Isabel Ann Giancristofano, Unternehmensjurist | Condor Flugdienst GmbH
In der 289. Episode von IMR begrüßt Marc Isabel Ann Giancristofano, Juristin bei Condor, die wertvolle Einblicke aus ihrer In-house-Perspektive bietet. Isabel erzählt von ihrem etwas zufälligen Weg ins Jurastudium und den Herausforderungen, die sie in der Praxis erlebte. Sie und Marc sprechen über die Relevanz praktischer Erfahrungen während des Studiums und wie der Wechsel aus der Kanzlei in die Inhouse-Rolle eine bedeutende Entscheidung für ihre Karriere war. Isabel hebt hervor, dass die Arbeit in der Rechtsabteilung durch mehr Freiheiten geprägt ist, während gleichzeitig die Digitalisierung den Arbeitsalltag verändert. Sie betont, dass keine speziellen Vorkenntnisse notwendig sind, um im Team von Condor zu arbeiten, und dass Offenheit und Interesse an Geschäftsprozessen und Zahlen gefragt sind. Viel Spaß mit dieser neuen Folgen Eures Jura-Karrierepodcasts!
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Condor Flugdienst GmbH ist eine traditionsreiche deutsche Ferienfluggesellschaft, die Passagiere seit über sechs Jahrzehnten von Frankfurt und mehreren Basen aus zu Sonnenzielen rund um den Globus bringt. Am Hauptsitz am Frankfurter Flughafen sowie in den Cockpits, Kabinen und der Verwaltung arbeiten rund 4.000 Mitarbeitende – darunter eine agile Rechtsabteilung, die Vertrags-, Luftverkehrs- und Compliance-Fragen für eine international verzweigte Flotte von mehr als 50 Jets steuert. Das Unternehmen zeichnet sich durch seine jüngste Flottenmodernisierung, ein markantes neues Streifendesign und die Mischung aus Start-up-Spirit nach der Neuausrichtung und gewachsener Luftfahrttradition aus.
Wer wissen will, wie sich Juristinnen und Juristen im Cockpit der Unternehmenssteuerung behaupten, sollte jetzt bei unserer Condor-Episode von Irgendwas mit Recht einsteigen – Boarding läuft!
Ich habe mich für die Leute entschieden und wusste nach einer Viertelstunde: das mache ich. Es ist selten, ein Unternehmen neu aufzubauen und eine Rechtsabteilung zu professionalisieren – das muss man einfach machen.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Das ist die erste Episode, wo ich wieder gesund bin. Ich bin ganz froh, dass ihr mich wieder mit meiner gewohnten Stimme hört und ich bin umso froher, dass ich hier heute einen sehr spannenden Gast im virtuellen Podcast-Studio begrüßen darf, nämlich Isabel Gian-Christofano. Hallo Isabel.
Hallo, wie geht's? Guten Morgen.
Mir geht's sehr gut, vielen Dank. Und ich bin ganz froh, dass du der Einladung gefolgt bist. Du bringst nämlich eine nette Inhouse-Perspektive mit. Du bist Juristin bei Condor. Da gehen wir aber gleich drauf ein. Wir fangen wie immer ganz vorne an. Wie bist du denn Juristin bzw. Jurastudentin geworden?
Eigentlich so ein bisschen durch Zufall. Ich habe im letzten Jahr des Gymnasiums überlegt, was machst du denn jetzt? Und mich haben immer viel Fremdsprachen interessiert. Ich war auch schon auf so einem Weg, Französisch und Spanisch zu lernen.
Das hat mir total viel Spaß gemacht und hatte überlegt, vielleicht möchte ich Fremdsprachenkorrespondentin werden oder irgendeine Sprache studieren. Und dann habe ich, ich glaube, damals im Tagesspiegel so einen Test gemacht. Da gab es dann immer vor Semesterbeginn so einen großen Test, was passt zu einem.
Und den habe ich gemacht und da kamen völlig überraschend Jura oder BWL raus, wie bei 90 Prozent der anderen Menschen, glaube ich. Und dann habe ich mich für Jura entschieden, weil ich dachte, das hat noch mehr mit Sprache zu tun und Sprechen.
Und habe dann trotzdem parallel immer weiter Spanisch gelernt, aber mehr so als Hobby. Und habe mich voll auf mein Jurastudium konzentriert.
War das dann frustrierend für dich, als du festgestellt hast, eigentlich hat zumindest das Jurastudium ja eher was mit Schreiben als mit Sprechen zu tun?
Nee, überhaupt nicht. Also ich muss zugeben, dass ich das Studium per se schon sehr langweilig fand. Und ich auch ganz schön damit gekämpft habe in Phasen. Aber ich glaube, die analytischen Fähigkeiten zu lernen und Sachverhalt auseinanderzunehmen und zu werten und dann darauf eine juristische Wertung zu packen und mit einem Ergebnis rauszukommen, auch mit einer Einschätzung, über die man sich vielleicht nicht so sicher ist, das hat mir schon Spaß gemacht.
Das hat mir auch in den Hausaufgaben Spaß gemacht. Sagen wir so, die Recherche, die Fußnoten und Co. sind natürlich Hardcore. Aber ich glaube, man musste eben das eine ertragen, um das Gute mitzumachen.
