei bis drei Plätze parallel. Erfreulicherweise können wir also relativ viele Menschen ausbilden und hatten da bislang auch sehr großes Glück. Also wir hatten ganz tolle Referendarinnen und Referendare bisher.

NaN
Ulf Buermeyer:

Da haben wir jetzt gerade das Bewerbungsverfahren so ein bisschen professionalisiert. Also wir hatten früher so, wir haben die Bewerbung uns angerufen, wenn sie reinkamen und haben dann Ja oder Nein gesagt, ob es gerade passte. Wir haben jetzt quasi so Fristen eingeführt, das heißt wir nehmen immer Bewerbungen bis zu einem bestimmten Stichtag für einen Zeitraum in etwa einem Jahr.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt also mit so einem Vorlauf von 12, 18 Monaten müsste man sich schon bei uns bewerben und dadurch haben wir dann einfach für jeden Zeitraum einen kleinen Stapel und können eine etwas professionellere Auswahl durchführen. Bislang war das so Rolling Basis, das hat sich nicht so bewährt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Obwohl, wie gesagt, die Ergebnisse super waren, aber wir hatten das Gefühl, das ist eigentlich so ein bisschen unfair, weil man da einfach zu einer bestimmten Zeit irgendwie Glück hatte, wenn gerade was frei war. Jetzt gibt es halt ein klares Verfahren.

NaN
Ulf Buermeyer:

Es steht auch immer auf unserer Homepage. Wir suchen gerade Bewerbung für den und den Zeitraum, Bewerbungsfrist bis dann und dann. Und ja, wir freuen uns auf jeden Fall. Über jede Bewerbung und wir zahlen auch eine kleine Aufwandsentschädigung, wir zahlen irgendwie ein U-Bahn-Ticket für Berlin und so.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also ich glaube, dass das irgendwie ganz nett ist, auch für Menschen, die nicht aus Berlin kommen. Also ich glaube, dass es durchaus machbar ist, finanziell sich hier irgendwie ein Zimmerchen zu nehmen. Schön.

13:57 Min
Marc Ohrendorf:

Vielleicht zu dem Punkt, dass man freiheitsliebend sein sollte, könnten wir noch auf das Buch hinweisen, was dein Kollege gerade unter dem Titel Ich meine Rettet die Freiheit veröffentlicht hat. Ich habe das gestern noch in Vorbereitung auf die Sendung gelesen, knapp 100 Seiten, da kann man relativ schnell durch so ein Bändchen,

14:11 Min
Ulf Buermeyer:

So ein kleines Bändchen mal schauen.

14:13 Min
Marc Ohrendorf:

Wie sehr man sich denn damit identifiziert oder auch nicht.

14:16 Min
Ulf Buermeyer:

Ja genau, das ist ein super Tipp. Rettet die Freiheit von Bijan Mouini. Ja, Bijan ist quasi so der erste Jurist, den wir extern eingestellt haben. Also die GFF ist eben gegründet worden von einem Kreis von knapp 30 Leuten, viele Juristinnen und Juristen dabei.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und am Anfang haben wir tatsächlich auch ehrenamtlich gearbeitet, dann mit externen Litigatoren. Also zum Beispiel die erste Verfassungsbeschwerde gegen das sogenannte G10 hat für uns Professor Dr. Matthias Becker geschrieben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und die Koordination haben wir ehrenamtlich gemacht, in-house. Aber irgendwann hatten wir dann Gott sei Dank so viele Fördermitglieder, dass wir so die erste Stelle schaffen konnten im Legal Team und das war dann eben Bijan und der bringt einige Jahre Erfahrung mit aus einer Berliner Kanzlei, was auch von unschätzbarem Wert ist.

NaN
Ulf Buermeyer:

Der ist einfach erfahrener Prozessanwalt auch und da haben wir gemerkt, das ist ganz toll für unsere Arbeit, weil der einfach auch diese Schriftsatztechnik drauf hat und so. Insofern würde ich zum Beispiel jetzt überhaupt kein Großkanzlei-Bashing machen wollen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Auch wenn wir natürlich anders arbeiten in gewisser Hinsicht, merken wir schon, dass die, wie sagt man, die Skills, die man da lernt, dass die einfach auch für unsere Arbeit wahnsinnig wertvoll sind. Dass man einfach schreiben kann, sich klar ausdrücken kann, gut recherchieren kann und so.

NaN
Ulf Buermeyer:

Na gut, und Bijan ist jetzt eben so seit zwei, drei Jahren bei uns. Und, nee, zwei Jahre etwa, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Und er ist eben nicht mit einer ganzen Stelle bei der GFF, sondern schreibt nebenbei Bücher.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also er hat zunächst einen Roman geschrieben, der Würfel, wo es eine Vision einer Welt, in der es eine zentrale Instanz gibt, die versucht, alles über uns zu wissen. Und das Interessante an dem Buch ist, dass es keine Dystopie ist.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also es ist kein Horrorszenario, sondern er versucht, diese Welt einfach als eine interessante Alternative darzustellen, mit der man sich mal beschäftigen muss, so als Denkübung. Ich finde es total reizvoll. Und das ist aber natürlich fiktional.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und er hat jetzt ähnliche Gedanken nochmal auf einer sachlichen oder Sachbuchebene verarbeitet. Und auch da geht es um eine Welt, wo große Internetkonzerne allerdings unsere Freiheit beschneiden. Das heißt, da ist der Ansatz deutlich kritischer.

