"Die wichtigste Weichenstellung in der kaufrechtlichen Klausur ist zunächst die Frage, ob Sie im Bereich B2B, B2C oder C2C unterwegs sind."

Zivilrecht | Examensvorbereitung | Kaufrecht | Grundlagen | Sachmängel

Folge 191 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

Irgendwas mit Examen, Folge 13: Taucht ein in die Welt des Kaufrechts, einem der häufigsten und wichtigsten Themen in Eurer zivilrechtlichen Examensklausur. In dieser Episode beleuchten wir ausführlich die Grundlagen des Kaufvertragsrechts, wie es im BGB geregelt ist, und erkunden eine der wichtigsten Weichenstellungen für Eure Klausur in Form der verschiedenen Arten von Kaufverträgen (B2C, B2B, C2C). Erfahrt mehr über die vertragstypischen Pflichten gemäß § 433 BGB, die Bedeutung von Sach- und Rechtsmängeln und die sich daraus ergebenden Prüfungsfragen. Wir diskutieren, wie sich EU-Richtlinien und deutsche Gesetzgebung auf das Kaufrecht auswirken und warum diese Veränderungen für Examenskandidaten besonders relevant sind. Mit Prof. Dauner-Lieb tauchen wir tief in die Materie ein, um ein umfassendes Verständnis zu entwickeln, das über die bloße Kenntnis der Gesetzestexte hinausgeht. Bereitet Eure Gesetzestexte vor und macht es Euch bequem, denn dieser Podcast wird Euch ein fundiertes und detailliertes Verständnis des Kaufrechts vermitteln. Viel Spaß beim Zuhören und Lernen!

Inhalt:

  • 00:20 Systematik: Wo stehen wir gerade?
  • 02:07 Warum gibt es im BGB typisierte Verträge?
  • 06:13 Privatautonomie vs B2B / B2C / C2C
  • 12:26 Grundlagen: Kaufvertrag, §§ 434ff., 476
  • 17:18 Examenstaktik: Wann können neue Gesetze geprüft werden?
  • 20:16 Kaufrecht höchst examensrelevant
  • 27:18 Typische Vertragspflichten im Kaufrecht
  • 32:15 § 433 I S. 2: Verschaffen frei von Sach- und Rechtsmängeln
  • 36:02 Mangelbegriff, § 434
  • 42:37 Aufbau des § 434
  • 47:08 Der Beschaffenheitsbegriff des § 434
  • 54:08 Rechtsfolgen nach § 437
  • 55:34 Grundsatz: Gelegenheit zur Nacherfüllung
  • 58:46 SE bei Mangelhaftigkeit, § 437 Nr. 3
  • 1:03:58 SE statt der Leistung bei Mangelhaftigkeit
  • 1:08:27 Bei mangelhafter Leistung auch Fälle des § 280 II?
  • 1:11:02 Abschließender Tipp: Details nicht zu früh!
  • 1:11:47 Outtro

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:00:17
Hallo Marc, ich freue mich.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:02:39
Ja, das ist im Ausgangspunkt völlig richtig. Die Parteien können auch nach wie vor theoretisch neue Vertragstypen erfinden, die im BGB nicht vorkommen. Wir kennen das, der Leasing -Vertrag und der Factoring -Vertrag sind im BGB nicht geregelt, sondern wurden von der Praxis unter Begleitung des BGH entwickelt und umgedreht. Wir haben also, anders als im Sachenrecht, wo es einen numerus clausus der Sachenrechte gibt, keinen numerus clausus der Vertragstypen. Die Parteien können Vertragstypen modifizieren oder auch tatsächlich neu erfinden. Eine kleine Bemerkung, deswegen kann man auch in der Klausur einfach formulieren, dass sich ein Anspruch aus einem Vertrag ergibt. Man muss nicht mal sagen, dass er aus dem Kaufvertrag oder im Werkvertrag stammt. Man muss nicht mal 433 Absatz 1 oder Paragraf 432 Absatz 2 zitieren. Man kann einfach prüfen, der Anspruch könnte sich aus einem Vertrag geben. Das wird man in der Regel nicht machen und in der Regel wird man auch überlegen, was das für ein Vertragstyp ist. Wichtig ist aber, wenn man nur einen Zahlungsanspruch prüft, kommt es auf den Vertragstyp überhaupt nicht an. Dann ist es in der Klausur auch sehr ungünstig, wenn man fünf Seiten zur Abgrenzung von Werk - und Kaufvertrag macht, denn darauf kommt es eigentlich nur an, wenn es um das Gewährleistungsrecht geht. So. Trotzdem. Trotz der Grunderkenntnis, dass hier auch Privatautonomie herrscht, gibt es natürlich gute Gründe, warum das BGB für bestimmte Vertragstypen sehr ausführliche Regelungsmodelle entwickelt hat.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:04:26