Und ich habe dann auch im Studium noch angefangen, in der Kanzlei zu arbeiten. Und da habe ich gemerkt, was macht man eigentlich mit diesem Wissen, was man mehr oder weniger auswendig lernt oder systematisch erfasst, um dann ein bestimmtes Ergebnis rauszubringen. Und das hat mir dann gezeigt, was man damit machen kann und was ich damit machen will.
und dann war ich auch gleich total begeistert und wollte Anmältin werden.
Ja, das ist eine gute Idee, sich irgendwo zumindest mal über das normale Praktikum hinaus umzuschauen während des Studiums, weil man eben viel Motivation dadurch mitnimmt.
Genau. Also bei mir war das noch ein bisschen, würde ich mal sagen, dramatischer. Ich habe tatsächlich diese Praktika gar nicht gemacht, sondern mir die von irgendjemandem bescheinigen lassen, was man natürlich auf keinen Fall machen sollte und gar nicht zu empfehlen ist. Aber ich habe, mein Vater ist krank geworden während des Studiums und dann auch verstorben und wir haben das Familienbusiness, meine Eltern hatten so ein Geschäft, dann abgewickelt und dann stellte sich sozusagen die Frage, was macht meine Mutter, die dann ja irgendwie irgendwas arbeiten musste, aber ihr Leben lang nur da gearbeitet hat.
Und dann haben wir zusammen ein neues Geschäft aufgemacht und ich habe nebenbei das alte Geschäft abgewickelt und zwar nicht nur die faktischen Dinge, sondern auch die juristischen Fragen und konnte sozusagen so ein bisschen üben, würde ich mal sagen, in den späteren Semestern. Und als das Geschäft dann einigermaßen lief und meine Mutter wieder auf ihre Beine kam, habe ich gedacht, jetzt musst du auch mal Geld verdienen, damit die Familie so gut weiterleben kann und habe mir dann im Grunde einen Studentenjob gesucht und das hat mir dann wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Ich musste natürlich am Anfang, wie glaube ich in fast jedem Studentenjob, unendlich oft ans Telefon gehen und kopieren, das muss man jetzt vielleicht nicht mehr so viel, und Schönfelder nachsortieren. Davon habe ich jetzt noch ein Trauma.
Aber ja, wie gesagt, der Job hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Es war auch ein tolles Team in der Kanzlei und ich glaube, es waren auch noch andere Zeiten. Da gab es noch sehr viel mehr so Arbeit, die man als Student gut machen kann, wo man wenig Erfahrung braucht.
Also Daten erfassen, Daten zusammenstellen und dann erst einschätzen. Sowas macht ja heutzutage oder passiert jetzt fast alles automatisiert. Und da habe ich auch den Eindruck gehabt, ich wurde auch ganz gut ausgebildet in dem Studentenjob.
Also vom Diktieren übers Telefonieren bis hin zu Due Diligence und Verträge, sagen wir mal Prüfen auf Typos oder Unstimmigkeiten, habe ich dann alles gemacht. Und das hat mich aber total überzeugt, dass ich Anwältin werden möchte, unbedingt.
Da sollten wir nachher nochmal ein kleines bisschen drauf eingehen. Ich packe mal kurz diesen Aspekt sozusagen, was nimmt die Digitalisierung heute eigentlich in Ausbildungsfragen ab? Weil ich glaube, den haben wir hier schon im Podcast schon ganz häufig indirekt angesprochen. Aber das nochmal so explizit gleich aufzugreifen, wäre sicherlich spannend.
Mich würde kurz interessieren, was war das für ein Business, was du dann praktisch mitgegründet hast mit deiner Mom?
Das war kein großartiges sexy Business, es war ein kleines Uhrengeschäft. In Berlin in der Schlossstraße. Also wer Berliner ist, kennt die. Und es war im Grunde ein gutes Standbein, damit meine Mutter sich gut versorgen konnte.
Aber für zwei oder drei hätte es, glaube ich, nicht gut gereicht. Ich habe auch noch zwei Brüder. Sodass dann jeder sehen muss, wie er zurechtkommt. Und es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber ganz gut.
Dann auch.
Cool. Okay. Dann kann man sich das so ein bisschen vorstellen. Auch was damit juristisch einhergeht.
Ja, das GWH-Gründung, Mietvertrag, Mietvertragsverhandlungen. Das war schon spannend. Gerade wenn man Anfang 20 ist, macht man sowas ja nicht, üblicherweise. Zumindest dann nicht, wenn man Student ist.
Ja, das heißt, du hast logischerweise in Berlin studiert?
Genau, ich habe in Berlin studiert an der FU und das war auch okay. Also wie gesagt, das Studium fand ich ganz schön langweilig, aber sozusagen die Kommilitonen, der Ablauf, der schöne Campus, das ist da natürlich was Besonderes.
Bist du fürs REF dann in Berlin geblieben oder woanders hingegangen?
Ich bin auch fürs REF in Berlin geblieben. Ich bin dann auch noch Schöneberg gezogen, um am Kammergericht zu sein. Genau, also sagen wir so, bis dahin war mein Werdegang eher ruhig.
Ja, ich bin damals fürs Reffen nach Berlin gezogen. Also ich kenne das Kammergericht ganz gut. Da gab es dann immer so eine nette Kneipe. Da habe ich noch nach meinem zweiten Examen gefeiert.