NaN
Ulf Buermeyer:

und er versucht darzustellen, warum das aber nicht quasi die Schuld der Technik ist. Warum das nicht unausweichlich ist, warum nicht das Internet zwingend ein Überwachungsmedium sein muss, sondern dass es im Wesentlichen mit den Interessen der Beteiligten zu tun hat, der Kapitalismus und so. Bestimmte Aspekte werden da ausgebreitet und dass es aber eben auch liegt an fehlender Regulierung.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dass es letztlich durchaus noch demokratischer Kontrolle unterliegen könnte, wenn die Staaten der Welt das denn tun würden. Und diese Welt ist unsere Welt. Genau.

16:44 Min
Marc Ohrendorf:

Er meint das, was gerade passiert.

16:46 Min
Ulf Buermeyer:

Genau, das ist ein guter Hinweis. Das ist also nicht in der Zukunft. Der Würfel spielt in, I don0027t know, das sagt er nicht genau, aber man kann sich vorstellen in 50 Jahren vielleicht, vielleicht auch nur in 30 Jahren, während Rettet die Freiheit in der Jetztzeit spielt und im Grunde ein Appell ist an die Verantwortlichen in den Staaten, aber auch in den Gesellschaften, jetzt doch endlich mal das Internet in einer sinnvollen Weise zu regulieren, damit es eben tatsächlich ein Medium der Freiheit werden kann.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das war ja so die große Utopie der ausgehenden 90er, als sich das Internet durchgesetzt hat, dass jetzt endlich der Diskurs wirklich fruchtbar wird und wir alle uns äußern können und so weiter und so weiter und quasi das goldene Zeitalter der Demokratie beginnt und was wir bekamen ist die AfD. Insofern muss man schon sagen, es gibt da glaube ich großen Regulierungsbedarf und auch Änderungsbedarf und ich finde, dass der Vision das sehr schön darlegt, wo aus seiner Sicht so wichtige Stellschrauben sind.

17:42 Min
Marc Ohrendorf:

Thema-Themensprung, aber wir versuchen ein bisschen die Brücke hinzukriegen, nämlich Technik-Themen und Juristen. Wir zäumen das Pferd ein kleines bisschen von hinten aus. Komm gleich nochmal auf deine Arbeit bei der GfM zurück, würde ich vorschlagen.

NaN
Marc Ohrendorf:

Aber wo wir gerade bei Technik-Themen sind. Mich persönlich frustriert es, wenn ich sehe, dass gerade Legal Tech überall draufgeschrieben wird, wenn ein Jurist in der Tastatur hackt. Und du plädierst gerade dafür, dass man diese Zusammenhänge besser versteht, dass man vielleicht auch juristisch das Ganze dann besser einordnen kann, was passiert.

NaN
Marc Ohrendorf:

Ja, Stichwort Datenschutzrecht. Für mich geht das aber noch deutlich weiter, dass man auch sagt, okay, welche gesamtgesellschaftlichen, für euch natürlich auch, nehme ich an, welche gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen hat das Ganze denn überhaupt? Und wenn ich jetzt als Jurist sage, naja, ich habe natürlich auch eine gesellschaftliche Funktion, unabhängig davon, in welcher Rolle ich diese ausfülle, dann frage ich mich wiederum, tun wir gerade in der Ausbildung genug dafür, dass diese technischen Zusammenhänge, die dann natürlich auch mit wirtschaftlichen und kapitalistischen Interessen zusammenhängen, dass die wirklich verstanden werden? Oder ist unsere Ausbildung da zu altbacken? Wie siehst du das?

18:48 Min
Ulf Buermeyer:

Also ich muss eigentlich voranschicken, dass meine persönliche juristische Ausbildung jetzt auch schon ein paar Jahre her ist. Das heißt, ich tue mich etwas schwer damit, quasi die aktuelle Ausbildung zu bewerten, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es ja einfach eine ganze Menge an juristischen Fakultäten gibt in Deutschland und jede das auch ein bisschen anders anpackt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Wenn wir jetzt mal das Stichwort Marktwirtschaft oder Kapitalismus uns überlegen, da kann ich mich an meine eigene juristische Ausbildung erinnern, insbesondere im Zivilrecht, dass das überhaupt nicht reflektiert wurde, welches Wertesystem eigentlich dahinter steht. Dass das BGB jedenfalls von seinem Ursprung her ein krass neoliberales Gesetzbuch war, wo das Recht des Stärkeren gilt, was dann so kulminiert in so Formulierungen wie Geld hat man zu haben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also es gibt keine subjektiven Möglichkeiten bei Geld. Jeder wird sich erinnern. Jeder wird sich erinnern. Und ähm. Und aus dieser Perspektive muss man sagen, da ist noch nicht mal so eine ideologische Einordnung vorgenommen worden, geschweige denn sowas wie eine Ideologiekritik.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das musste man sich dann selber anlesen, dass das einfach eine bestimmte Zeit war, nämlich so die Frühzeit des Wilhelminismus, wo in Deutschland einfach sowas wie eine extrem freie Marktwirtschaft herrschte. Und wo zum Beispiel Streiks allen Ernstes von manchen Gerichten als strafbare Erpressung angesehen wurden, weil die Streiken dann irgendwie den Arbeitgeber ja unter Druck setzten, ihnen mehr Geld zu bezahlen und dass es möglicherweise sowas wie ein Streikrecht gibt, ist eine Vorstellung, die sich erst durchsetzen muss.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und diese Form von Ideologiekritik zum Beispiel ist in meinem juristischen Studium überhaupt nicht vorgekommen. Das musste man sich privat dann mal anlesen, was da möglicherweise dahinter steht. Und insofern könnte ich mir gut vorstellen, dass es heute so ähnlich läuft bei der Diskussion von Rechtsfrage rund um das Internet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dass also insbesondere sich niemand die Frage stellt, was sind denn eigentlich die ökonomischen Triebkräfte hinter der Internetentwicklung? Warum werden denn soziale Netzwerke so und nicht so konzipiert? Und dazu muss man natürlich auch sagen, dass das einen sehr multidisziplinären Ansatz erfordern würde. Also da spielt glaube ich eine Menge Sozialpsychologie mit rein, sich zu überlegen, warum sind Netzwerke so oder so gestaltet, warum schaffen es vor allem die Vereinigten Staaten nicht, jedenfalls per Saldo mit wenigen Ausnahmen, ihre Internetunternehmen einer sinnvollen Regulierung zu unterwerfen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dafür gibt es ja auch wiederum politische Gründe, warum das so ist, warum zum Beispiel amerikanische Datenschutzbehörden quasi vorfreudig immer auf die Datenschutzgrundverordnung geschaut haben, weil sie gesagt haben, ihr kriegt in Europa wenigstens irgendeine Form von Regulierung hin, womit ich mich jetzt nicht als pauschalen Befürworter aller Aspekte der Datenschutzgrundverordnung bezeichnen möchte. Die hat ihre Stärken und Schwächen, aber jedenfalls grosso modo, glaube ich, ist es schon ein guter Ansatz, da überhaupt mal zu einer Form von Regulierung zu kommen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber wie gesagt, mir fällt es sehr schwer, jetzt konkret zu beurteilen, wie die heutige juristische Ausbildung ist. Ich würde nur formulieren wollen, dass es, glaube ich, sehr, sehr wichtig wäre, diese Triebfedern zu verstehen, die zum Beispiel das Internet gestalten, denn diese Triebfedern sind ja durchaus grundsätzlich änderbar.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist ja das Schöne an einer Marktwirtschaft, weswegen ich auch glaube, dass sie potenziell ein sehr freiheitsfreundliches Regelungsmodell sein kann und zwar sowohl für ökonomisch starke als auch für ökonomisch schwache, weil man über die richtigen Anreize sehr starken Einfluss nehmen kann auf die Akteure im Wirtschaftsleben. Also ich glaube, es ist wesentlich wirksamer, bestimmte Dinge einfach etwas teurer zu machen und dadurch Akzente zu verschieben, als Dinge einfach schlicht zu verbieten.

