IMR25719. Sep 24
IMR257: Ausblick Deutscher Juristentag 2024, Gemeinwohl aus Unternehmensziel?, Europäische Regulierung zentralisieren

IMESG - Irgendwas mit ESG

IMR257: Ausblick Deutscher Juristentag 2024, Gemeinwohl aus Unternehmensziel?, Europäische Regulierung zentralisieren

Prof. Dr. Anne Sanders, Professor | Universität Bielefeld

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Über diese Episode

Folge 257 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Nachhaltigkeitsberichterstattung - Gesellschaftsrecht - Wirtschaftsrecht - Rechnungslegung - EU-Nachhaltigkeitsrecht - Berichtspflichten - Handlungspflichten - Stakeholder - Gemeinwohlinteressen - Lieferkette - Mittelstand - Unternehmensziele - Unternehmensführung - Durchsetzung - Regulierung - § 289b HGB - § 43 Abs. 1 GmbHG - § 76 Abs. 1 AktG - § 91 AktG - § 93 Abs. 1 AktG - §§ 331 HGB - Taxonomie-Verordnung - Offenlegungsverordnung

In der 257. Episode von Irgendwas mit Recht tauchen wir tief in die Welt der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein, ein Thema, das für Unternehmen immer relevanter wird. Zu Gast ist diesmal Professor Peter Hommelhoff, einer der bedeutendsten Wirtschafts- und Gesellschaftsrechtler Deutschlands, der zusammen mit Professorin Anne Sanders und Professorin Anne Mittwoch darüber spricht, warum Unternehmen überhaupt Nachhaltigkeitsberichte verfassen müssen und welche neuen EU-Vorschriften sie dabei zu beachten haben. Wie beeinflussen diese Berichtspflichten das Gesellschaftsrecht und welche Konsequenzen drohen, wenn Unternehmen diese nicht erfüllen? Welche Herausforderungen stehen insbesondere kleineren Unternehmen bevor, die nicht über die gleichen Ressourcen wie Großkonzerne verfügen? Inwieweit werden Gemeinwohlinteressen womöglich zum Unternehmensziel? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet Ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!

Kapitel:

  • 01:18 - Bedeutung der Berichtspflichten für Unternehmen
  • 05:36 - Übergang zu Handlungspflichten
  • 11:31 - Verantwortlichkeiten in Unternehmen
  • 16:10 - Herausforderungen für kleine Unternehmen
  • 18:13 - Komplexität der Rechtslage verstehen
  • 20:00 - Notwendigkeit einer Harmonisierung
  • 25:06 - Fazit und Ausblick
  • 25:50 - Konsequenzen bei Nichteinhaltung
  • 27:59 - Strittig: Gemeinwohl aus Unternehmensziel?
  • 33:46 - Schlussfolgerungen und zukünftige Entwicklungen

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IMR nach Themen sortiert:

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Zu Gast

Anne Sanders
Anne-Christin Mittwoch
Peter Hommelhoff

Anne Sanders, Anne-Christin Mittwoch & Peter Hommelhoff

Kapitel

  • 00:01:18.471Bedeutung der Berichtspflichten für Unternehmen
  • 00:05:36.407Übergang zu Handlungspflichten
  • 00:11:31.226Verantwortlichkeiten in Unternehmen
  • 00:16:10.480Herausforderungen für kleine Unternehmen
  • 00:18:13.544Komplexität der Rechtslage verstehen
  • 00:20:00.494Notwendigkeit einer Harmonisierung
  • 00:25:06.041Fazit und Ausblick
  • 00:25:50.307Konsequenzen bei Nichteinhaltung
  • 00:27:59.527Strittig: Gemeinwohl aus Unternehmensziel?
  • 00:33:46.425Schlussfolgerungen und zukünftige Entwicklungen

Über Universität Bielefeld

Die Universität Bielefeld ist eine junge Campus-Universität in Nordrhein-Westfalen mit gut 3.500 Beschäftigten, davon rund 25.000 Studierende. Sie verbindet 13 Fakultäten unter einem Dach – darunter eine engagierte Rechtswissenschaft, die Lehrende und Lernende interdisziplinär mit Informatik, Soziologie oder KI-Forschung vernetzt. Bekannt ist die Uni für ihr lichtdurchflutetes Hauptgebäude, moderne Tenure-Track-Strukturen und einen offenen, forschungsfreudigen Spirit.

Warum das auch für deine juristische Karriere spannend ist, erfährst du im Podcast – hör doch gleich in unsere IMR-Folgen mit der Uni Bielefeld rein!

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Es stellt sich die Frage: Kommt der Gemeinwohlgüterschutz als Unternehmensziel nach der Nachhaltigkeitsregulatorik hinzu? Das ist hoch umstritten.

Sneak Peak – Q&A mit Anne Sanders

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:00 Min
Marc:

Moin zusammen, Marc hier. Zwei kurze Hinweise. Wenn ihr euch fürs Energierecht interessiert, hört mal in The Energy Law Podcast rein. Ich durfte da im Hintergrund ein kleines bisschen Tipps und Tricks geben und muss sagen, es ist ganz toll geworden.

1:00 Min
Marc:

Das macht Assistant Professor Dr. Max Baumgart aus Tilburg und er hat echte Hochkaräter, unter anderem den Präsidenten der Bundesnetzagentur dort interviewt und gibt, glaube ich, in seinen zehn Folgen einen extrem guten Überblick über das Energierecht. Zweiter kurzer Hinweis, diese Folge ist unsere Sonderserie heute mit Professor Hommelhoff aus Heidelberg und da Anne Sanders und Anne Mittwoch wieder mit vor Ort waren, haben wir das erneut so gemacht, dass die beiden Herrn Hommelhoff interviewen.

