Professor
Arbeitgeber in Folgen: Universität Bielefeld, Universität Halle, Universität Heidelberg
“Es stellt sich die Frage: Kommt der Gemeinwohlgüterschutz als Unternehmensziel nach der Nachhaltigkeitsregulatorik hinzu? Das ist hoch umstritten.”
Teilnahme am IMR Jurapodcast
Ich verstehe Berichterstattung als moderne Rechenschaftspflicht. Ursprünglich richtete sie sich nur an Eigen- und Fremdkapitalgeber. Heute umfasst sie Arbeitnehmer, Lieferanten und sogar die Öffentlichkeit. Durch Transparenz schütze ich Gemeinwohlgüter – Umwelt, Menschenrechte, Würde – und ermögliche Politik, Investoren und Gerichten, verantwortliches Verhalten einzufordern.
2014 öffnete die Bilanzrichtlinie erstmals das Tor für nicht-finanzielle Informationen und arbeitete mit dem freiwilligen "comply or explain"-Prinzip. Die CSRD von 2022 hat diesen Spielraum beendet: European Sustainability Reporting Standards präzisieren jede Kennzahl, Delegierte Verordnungen gelten unmittelbar. Damit wurde aus weichem Nudging eine verbindliche Pflicht zur detaillierten Offenlegung.
Berichte allein sollten via Reputation wirken, reichten aber nicht aus. Die CS3D von 2024 führt echte Handlungspflichten ein: Unternehmen müssen Schutzsysteme für Klima, Menschenrechte und Umwelt implementieren und deren Effekt nachweisen. Bericht wird zum Kontrollinstrument, Handlung zum rechtlich erzwingbaren Kern – ein qualitativer Sprung vom Soft-Law zur Regulierung.
Alle Kapitalgesellschaften mit mehr als 250 Beschäftigten – also weit hinein in den Mittelstand. In Deutschland springt die Zahl der Betroffenen von rund 450 auf etwa 15 000, europaweit auf fast 50 000. Auch Sparkassen, Volksbanken und jede Kreissparkasse müssen berichten; Vorstände tragen persönlich die Verantwortung.
Ehrlich: Das ist eine enorme rechtspolitische Baustelle. Großunternehmen werden die geforderten Daten aus ihrer Lieferkette einholen – damit trifft der Aufwand mittelbare Zulieferer sofort. Kredithäuser verlangen dieselben Angaben, bevor sie Darlehen vergeben. Ohne vereinfachte Standardlösungen oder staatliche Hilfe drohen kleinere Betriebe organisatorisch wie finanziell überfordert zu werden.