NaN
Ulf Buermeyer:

Denn das zeigt so alle rechtssoziologische Erkenntnis, dass das Verbieten ganz häufig dann dazu führt, dass Menschen irgendwelche Hintertüren finden oder sogar dazu führen, dass Märkte erst entstehen. Denken wir an den Markt für illegale Drogen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also man kann nirgendwo solche gigantischen Profite einfahren wie in diesem Bereich und zwar dank der staatlichen Prohibitionspolitik. Und insofern glaube ich, Verbote, klar, haben an manchen Stellen ihre Berechtigung, aber sie sind sicherlich nicht das erste Mittel der staatlichen Einflussnahme. Und ich glaube gerade im Internetbereich könnte man noch eine Menge mehr machen, gerade über Anreizsysteme.

NaN
Ulf Buermeyer:

Vielleicht haben zum Beispiel die Franzosen mit ihrer Internetsteuer da gerade einen ganz sinnvollen Ansatz gefunden, da sehe ich jetzt noch keine starke Lenkungswirkung zum Beispiel im Hinblick auf Privatsphäre, freundliche Internetkonzerne, aber immerhin wird mal ein Teil des Rahmens abgeschöpft und damit gesellschaftlich nutzbar gemacht.

22:58 Min
Marc Ohrendorf:

Also wenn euch das fehlt in eurem Studium, du sagtest es gerade, es gibt zig Fakultäten in Deutschland, dann kann ich euch oder wir wahrscheinlich euch natürlich nur raten, sich das auch privat nochmal anzuschauen und euch beispielsweise mal die Frage zu stellen und nochmal kurz auf das Buch, was wir eben erwähnt haben, zurückzukommen, wer ist eigentlich die Target

NaN
Marc Ohrendorf:

Group von Facebook? Seid das ihr oder sind das nicht die Werbekonzerne?

23:18 Min
Ulf Buermeyer:

Zum Beispiel, genau. Das finde ich auch sehr interessant und es gibt natürlich auch, sollte man vielleicht an der Stelle nochmal ausdrücklich erwähnen, an vielen Fakultäten sogenannte kritische Jura-Gruppen, zum Beispiel und auf Bundesebene dann den Bundesarbeitskreis kritischer Jura-Gruppen. Das ist auch immer interessant mal zu schauen, was die so vor Ort machen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist, wie soll ich sagen, jetzt vielleicht ideologisch auch nicht jedermanns Sache oder jeder Frau Sache, aber es ist auf jeden Fall interessant mal zu schauen, weil die eben häufig versuchen, so einen kritischen Blick auf die in Anführungsstrichen herrschende Meinung zu werfen. Man muss ja nicht alles inhaltlich übernehmen, was die so sagen oder was VertreterInnen von AKJs dann so sagen oder was zum Beispiel auf Forum Recht publiziert wird, was quasi die Zeitschrift ist der kritischen Juragruppen in Deutschland.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber ich denke, es ist auf jeden Fall ganz wertvoll, um den eigenen Horizont zu erweitern und jedenfalls auch mal einen kritischen Blick zu werfen auf quasi so die Ideologien, die ja auch hinter der Juristerei stehen in Deutschland. Also jedes Recht biegelt ja im Grunde eine Vorstellung von der Welt und Vorstellung von Menschen wieder.

24:23 Min
Marc Ohrendorf:

Und wenn ihr sagt, ihr habt dazu keine Zeit, weil ihr mal wieder zu sehr in der Examenvorbereitung hockt, dann hört einfach die Lage, da habt ihr das immer schön zumindest in anderthalb Stunden pro Woche zusammengefasst.