1:00 Min
Marc:

Ich tauche im Podcast sozusagen gar nicht auf, aber das hat sich ja in der Vergangenheit auch schon bewährt. Also viel Spaß mit der Folge. Wenn Sie nächste Woche auf dem Deutschen Juristentag sind, sprechen Sie die drei gerne an, kommen Sie in die Diskussion rein und wir freuen uns natürlich über Ihre Zuschriften, ebenso wie über gute Bewertungen auf iTunes und Spotify.

1:00 Min
Marc:

Nun viel Spaß mit der Folge. Bis dann. Tschüss.

1:18 Min
Anne Sanders:

Ja, wir sind heute bei Peter Hommelhoff in Heidelberg zu Gast und das ist uns eine ganz besondere Freude, weil Peter Hommelhoff einer der bedeutendsten Gesellschaftsrechtler, Wirtschaftsrechtler ist, die es in Deutschland gibt und einer der Vorreiter und Vordenker in ganz vielen Dingen, aber vor allem in dem Thema heute der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Und da freuen wir uns sehr, sehr, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.

1:43 Min
Peter Hommelhoff:

Sehr gerne.

1:44 Min
Anne Mittwoch:

Ja, auch von mir ein ganz herzliches Willkommen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist deswegen ein so zentrales und wichtiges Thema für die nachhaltige Wirtschaft, weil die Berichterstattung durch Unternehmen das ganz entscheidende Instrument ist, um die Nachhaltigkeitstransformation voranzutreiben. Also schon historisch, so wie auch noch jetzt im Moment.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Und da freuen wir uns jetzt gleich auf die Antworten und Ausführungen von Herrn Hommelhoff. Und vielleicht beginnen wir mal mit einem einfacheren Einstieg und nähern uns so langsam, indem wir uns fragen, warum müssen Unternehmen überhaupt berichten? Also man kennt aus dem Studium die Rechnungslegung.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Da müssen wir uns vielleicht kurz nochmal fragen, was genau haben Unternehmen da zu tun? Und dann überlegen wir uns, wie die Nachhaltigkeit da reinkommt. Lieber Herr Hommelhoff.

2:28 Min
Peter Hommelhoff:

Ja, in der Tat. Es ist Rechnungslegung im klassischen Sinne der Rechenschaft. Der Rechenschaft zunächst einmal gegenüber denjenigen, die Eigenkapital zur Verfügung stellen, damit mit diesem Eigenkapital ein Unternehmen geführt werden kann. Aber auch Rechenschaft gegenüber den Gläubigern, sei es gegenüber den aktuellen Gläubigern, die bereits Fremdkapital zur Verfügung gestellt haben, aber auch gegenüber potenziellen Gläubigern, die vor der Frage stehen, ob sie in dieses Unternehmen hinein Fremdkapital zur Investition geben wollen.

3:03 Min
Anne Sanders:

Aber das sind jetzt wirtschaftliche Fragen, die diese Personen sich anschauen, die die interessieren bei der Rechnungslegung.

3:09 Min
Peter Hommelhoff:

In der Tat, worauf Sie sicherlich abzielen, ist die Frage, sind da nur diese beiden Gruppen, nämlich die Eigenkapitalgeber und die Fremdkapitalgeber, die Adressaten der Rechnungslegung? Da hat es eine Erweiterung gegeben. Also natürlich die Arbeitnehmer, das folgt aus dem Betriebsverfassungsgesetz, aber auch die Lieferanten und sonstige Interessenträger, Stakeholder wie es heißt.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und dieser Kreis der Stakeholder ist immer weiter vergrößert worden, bis hin ja zur Allgemeinheit, repräsentiert durch die politischen Verantwortungsträger, die in den neuen Regelwerken der EU ausdrücklich als Adressaten dieser Rechnungslegung im weitesten Sinne genannt sind.

3:55 Min
Anne Mittwoch:

Und da sind wir schon gleich beim springenden Punkt angekommen. Die neuen Vorschriften der EU führen ja jetzt dazu, dass Nachhaltigkeitsaspekte in der Rechnungslegung Berücksichtigung finden. Wie genau will der Unionsgesetzgeber das bewerkstelligen und tut er das ja bereits schon?

4:10 Min
Peter Hommelhoff:

Er tut es schon seit geraumer Zeit, seit 2014 durch eine Eröffnung der damaligen Bilanzrichtlinie in Richtung auf die nicht finanziellen Informationen und diese nicht finanziellen Informationen waren von Anbeginn seit 2014 so strukturiert, dass sie die Unternehmen anregen sollten, amerikanisches Stichwort Nudging, Anregen sollten sich gegenüber diesen Gütern, Gemeinwohlgütern, Menschenwürde, Arbeitnehmerrecht, Umwelt und so weiter zu öffnen und da

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

mit diesen Informationen diese Adressaten zu erreichen.

4:50 Min
Anne Sanders:

Stichwort Nudging, Anregen, das heißt das war freiwillig? Wie freiwillig war das dann?

