"Bei § 284 BGB haben wir eine echte Innovation der Schuldrechtsreform. Da hat sich was geändert! "

Aufwendungsersatz | Rentabilitätsvermutung | AIDA-Klausel | Abgrenzung zum Schadensersatz

Irgendwas mit Examen Folge 10 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

IMR176 / IME010 mit Prof. Dauner-Lieb. In dieser Episode Eures zivilrechtlichen Examenspodcasts besprechen wir den Aufwendungsersatz nach § 284 BGB. Viel Spaß! Das hat Dir geholfen? Dann unterstütze den Podcast mit einer Bewertung auf iTunes oder Spotify!

Inhalt:

  • 00:00 Sponsor: Jurafuchs
  • 00:49 Intro
  • 00:59 Wo wir stehen
  • 01:35 Überblick 284 BGB
  • 03:20 Der Aufwendungsbegriff
  • 06:30 Klausurtaktik und § 284 BGB
  • 11:42 Frustrierte Aufwendungen & Rentabilitätsvermutung
  • 20:43 Der AIDA-Paragraph

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:01:07
Hallo.
Marc Ohrendorf 0:02:11
Klar.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:04:40
Selbstaufopferung im Straßenverkehr, was ist das? Wir kommen in der GOA noch ganz ausführlich dazu. Das sind die berühmten, im Ergebnis heute weitestgehend geklärten Fälle, dass jemand als Autofahrer, dem ein Kind auf dem Fahrrad entgegenkommt, das Steuer rumreißt und sich selber vor einen Baum setzt, um das Kind nicht zu verletzen. Jetzt nehmen wir mal an, ihn trifft selbst nicht das geringste Verschulden an dieser Situation. Dann stellt sich die Frage, wir lassen mal Straßenverkehrsrecht ganz außen vor, dann stellt sich im Rahmen der GOA die Frage, kann er Schäden, die er hat, im Wege der GOA gegenüber dem Kind liquidieren. Und das scheitert jedenfalls nicht darin, dass seine Schäden kein freiwilliges Vermögensopfer sind. Ich nehme nochmal ein anderes Beispiel, was vielleicht das auch gut erklärt. Wenn ein Autofahrer am Straßendrand einen blutenden Verletzten sieht und nimmt den mit und bringt ihn ins Krankenhaus und nun ist sein ganzes Auto verschmutzt, dann kann er die Reinigungskosten als Aufwendungen im Zuge der GOA geltend machen, obwohl das natürlich Schäden sind. Das sind keine freiwilligen Vermögensopfer. Was ich sagen will ist, die Begriffe müssen im Kontext ausgelegt werden. Es ist umgekehrt so beim § 122 Schadensersatz nach Anfechtung, dass der Ersatz des Vertrauensschadens fast immer in freiwilligen Vermögensopfern besteht. Ich bekomme das ersetzt, was ich nicht investiert hätte, wenn ich den Vertragspartner nie getroffen hätte und was ich rentiert hätte, wenn der Vertrag tatsächlich abgewickelt worden wäre. Das ist eine erste Annäherung, freiwillige Vermögensopfer, aber es gibt eben Schäden, die eigentlich Aufwendungen sind und Aufwendungen, die eigentlich Schäden sind, da muss man ganz genau hingucken.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:08:03
Ja, ich nehme jetzt den Klassiker, um den es bei den Diskussionen bei der Einführung von Paragraf 284 auch die ganze Zeit ging, den Stadthallenfall. Vereinfache das etwas, da war eine P-Partei, die hatte die Stadthalle der Gemeinde G gemietet, um dort eine große politische Veranstaltung abzuhalten. Zur Vorbereitung, um für Regen Besuch zu sorgen, hatte man im Vorfeld Plakate und Flyer gedruckt. Ganz kurz vor der Veranstaltung bekam die GNU kalte Füße und erklärte, dass die Stadthalle nicht zur Verfügung stehe. Warum bekam sie kalte Füße? Wegen der problematischen Orientierung der Partei, die sich, wenn überhaupt, nur noch am Rande des demokratischen Spektrums befasst. Man kann das auch sehr deutlich sagen, die Gemeinde war der Meinung, eigentlich hätten diesen Mietvertrag nie abschließen sollten. Kleiner Hinweis, im öffentlichen Recht gibt es das Problem immer noch. Es gibt einen Gleichbehandlungsanspruch. Wenn die Gemeinde einer großen demokratischen Partei eine Stadthalle vermietet, muss sie das auch allen anderen, die vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten sind und deswegen ist das ein mega Thema auch im öffentlichen Recht. Okay, also hier war es so gewesen, die Gemeinde hatte aus relativ nachvollziehbaren Gründen kurz vorher gesagt, machen wir nicht, ihr kriegt die Stadthalle nicht. So und die Partei verlangte jetzt zurück als Schadensersatz die Kosten für die Plakate und die Flyer. Also die hatte Plakate gedruckt und die ganze Veranstaltung lief nicht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:12:02