Ja, es gibt zwei Begründungsstränge, die stehen nicht ausdrücklich in der Gesetzesbegründung, Aber das hat wahrscheinlich mehr oder weniger bewusst den Gesetzgeber in verschiedenen Epochen veranlasst, es so zu machen, wie er es gemacht hat. Der erste Grund ist, dass sich normale Parteien bei Massengeschäften, bei Massenkaufverträgen über die juristischen Implikationen dessen, was sie da machen, überhaupt keine Gedanken machen. Die interessieren sich beim Vertragsschluss für die Leistung und für den zu zahlenden Preis. über juristische Dimensionen, über Leistungsstörungen, über juristische Folgen denken Sie überhaupt nicht nach. Oft denken Sie nicht mal darüber nach, dass der Vertragsschluss ein juristischer Akt ist. Sie einigen sich eben, aber Sie gehen davon aus, das funktioniert. Und aus diesem Grund, weil sich eben die normalen Parteien aus guten Gründen wenig Gedanken über die juristischen Implikationen ihrer Aktivitäten machen, hat der Gesetzgeber einen Rahmen geschaffen, auf den sich die Vertragsparteien einfach verlassen können. Die können sich in eine Hängematte hängen. Das BGB trifft für die verschiedenen Vertragstypen Regelungen, die die Parteien, wenn sie nachgedacht hätten, bei einem fairen Verhandeln ohnehin getroffen wird. Da wird so ein wenig auf den hypothetischen Parteiwillen abgestellt. Und deswegen nennt man diese Regelungen auch teilweise sogenannte Default Rules. Das sind die Regeln, die gelten, wenn die Parteien gar nichts machen. Und sie müssen ja eben auch gar nichts machen. Sie dürfen sagen, der Gesetzgeber gibt mir einen guten Rahmen, in dem ich mich bewegen kann.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:06:35
Ja, jedenfalls für eine partnerschaftliche Ehe, wo die Arbeitsteilung nicht so ganz klar definiert ist, wie es ja meistens der Fall ist, wenn auch Kinder kommen sollen. Wir könnten jetzt stundenlang über die Zugewinngemeinschaft reden. Eine winzige Bemerkung, das Bundesfamilienministerium hat vor, über zehn Jahren mal eine Umfrage gestartet, was der deutsche verheiratete Bürger über die Zugewinn -Gemeinschaft weiß. Und das Interessante war, 80 Prozent wussten noch nicht mal, was das ist. Die gingen davon aus, dass es eine Gütergemeinschaft ist. Übrigens, nach der ersten Scheidung wussten fast alle, worum es geht. Aber die Zugewinn -Gemeinschaft ist leider heute nicht unser Thema. Das können wir ein andermal machen. Das ist ganz besonders spannend, nicht nur für diejenigen, die familienrechtlich interessiert sind oder gerade heiraten wollen. Ich würde aber gerne den Faden von eben nochmal aufnehmen. Diese Regelungen der Vertragstypen sind einmal die Ford Rules für den nicht nachdenkenden Kaufmann Bürger. Es gibt aber noch eine zweite Strömung und die ist jünger. Inzwischen ist es ja so, dass die privatautonomen Spielräume zur Gestaltung von Verträgen viel kleiner sind, als man denkt. Je nachdem, um welche Verträge es sich handelt. In allen Lehrbüchern wird zwar nach wie vor betont, Privatautonomie ist Verbindung mit Markt, ein Grundpfeiler des Privatrechts. Da steht ganz am Anfang, das BGB wird beherrscht von der Privatautonomie. Das ist auch richtig im Hinblick auf den Vertragsschluss selbst. Also auf das Verhältnis von Preis und Leistung. Niemand wird gezwungen, einen Vertrag abzuschließen, wenn er nicht will, AGG lassen wir jetzt mal raus und niemand wird gezwungen, einen Preis zu bezahlen, den er nicht für angemessen hält. Aber die juristische Vertragsinhaltsfreiheit ist inzwischen viel weiter eingeschränkt, als wir in unseren vollmundigen Grundbekenntnissen zur Privatautonomie überhaupt sagen wollen. Das Verbraucherrecht, das die Verträge zwischen von Unternehmern und Verbrauchern