4:56 Min
Peter Hommelhoff:

Ja, es war 2014 folgende in der Tat freiwillig, denn es gab einen bestimmten Mechanismus, den Comply or Explain Mechanismus. Man brauchte die abgeforderten Informationen nicht zu geben, wenn man etwas nicht machte, also etwa zum Beispiel kein Konzept entwickelte, um Menschenrechte, Kinderarbeit zu vermeiden.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Man sagte, das machen wir nicht, man musste das aber dann begründen, comply or explain und diese Möglichkeit aus den Verpflichtungen, Berichtspflichten herauszukommen, einfach nur begründet, warum man es nicht macht, die hat die neue Richtlinie von 2022 aufgegeben. Diese Freiheit haben die Unternehmen nicht mehr.

5:39 Min
Anne Mittwoch:

Das ist sehr spannend, dass es also um Berichtspflichten geht und wir sehen, die Verrechtlichung schreitet voran. Jetzt kann man sich natürlich fragen, inwiefern bringen überhaupt Berichtspflichten was? Also die Unternehmen schreiben da jetzt ihre Nachhaltigkeitsberichte, aber was ist mit Handlungspflichten? Wie ist denn da das Verhältnis von Tun und Berichten?

5:57 Min
Peter Hommelhoff:

Also zunächst einmal der Gedanke der bisherigen Regulatorik der EU, also bis hin zur CSR-Richtlinie von 2022, war in der Tat der Gedanke, durch Berichterstattung und Marktreaktion oder besser gesagt Publizitätsreaktion dafür zu sorgen, dass die Unternehmen sich in bestimmter Weise verhalten. Das war also, wenn Sie so wollen, eine Soft-Law-Lösung.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und da hat nun der europäische Gesetzgeber 2024 den nächsten Schritt gesetzt in der CSDDD oder wie man auch sagt CS3D hin zu Handlungspflichten in der Erkenntnis, dass der Berichtsmechanismus, der wesentlich mit der Reputation des Unternehmens fungieren sollte, dass der doch nicht zu den Ergebnissen geführt hat oder vielleicht nicht schnell genug geführt hat, die sich der europäische Gesetzgeber vorgestellt hat.

6:58 Min
Anne Sanders:

Also wenn man es kurz zusammenfasst, der europäische Gesetzgeber hat den ersten Schritt gemacht und gesagt, Unternehmen sollen berichten über nicht finanzielle, was sie nicht finanziell machen. Das hat aber nicht die gewünschten Effekte gebracht und damit geht er jetzt immer einen Schritt weiter von den Berichtspflichten hin zu Handlungspflichten.

7:22 Min
Peter Hommelhoff:

Das ist völlig richtig, so wie Sie es sehen. Aber vielleicht sollte man zwei Dinge dabei mit im Blick behalten. Das erste ist, ich glaube nicht, dass es wirklich die Erkenntnis war des europäischen Gesetzgebers, die Berichtspflichten alleine schaffen diese Ziele, die wir uns vorgestellt haben, nicht.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Wir brauchen mehr. Nein, das war von Anbeginn ein Gesamtplan, der darauf angelegt war, letztendlich bei Handlungspflichten zu landen, aber langsam die Unternehmen an diese Handlungspflichten über Berichtspflichten heranzuführen. Das ist der erste Punkt.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Der zweite Punkt ist, und da haben wir noch eine nicht ganz abgestimmte Situation im Augenblick im europäischen Recht und dann auch konsequent nachher im nationalen Recht, er hat diese Berichtspflichten in der schon erwähnten CSRD 2022 dadurch enorm verfeinert und vertieft, dass er diese Berichtspflichten durch sogenannte European Sustainability Reporting Standards der EU-Kommission entwickelt und entworfen von der sogenannten EFRAG, das ist ein privater Verein, in dem mehrere Akteure zusammenwirken, diese gesamte Berichterstattung ganz enorm erweitert, vertieft und verfeinert hat.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und jetzt stehen wir vor dem Problem. Wie wollen wir diese verfeinerten Berichtspflichten in einen harmonischen Abgleich bringen mit den Handlungspflichten, denn die Handlungspflichten sind nun ganz exakt darauf angelegt, die genannten Gemeinwohlgüter durch Schutzmechanismen, durch Schutzsysteme effektiv, möglichst effektiv zu schützen. Und dann stellt sich die Frage, inwieweit brauche ich dann auch den Mechanismus der Berichtspflichten als Antriebsmotoren? Müsse ich dann nicht daraufhin auf diese Handlungspflichten die Berichtspflichten hinzuschneiden und das bedeutet wesentlich zurückzuschneiden?

9:25 Min
Anne Mittwoch:

Da sehen wir natürlich schon die unglaubliche Komplexität, die diese neue Rechtslage dann mit sich bringt, auch für Unternehmen. Aus studentischer Sicht kennt man, wenn man sich mit dem Thema befasst, erstmal vier zentrale Vorschriften im BGB, 289b folgende HGB, im HGB natürlich.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Ja, vielleicht, lieber Herr Rommelhoff, können Sie nochmal ein bisschen die Mechanik erklären, weil ich denke, aus studentischer Sicht ist es schwierig. Wir können HGB-Vorschriften anwenden, das haben wir im Studium gelernt. Und jetzt haben wir diese neuen Standards der EFRAG, also die ESRS.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Wie genau spielen die denn rechtstechnisch rein? Also wenn ich jetzt im Studium mich damit befasse, wie muss ich mir methodisch jetzt die Unterlagen, die Dokumente angucken und das dann verarbeiten?