24:32 Min
Ulf Buermeyer:

Wir geben uns alle Mühe, ja.

24:34 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, zurück. Zurück zur GFF kurz und was ihr dort eigentlich genau macht. Ihr wart zuletzt aktiv am Bundesverfassungsgericht letzte, letzte, vorletzte Woche mit eurer Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz. Was hat es denn damit auf sich?

24:52 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, das BND-Gesetz ist mittelbar ein Kind Edward Snowdens interessanterweise. Vielleicht wird sich der eine oder andere noch erinnern, im Jahr 2013 hat Edward Snowden, ein ehemaliger Mitarbeiter, mittelbar Mitarbeiter der NSA, also des amerikanischen IT-Geheimdienstes, offengelegt, dass die Vereinigten Staaten, aber auch eine Reihe von Partnerländern im großen Stil das Internet überwachen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dass sie ja also quasi den Datenverkehr im Internet erstmal so mitschneiden, die Daten auf irgendwelchen Festplatten speichern und dann später mal schauen, was man damit alles so anfangen kann. Also quasi aus der Perspektive des deutschen Verständnisses von informationaler Selbstbestimmung.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also keine Vorratsdatenspeicherung, keine Speicherung von Daten zu einem noch nicht klar bestimmten Zweck, also der Super-GAU. Und daraufhin gab es dann einen Untersuchungsausschuss des Bundestages, um zu untersuchen, wie weit deutsche Behörden darin verwickelt sind in diesem Überwachungsskandal. Turns out, deutsche Behörden waren da nicht nur irgendwie darin verwickelt, sondern der BND hat sogar fleißig mitgespielt und versucht, mit seinen beschränkten finanziellen und technischen Möglichkeiten sowas ähnliches wie die NSA zu sein.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also auch das Internet zu überwachen und zwar mit der sogenannten strategischen Telekommunikationsüberwachung. Das war zunächst mal illegal, wie der NSA-Untersuchungsausschuss herausgefunden hat und dann hätte man ja denken können, dass der BND das sein lässt. Stattdessen hat die Große Koalition dann aber dieses Treiben legalisiert und hat Rechtsgrundlagen dafür in das BND-Gesetz geschrieben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und die Frage ist allerdings, ob diese Rechtsgrundlagen tatsächlich auch verfassungsgemäß sind. Vielleicht ganz kurz, was passiert eigentlich technisch? Der BND lässt sich von bestimmten Internetknoten den gesamten Datenverkehr auf bestimmten Internetleitungen ausleiten. Da muss man sich vorstellen, wird so eine Weiche eingebaut, die Daten fließen dahin, wo sie eigentlich hin sollen und dann nochmal zum BND.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist die eine Methode. Die andere Methode ist das Mitschneiden von Satellitenleitungen. Also der sogenannte Downlink vom Satelliten zur Erde wird einfach mit irgendeiner großen Schüssel mitgeschnitten. Und diesen Datenverkehr filtert der oder durchsucht der BND dann nach Dingen, die er interessant findet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also mit den sogenannten Selektoren, das sind so Suchbegriffe, mit denen sucht er in diesem Datenstrom Daten. Da gibt es irgendwie eine sechsstellige Zahl von Suchbegriffen und versucht dann daraus irgendwelche Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist so diese Grundstruktur der strategischen Telekommunikationsüberwachung.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und das Spannende daran ist, dass das eben keine zielgerichtete Überwachung ist. Also im Strafverfahren kennen wir das alle, bei einem Verdächtigen wird das Telefon angezapft. Dagegen hat im Prinzip auch aus bürgerrechtlicher Sicht niemand was.

NaN
Ulf Buermeyer:

Es gibt gute Gründe für einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis, wenn das zielgerichtet erfolgt und zum Beispiel auf der Grundlage eines hinreichenden konkreten Tatverdachts einer schweren Straftat. Das Problem beim BND ist, dass es diese ganzen Voraussetzungen nicht gibt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt also, der BND schneidet einfach alles mit und durchsucht es dann mit diesen Selektoren und es gibt dafür praktisch keine rechtlichen Grenzen, weil der BND diese Selektoren selber festlegt.

27:43 Min
Marc Ohrendorf:

Kurze Einordnung, der BND ist eigentlich ein Auslandsgeheimdienst, korrekt?

27:47 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, der BND ist interessanterweise verfassungsrechtlich gestützt auf die Kompetenz des Bundes für die auswärtigen Angelegenheiten. Das heißt, der BND ist eigentlich so eine Art auswärtiger Dienst mit anderen Mitteln. Also der soll eigentlich die Bundesregierung mit Informationen versorgen aus dem Ausland, damit sie ihre Außenpolitik darauf ausrichten kann.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das war die ursprüngliche Idee. Allerdings, und das ist auch bis heute die verfassungsrechtliche Verankerung, also quasi kompetenziell stützt der Bund die gesamte Tätigkeit des BND bis heute auf die auswärtigen Beziehungen. Allerdings muss man natürlich sehen, dass in der praktischen Arbeit der BND inzwischen immer mehr auch zu einer Art Sicherheitsbehörde geworden ist, zu einer Gefahrenabwehrbehörde.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt also, er hat ausdrücklich nach dem BND-Gesetz heute auch den Auftrag, Gefahren für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik abzuwehren. Und bei der äußeren Sicherheit, Stichwort militärische Bedrohungen oder vielleicht Bedrohung deutscher Soldaten im Ausland, würde man immer noch sagen, naja okay, also im weitesten Sinne mögen das noch auswärtige Beziehungen sein.