Mir ist aber gerade entfallen, wie die hieß. Ganz schlimme Spilunke. Ich glaube, die haben hauptsächlich von Examenskandidaten gelebt. Wenn man da rauskam, geht es auch so drei Treppenstufen runter und dann links.
Die kenne ich glaube ich nicht. Ich war im Tomasa. Das war damals sozusagen auch total angesagt. Es war so ein Frühstückscafé, wo es All-Day-Breakfast gab.
Ah, okay.
Ja, und da waren wir. Da waren sozusagen aus meinem Freundeskreis waren alle da.
Ja, siehst du, bei dir gab es noch Frühstück, bei mir schon Pilz.
Ja, genau.
Cool. Und das heißt, du wusstest aber während des Refs die ganze Zeit, Anwältin, das ist es.
Genau. Ich habe das auch sehr straight durchgezogen, das Ref. Ich war ja dann sozusagen angepiekst und dachte, du musst jetzt Geld verdienen und erwachsen werden und wusste auch, wo ich hin will, weil ich diesen Job hatte. Den habe ich dann auch beendet bei einer anderen Kanzlei, bei einer größeren Kanzlei angefangen und habe dann versucht, so wenig wie möglich im REF zu arbeiten und so viel wie möglich in der Kanzlei zu arbeiten.
Fürs REF so wenig, wie es geht.
Genau, also ich habe sozusagen immer sofort als erste Ansage gesagt, ich habe einen Job in der Kanzlei, ich will Anwältin werden, das ist mein Traumjob, ich arbeite da zwei Tage die Woche. Ich möchte gerne einen Tag zur Verhandlung kommen.
Ich schreibe Ihnen so viele Urteile, wie Sie wollen, aber Anwesenheit ist nicht. Und das war damals noch ungewöhnlich. Auch bei der Staatsanwaltschaft habe ich dann irgendwie so einen alten Fall aufgearbeitet.
Bei, Bei der öffentlichen rechtlichen Station war ich in der IHK und habe da Gesellschaftsrecht gemacht. Also ich habe das schon so gestreamlint, dass ich kanzleischfähig war für danach.
Ach, also ich finde das spannend, dass du das sagst, weil das, was ist, was ich sehr teile. Ich habe damals in einem Beratungsunternehmen gearbeitet während des REFs, die mir im Prinzip auch geraten haben, ach REF brauchst du doch gar nicht, läuft doch hier super gut, bleib doch einfach hier.
Und ich habe das dann aber parallel gemacht und für mich war praktisch das Reff der Nebenjob mit der Ausnahme der, ich sage mal drei bis vier Monate vor dem Examen, wo man dann doch mal richtig reinhauen muss, um das irgendwie dann auch gut zu bestehen. Und ich habe das ähnlich gemacht.
Und ich bin an einen damals Staatsanwalt geraten, der wirklich ganz schwierig war. Aber wir haben dann irgendwann so ein, ja, ich habe auch eine Ansage gemacht. Das war natürlich dann auch nicht so gern gesehen.
Aber ich erzähle da heute immer noch viel von. Und meistens glauben die Leute mir das nicht, dass das geht, sozusagen auch da so ein bisschen Erwartungsmanagement zu machen. Natürlich muss einem klar sein, man kriegt dann wahrscheinlich, wenn es bei dir anders war, dann schön, nicht die 16 Punkte in der Staatsanwaltschaft.
Und man wird nicht unbedingt Staatsanwalt im Leben. Aber das ist ja auch genau nicht das Ziel gewesen.
Nee, genau. Und ich habe immer gute Noten bekommen. Ich habe auch die Arbeit, die mir die Leute übertragen haben, also der Richter, der Staatsanwaltschaft und so weiter, auch echt gut gemacht und mich da eingesetzt. Ich habe nur erklärt, dass ich sozusagen was anderes zu tun habe eigentlich, und auch erfolgreich Examen machen möchte, aber eben nicht mich für die Staatsanwaltschaft interessiere.
Und dann kriegt man halt, weiß ich nicht, 12 oder 13 Punkte oder 14 Punkte, was aber ja völlig ausreichend ist. Also jedenfalls Das hat es meiner Karriere bis jetzt nicht geschadet.
Ja, ich kann das nur empfehlen, sich da, wenn man schon so eine klare Vorstellung hat, wirklich zu positionieren, das nimmt auch ein bisschen den Druck raus. Also dann muss man nicht überall sozusagen immer 110 Prozent geben und man merkt so ein bisschen, ach, ich gehe jetzt in die eine Richtung und dann ist der Rest, macht man ordentlich, wenn man das auch gewissenhaft macht und dann ist auch in Ordnung.
Genau.
Aber Sitzungsdienst hat dir trotzdem Spaß gemacht? Das ging mir so. Ich fand Sitzungsdienst trotzdem genial.
Genau, also ich fand Sitzungsdienst, im Zivilrecht muss ich sagen, hat der mir Angst gemacht, weil ich das Gefühl hatte, es geht alles wahnsinnig schnell und man muss irgendwas diktieren, hat eigentlich keine Ahnung, was jetzt nächstes kommt. Aber in der Staatsanwaltschaft macht das natürlich sehr viel Spaß.
Ich war auch in der Jugendkammer und hatte immer Vandalisten hauptsächlich und das war total cool.
Und dann gibt es aber ja noch einen gewissen Weg von Inhouse-Juristin und der Idee, Anwältin werden zu wollen. Wie ging es dann nach dem zweiten Examen für dich weiter?