10:08 Min
Peter Hommelhoff:

Um es mal ganz klar zu sagen, die Berichtsstandards, die ESFS, können kein Gegenstand akademischen Unterricht sein. Die kann auch kein Student sicher erarbeiten, das geht gar nicht. Das sind dicke Folianten, also ein Bruchteil des Schönfelders ist in denen runtergelegt oder wie heißt er neuerdings, Habersack.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Also das ist gar nicht bewältigbar. Was wir vermitteln können und sollen im akademischen Unterricht, ist vielleicht die Grundstruktur dieser Berichtsstandards. Aber damit können die jungen Leute noch nicht arbeiten. Der SIT im Grunde genommen ist für den akademischen Unterricht, für die studentische Beschäftigung eigentlich das Verständnis des Gesamtsystems das Wichtigste, um zu sehen, warum wird es gemacht, wie wird es gemacht, wen trifft es.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das sind so die Dinge, die nach meinem Dafürhalten man können muss. Wir werden auch in der Fortschreibung des HGB, in § 289b folgende, werden wir in Umsetzung der CSRD 2022 kaum, sagen wir mal, in der Architektonik der Bestimmung wesentliche Veränderungen finden. Es fliegen ein paar Bestimmungen raus, nämlich das freie Wahlrecht, der Regelwerke, nach denen man sich richtet.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das wird jetzt alles auf die ESFS ausgerichtet werden, aber die Architektonik als solche bleibt dabei. Aber für die Unternehmen, da sind natürlich diese Standards von außerordentlicher Bedeutung, nämlich schlicht deshalb, weil sie gar keiner Umsetzung bedürfen, sondern als delegierte Verordnungen der EU-Kommission unmittelbare Verpflichtung gegenüber den Unternehmen begründen.

11:48 Min
Anne Sanders:

Ja, dann wollen wir doch vielleicht da nochmal einhaken. Welche Unternehmen sind denn betroffen und wer ist eigentlich in einem Unternehmen dafür zuständig, dass das jetzt richtig läuft?

11:57 Min
Peter Hommelhoff:

Also von den Berichterstattungen sind alle Kapitalgesellschaften betroffen mit mehr als 250 Arbeitnehmern. Das heißt also, diese Verpflichtungen gehen weit in den Bereich der mittelständischen Wirtschaft hinein. Nachdem zunächst einmal 2014 folgende nur die sogenannten Unternehmen von öffentlichem Interesse betroffen waren.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das waren die Börsengesellschaften, das waren oder das sind die Unternehmen der Kreditwirtschaft und der Versicherungsbranche. Und das sind insgesamt so ungefähr 450 Unternehmen gewesen. Wird jetzt die Zahl auf 15.000 in Deutschland allein erhoben werden, in der EU wahrscheinlich 49.000 ungefähr.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das heißt also schon, das ist ein erheblich erweiterter Kreis betroffener Unternehmen. Die anderen Unternehmen von öffentlichem Interesse, also Kreditwirtschaft und Versicherungswirtschaft, bleiben dabei. Das heißt also, jede Kreissparkasse, jede Volksbank wird künftig hier diese erweiterte Rechnungslegung zu befolgen haben.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Wer ist dafür zuständig? Im Unternehmen? Im Unternehmen, das ist jetzt vielleicht nicht explizit ausformuliert, ergibt sich aber aus den Anforderungen, die insgesamt mit der Nachhaltigkeitsregulatorik angesteuert werden, das ist eindeutig Vorstandsangelegenheit. Der Vorstand bzw.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

die Geschäftsführung müssen sich selber darum kümmern. Sie müssen die Belegschaft dafür gewinnen, sich auf diese Dinge einzustellen, diese Ziele auch selber für sich zu akzeptieren und sie zu leben. Das wird eine gewaltige unternehmerische motivierende Herausforderung im Unternehmen sein und natürlich werden die Fachabteilungen in Unternehmen dafür zuständig sein und meistens unter dem Chief Finance Officer dann diejenigen, die die Rechnungslegung im Unternehmen machen.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Ich weiß zum Beispiel von der BASF, da hocken im Augenblick 80 Leute dran, diese Berichtspflichten aus der CSRD künftig umzusetzen.

14:04 Min
Anne Mittwoch:

Das ist natürlich beeindruckend. Und gerade wenn man die entsprechenden Schwerpunkte gewählt hat und sich im Aktienrecht ein bisschen auskennt, kann man sich das dann gut vorstellen. Da schließt sich jetzt natürlich unmittelbar die Frage an, bei dem, was Sie ausgeführt haben, bei dem weiten Anwendungsbereich.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Was machen denn die kleineren Unternehmen? Denn die sind ja durchaus auch betroffen und haben vielleicht nicht die großen Kapazitäten, um extra Abteilungen einzurichten, um diese zu erfüllen. Das ist eine ganz.

14:29 Min
Peter Hommelhoff:

Ganz große rechtspolitische Herausforderung. Der europäische Gesetzgeber hat bei der CSRD 2022 Berichtspflichten für die kleinen Unternehmen explizit ausschließen wollen. Aber da die großen Unternehmen, die als große Unternehmen, mehr als 250 Arbeitnehmer, verpflichtet sind, auch die Informationen, die aus der Lieferkette, also von Vormateriallieferanten, von Unternehmen, die Rohstoffe beiliefern oder anderes mehr, dass die eben auch Informationen beibringen, werden sie genau von diesen kleinen Unternehmen in dieser Lieferkette die Informationen abverlangen, die sie für ihre Berichterstattung brauchen.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das heißt also, die Granularität der europäischen Berichtsstandards schlägt mittelbar auf diese kleinen und mittleren Unternehmen durch. Ein zweiter Hebel, der die Betroffenheit dieser Unternehmen zur Folge hat, liegt darin, dass eben auch die Kreditwirtschaft für die Ausgabe ihrer Kredite nachweisen muss, wofür die Kredite verwendet werden, also insbesondere, ob sie eben für nachhaltige Zwecke verwendet werden.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und dann müssen eben die kreditnehmenden kleinen Unternehmen genau diese Informationen, die die Kreditwirtschaft dafür braucht, beisteuern. Und damit unterliegen diese kleinen Unternehmen als Kreditnehmer exakt denselben Anforderungen an die Berichterstattung, wenn auch nur mittelbar, denen die Großen ausgesetzt sind. Der europäische Gesetzgeber hat in den Erwägungsgründen zur CSRD so ein paar Sachen angedeutet, ich glaube auch ausformuliert, auch in der Richtlinie, dass da Hilfestellung geleistet werden muss und so weiter.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das ist alles rechtspolitisch wenig vielversprechend, um es mal etwas schwächer auszudrücken. Die Konsequenz wird ganz einfach sein. Wenn ein Unternehmen wie die BASF oder VW, die mehr als 80.000 Zulieferanten haben, die Zulieferanten mit diesen Informationsanforderungen.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Verlangen, konfrontieren muss, werden sie sich überlegen, welche von den Vormaterialien sie überhaupt noch nehmen oder ob sie es gleich nach selber machen oder ob sie den Bezug, den sie dann haben müssen, dann konzentrieren. Also diese Auswirkungen sind nach meinem Dafürhalten vom europäischen Gesetzgeber nicht in der angemessenen Weise in den Blick genommen worden.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und das bedeutet, hier muss eigentlich sofort vom europäischen Gesetzgeber nachgearbeitet werden, Aber dazu sollten rechtstatsächliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Ein paar Studien gibt es schon, die sind schon beigesteuert worden. Aber im Grunde genommen muss das sehr viel größer, sehr viel seriöser und sehr viel, ja auch vielleicht ein bisschen zeitaufwendiger gestaltet werden, als es im Augenblick bereits geschehen ist.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Damit der europäische Gesetzgeber wirklich eine verantwortliche Regelung, die auch die kleinen und mittleren Unternehmen erfasst und sie ganz draußen lassen, geht schlicht deshalb nicht, weil sie natürlich die Gruppe der größten Akteure in der europäischen Wirtschaft ist. Und wenn man die europäische Wirtschaft auf Nachhaltigkeit insgesamt ausrichten will, kann man das ohne diese Gruppe, das sind über 22 Millionen Unternehmen in der EU, kann man das natürlich nicht ohne sie machen.

18:06 Min
Anne Mittwoch:

Ja, das leuchtet auf jeden Fall ein. Also wir halten mal fest, die Situation ist sehr komplex. Und die Transformation ist umfassend und wir können sie nicht mit einigen wenigen großen Playern schaffen, sondern es sind auch Rechtsformen, es sind kleinere Unternehmen, Rechtsformen adressiert, die ja man im Studium eben auch durchaus zentral als Beschäftigungsgegenstand hat, also nicht nur die Aktiengesellschaft.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Da sehen wir jetzt das Problem. Vielleicht könnten Sie nochmal... Kontextualisieren, weil jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wir verstehen die Schwierigkeiten. Jetzt müssen wir vielleicht ein bisschen über Lösungen nachdenken.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Sie haben da ja schon jetzt einiges genannt und vielleicht könnte man auch nochmal dabei auf die Verzahnung eingehen, weil wir haben jetzt über Berichtspflichten gesprochen, aber auch schon über die Handlungspflichten, die stehen ja in einem anderen Rechtsakt, Sie haben die CS3D genannt. Vielleicht die Berichtspflichten im Kontext des weiteren Wirtschaftsrechts.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Vielleicht haben Sie da Ideen, wie wir da weitermachen können.

19:02 Min
Peter Hommelhoff:

Also das ist in der Tat, wir sind zentral herausgefordert. Die erste Aufgabe müsste eigentlich darin bestehen, die verschiedenen Rechtsakte der EU, die Berichtspflichten zum Gegenstand haben, mal aufeinander zu beziehen und in ein einheitliches Regelwerk zu überführen. Wir haben von der CSRD und dem Vorgänger gesprochen, von der CSR-Richtlinie zur Reform der Bilanzrichtlinie.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das war nun die eine. Dann kommt die zweite hinzu, die Taxonomie-Verordnung. Und die Offenlegungsverordnung. Dann haben wir Spezialvorschriften für Holzhandel. Wir haben Spezialvorschriften für Klonflickmineralien.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Wir haben jetzt Spezialvorschriften für Kinderarbeit. Da sind überall Berichtspflichten drin. Das muss in ein einheitliches Werk gebracht werden. Denn, und das ist jetzt nicht nur eine Frage der technischen Sauberkeit oder der Frage, ob ich sowas bewältigen kann.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Nein, es ist eine Frage nach meinem Dafürhalten der Akzeptanz der Berichtspflichtigen. Wir müssen die Berichtspflichtigen, der europäische Gesetzgeber sollte alles darin tun, die Berichtspflichtigen dafür zu gewinnen. Zu erkennen, das hat einen Sinn, das ihr berichtet, aber wir belasten euch nicht, wir sehen die Herausforderungen, die damit verbunden sind und tragen dem Rechnung.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und das ist bisher leider nicht geschehen. Und dann kommt das Zweite, nämlich dann kommt eben diese Verbindung Berichtspflichten einerseits, Handlungspflichten andererseits und das müsste zusammengeführt werden und da haben uns der europäische Gesetzgeber eigentlich in anderem Kontext schon längst ein Instrument vorgeführt, von dem ich glaube, das könnte hier auch helfen, ein sogenanntes Single Rule Book.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Nämlich eine Zusammenfassung der für diesen Aspekt, für diesen Bereich notwendigen und vorgegebenen Regeln, damit durch einen verhältnismäßig schnellen Blick die Unternehmen und ihre Berater erkennen können, worum es geht. Und da heute brauche ich, um mich in diesem Regelwerk zu orientieren, alleine fünf bis acht Wochen, bis ich das überhaupt verstanden habe, um es dann überhaupt anwenden zu können, das ist viel zu kompliziert und das führt zu Akzeptanzschwierigkeiten.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und damit steht sich nach meinem Erfolgen der europäische Gesetzgeber selber mit seinem Anliegen, die Unternehmen in diese Richtung zu bringen, im Wege.