adressiert, sogenannte B2C -Verträge. Das ist inzwischen weitgehend zwingend. Die Parteien können also nicht etwas anderes vereinbaren. Und diese zwingenden Regeln finden sich im besonderen Schuldrecht in den Regeln zu den einzelnen Vertragstypen. Also im Verbraucherrecht haben wir gar keine Privatautonomie mehr. Jedenfalls kann man nicht von den Regeln abweichen, die da zugunsten des Verbrauchers vorgesehen sind und auch im Bereich B2B, also im Bereich der Verträge zwischen. Unternehmen haben wir eine starke Begrenzung der Privatautonomie. Warum? Wir haben darüber schon gesprochen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fallen auch B2B -Verträge unter eine sehr weitgehende Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das hängt mit einer bestimmten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zusammen, die Sie noch einmal nacharbeiten könnten. Wir hatten da ja eine eigene Folge zu. Und bei dieser Inhaltskontrolle des Bundesgerichtshofs kommt es wieder auf das gesetzliche Leitbild an, also auf das, was im Gesetz zu den einzelnen Vertragstypen steht. Was folgt daraus? Dass eigentlich wirkliche Vertragsinhaltsgestaltungsfreiheit nur für Verträge zwischen Verbrauchern, also C2C gilt und die sind natürlich nicht selten. Sie sind aber auch nicht das typische Massengeschäft in der Wirtschaft und auch nicht das typische Klausurgeschäft, wenn nicht ausgesprochene C2C -Verträge in den Mittelpunkt gestellt werden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:12:24
Genau. Also der Kaufvertrag, Sie wissen alle, der ist in den Paragrafen 433ff geregelt. Daran hat sich zum Glück in den letzten 123 Jahren nichts geändert. Sie wissen ja, dass sonst in vielen Reformen viele Hausnummern verschoben worden sind. Aber hier hat sich an den Hausnummern zwar auch viel geändert, aber wenigstens nicht am Platz im BGB. Gut, am Anfang dieses Titels finden sich allgemeine Vorschriften und die gelten für alle Kaufverträge, also auch für B2C, aber, das muss man sich schon merken, für Verbraucherkaufverträge sind diese 433 fortfolgende zwingend, also nicht dispositiv, nicht abbedingbar. Wo steht das? ganz woanders im Paragrafen 476 Absatz 1. Das ist eine ganz zentrale Norm, die vom juristischen Nachwuchs und vielleicht nicht nur von ihm in der systematischen Bedeutung und in den Konsequenzen häufig total überschätzt wird. Deswegen möchte ich das mal ganz kurz zitieren. Da steht auf eine Vormitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den Paragrafen 433 bis 435, 437, 439 bis 441 und 443 abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. Das heißt die 433 fortfolgende, gelten auf jeden Fall zwingend zugunsten des Verbrauchers. Schon ganz wichtige Erkenntnis. So, dann kommen erstmal, jetzt wird es lang, aber es ist wichtig, Regeln zum Kauf auf Probe, zum Wiederkauf, zum Vorkauf. Das sind Varianten, die im Examen ziemlich selten vorkommen, manchmal aber schon. An sich kann der Nachwuchsjurist, der gut mit dem juristischen Handwerkszeug umgehen kann, auch unbekannte Normen erschließen. Ich meine also normalerweise wird der Examenskandidat mit diesen Normen auch zurechtkommen, wenn er sie sich vorher noch niemals angeguckt hat. Aber wer auf Nummer sicher gehen will und ich weiß, dass sie alle auf Nummer sicher gehen will, könnte sich diese Normen vor der Examsvorbereitung einfach mal durchlesen und versuchen zu verstehen, was da drin steht. Ich würde da keine vertiefte Forschung zu betreiben. Das ist einfach nicht zeiteffizient, aber durchlesen schadet nichts. So, dann, jetzt wird es immer noch systematisch, folgen in den 474 fortfolgenden. Die konkreten Regeln zum Verbrauchsgüterkauf, die nur für Verträge B2C ergänzend zu den allgemeinen kaufrechtlichen Regeln gelten. Wichtig ist aber, nochmal, das haben wir jetzt schon erarbeitet, dass 433 fortfolgende