Genau, nach dem zweiten Examen war ich sozusagen mit meiner gesamten Seele überzeugt, ich muss Partnerin in der Kanzlei Bereich M&A werden. Was eine tolle Idee war, weil ich 2007 angefangen habe zu arbeiten. Da wurden Anwälte gesucht, so wie jetzt.
Es war sehr einfach, einen Job zu finden. Es wollte nur dann ganz kurzfristig keiner mehr M&A machen, weil dann war die Lehman pleite. Und damit ging eine unglaubliche Insolvenzreihe los, was mich dann sehr schnell in die Ecke Insolvenzrechts getrieben hat, einfach weil es auch gar nichts anderes zu arbeiten gab oder jedenfalls nicht da, wo ich angefangen habe.
Sodass ich dann die ersten drei Jahre eigentlich fast ausschließlich Insolvenzrecht gemacht habe mit M&A-Transaktionen, aber eben in die Richtung, was man heutzutage sagen würde, distressed M&A. Und nebenbei habe ich noch Venture Capital gemacht, weil es in Berlin in dem Moment echt riesig groß war.
Da waren sehr viele kleine Unternehmen, die gegründet wurden, die finanziert wurden von einem bestimmten Fonds, der da sehr engagiert war. Und dann immer noch auf meinem Weg ganz fest überzeugt, Partnerin in der Kanzlei zu werden, bin ich nach London gegangen.
Bei der gleichen Kanzlei und habe da ein Büro in London mit eröffnet.
Bei wem war das?
Bei Nöhr.
Bei Nöhr, okay.
Genau, bei Nöhr. Und das war fantastisch. Also ich sollte dort zwei bis drei Jahre bleiben. Das war open end, so ein bisschen als Secondment. Und das ist natürlich toll, ein neues Büro zu eröffnen von einer großen Kanzlei, wo auch Geld da ist, weil man einfach zwar alles machen muss, also von Kaffeetassen aussuchen und Glühbirnen, reindrehen bis eben Business Development und nebenbei, in Anführungsstrichen, Transaktionen betreuen.
Aber das war eine wahnsinnig spannende Zeit. Ich habe damals mit einer Kollegin zusammengewohnt und wir haben uns da richtig in das Londoner Leben Arbeit, abends ausgehen, Leute kennenlernen und zu versuchen, irgendwie Business zu generieren, gestürzt und es hat unendlich viel Spaß gemacht, weil ich glaube, ein großer Punkt war, ich bin ja Berlinerin und in Berlin ist es überhaupt nicht cool, Anwältin zu sein.
Es ist peinlich und schrecklich. Und in London ist es total cool, Anwältin zu sein. Und es ist auch total cool, wenn man ein Geschäft generieren will. Und es macht dann natürlich viel mehr Spaß, wenn man in eine Bar geht und jemand fragt, was machst du so? Und du sagst, ich bin Anwältin und der sagt, ach, ich bin Investmentberater bei einer großen Bank.
Wir können ja immer überlegen, ob wir irgendeinen Deal finden. Das war eine unheimlich motivierende Zeit, die sehr, sehr viel Spaß gemacht hat. So viel Spaß, dass ich dann auch nicht gegangen bin, sondern mich dazu entschlossen habe, in London zu bleiben.
Ich habe dann parallel auch meinen Ehemann kennengelernt und habe zwei Kinder bekommen und bin auch Partnerin geworden, dann endlich. Und das hat im Grunde alles super gut gepasst, sodass ich da dann insgesamt zehn Jahre verbracht habe. Und da sieht man auch, so ist das Leben manchmal.
Ich hatte nie vor, nach England zu gehen, also überhaupt nicht. Es hat mich auch gar nicht interessiert, sondern es war einfach, man hat gefragt, willst du das machen? Und ich habe gesagt, ja, natürlich will ich das machen und dann habe ich plötzlich zehn Jahre in England geliebt und zwei Kinder bekommen und bin verheiratet, zurückgekommen und dann hat sich im Rahmen von Corona für mich mal die Frage gestellt, was willst du eigentlich in der Zukunft machen? Jetzt bist du hier, es ist alles irgendwie eingefahren, es läuft weiter und, Willst du mal was anderes machen? Und dann hatten wir die Idee, wir machen was anderes, aber doch nicht so doll anders, sondern wir ziehen Deutschland zurück und ich kann in einem deutschen Büro bei Neur weiterarbeiten.
Dann kam aber gleichzeitig die Insolvenz der Condor. Und in dem Zusammenhang sind bei der Condor sehr viele Leute gegangen. Teilweise, weil sie gehen mussten und zum großen Teil auch, weil sie natürlich Angst bekommen haben und das sinkende Schiff verlassen haben.
Und da wurde dann die Stelle der Rechtsabteilungsleitung frei. Und da ich ja schon Kanzlei intern angekündigt hatte, ich würde gerne was Neues machen und mich verändern, wurde ich dann gefragt, ob ich daran Interesse hätte. Und es war erst so, wir glauben eh nicht, dass du das willst, weil du bist mit Leib und Seele Private-Practice-Anwältin.
Aber die haben einen super CFO, die haben einen super CEO. Das ist ein tolles Team. Schau dir die doch mal an. Und um ehrlich zu sein, ich habe, glaube ich, zehn Minuten mit dem CFO telefoniert und dachte, das musst du unbedingt machen, weil es so spannend ist und es ist so ein toller Moment von einem Unternehmen.