21:29 Min
Anne Sanders:

Das hört man auch immer wieder aus kleineren mittelständischen Unternehmen, die es gerade in der Region um Bielefeld viel gibt. Auch gerade von den kleineren, die dann sagen, ja das wird dann von uns verlangt und das schaffen wir aber nicht und dieses Gefühl, dass man eben völlig überfordert wird.

1:00 Min
Anne Sanders:

Und vielleicht auch nochmal für die hörenden Studierenden, das klingt alles schwierig und technisch, aber als junger Jurist, als junge Juristin wird man ja auch gerade als Unternehmensjuristin dann mit diesen Fragen konfrontiert. Das sind die Probleme, die man dann lösen muss, wenn man mit einem Unternehmen arbeitet.

1:00 Min
Anne Sanders:

Gerade ein Unternehmen, was sich nur ein Juristen leisten kann, wird dann damit konfrontiert sein, all diese Dinge zusammenzubringen, nicht wahr? Ja.

22:09 Min
Peter Hommelhoff:

Also was wir an der Universität beibringen können, ist in der Tat das zentrale Anliegen, was will der Gesetzgeber damit erreichen und was sind die Hauptelemente dieses gesamten Bereichs, um den es geht. Da hängt noch eine andere Grundfrage, die an die Universität gehört und die auch Gegenstand des akademischen Unterrichts sein sollte, nämlich mache ich das mit Unternehmensrecht, Gesellschaftsrecht, Handelsrecht, erweitertes Handelsrecht oder mache ich das mit öffentlichem Recht? Denn das ist ja ganz einfach.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Die Frage, etwa, wie wir ja in der nächsten Woche in Stuttgart am Juristentag erörtern wollen, brauchen wir einen Klimaplan und wie soll der Klimaplan aussehen? Das kann ich als Teil des Unternehmensrechts machen. Das kann ich aber auch durch eine öffentlich-rechtliche Vorgabe machen, die dann für die Unternehmen durch die Legalitäts- und Legalitätskontrollpflicht binden wird.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und ich habe so ein bisschen die Befürchtung, das sollte auch an den Universitäten als Gegenstand des Gesprächs zwischen Lehrenden und Lernenden traktiert werden, nämlich die Frage. Wer muss welche Verantwortung übernehmen? Kann der Staat die Verantwortung für die Nachhaltigkeit im unternehmerisch-wirtschaftlichen Bereich in so weitem Maße, Stichwort Lieferkette, Aktivitätskette, auf die Unternehmen verlagern und kann er sich da zurückziehen? Oder handelt er nicht klüger, so wie es ansatzweise sowohl in der Kinderarbeitsverordnung als auch in der Holzhandelsverordnung und in der Konfliktmineralienverordnung ist, dass er...

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Dass Importverbote verhängt, dass er Akkreditierungen, dass er Bescheinigungen ausreichen lässt oder auf Bescheinigungen hinwirkt und sie dann ausreichen lässt, um die Unternehmen in die Richtung zu bringen, aber sie doch nicht zu überlasten. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass jetzt der europäische Gesetzgeber hat da überzogen nach meinem Dafürhalten.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Er kann natürlich nicht ohne Unternehmen diese ganzen Sachen in der Lieferkette. Das ist ganz klar. Ohne Unternehmen geht es nicht. Information, Durchsetzung, alles in Ordnung.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Aber er kann die Verantwortung, es geht ja um die Umsetzung seiner Vereinbarung mit etwa China oder welchen Staaten auch immer, das kann er nicht allein auf die Unternehmen als Speerspitze abdrücken, sondern er muss selber nach vorne gehen und dann die Unternehmen in diesem seinen Fortgang als Unterstützer, als diejenigen, die mithelfen, dass die Ziele erreicht werden, einzusetzen. Und das sind so die großen Fragen, die man an der Universität stellen sollte, die man im akademischen Unterricht behandeln sollte und von denen wir vielleicht hoffen, dass sie dann auch den europäischen Gesetzgeber irgendwann erreichen.

25:06 Min
Anne Mittwoch:

Ja, mit den wunderbaren Anregungen können wir, glaube ich, ein schönes Zwischenfazit ziehen. Wir haben über Berichtspflichten gesprochen, haben gesehen, diese Fragen sind eng verzahnt mit anderen Fragen, Gesellschaftsrecht, andere Rechtsgebiete. Wir haben auch gesehen, das ist, was wir jetzt auf dem D.O.T.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Nächste Woche besprechen, dass wir schon viele Podcast-Folgen zu den verschiedenen Themen aufgenommen haben, die wir euch gerne unten einblenden und auf die wir euch hinweisen möchten. Und wir haben gesehen, dass letztlich, und das ist ja ein Fazit, was wir hier schon in anderen Folgen gezogen haben, sich doch immer wieder die gleichen großen Fragen stellen in allen Gebieten, die wir hier mit Nachhaltigkeit und Wirtschaftsrecht oder Nachhaltigkeit und Recht sogar besprechen.