dadurch, dass sie zwingend sind, eigentlich auch schon einen Content für den Verbrauchsgüterkauf haben. Wir haben also nicht sozusagen jetzt den Abschnitt, wo alles zum Verbrauchsgüterkauf drin steht, sondern das ist nur Änzeln. So, wir wissen schon, wer Unternehmer ist und wer Verbraucher. Das ergibt sich aus den Paragrafen 13 und 14. Da aber bitte der Hinweis, die sind als Stellschrauben so wichtig, dass man diese Vorschriften tatsächlich in jeder Hinsicht und vielleicht auch ein wenig in ihrer Differenzierung durch die Rechtsprechung drauf haben muss. Dann haben wir den die Paragrafen 475 AFF, zu denen eigentlich jetzt noch die 327 FF gehören. Ich weiß, das ist furchtbar langweilig, aber darin findet sich nun das Gewährleistungsrecht für die Bereitstellung von Daten und Software, soviel für den Kauf von smarten Produkten. So und ganz am Schluss findet sich dann auch noch eine Regelung für den Tausch. Paragraf 480, auf den Tausch finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung. Meine Damen und Herren, Klausuren zum Tausch sind selten, kommen aber vor, weil sie sich gut eichnen, um ihre Transferfähigkeit zu testen. Es geht also darum, sind Sie in der Lage, das, was Sie zum Kauf erarbeitet haben, nun auch noch auf eine andere Konstellation zu übertragen. Meine Erfahrung ist, wer das Kaufrecht beherrscht, kommt auch mit dem Tausch zurecht, auch wenn sich noch nie damit beschäftigt hat. Man sollte aber wissen, was ein Tausch eigentlich ist.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:17:42
Das liegt sofort beim JPA. Aber normalerweise gibt es Stillhalteabsprachen, dass man 6 Monate wartet, bis das in Klausuren drankommen kann. Da muss man sich jetzt ganz sicher mit befassen, so wie man sich mit Klimaklagenfällen, also Festkleben und Deliktsrecht befassen muss, so wie schon Klausuren zu Dieselgate und die Auswirkungen auf das Kaufrecht gekommen sind. Die Faustformel lautet, sechs Monate nach Erscheinen eines neuen Gesetzes, also nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes oder nach Erscheinen eines Urteils muss der Examenskandidat damit rechnen, dass das Klausurrelevant wird. Das aktuelle Beispiel ist das MOPEC. Wenn das in Kraft tritt, 1 .1 .24, dann muss man ab Juli mit neuen MOPEC -Klausuren rechnen. Ich finde das verhältnismäßig hart, weil sowohl die Universität als auch die Repetitoren diesen neuen Stoff ja eigentlich erst selbst begreifen müssen. Und das ist meistens nicht damit getan, dass man einfach irgendwelche Texte liest, sondern dass man darüber nachdenken muss, wie integriert man das in bereits entstehendes Gebäude. Welche Fallkonstellationen können praktisch bedeutsam werden, sodass bei komplizierteren Fragen sechs Monate äußerst knapp sind. Diese neuen Vorschriften über die, ich sag mal, über Digitales im weitesten Sinne lehnen sich in der Tat sehr stark an kaufrechtliche Strukturen an. Man muss sich aber die Mühe machen, tatsächlich erstmal zu lesen, was sind das für neue Vorschriften. Die sind auch systematisch überkomplex verortet. Man kann das so machen, aber für den Leser ist das zunächst mal sehr schwierig. Aber man kommt nicht darum, sich damit zu befassen. Und wir werden vielleicht in einer eigenen Folge darüber mal sprechen. Im Übrigen gibt es dazu schon ganz gute Publikationen, sowohl in der JA wie in der Jura. Gucken Sie nach und befassen Sie sich damit. Man kann daran übrigens auch sehr gut sich noch mal wiederholen mit den Grundlagen des Kaufrechts befassen. Also das ist nicht irgendein Spezialwissen, sondern das führt immer in die große Spirale dessen, was sie sowieso geistig bearbeiten müssen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:22:43