NaN
Ulf Buermeyer:

Wie allerdings die Tätigkeit zur Aufklärung zum Zweck der inneren Sicherheit auf auswärtige Beziehungen zu stützen sein könnte, ist ein großes Problem. Auch aufgeworfen vom ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts, vor dem die Verfassungsbeschwerde der GFF verhandelt wurde. Dabei haben wir dieses Kompetenzproblem ursprünglich gar nicht aufgeworfen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also aus Sicht der GFF ist der zentrale Knackpunkt die Frage, ob diese strategische TKÜ, diese nicht gerichtete Aufklärungsarbeit im Internet, Überwachungstätigkeit, ob das denn tatsächlich mit dem Telekommunikationsgeheimnis zu vereinbaren ist. Also das Telekommunikationsgeheimnis, Artikel 10 des Grundgesetzes, hat ja im Prinzip so die Mission, sicherzustellen, dass man bei der Fernkommunikation genauso viel Privatsphäre genießt, wie wenn man zu zweit durch den Park wandelt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist die Grundidee. Also das Telekommunikationsgeheimnis möchte Privatheit über die Distanz herstellen. Denn wenn zwei Menschen über eine Leitung kommunizieren, dann müssen sie sich einfach darauf verlassen können, dass der Staat diese Leitung nicht abhört, sonst gibt es keine Privacy in diesem Bereich.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und wie gesagt, grundsätzlich kann das eingeschränkt werden unter bestimmten Voraussetzungen. Die Bundesregierung allerdings geht davon aus, dass das Telekommunikationsgeheimnis gar nicht gilt, wenn der BND im Ausland Daten mitschneidet. Also die Idee dieses BND-Gesetzes ist, das ist eine Art grundrechtsfreier Raum und so ist das eben auch geschrieben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also normalerweise würde man ja verfassungsrechtlich erwarten, na gut, Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis und dann gibt es konkrete Tatbestandsmerkmale, Oder diese zum Beispiel Gefahrenschwelle muss erreicht sein oder so irgendwelche Anknüpfungspunkte und dann darf gezielt mitgeschnitten werden und so läuft es eben nicht im BND-Gesetz und daran hängt sich die Kritik der GFF auf. Also wir sagen nicht, es darf kein BND geben oder es darf keine Auslandsaufklärung geben, wir sagen nur, es gilt das Telekommunikationsgeheimnis und dann muss es auch bestimmte Voraussetzungen geben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dann kann man eben nicht mehr anlasslos lauschen, sondern dann muss man gezielt lauschen und ich glaube, das zentrale Mittel dazu wäre, dass man diese Selektoren, die Suchbegriffe sind, mit denen der BND den Datenstrom durchkämmt, dass man die eben nicht alleine dem BND überlässt. Da gibt es bislang überhaupt keine Kontrolle, niemand außerhalb des BND weiß, wer sind diese Selektoren und die werden teilweise sogar noch von ausländischen Diensten zugeliefert und dann vom BND in so einer Art Auftragsspionage als Suchbegriffe verwendet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und ich bin sehr gespannt, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagen wird. Nach der Verhandlung hatten eigentlich alle den Eindruck, dass jedenfalls mal Artikel 10 des Grundgesetzes grundsätzlich gilt für diese Aufklärungstätigkeit. Insofern...

NaN
Ulf Buermeyer:

Dürfte das BND-Gesetz nicht zu halten sein, denn da ist schon jetzt für die Juristinnen und Juristen im Saale das Zitiergebot verletzt.

31:15 Min
Marc Ohrendorf:

Artikel 10 eingeschränkt wird.

31:16 Min
Ulf Buermeyer:

Genau, denn wenn ich es richtig weiß, Artikel 19 Absatz 1 Grundgesetz, wenn ein Gesetz ein Grundrecht einschränkt, dann muss das Gesetz das wenigstens offenlegen. So eine Warnfunktion zum Beispiel, Besinnungsfunktion für den Gesetzgeber. Und wenn das Bundesverfassungsgericht tatsächlich sagt, dass das BND-Gesetz einen Eingriff darstellt in Artikel 10, dann war es das eigentlich schon aus formalen Gründen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Denn der Bundestag, die Bundesregierung waren so, ich würde mal sagen, blasiert, dass sie einfach gesagt haben, nö, also das ist kein Eingriff in Artikel 10, deswegen müssen wir auch das Zitiergebot nicht erfüllen. Also aus meiner Sicht ein Fall von bizarrer Hybris, man hätte ja einfach quasi sicherheitshalber mal das Zitiergebot erfüllen können, nach dem Motto, man weiß ja nie.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das haben sie aber nicht gemacht. Wie kleine Kinder, aus lauter Trotz, obwohl sie genug gewarnt worden sind, auch in den Anhörungen im Bundestag, wie im Sandkasten. Echt bizarr.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und allein daran könnte das BND-Gesetz jetzt schon scheitern. Denn wie gesagt, dass Artikel 10 jedenfalls für weite Teile dieser Aufklärungsarbeit gilt, da hat der Senat eigentlich kaum einen Zweifel gelassen. Wie gesagt, man darf den Entscheidungen nie vorgreifen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Man weiß nie, wie die Beratungsdynamik läuft im ersten Senat. Aber das würde mich sehr wundern, wenn da nicht wenigstens in Teilen gesagt würde, dafür gilt Artikel 10. So und dann ist die Frage, was folgt daraus und unsere Hoffnung wäre, dass wir zu einer effektiven Kontrolle dieser Selektoren kommen, einfach weil die das funktionale Äquivalent sind des richterlichen Beschlusses.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also normalerweise hat man immer bei Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis einen Beschluss von irgendeinem Richter oder einer Richterin natürlich und die prüfen dann und das könnte man abbilden, indem die Selektoren irgendwie geprüft werden. Entweder vorab oder es muss sicher Eilfälle geben, wo der BND schnell reagieren muss, aber dann müssen die Selektoren eben im Nachhinein geprüft werden.