Und auch so eine unglaubliche Chance, so hoch einzusteigen als Leiterin der Rechtsabteilung in einem Unternehmen, das geht gar nicht anders. Und dann musste ich natürlich meine Familie ganz schön überzeugen, weil so ein Ehemann, dem man erklärt, dass man bei einem insolventen Unternehmen in einem anderen Land anfangen will und dann die ganze Familie dafür ganz woanders hinschicken will, der ist natürlich erstmal vielleicht nicht so begeistert von der Idee.
Aber es hat sich rückblickend total als der richtige Schritt herausgestellt.
Okay, da steckt super viel drin. Ich versuche das mal ein kleines bisschen. Nee, nee, alles gut. Dafür ist der Podcast ja da, dass man hier viel von seinem Lebensweg erzählt und die Zuhörenden, Studierenden, Reffis und Berufseinsteiger und so weiter eine Menge mitnehmen können.
Ganz kurz, Distressed M&A, weil das jetzt mit Condor vielleicht auch wieder so halb eine Rolle spielt in dem ganzen Restrukturierungs-Insolvenz-Zusammenhang. Kannst du einmal noch kurz den Begriff erklären?
Distressed M&A sind alles Transaktionen, wo die Gesellschaft sich in der Krise befindet, die das Target der Transaktion ist. Das heißt, in der Krise kann alles sein von, es ist eine Refinanzierung notwendig und alle Schuldner stimmen zu. Es kann aber auch sein, es ist ein gerichtliches Insolvenzverfahren, Schutzschirmverfahren, irgendeine Art von schon gerichtlichen Verfahren anhängig.
Und da gibt es besondere Investoren, die sich auf solches Investments spezialisieren. Und dann eben auch die Tücken, sage ich mal, der jeweiligen lokalen Insolvenzrechte kennen und gleichzeitig auch Leute haben, die operativ Unternehmen gut restrukturieren können. Weil das hat ja sozusagen zwei Challenges.
Jetzt war es bei der Condor so, dass die ja aus der Thomas Cook Gruppe gelöst wurde und dann kam direkt danach Corona. Das war sozusagen eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Sonst hätte es, glaube ich, gar keine Insolvenz gegeben.
Aber nichtsdestotrotz war sie ja dann in einer schwierigen Krise auch operativ, weil man ja kein Flugzeug fliegen durfte, Und das war, glaube ich, sagen wir mal, noch eine besondere Lage von vielen Unternehmen wahrscheinlich auch in dem Zeitraum. Und das hat dann ein Private Equity Investor, der sich eben auf solche Investments spezialisiert hat, übernommen.
Du bist im Mai 2021. Ich habe mal gerade parallel dein LinkedIn aufgerufen, damit man das so ein bisschen einschätzen kann. Also Mai 2021, da war Covid jetzt ein gutes Jahr alt. Wenn ich mich recht entsinne, war da auch noch nicht so richtig klar, wann Fliegen wieder geht, oder?
Ja, also da gab es so eine langsame Öffnung. Also ich musste, ich bin Ende März damals nach Deutschland zurückgekommen. Da gab es noch einen Lockdown. Aber ich glaube, das war dann in dem folgenden Sommer, wurde wieder etwas geflogen.
Und dann ging es sozusagen in Richtung Herbst, Winter war noch mal weniger, weniger als auch erwünscht dann. Aber im nächsten Frühjahr ging es dann richtig los. Dann wurden die Lufträume alle nach und nach geöffnet, sodass dann sozusagen in dem folgenden Jahr, also von Mai auf Mai und dann ging es wieder so weit los wie vorher fast.
Ja und jetzt läuft es wahrscheinlich ziemlich gut. Man kriegt ja irgendwie mit, dass zumindest Menschen bereit sind, jetzt in 2024, 2025 wieder relativ viel Geld für Reisen in die Hand zu nehmen und auch einfach viel unterwegs sind.
Genau, also ich glaube, der Trend ist jetzt wieder dazu, auch mit dem Flugzeug zu verreisen, auch wenn es vielleicht unter Umweltsgesichtspunkten noch andere oder neuere Strömungen gibt. Aber es gibt im Moment einen großen Trend zu fliegen und auch Pauschalreisen zu buchen.
Die waren ja auch schon totgesagt. Die Leute wollen dann doch alle wieder im Herbst nach Gran Canaria fliegen. Und das ist schön, ich auch. Ja, ja.
Ja, okay. Gut, dann lass uns doch mal auf den Moment eingehen, den du gerade eben erwähnt hast, nämlich deine Entscheidung in-house zu wechseln. Du hast was ganz Spannendes gesagt, wenn ich dir da Worte in den Mund legen darf.
Du hast gesagt, eigentlich ist es alles ein People's Business und ich habe mich für die Leute entschieden und nach einer Viertelstunde wusste ich, das mache ich. Was hat dich da überzeugt?
Also ich war einerseits in der Situation, dass ich bei NER sehr bequem war. Ich hatte eine sehr bequeme Situation. Ich saß in dem Büro, ich hatte sozusagen mein Geschäft, was ich gemacht habe.