Ich vereinfache jetzt mal ganz stark. Das liegt im Kern an den EU -Richtlinien zum Verbraucherschutz, die inhaltlich vom alten BGB abweichen. Der deutsche Gesetzgeber hat bekanntlich diese, Regelungen in einer sehr ambitionierten und vielleicht auch teilweise überkomplexen Rechtstechnik umgesetzt und dann auch noch eigene Akzente über die Richtlinien hinausgehend gesetzt. Wir haben sehr ausführlich darüber gesprochen. Den ersten ganz großen Einschnitt bildete die Umsetzung der Verbrauchsgüter -Kauf -Richtlinie durch die Schuldrechtsreform von 2002. Einen weiteren tiefen Einschnitt bildete dann das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der traufrechtlichen Mängelhaftung. Da ging es entgegen weit verbreiteter Wahrnehmung gar nicht um Verbraucherschutz, sondern um Schutz des Mittelstandes. Ich bringe hier nur das Stichwort ein - und Ausbaufälle, das steht heute alles in Paragraf 439 Absatz 3 drin. Durch die Verklammerung mit dem Bauvertragsrecht ist diese Reform des Kaufrechts gar nicht wahnsinnig und nicht ausreichend diskutiert worden. Und jetzt haben wir weitere Veränderungen als Folge der EU, der Umsetzung der EU -Warenkaufrichtlinie und der digitale Inhalte -Richtlinie. So, die Änderungen sind in den Rechtsfolgen überschaubar. Wenn man das kennt, kann man relativ schnell sagen, was aus den einzelnen Problemen jeweils im Ergebnis herauskommt. Deswegen wird die Praxis sich da auch sehr schnell mit vertraut machen, aber die Regelungstechnik ist nach meiner Wahrnehmung noch unübersichtlicher geworden und da Examenskandidaten und Kandidatinnen ja genau im Einzelnen nachweisen müssen, wie sie zu einem bestimmten Ergebnis gekommen sind, ist das eine Herausforderung. Ich erlaube mir hier nur eine ganz kleine ironische Bemerkung. Wie kann denn ein Gesetzgeber, der irgendwie noch Selbstachtung hat, eine ganz wesentliche Anspruchsgrundlage in einem Paragraf 327o Absatz 2 verstecken? Das muss man, das muss man schon schaffen. Gut.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:25:10
Ja, das machen wir ein andermal.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:27:23
Paragraf 433 definiert die vertragstypischen Pflichten beim Kaufvertrag. Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Paragraf 433 Absatz 1 Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Paragraf 433 Absatz 2 Auch wenn Sie diese Regelungen gefühlt schon hundertmal gelesen haben. Sie sollten, wenn sie sich damit befassen müssen, das Gesetz aufschlagen und den Text nochmal lesen. Das ist wie mit der Bibel. Man kann auch bekannte Texte gar nicht oft genug lesen. Ich schaue als erstes bei allem, was ich tue, immer nochmal ins Gesetz. So, diese beiden Pflichten sind synalagmatisch verbunden. Du ut des, das ergibt sich aus Paragraf 320. Jeder Vertragspartner muss die geschuldete Leistung also nur erbringen, auch wenn der andere Partner die seinerseits geschuldete Leistung auch erbringt. In dieser Verpflichtung des Verkäufers, das Eigentum an der Sache zu verschaffen, kann man etwas ganz Wichtiges wahrnehmen. Da ist nämlich eine Andeutung des Trennungs - und Abstraktionsprinzips, was ja nicht ausdrücklich irgendwo geregelt ist. Das Eigentum an der Sache geht eben nicht schon durch den Abschluss des Kaufvertrags über, sondern erst durch die Überrechnung. Die setzt, wie Sie wissen, in der Regel eine dingliche Einigung und Übergabe voraus. Das steht in § 9, 29. Noch eine wichtige Erkenntnis, die man aus Paragraf 433 ablesen kann. Soll der Käufer schon den Besitz erhalten, aber nicht das Eigentum, weil er den Kaufpreis noch gar nicht voll erbringen kann. Er will also die Sache schon haben, aber nicht zahlen. Dann kann ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden, weil ja der Kaufvertrag an der dienlichen Rechtslage für sich genommen noch gar nichts ändert. Dann wird der Kaufvertrag unbedingt abgeschlossen. Kleine Bemerkung mit der Technik von Bedingung und Befristung sollten Sie sich ganz gut auskennen. Der Kaufvertrag wird also