Also die Rechtsprechung kannte natürlich diese Fälle und hatte sie bereits entschieden, dass eine Vertragspartei im Vertrauen auf einen Vertrag Aufwendungen gemacht hatte, die durch den Vertragsbruch frustriert wurden. Das hatte die Rechtsprechung schon öfter zu entscheiden. Und wenn es um Verträge ging, in denen die Parteien wirtschaftliche Ziele verfeuchten, also Mietvertrag, um da ein Popkonzert abzuhalten, da wurde dem Gläubiger, dem Geschädigten, geholfen mit der Rentabilitätsvermutung, etwas vereinfacht. Die Rentabilitätsvermutung heißt, es wird vermutet, dass der Gläubiger diese Aufwendungen zur Vorbereitung des Events durch die vereinbarte Gegenleistung sowieso wieder reingeholt hätten, sodass in seinem Vermögen am Schluss kein Minus war. Also nochmal, hätte der Mieter die Stadthalle gemietet, um ein Konzert zu veranstalten, dann hätte er Einnahmen gehabt und die Rechtsprechung hätte angenommen, dass sich das Konzert und damit auch die Werbemaßnahmen rentieren, sodass eben ohne die Pflichtverletzung des Vermieters auch ein Defizit im Vermögen entstanden wäre. Das funktioniert aber nicht, wenn der Gläubiger mit dem Vertrag, wie hier, nur ein ideelles Interesse verfolgt. Weil dann sind keine Einnahmen, mit denen man diese Aufwendungen in irgendeiner Weise verrechnen kann. Dann steht von vornherein fest, dass der Gläubiger gar keine wirtschaftlichen Vorteile erzielt, mit denen er die in Erwartung der Durchführung des Vertrags gemachten Aufwendungen ausgleichen konnte. Das heißt, die Rentabilitätsvermutung, die die Rechtsprechung entwickelt hatte, Die funktioniert nur, wenn der Gläubiger des Vertrags mit dem Vertrag wirtschaftliche Ziele verfolgt, also selber wieder Geld reinholen will. Und das ist ja hier gerade bei diesen Fällen nicht der Fall gewesen, da ging es um eine ideelle Zwecksetzung und da kann man mit Rentabilität die Brücke über die Kausalität, über die fehlende Kausalität weg nicht schlagen und dann doch noch zu einem Schaden kommen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:14:09
Ja, das kriegen sie bei ideeller Zielsetzung eben nicht hin. Dass alles sinnvoll war, kann man bestreiten. Das hat die Rechtsprechung so entschieden. Die Folgekonsequenz in der Schuldrechtsreform war, dass man nun die Verträge mit ideeller Zielsetzung denen gleichstellen wollte, für die die Rechtsprechung schon eine Lösung gefunden hat. Ob das nun tatsächlich sinnvoll war oder auch sogar notwendig, das kann man bezweifeln. Ich meine die Fälle, um die es hier geht, da kann man sagen, vielleicht mussten hier die Kläger auch nicht unbedingt den Fall gewinnen, aber jedenfalls wollte man hier eine strukturelle Bereinigung schaffen und das hat man auch getan und man hat das jetzt natürlich Aufwendung genannt, frustrierte Aufwendung, vergebliche Aufwendung, weil eigentlich klar ist, dass die Brücke der Rentabilitätsvermutung, die doch noch die Annahme eines Schadens ermöglicht, bei ideeller Zielsetzung scheitert. Übrigens ist es umstritten, aber Gott sei Dank in Klausuren meines Erachtens nicht wirklich relevant, ob die Rentabilitätsvermutung neben § 284 für Fälle der wirtschaftlichen Zielsetzung nun weiter anwendbar ist. Meine Meinung ist methodisch natürlich nein. Wenn der Gesetzgeber eine neue Regelung schafft, die ein Problem lösen soll, kann man nicht parallel noch den Bypass, den die Rechtsprechung mal entwickelt hatte, noch weiterverwenden. Aber da gibt es einen kleinen Streit. Es gibt im Schrifttum Menschen, die sagen, das ist parallel noch weiter anwendbar.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:18:52
Und der Koi stirbt durch Verschulden des Verkäufers vor Übergabe. Der Käufer will auch keinen anderen Koi, weil er genau den haben wollte. Sonst funktioniert das ja alles nicht mehr. Also eine Stückschuld. So, kann er jetzt Ersatz der Aufwendungen für das goldene Aquarium verlangen? Oder durfte er diese Aufwendung billigerweise nicht machen? Canaris soll ernsthaft gesagt haben, dass der Käufer in der Weise, wie er seine Kaufsache verwendet, nicht beschränkt sei und dass das mit dem billigerweise nichts zu tun hat, dass er also Ersatz für dieses goldene Aquarium, Sie sehen, das übertriebene Beispiel, verlangen kann. Das führt dann natürlich zu Folgefragen, meine Damen und Herren. Muss der nicht den Wert des Aquariums abziehen lassen? Nein. Das Aquarium kann er anders nicht nutzen. Muss er sagen, ich tue da einen anderen Koi rein? Nein. Das muss er nicht. Muss er aber vielleicht wenigstens das Gold hergeben, was er da verbaut hat? Also Sie sehen, dass diese Konstruktion interessante Folgefragen aufwirft. Ich nehme jetzt nochmal ein Beispiel, was nicht ganz so absurd ist. Jemand kauft einen... Eine Zeichnung, einen kleinen Stich, der 50 Euro wert ist, der ihm aber sehr liegt. Und für dieses sehr spezielle Exemplar lässt er einen Rahmen ausdrücklich anfertigen. Gut, dieser Rahmen kostet 500 Euro, der Stich kostet 50 Euro. Nun verbrennt der Stich durch Verschuldung des Verkäufers vor Übergabe. Kann ich jetzt die Kosten des Rahmens verlangen? Ist nicht ganz so extrem wie das Goldene Aquarium. Muss ich dafür dann nicht wenigstens den Rahmen ausgeben? Spielt es eine Rolle, ob ich da was anderes reinhängen kann? Wir halten fest, mit dem billigerweise ist jedenfalls nicht gemeint. Er darf nur günstige im Sinne von billiger Aufwendungen ersetzt verlangen. Jedenfalls dann, wenn man dem Vorsitzenden Canaris auch hier noch folgen wird. Bill.

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Prof. Dauner-Lieb

Prof. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

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