Alle waren zufrieden, aber ich habe jetzt auch nicht riesig was gerissen. Also ich war nicht einer von den totalen Rainmaker-Partnern oder so, sondern eher das Gegenteil. Ich habe so ruhig das gemacht, was so da war.
Und dann habe ich mit dem CFO von der Condor gesprochen und der war so enthusiastisch. Und in dieser Aufbruchsstimmung und hat gesagt, wir wollen hier richtig was bewegen und wir wollen die Rechtsabteilung komplett neu aufbauen. Die muss professionalisiert werden.
Da sind richtig gute Leute drin, aber wir haben im Moment keine Struktur, weil wir eben aus dem Konzern kamen, jetzt ein eigenständiges Unternehmen sind und wir müssen uns das alles angucken und neu machen. Und da dachte ich, das ist einfach eine tolle Aufgabe.
Das ist eine Aufgabe, die man ganz selten bekommt, wenn nicht gerade ein Unternehmen neu gegründet wurde oder ein Startup ist und so weit ist, dass sie eine Rechtsabteilung brauchen. Gibt es das eigentlich gar nicht? Und das war eine Gelegenheit, die sich so spannend angehört hat, dass ich dachte, das muss ich einfach mal ausprobieren, das muss ich machen.
Und gleichzeitig haben mir die Leute auch das Gefühl gegeben, ich kann das, obwohl sie mich kaum kannten. Und sie freuen sich riesig, wenn ich komme. Und ja, das hat mich total angezogen.
Was machst du jetzt inhaltlich mit deinem Team dann ja auch? Du bist natürlich nicht alleine, ne?
Genau, nee, ich bin nicht alleine. Wir sind mittlerweile knapp über 20 Leute und wir haben vier Teams. Das eine Team nennen wir Commercial, da machen wir Verträge, also alle Verträge, die im Unternehmen geprüft werden müssen.
Also von der Büroklammer bis hoch zur Flugzeug-Innen-Ausstattung, aber auch Miete, also alles, was irgendwie anfällt. große Technikenverträge. Also das sind Verträge in ganz kleinem und in wirklich großem Volumen.
Und dann haben wir noch eine weitere Abteilung, wo die heißt Aircraft Finance. Das heißt, da machen wir die Finanzierung von Flugzeugen und Triebwerken. Da sitzen wirklich Finanzierungsexperten drin, die nicht nur juristisch das überblicken, sondern auch wirtschaftlich und ganz eng in unserem Fleet Management zusammenarbeiten.
Und die kaufen tatsächlich Flugzeuge. Also das ist total der tolle Job, finde ich. Weil man kauft dann schon mal ein Flugzeug. Vor allem so große Passagierflugzeuge oder Flotten, das ist schon sehr, sehr spannend.
Dann haben wir ein weiteres Team, das ist das größte Team, das ist das Litigation-Team. Und das hattest du vor der Sendung ja schon kurz angesprochen, macht ihr eigentlich nur Passagierrechtsansprüche? Hast du gerade gehört, nein, aber wir machen natürlich sehr viele Ansprüche von Passagieren. Außergerichtlich und gerichtlich.
Und haben dafür ein großes Team, was ein tolles Team ist. weil das ist wie so eine eigene Prozessführungskanzlei. Also die Leute gehen auch tatsächlich zu Gericht und auch oft und schreiben die Schriftsätze, wir machen das alles selber.
Wir arbeiten auch mit externen Kanzleien zusammen in allen Teams, insbesondere weil manchmal ist es eben mehr, manchmal ist es weniger, je nachdem, wie das Team es auffangen kann. Aber wir haben ein richtiges Team sozusagen.
Wir haben Leute, die wie Vertragsanwälte sind, die noch nie zu Gericht gehen und wir haben Leute, die jede Woche zu Gericht gehen. Natürlich nur zum Amtsgericht. Also man darf als Inhouse-Anwalt, ist vielleicht auch wichtig, nicht zum Landgericht gehen.
Das heißt aber, wir haben eben sehr viele kleine Ansprüche, Und da bietet sich das an. Und ich finde, das ist eine tolle Schulung oder Schule für junge Anwälte, die Prozesse führen wollen, weil man sich auf ein Thema konzentrieren kann. Und drumherum ist im Grunde für uns nur die Prozestaktik und die Prozessvorschriften wichtig, weil sozusagen inhaltlich das Thema Fluggastrechte haben wir natürlich sehr durchdrungen.
Und dann natürlich die Fakten, die ja in jedem Flug anders sind.
Ja, das ist ein spannender Punkt. Den haben wir hier so auch noch nicht gehabt, dass man als Inhausjurist nur vor das AG darf.
Richtig, ja. Also das ist ein Punkt, den man auch beachten muss, wenn man große Streitigkeiten machen kann. Wir können natürlich hier trotzdem Schriftsätze schreiben, wenn wir wollen, ans Berufs- oder Revisionsgericht oder so. Wir sind auch manchmal vom BGH.
Da geht das Team auch mit. Aber selber die Kondorf vertreten geht natürlich nicht. Genau. Und dann haben wir noch ein Team, was relativ neu ist, was kein rein juristisches Team ist.
Also da arbeiten nicht nur Juristen. Das ist Non-Financial Reporting. Und das ist im Grunde alles, was mit dem Jahresabschluss abgegeben werden muss, was Berichte sind, die neue Regularien betreffen. Also das ist die Lieferkette, das ist CSRD, das ist EU-Taxonomie, die Entwaldungsverordnung.