1:00 Min
Anne Mittwoch:

Kommen wir vielleicht noch einmal kurz zurück zu den Berichtspflichten. Wir haben jetzt, denke ich, einen guten Überblick gewonnen. Vielleicht noch abschließend die Frage, was passiert denn, wenn sich die Unternehmen jetzt dann einfach nicht daran halten? Weil Durchsetzung ist ja im Recht auch immer noch ein wichtiger Punkt.

26:00 Min
Peter Hommelhoff:

Naja, also erstens fordert natürlich der europäische Gesetzgeber zu Recht ein, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie diese Vorgaben der Richtlinie, die sich an sie ja zur Umsetzung richten, wenn sie das machen, dass sie dann auch dafür sorgen, dass sie auch tatsächlich angewendet werden. Also Effektivitätsgrundsatz.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und da gibt es immer einen Dreiklang, nämlich es muss effektiv sein, es muss auf wehtun und es muss auch tatsächlich durchgesetzt werden. Und das wird in der Tat sein und damit stellt sich dann natürlich im deutschen System die Frage der Aufsichtsbehörden, das ist die BAFA in Deutschland.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Es stellt sich die Frage des Ordnungswidrigkeitenrechts, es stellt sich die Frage, wie penalisiere ich das, wie sanktioniere ich das. Also da werden wir sicherlich bei der Umsetzung auf Modelle zurückgreifen können im HGB, die Paragrafen Basis 331 folgende, die dafür sorgen, dass man diese Pflichten auch wirklich ernst nehmen muss.

27:02 Min
Anne Mittwoch:

Dann wäre es sogar eine Strafbarkeit.

27:04 Min
Peter Hommelhoff:

Ja, also mindestens eine Ordnungswidrigkeit, im bösen Fall auch mal eine Strafbarkeit. Also wenn ich mich verweigere, kriege ich meistens keine Strafbarkeit rein, aber wenn ich Falschmeldungen mache, dann wird es strafgeneigt. Und vorher gibt es kräftige Ordnungswidrigkeiten und da die Effektivität auch immer davon abhängt, wie hoch die Geldbuße ist, wird das sicherlich am Anfang vielleicht mit etwas schwächeren Geldbußen enden, aber das wird sicherlich enorm verschärft werden müssen, weil der europäische Gesetzgeber die Mitgliedstaaten zu effektiver Verwirklichung seiner Zielsetzungen verpflichtet hat.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Und da wird es schon richtig heiß.

27:44 Min
Anne Sanders:

Vielleicht von mir dann auch nochmal eine abschließende oder gegen Ende sich bewegende Frage. Zum Gesellschaftsrecht. Was machen diese ganzen Pflichten eigentlich mit dem Gesellschaftsrecht, mit den Pflichten der Geschäftsführung, des Vorstands? Verändert das die grundlegend oder ist das einfach nur irgendwie eine weitere Pflicht, die halt so auf die Unternehmen zukommt?

28:06 Min
Peter Hommelhoff:

Also damit sprechen Sie einen zentralen Streitpunkt der aktuellen gesellschaftsrechtlichen Diskussion an. Es geht um die Frage, hat der europäische Nachhaltigkeitsgesetzgeber, hat der die Unternehmensziele erweitert? Bisher ist ganz klar, das ungeschriebene Unternehmensziel einer jeden unternehmensragender Gesellschaft ist, erstens das Unternehmen im Wettbewerb zu erweitern, erhalten, die Position im Wettbewerb zu behaupten und eine Wertsteigerung, die entweder in der Wirtschaft und des Unternehmens sich ausdrückt, aber am liebsten auch noch ein bisschen in Dividenden an die Geldgeber, an die Aktionäre und an die Gesellschafter.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Das sind die ungeschriebenen Unternehmensziele. Und jetzt stellt sich die Frage, kommt zu diesen ungeschriebenen Unternehmensziele der Gemeinwohlgüterschutz nach der Nachhaltigkeitsregulatorik hinzu? Hochumstritten. Zweiter Punkt, wo wir auch noch keine Veranständigung haben, wo wir uns wahrscheinlich auch in Stuttgart heftig prügeln werden, ist die Frage, wie sieht es aus mit § 76 Absatz 1 Aktiengesetz.

1:00 Min
Peter Hommelhoff:

Der Vorstand leitet das Unternehmen unter eigener Verantwortung. Gehört zu diesem Unternehmen in eigener Verantwortung ein Unternehmen, das sich als Cash-Produzent darstellt oder gehört dazu ein Unternehmen, das eine Vielzahl von Leistungen erbringt, Arbeitsplätze sicherstellt, seine Leute ausbildet, Steuern zahlt, die Umwelt schützt und möglichst noch verbessert und anderes mehr? Das sind Grundfragen, brauchen wir eine New Theory of the Firm? Alles im Augenblick noch offen.