unbedingt abgeschlossen. Der ist sofort wirksam. Die Sache wird auch schon übergeben. Aber die dingliche Übereichnung erfolgt zur Absicherung der Ansprüche des Verkäufers unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Was folgt daraus? Der Käufer wird erst Eigentümer, wenn er die Gegenleistung vollständig erbracht hat. Eine Teilregelung findet sich in Paragraf 449. Warum erörtern wir das schon jetzt bei 433? Der Eigentumsvorbehalt, ein einfacher, erweiterter, verlängerter Eigentumsvorbehalt in AGB in Kombination mit kaufmännischem Bestätigungsschreiben, in Kombination mit Und Sittenwidrigkeit, also ein Eigentumsvorbehalt in all seinen Spielarten, gehört statistisch zu den Themen, die in Klausuren am allermeisten vorkommen. Und das ist nicht nur Sachenrecht, sondern immer eine Verknüpfung von Gewährleistung, Kaufrecht. Sachenrechtlichen Themen, außerdem noch mit dem allgemeinen Teil. Nach meiner Wahrnehmung kommt der Eigentumsvorbehalt im Jahr sechsmal in irgendeiner Examsklausur, in irgendeiner Kombination. Was folgt daraus? Da sollten Sie tatsächlich Gehirn hinein investieren. Das Funktionieren des Eigentumsvorbehalts in seiner Grundkonstellation und in anderen ist etwas, was Sie ganz gut beherrschen müssen und wo es sich lohnt, richtig viel Zeit mit zu verbringen. Auch hier gibt es keine Meinungsstreitigkeiten. Man muss nur wissen, wie es funktioniert.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:32:02
Ein zentraler Satz mit ganz hoher systematischer Bedeutung und ein Schlüssel zum Verständnis des Kaufrechts. Den gab es vor der Schuldrechtsreform nicht. Dieser Satz ist heute die, absolute zentrale Stellschraube der Verbindung von Kaufrecht ins allgemeine Schuldrecht. Ich hatte Ihnen schon in der Folge zur Schuldrechtsreform erklärt, dass die Leistungsstörungen und Möglichkeit und Verzug, früher im allgemeinen Schuldrecht geregelt waren und ganz streng getrennt von der kaufrechtlichen und werkvertraglichen Gewährleistung. Die war vollständig im besonderen Schuldrecht angesiedelt, also in den 433 fortfolgenden. Deswegen haben wir auch heute noch Vorlesungen allgemeines Schuldrecht und besonderes Schuldrecht. Und wir haben heute immer noch Lehrbücher zum allgemeinen Schuldrecht und zum besonderen Schuldrecht. So, früher war es so, die kaufrechtliche Gewährleistung war ganz einfach. Da gab es Wandlung und da gab es Rücktritt. Man konnte sein Geld zurück verlangen, das hieß Wandlung. Und dann gab es die Minderung und dann gab Schadensersatz in Form der positiven Forderungsverletzung, aber kein Schadensersatz statt der Leistung für die bloße Mangelhaftigkeit der Sache. Jetzt haben wir schon erarbeitet, dass das neue Schuldrecht die Gewährleistung in das allgemeine Schuldrecht integriert hat. Sie erinnern sich vielleicht an das Grundmodell, Kern und Aufhänger ist die Pflichtverletzung, die Pflichtverletzung berechtigt zum Rücktritt, 323 fortfolgende Pflichtverletzung und Verschulden begründen Schadensersatzansprüche, Paragrafen 280 fortfolgende und dann jeweils noch mit zusätzlichen Voraussetzungen. Dieser neue Paragraf 433 Absatz 1 Satz 2, das nämlich der Käufer die Sache frei von Sach - und Rechtsmängeln zu verschaffen hat, integriert nun über den Paragraf 437 das gesamte kaufrechtliche Gewährleistungsrecht in das allgemeine Schuldrecht. Die mangelhafte Leistung ist Pflichtverletzung. Die mangelhafte Leistung, das steht im Paragrafen 433 Absatz 1 Satz 2 jetzt so drin. Die mangelhafte Leistung löst eine Pflicht zur Nacherfüllung aus. Und das Allerwichtigste, die mangelhafte Leistung ist eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Absatz 1 und kann also bereits für sich genommen Schadensersatzansprüche auslösen. Noch eine Bemerkung. Wichtig ist auch die Nichterfüllung der Nacherfüllung, die geschuldet ist, ist eine eigenständige Pflichtverletzung und kann wieder Schadensersatzansprüche begründen. Also 4 ,37 zusammen mit 4 ,34 Absatz 1 Satz 2 Verknüpfen, Das Kaufrecht mit dem allgemeinen Schuldrecht und sie werden ganz selten einmal eine Klausur haben, in der sie nicht im Kaufrecht mit den Gewährleistungsproblemen beginnen und dann doch in § 323 ff. Oder in § 280 ff. landen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:38:14