Da gibt es eine riesige Liste von Dingen, die man vielleicht gar nicht so auf dem Schirm hat für eine Airline, die aber für uns wahnsinnig wichtig sind. Und da braucht man jetzt Leute, die die Daten sammeln, zusammenführen und einen Bericht sammeln.
Und da sich das ja alles aus Vorschriften ableitet, haben wir gesagt, es passt am besten in die Rechtsabteilung. Und die werden natürlich stark unterstützt von der Commercial-Abteilung, die auch viel Compliance-Arbeit macht. Das greift sozusagen ineinander dann.
Cool. Wie unterscheidet sich das sozusagen aus Führungssicht zu deiner Kanzleitätigkeit? Also ich sag mal 20 Mann ist auf jeden Fall, würde ich dir mal unterstellen, größer als das Team, was bei Nör irgendwie in deiner Umgebung war. Wie hast du da, was ist da so dein Blick drauf? Was ist dir da wichtig? Wie blickst du auf dich selbst sozusagen als Führungskraft?
Also ich glaube, der größte Unterschied ist, dass man keine Zeiten erfassen muss. Weder ich noch meine Teammitglieder. Und sozusagen aus der Führungsperspektive ist es natürlich schon anders, mit Teams zusammenzuarbeiten, die so viele unterschiedliche Sachen machen.
Also ich kann nicht mehr mich in irgendeinen Vertrag einlesen oder irgendeinen Rechtsstreit genau prüfen. Ich kann mich in die großen Themen, also die übergreifenden Themen einlesen. Aber im Grunde habe ich mehr eine Management-Tätigkeit als eine juristische Tätigkeit.
Also ich glaube, auch in den ersten Berufsjahren hätte mir die Tätigkeit des Leiters der Abteilung nicht so viel Spaß gemacht, weil ich vermisst hätte, einen Vertrag zu schreiben, auch mal zu verhandeln, zu Gericht zu gehen. Das sind ja Dinge, die wichtig sind für die Ausbildung.
und, Auch in der Kanzlei, wenn du führst, hast du ein Team, aber du bist meistens dann auf dem M&A oder auf dem, welchen Vertrag man auch immer verhandelt, sehr nah dran und guckt sich vielleicht nicht jede Zeile an, aber jede Klausel. Und da gibt es so Fokusthemen, wo man doch nochmal jede Zeile liest.
Oder jedenfalls habe ich das so gemacht. Das mache ich jetzt nicht mehr. Also ich würde zum Beispiel, wenn bei mir ein junger Anwalt einen Stil hat, der mir überhaupt nicht gefällt, wenn er damit die Klagen gewinnt, also wer bin ich, der ihm sagt, dass der Stil nicht gut ist? Und es ist, glaube ich, eine komplett andere Einstellung.
Also in der Kanzlei wird man auf Perfektion getrimmt oder zumindest in so einer großen Kanzlei wie Nör. Und ich merke auch, dass ich das noch in mir habe, wenn ich irgendwas lese. Aber hier ist es wirklich egal, ob da irgendwo ein Typo drin ist.
Also wenn jetzt jemand total schludert, finde ich, ist es respektlos gegenüber dem Gericht und der anderen Seite, die ja aus unserer Sicht jetzt ein Kunde ist, ein potenzieller weiterhin, aber wir machen uns jetzt nicht tot, weil irgendwas nicht hundertprozentig stimmt oder weil da irgendwas Kleineres drin ist. Es ist, glaube ich, von der Führung her ist man deutlich weniger Micromanagement und deutlich mehr Freiheiten und davon gibt es viel mehr an auf Eigeninitiative, eigene Ideen, Kreativität und auch, sage ich mal, Durchführung der Sachen, das einfach zu machen, als vielleicht in einem kleineren Team in der Kanzlei, wo man sehr speziell darauf trainiert wird, ein ganz bestimmtes Ergebnis zu erlangen durch einen ganz bestimmten Vertrag und alle Eventualitäten abgedeckt zu haben.
Lass uns nochmal kurz den Punkt, den wir zu Beginn unseres Gesprächs aufgeworfen haben, wieder aufgreifen, nämlich die Frage, wie eigentlich sozusagen sich die Ausbildung von jungen Juristinnen und Juristen durch Digitalisierung ändert. Du hast gesagt, manches musste man früher eben noch händisch machen, was heute automatisiert funktioniert. Kannst du da ein, zwei Beispiele unseren Zuhörenden einmal liefern?
Ja, total gerne. Also ich glaube, der größte Unterschied ist für mich so Massenarbeiten. Also ich habe früher noch mit Zettel und Stift und so einem kleinen Fotoapparat oder kleinen Kopierer irgendwo im Keller bei Unternehmen gesessen und Handelsregisterauszüge aufgenommen und irgendwelche Nummern abgezippt und so. Also aus heutiger Zeit totaler Wahnsinn.
Eigentlich auch keine juristische Tätigkeit.
Wenn man so will. Okay, keine juristische Tätigkeit, aber sagen wir mal so, vielleicht das Zusammenfassen und rausfiltern, was ist davon wichtig, was ich aufgenommen habe, ist dann die juristische Tätigkeit. Wogegen heute würde man diesen Schritt komplett skippen und gleich sagen, was ist denn wichtig? Dann eingescannte Dokumente elektronisch auswerten.