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Peter Hommelhoff:

Nächster Punkt, wie wirkt das eigentlich aus auf Paragraph 93 Absatz 1 Aktiengesetz, Handlungspflichten des Vorstands oder 43 Absatz 1 GmbH-Gesetz, Handlungspflichten der Geschäftsführer? Alles hoch umstritten. Darüber werden wir uns in Stuttgart wahrscheinlich ganz intensiv prügeln, weil diese Frage nämlich in der vorbereitenden Literatur schon in den Mittelpunkt gerückt worden ist.

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Peter Hommelhoff:

Also die Frage, verändert das das Gesellschaftsrecht, das ist der eine Punkt. Und da kommt was weiter hinzu. Das haben die alle noch nicht so richtig begriffen. Wir haben im Aktiengesetz ja Organisation unterhalb des Vorstands.

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Peter Hommelhoff:

Paragraf 91 Absatz 1, die Rechnungslegung. Ich muss also eine Abteilung, die die Rechnungslegung macht, einrichten. Zweitens, ich brauche 992, ich brauche ein Risikomanagementsystem, das die Bestandsrisiken erfasst und steuert in allen Aktiengesellschaften. 91.3.

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Peter Hommelhoff:

Ich brauche in Börsengesellschaften ein umfassendes Risikomanagement-System. So, und jetzt kommen schon aus der CSRD, also aus der 2022er Richtlinie, kommen Impulse, die ganz klar geworden sind durch die CS3D von 2024, 24, nämlich die Schutzsysteme zum Schutze der Gemeinwohlgüter. Und das sind Systeme, die genauso zu behandeln sind, einzuordnen sind, wie die Risikomanagementsysteme.

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Peter Hommelhoff:

Wir bekommen also, wenn wir das normativ umsetzen würden, eigentlich funktional eine Ergänzung in § 91 Absatz 4 bis 8. Beim KWG ist das ja alles so üblich, das können wir da hin. Es wird wahrscheinlich nicht im Aktiengesetz meint, weil es ja der Adressat der Richtlinie sind ja die Unternehmen, die Kapitalgesellschaften.

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Peter Hommelhoff:

Ich brauche es also auch für die GmbH und die GmbH und Co. KG. Und deshalb wird es aller Wahrscheinlichkeit nach in ein reformiertes Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz reinkommen. Aber funktional ist das knallhartes Organisationsrecht der Aktiengesellschaft oder der GmbH.

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Peter Hommelhoff:

Was wir da zu erwarten haben. Und insofern ist, das habe ich schon 2015 vorgetragen, wollte mir keiner glauben. Das ist die Revolution des Gesellschaftsrechts über das Bilanzrecht. Das wird kommen und ich glaube, wir sollten das auf die Sache konzentrieren und weniger über die Frage reden, ist das Gesellschaftsrecht oder gehört das hin und wir ändern das die Unternehmensziele.

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Peter Hommelhoff:

Das ist klar, wenn ich die Gemeinwohlgüter schützen muss und ich habe zwar nur eine Bemühungspflicht, aber das ist viel zu schwach formuliert, denn wenn ich mit den Bemühungen nicht Erfolg habe, etwa Kinderarbeit zu bekämpfen oder Umweltbeeinträchtigungen zu reduzieren, dann habe ich jedes Jahr nach Artikel 15 der CS3D, das zu evaluieren, bin ich erfolgreich gewesen und wenn ich nicht erfolgreich war, dann muss ich nachsteuern.

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Peter Hommelhoff:

Das heißt also, ich habe mehr als eine Mühlenpflicht, ich habe eine ziel- und erfolgsorientierte Verpflichtung, nur ich muss das Ziel, die Zielerreichung nicht garantieren. Das müssen die Unternehmen nicht. Aber sie müssen, wenn sie feststellen, es ist noch nicht genug getan, da müssen sie versuchen mehr zu machen und das müssen sie jedes Jahr sich klar machen, ich muss noch was tun und was kann ich tun.

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Peter Hommelhoff:

Das ist der Punkt. Und das ist klassisches Gesellschaftsrecht. Das ist 93.1. Das Unternehmen muss optimal geführt werden und hier so konkretisiert.

33:39 Min
Anne Mittwoch:

Ja, das sind ganz spannende und inspirierende Anregungen, die Sie uns mitgegeben haben und ich glaube auch fast schon ein gutes Schlusswort. Der Semesterbeginn steht unmittelbar bevor und ja, viele von euch werden demnächst die einführenden Vorlesungen zum Gesellschaftsrecht hören, Personengesellschaftsrecht, Kapitalgesellschaftsrecht und dann vielleicht hier an diese Inhalte zurückdenken, wenn es um die Theory of the Firm geht und man sich fragt, wie sollte die sich eventuell in Zukunft ändern? Und 93, 76 Aktiengesetz, 91 sind Vorschriften, die Sie alle im Studium oder ihr alle im Studium ja behandelt und behandelt habt.

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Anne Mittwoch:

Und ich denke, wer sich für die Stuttgarter Prügelei interessiert, da sei auch verwiesen auf eine Podcast-Folge, die wir mit Marc-Philipp Weller aufgenommen haben, der das Gutachten für den Juristentag geschrieben hat, für die wirtschaftsrechtliche Abteilung, wo es genau um das Thema geht, empfehlen sich im Kampf gegen den Klimawandel Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Lieber Hommelhoff, wir danken Ihnen ganz herzlich für diese spannenden und interessanten Einblicke in die Berichtspflichten und weiteres und freuen uns auf die weiteren Entwicklungen.

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Anne Mittwoch:

Vielen Dank.

34:43 Min
Peter Hommelhoff:

Vielen Dank, mit großer Freude.

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