“„Ich wollte nie Beamter werden, war überrascht, hier gelandet zu sein. Aber dieser Beruf ist herausfordernd und spannend – ein Umweg, den ich jedem Referendar empfehlen würde, der noch offen für Neues ist.“”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Ich war notorischer Zauderer und stand am letzten Bewerbungstag noch vor dem ZVS-Briefkasten. Eigentlich wollte ich VWL nachschieben, brachte den Umschlag aber nicht übers Herz. Jura erschien mir als solide Grundlage, an der ich mich ausprobieren konnte. Diese spontane Bauchentscheidung habe ich nie bereut – sie eröffnete mir sämtliche späteren Optionen.
Den Blick geweitet haben mir Ortswechsel. In Bonn begann ich, in Freiburg vertiefte ich Dogmatik und genoss die akademische Atmosphäre, Hamburg prägte mich im Referendariat durch echtes Prozessgeschehen. Jede Station zeigte neue juristische Kulturen und machte klar, dass Mobilität und Offenheit entscheidend sind, wenn man europaweit arbeiten möchte.
Am Arbeitsgericht herrscht eine besondere Gesprächskultur: erst Güte-, dann Rechtsgespräch, meist eine volle Stunde. Als Berufsrichter bleibt man Chef im Ring, bekommt aber wertvollen Input der ehrenamtlichen Richter von Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite. Diese Mischung aus Praxisnähe, Zeit und echter Gestaltungsmöglichkeit macht die Arbeitsgerichtsbarkeit für mich so empfehlenswert.
Eine Freundin wies mich auf den EU-Concours hin. Zwischen Hamburg und Bremen lernte ich Multiple-Choice-Fragen im Zug. Nach dem riesigen Auswahlverfahren landete ich auf der Reserveliste. Ein Referatsleiter suchte jemanden mit Gerichtserfahrung fürs IPR-Team, lud mich ein – aus der zweijährigen Abordnung wurde Dauer-Brüssel.
Bei der Kommission wechsle ich alle drei bis fünf Jahre die Generaldirektion. Ich war schon in IPR, Sozial-, Wettbewerbsrecht und in einem Kommissars-Kabinett. Jeder Wechsel erweitert Fachwissen und Netzwerk. Diese institutionelle Mobilität verhindert Tunnelblick und macht den Beamtenjob hier außergewöhnlich abwechslungsreich.
Wir klären drei Fragen grenzüberschreitender Zivilverfahren: zuständiges Gericht, anwendbares Recht und Vollstreckung fremder Urteile. Dafür entwickeln und überprüfen wir über zwanzig Verordnungen – von Brüssel I bis Unterhalt. Kurz: Wir bauen die rechtliche Infrastruktur, damit Binnenmarktstreitigkeiten reibungslos funktionieren.