33:02 Min
Marc Ohrendorf:

Das kennt man ja auch von allen möglichen anderen Eingriffen in der STPO zum Beispiel.

33:05 Min
Ulf Buermeyer:

Genau. Das wäre dann so der Parallelfall. Normalerweise richterlicher Beschluss. Im Eilfall kann der Staatsanwalt das anordnen oder die Staatsanwältin. Und dann muss es aber richterlich bestätigt werden und genauso könnte man sich das beim BND auch vorstellen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Die Selektoren müssen grundsätzlich genehmigt werden, zum Beispiel von der G10-Kommission oder jetzt von dem neuen unabhängigen Gremium, muss man sich überlegen, wer das macht. Und in Eilfällen darf der BND einen Selektor schon mal benutzen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Wie heißt es nochmal, da gibt es im Geheimdienst-Sprech so einen interessanten… Steuern, genau. Steuern finde ich sehr schön. Die Schlapphüte sprechen wir davon, dass die Selektoren steuern, wenn sie die verwenden, um damit den Datenstrom zu durchkämmen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Ich denke, in allen Fällen muss der BND auch Selektoren steuern können, ohne dass es eine vorherige Anordnung gibt von irgendwem anders. Aber da müssen wir die im Nachhinein prüfen lassen.

33:57 Min
Marc Ohrendorf:

Es gibt hierzu übrigens einen sehr interessanten Podcast von Netzpolitik.org mit Constanze Kurz. Die war, wenn ich das Recht erinnere, auch für den CCC vor Ort als entsprechende Sachverständige. Und die fasst das auch nochmal ganz schön zusammen.

NaN
Marc Ohrendorf:

Nicht so sehr von der juristischen Seite, aber ein kleines bisschen von der technischen dann, wenn euch das interessiert. Was ich gerne von dir noch wissen würde und was hoffentlich auch viele Zuhörende interessiert ist, so ein Verfahren von dem Bundesverfassungsgericht ist ja relativ spektakulär und ist etwas, wenn man im zweiten, dritten, vierten Semester ist, kennt man das aus seinen entsprechenden Gesetzbüchern und man hat seine Prüfungsschemata.

NaN
Marc Ohrendorf:

Wie läuft das Ganze faktisch ab? Wie sieht so ein Tag in einer mündlichen Anhörung beim Bundesverfassungsgericht aus?

34:35 Min
Ulf Buermeyer:

Ehrlich gesagt ist das in jeder Hinsicht hochreck, denn das ist inhaltlich sehr spannend und das ist auch einfach sehr anstrengend. Also muss ich das so vorstellen, dieses Verfahren hat ja die Gesellschaft für Freiheitsrechte initiiert, wir haben uns dann BeschwerdeführerInnen gesucht, nämlich JournalistInnen, die eben Eingriffe in ihre Grundrechte besonders plausibel gelten machen können.

NaN
Ulf Buermeyer:

Wir haben uns mit Reporter ohne Grenzen zusammengetan, aber es ist eigentlich ein Verfahren der GFF, was wir koordiniert haben und deswegen haben wir auch vor dieser Verhandlung noch einen Pressetermin erstmal organisiert. Das heißt, mein Tag begann schon um acht vor dem Bundesverfassungsgericht mit einem Pressetermin, wo dann Fernsehteams da waren und Fotos gemacht wurden und so, wo wir noch ein paar Statements abgegeben haben.

NaN
Ulf Buermeyer:

Dann war irgendwann Einlass und dann gibt es für die Beschwerdeführerseite gibt es dann auch so ein kleines Zimmerchen, da saßen wir dann mit unserer Delegation zusammen, das war in diesem Fall Professor Dr. Matthias Becker, der auch diese Verfassungsbeschwerde geschrieben hat für die GFF, langjähriger ehemaliger Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts, sehr erfahren und ein absoluter Spezialist im Bereich Geheimdienstrecht, wahrscheinlich einer der zwei, drei Leute in Deutschland, die das am besten kennen, dieses Rechtsgebiet, dazu auch sich habilitiert.

NaN
Ulf Buermeyer:

Genau, dann Dr. Bijamuini, der eben dieses Buch geschrieben hat, von dem eben schon die Rede war, der bei der GFF dieses Verfahren betreut. Christian Mier, der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen und meine Wenigkeit.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also wir vier waren so die Delegation, gab es noch ein, zwei andere Leute, aber das war so im Prinzip die Delegation. Wir saßen zusammen, haben uns noch so ein bisschen überlegt, wer jetzt was sagen soll. Genau, und dann geht es irgendwann kurz vor zehn hoch in den großen Saal und wir saßen da quasi auf der linken Seite des Saales aus Sicht der Richterbank, also auf der rechten Seite in der ersten Reihe.

NaN
Ulf Buermeyer:

Da gibt es dann so Schildchen, Beschwerdeführer, Bevollmächtigte und da setzt man sich hin und wir saßen dann also unmittelbar unter den Augen der acht Richterinnen und Richter und haben da diese Verhandlung verfolgt. Und ich habe eben schon gesagt Hochrecht deswegen, weil ich ehrlich gesagt sehr beeindruckt war von der extrem akribischen Vorbereitung des Senats.