Ja, das ist spannend und Sie werden gleich sehen, dazu gibt es einen kleinen Meinungsstreit unter Prüfern. Das erste ist ganz klar, man muss sich außerordentlich gründlich rechtzeitig mit dem Wortlaut befassen Und man muss für künftige Fallprüfungen ein gewisses Gespür dafür entwickeln, was eigentlich Mängel sind, um dann zu entscheiden, ob in der konkreten Klausur tatsächlich der Mangel ein Problem ist oder ob er unproblematisch zu bejahen ist oder vielleicht gar kein Mangel vorliegt. So, das ist wichtig, dass man zunächst einmal versteht, dass es Fälle gibt, in denen der Mangel wirklich unproblematisch vorliegt. Und das sind die aller, aller, aller häufigsten Fälle, statistisch häufigsten Fälle, in denen eine körperliche Sache ein körperliches Defizit hat. Die Schüssel hat einen Riss, der Stuhl steht schief, die Bremsen versagen, das Tier hat eine chronische Krankheit. Hier ist ganz klar, dass ein Mangel vorliegt. So, was bedeutet das nun bei der Ableitung aus Paragraf 434? Das ist völlig klar, das sind alles Fälle des Paragrafen 434 Absatz 3, der der wichtigste Absatz ist, weil er einfach statistisch am häufigsten zur Anwendung kommt, da steht drin, nämlich. Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, also keine Parteivereinbarung vorliegt, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eichnet. Zweitens eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann, unter Berücksichtigung der Art der Sache. Und dann kommt noch alles Mögliche, was wieder sehr speziell ist. Gut, wenn man das verstanden hat, wird natürlich ein praktisch orientierter Jurist, meines Erachtens jeder Richter, geneigt sein, sich in den klaren Fällen nun nicht lange mit einer Prüfung des Absatzes 2 und den subjektiven Anforderungen zu beschäftigen, sondern sofort hier auf diese Regelung zu steuern. Die Sache eignet sich nicht für die übliche Verwendung oder hat nicht die Beschaffenheit, die man erwarten kann. Ich persönlich würde als Prüferin in einer Klausur auch einen sehr zügigen und pragmatischen Zugriff befürworten. Ich habe überhaupt nichts dafür übrig, dass man stundenlang prüft, ob die hier irgendwas vereinbart haben, wenn evident ist, dass sie das nicht haben, sondern dass der einfach die Sache aus dem Regal genommen hat. Für mich gilt nach wie vor in der Klausur, der Grundsatz überflüssiges ist falsch und man soll nicht die Zeit seiner Prüfer verschwenden. Es soll aber Prüfer und Prüferinnen geben, die sehr ernsthaft vertreten, dass sie eine systematische Prüfung des Paragrafen 434 von oben runter erwarten. Gut. Andererseits mögen dieselben Prüfer und Prüferinnen nicht so ganz gerne, wenn dann stundenlang etwas zum Mangel geschrieben wird und am Schluss doch wieder klar ist, dass der Mangel einfach vorliegt. Was folgt daraus? Meine Damen und Herren, ich würde eine mittlere Linie fahren, ich würde nicht sofort auf den Absatz 3 zusteuern, aber ich würde tatsächlich gucken, ist das ein klarer Fall, ist das keiner und je nachdem muss ich mehr schreiben oder weniger. Das hören sie selten gern, weil sie gerne eine Formel haben, die für alles passt, aber es gilt wie immer, es kommt auf den konkreten Sachverhalt an und die juristische Schwerpunktsetzung ist ein Teil ihrer Kompetenz, für die es auch Noten gibt oder etwa nicht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:42:10