Und ich glaube, da fehlt nur, sozusagen man hat mehr Zeit, wenn man Dinge aufnimmt und man hat natürlich ein anderes Auge dafür, wenn ich jetzt 200 Handelsregisterauszüge angeguckt habe und fünf davon sind komplett anders oder sind aus einer komplett anderen Zeit oder da ist irgendwas anders dran, das merkt man ja dann und dann weiß man, was vielleicht bei dem Unternehmen wichtig ist.
Sowas muss man eben heute lernen. Das muss einem vielleicht jemand sagen, worauf man achten muss. Wogegen früher wäre man eben für tausende von Stunden einfach laufen lassen. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied, auch diese Sorgfalt.
Also früher habe ich noch da gesessen und habe mit so einer Pappe ausgedruckte Dokumente gelesen, manchmal sogar rückwärts, um zu verhindern, dass irgendwo ein Typo drin ist oder dass irgendein Satz schief ist oder dass etwas fehlt. Heute kann man mit dem Word Editor problemlos feststellen lassen, ob es irgendwo Probleme gibt, ob irgendein grammatikalischer Ausdruck falsch ist in jeder Sprache.
Man kann auch alles ganz einfach übersetzen lassen. Ich habe auch stundenlang übersetzt. Das sind bestimmt alles gute Übungen zur Konzentration und zur Perfektion. Ob das wirklich so zielführend für einen Mandanten ist oder für ein Unternehmen, wage ich mal stark zu bezweifeln.
Ja, deswegen, die Entwicklung finde ich besser, aber natürlich an dieser Grundausbildung, die man früher hatte, fehlt dann vielleicht etwas und noch viel mehr fehlt ja, wir können ja heutzutage auch Schriftsätze und Verträge generieren. Ich habe das geliebt und es fehlt mir heutzutage auch manchmal noch, so ein leeres Blatt zu haben mit dem blinkenden Cursor und zu sagen, ich habe jetzt einen außergewöhnlichen Vertrag, dazu gibt es keine Vorlage und ich schreibe jetzt einfach mal.
Oh, ist das nicht gerade eine übelste Stresssituation für viele?
Naja, es ist ja nicht so, also selbst in Großkanzleien mit einem härteren Umgangston, glaube ich, kann man zum Kollegen gehen und sagen, ich habe da was, was ich noch nie gemacht habe. Wie fange ich denn an? Und sagen wir so, wenn man das öfter macht, also zweiten, dritten, vierten Berufsjahr, dann macht das, finde ich, einfach nur total viel Spaß.
Ja, weil dann hat man ein ungewöhnliches Termsheet und dann kommt mal was ganz anderes. Man hat nicht immer wieder den gleichen Kaufvertrag und das, finde ich, macht total viel Spaß.
Würdest du sagen oder rechnest du damit, dass KI in dem Zusammenhang auch nochmal mehr automatisiert und, ich sag mal, digitale Workflows baut, die bislang vielleicht eher analoge Workflows waren oder ist das Thema ein bisschen overhyped aus deiner Sicht?
Überhaupt nicht. Ich glaube, es werden, also alles, was sich irgendwie digitalisieren lässt, sollte man digitalisieren. Ich schreibe jetzt sogar die E-Mails ab. Überhaupt an alle, die kippe ich einfach rein und sage, bitte antworten Nein, aber am 15.
und dann kommt die E-Mail ja sofort raus. Das geht viel schneller und ist viel schöner und da kann man immer noch seinen Stil draufpacken, wenn man möchte. Aber wenn man viel Arbeit hat und viel kleinteilige Arbeit hat, gibt es nichts Schöneres als jemand, der ja wie so ein Mensch ist, wo man ja auch was fragen kann, wörtlich, wenn man will, der ihm was abnimmt und ich glaube, je besser auch die Qualität wird, desto eher wird man das nutzen und desto mehr fallen sinnlose Tätigkeiten weg.
Ja, vielen Dank. Dann bleibt mir nun noch unsere Abschlussfrage. Was ist sozusagen dir wichtig, wenn man sich bei euch die Rechtsabteilung mal ein kleines bisschen näher anschauen möchte? Und vor allem würde ich ergänzen, muss man da Vorwissen mitbringen?
Bei uns muss man überhaupt kein Vorwissen mitbringen. Je nachdem, welche Stelle wir besetzen, haben wir unterschiedliche Anforderungen. Aber wir stellen gerne Berufsanfänger ein. Wir stellen auch gerne Leute ein mit Berufserfahrung, also beides.
Das hat beides Vor- und Nachteile. Was man immer mitbringen muss, ist eine große Offenheit, ein Interesse am Business, auch an Zahlen, an Systemen, an Prozessen, weil wir natürlich Leute suchen, die Dinge verbessern und die nochmal sagen, guck mal, ihr macht das schon immer so, aber vielleicht kann man es ganz anders, viel schneller erledigen.
Das ist uns wichtig. Also Innovation, Kreativität, Lust, Team und eine Arbeit sind vielleicht wichtiger als Perfektion und juristisches Vorwissen.
Vielen herzlichen Dank, Isabel, dass du hier heute eine gute halbe Stunde deine Karriere und die vielen spannenden Insights mit den Studierenden geteilt hast.
Ja, ich bedanke mich.
Ciao.
Tschüss.