NaN
Ulf Buermeyer:

Es war sehr beeindruckend, wie genau, so nach meiner Wahrnehmung, tatsächlich alle Mitglieder da eingearbeitet waren. Also ich habe in meinem Leben, glaube ich, so knapp 20 Verhandlungen verfolgt in Karlsruhe, weil man natürlich während der Hiwi-Zeit alle mitnimmt, die eben da so stattfinden und ich war auch sonst schon ein paar Mal da.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und natürlich kommen da immer gute Fragen, das soll jetzt nicht in den falschen Hals geraten, aber dieses Mal fand ich das schon bemerkenswert, wie viele gute Fragen kamen auch von der ganzen Richterbank. Also nicht immer sind alle so fit im Stoff und dem Vernehmen nach liegt es auch an der sehr guten Vorbereitung durch Johannes Masingen, das ist der Berichterstatter im ersten Senat, also quasi der Richter, der diesen Fall vorbereitet.

NaN
Ulf Buermeyer:

Der soll ein über 600 Seiten langes Votum geschrieben haben. Also ein über 600 Seiten langes Rechtsgutachten. Und da kann man sich vorstellen, dürfte einfach eine Menge Stoff drinstehen.

37:14 Min
Marc Ohrendorf:

Der auch schon an anderen ziemlich brisanten Entscheidungen mitgewirkt hat, auch als Berichterstatter. Der ist relativ bekannt.

37:19 Min
Ulf Buermeyer:

Der ist relativ bekannt durch seine Arbeit in Karlsruhe. Er ist überhaupt auch, wie ich finde, eine außerordentlich angenehme Persönlichkeit, interessante Persönlichkeit. Er ist ja nebenbei auch noch Konzertpianist, hat also die Ausbildung und hat sich dann quasi auf den letzten Metern entschieden, doch Jurist zu werden.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und er hat die Nachfolge von Wolfgang Hoffmann-Riemen angetreten in dem, wie ich persönlich finde, wohl spannendsten Senat des Bundesverfassungsgerichts, nämlich auf der Richterstelle, die zuständig ist für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Datenschutz. Also wirklich ganz viele zentrale Grundrechte für das Funktionieren einer Demokratie sind in der Zuständigkeit von Johannes Masing und das ist auch der Grund, weswegen er immer wieder spannende Entscheidungen zu treffen hat.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also zum Beispiel die Entscheidung zur Online-Durchsuchung über Staatstrojaner stammt noch von Wolfgang Hoffmann-Riemen aus dem Jahr 2008, aber dann 2010 die erste Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung stammt schon von Johannes Masing und zuletzt 2016. Dann hat er mit einer ja auch quasi lehrbuchartigen Entscheidung zum BKA-Gesetz Schlagzeilen gemacht und da gab es eben auch so ein extrem ausführliches Votum, damals sollen es sogar 700 Seiten gewesen sein, Senatsvotum für die Beratung des ersten Senats und da ist ja auch eine viel beachtete und wie ich finde in vielerlei Hinsicht auch bahnbrechende Entscheidung dabei rausgekommen, wo er einfach ganz viele Fragen so rund um das Polizeirecht mal glatt gezogen hat.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das ist nicht er alleine, mit dem Senat zusammen natürlich. Und deswegen ist die Hoffnung der Gesellschaft für Freiheitsrechte, dass wir tatsächlich auch jetzt zum Thema Geheimdienste, Geltung von Grundrechten im Ausland einfach eine Grundlageentscheidung bekommen werden. Und die Erwartung geht so ein bisschen dahin, dass sich da Johannes Masing quasi nochmal so ein kleines Denkmal setzen möchte.

NaN
Ulf Buermeyer:

Aber wie gesagt, das wissen wir natürlich nicht. Aber er hat ja sehr viele Spielräume, welche Fälle er zur Senatssache macht und welche Fälle er einfach auch gar nicht mehr entscheidet. Also er wird nicht alle Fälle in seinem Dezernat noch schaffen, weil er jetzt im Sommer vermutlich ausscheiden wird, turnusgemäß.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und allein die Wahl dieses Verfahrens als sein letztes großes Verfahren spricht ja irgendwo Bände.

39:21 Min
Marc Ohrendorf:

Okay, ihr seid dort, die Richter sind entsprechend super vorbereitet, es wird auch relativ wenig, muss man vielleicht zur Erläuterung nochmal sagen, dessen, was man bereits eingereicht hat, überhaupt wiedergekaut, sondern es geht wirklich darum, Follow-up-Fragen zu stellen, vertiefte Fragen zu stellen, was noch unklar ist.

39:37 Min
Ulf Buermeyer:

Ja genau, so kann man das sagen. Also die Schriftsätze sind ja auch insgesamt irgendwie 500 Seiten lang. Das heißt, es würde auch relativ wenig Sinn machen, da jetzt nochmal ausführlich alles durchzukauen. Sondern es gibt dann immer eine Verhandlungsgliederung.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das heißt, der Senat legt vorher so eine Art Tagesordnung fest, worüber er reden möchte. Und das war in diesem Fall zunächst mal eben die Frage der Gesetzgebungskompetenz, habe ich eben schon angesprochen. Das ist all das, was der BNP…, Ist all das, was der BND macht, tatsächlich noch abzubilden über die auswärtigen Angelegenheiten? Dann ging es ganz lange um die Frage Grundrechtsgeltung, Artikel 10, wo, muss man sagen, der Vertreter der Bundesregierung unglaublich gegrillt wurde, ehrlich gesagt.

NaN
Ulf Buermeyer:

Das kann keine schöne Situation gewesen sein. Und was dann irgendwie, fand ich auch ein Stück weit ins Absurde abglitt, als er nämlich vertrat, dass man aus der Präambel des Grundgesetzes, damit gilt dieses Grundgesetz für das ganze deutsche Volk, ja mit der deutschen Einheit, Dass man daraus nämlich ablesen könne, dass die Grundrechte überhaupt nur für das deutsche Volk gelten.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und da sagt einem jeder Jurastudierende im zweiten Semester, wieso gibt es dann deutschen Rechte und allgemein geltende Grundrechte? Das ist ein offensichtlich nicht zielführendes Argument.

40:45 Min
Marc Ohrendorf:

Also den Teil der Präambel bitte nicht in der Klausur abschreiben, wenn man gar keine Ahnung mehr hat.

40:48 Min
Ulf Buermeyer:

Genau, das ist eine ganz schlechte Idee. Ich meine, klar, was soll der gute Mann machen? Also diese Position Artikel 10 gilt nicht, ist halt unhaltbar und er muss halt irgendwas sagen. Aber da würde ich mal sagen, hat er sich ein bisschen verrannt und das können dann auch unschöne Situationen werden, weil da nämlich irgendwann von der Richterbank sarkastische Bemerkungen kommen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Also das wird dann auch schnell hässlich und insofern, ja das war nicht, deswegen die allseits verbreitete Erwartung, dass diese grundsätzliche Geltung in Artikel 10 angenommen werden wird, weil sich da einige, muss man fast sagen, über den Vertreter fast lustig gemacht haben. Das war, was heißt lustig, das ist ein bisschen hart formuliert, aber jedenfalls wurde deutlich, dass das jetzt kein schlagendes Argument war mit der Präambel.

41:26 Min
Marc Ohrendorf:

Im Rahmen dieses Verfahrens und wie sonst miteinander gesprochen wird, war es anscheinend ein starkes Zeichen.

41:31 Min
Ulf Buermeyer:

Das war ein starkes Zeichen. Es ging dann aber im weiteren Verlauf nicht nur um Rechtsfragen, sondern auch sehr, sehr weitgehend, Um Tatsachenfragen, also es ging vor allem wirklich darum, was macht der BND eigentlich, denn das sollte ja schon jahrelang aufgeklärt werden im sogenannten NSA-Untersuchungsausschuss und wer das so ein bisschen verfolgt hat, der konnte sich glaube ich des Eindrucks nicht erwehren, dass der BND einfach gar nichts sagt, noch nicht mal, dass der BND für Bundesnachrichtendienst steht.

NaN
Ulf Buermeyer:

Die hatten also eine, auch in vielen Bereichen, ans Absurde grenzende Geheimhaltungspolitik und aus meiner Sicht eine bizarre Missachtung des demokratischen Gesetzgebers. Also wie sehr da gemauert wurde und wie sehr da letztlich ein Exekutivorgan sich der demokratischen Kontrolle entziehen wollte in diesem NSA-Untersuchungsausschuss, das hat mich als Staatsbürger sehr irritiert, muss ich ganz ehrlich sagen.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und da muss man auf der anderen Seite aber anerkennen, dass der BND das in Karlsruhe ganz anders gespielt hat. Also die haben Dinge problemlos einfach mal gesagt, um die es im NSL-Industrierausschuss monatelange Streitigkeiten gegeben hätte. Vielleicht ist das ein gewisser Kulturwandel, vielleicht liegt es aber auch daran, dass man einfach Sorge hat, dass Mauern gegenüber dem Bundesverfassungsgericht auch Abwehrreaktionen zur Folge haben könnte.

NaN
Ulf Buermeyer:

Ich weiß es nicht, auf jeden Fall wäre meine Position, dass schon dieses Verfahren an sich ein großer Gewinn ist für unsere Rechtsstaatlichkeit in Deutschland, weil wir einfach Erkenntnisse gewonnen haben über die Arbeit des BND, die wir so 70 Jahre nicht hatten. Insofern denke ich mal, ist dieses Verfahren jetzt schon ein Erfolg, ungeachtet der später ergehenden Entscheidung.

43:02 Min
Marc Ohrendorf:

Eigentlich ein schönes Schlusswort. Belassen wir es dabei. Ulf, vielen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast. Ich kann nur noch mal sagen, du bist ein Leuchtturm dessen, was man mit juristischen Fähigkeiten erreichen kann.

NaN
Marc Ohrendorf:

Und ich glaube, Inspiration für viele Zuhörenden, wo vielleicht der Weg einmal hingehen könnte und mit welchen Themen man sich noch außerhalb der ausgetretenen Pfade beschäftigen kann.

43:22 Min
Ulf Buermeyer:

Ja, ganz herzlichen Dank für die Einladung in diesem Podcast und wenn ich tatsächlich noch einen Satz dazu sagen darf. Ich glaube, es lohnt sich, über das hinauszuschauen, was unmittelbar Examenstoff ist. Ich habe sehr gut in Erinnerung, wie groß die Versuchung ist, immer so in Effizienzkategorien zu denken, bringt mich das im Examen weiter.

NaN
Ulf Buermeyer:

Und so weiter. Klar, das muss man auch, das ist völlig klar, man muss sich konzentrieren auf den Examenstoff, aber es ist doch immer wertvoll, einfach sich die Frage zu stellen, okay, so ist die Rechtslage und was bedeutet das jetzt eigentlich gesellschaftlich? Welche Interessen sind das, die dahinter stehen? Wer profitiert von dieser Rechtslage, so wie sie ist? Was sind die ökonomischen, was sind die sozialen Folgen dessen, was das Recht an dieser Stelle so anordnet? Denn ich glaube, erst dann versteht man das.

NaN
Ulf Buermeyer:

Recht vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Recht vollzieht sich in einer Gesellschaft. Recht hat unglaublich intensive Auswirkungen auf das Leben von Menschen. Und sich diese Frage einfach zu stellen, was bedeutet das? Wer profitiert? Wer gewinnt? Auf wessen Mist ist es gewachsen? Das ist aus meiner Sicht eine ganz zentrale Frage für jeden Juristen und jede Juristin.

44:25 Min
Marc Ohrendorf:

Vielen Dank.

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