Gut, wenn man den Absatz 1 sich anschaut, dann wird hier ja erstaunlicherweise nicht der Mangel, definiert, sondern es wird genau umgekehrt festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Sache frei von Sachmängeln ist. Nämlich, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. Angesichts dieses Wortlauts fragen mich nun immer wieder ganz viele meiner Hörer, müssen denn diese Voraussetzungen jetzt kumulativ vorliegen? Das ist so. Das ist vom Wortlaut her auch naheliegend, ist aber in der Fragestellung nicht sehr zielführend, weil es eben dann dazu führt, dass man sehr genau alles im Einzelnen abprüft. In der Sache ist es eigentlich umgedreht. ist es so, dass die Sache weder die subjektiven Anforderungen verfehlen darf, noch den objektiven Anforderungen widersprechen darf. Also im Grunde sucht man ja nicht, dass die Sache in Ordnung ist, sondern man sucht den Mangel. Und dann geht es plötzlich ganz einfach, dann reicht es eben, dass die Sache nicht den üblichen Anforderungen entspricht, dann braucht man sich eigentlich mit den Vereinbarungen gar nicht mehr. Die entspricht übrigens, Das ist immer der Irrtum bei den Leuten, wenn eine Sache nicht sich zur gewöhnlichen Verwendung eignet, dann entspricht sie natürlich nicht den subjektiven Anforderungen, aber das kann man in zwei... Auch dann, wenn die Parteien überhaupt gar keine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Also ich würde immer fragen, fehlt etwas und nicht ist etwas da? Das ist aber ein bisschen schwierig, das mit dem Wortlaut in Einklang zu bringen ist. Gut, völlig klar ist, dass es einen Vorrang der rechtsgeschäftlichen Beschaffenheitsvereinbarung gibt. Also wenn die Parteien etwas vereinbart haben, dann hat das Vorrang. Dafür gibt es aber nun für den Verbrauchsgüterkauf wieder eine Ausnahme, das steht in § 476 Absatz 1 Satz 2. Wenn mit dem Verbraucher etwas anderes als die objektive Beschaffenheit vereinbart werden soll, dann muss man ihn ausdrücklich darauf hinweisen und dann muss das im Vertrag gesondert vereinbart werden und das ist ganz, ganz selten im Massengeschäft. B to C spielt der Absatz 2 keine Rolle, weil da wird nichts persönlich vereinbart. Insofern ist das auch als Gesamtkonstrukt wieder fast ein wenig misleading und deswegen muss man sich damit etwas gründlicher befassen, damit man nicht im Examen plötzlich wieder Ochs oder die Kuh vorm Berg steht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:46:45
Beschaffenheit taucht, das haben Sie jetzt schon gesehen, immer wieder auf. An ganz verschiedenen Stellen. Das heißt, es handelt sich tatsächlich um einen ganz zentralen Begriff. Und die erste Erkenntnis ist, dass Beschaffenheit etwas anderes, jedenfalls mehr ist als bloße Eigenschaften einer Sache. Sonst würde man ja von Eigenschaften reden. Ich bringe jetzt die Definition der Rechtsprechung. Danach gehören zunächst zur Beschaffenheit die Faktoren, die der Sache unmittelbar anhaften. Das ist unproblematisch. Da könnte man wahrscheinlich auch das Wort Eigenschaften brauchen. Und wenn da Eigenschaften fehlen, wenn da Defizite sind, die Schüssel hat einen Sprung, dann ist das völlig unkompliziert. Alles, was der Sache anhaftet, tatsächlich ist nicht unser Thema. Aber nach der Rechtsprechung gehört auch zur Beschaffenheit Die Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Wenn es um solche Beziehungen zur Umwelt geht, wenn es also nicht um etwas ist, was an der Sache selber klebt, dann besteht in der Klausur und auch im realen Leben immer Diskussionsbedarf. Weil das ist natürlich problematisch. Das ist nicht etwas, was man handgreiflich sieht. Der Stuhl hat eine Delle. Das Auto ist nicht fahrtüchtig. So, ich bringe mal Beispiele, um uns an dieses Thema Beziehung der Sache zur Umwelt etwas klarer zu machen. Gehört es zur Beschaffenheit eines verkauften Grundstückes, dass da ein schöner Blick ist und ist es eine... Beschaffenheit, dass das Nachbargrundstück nicht bebaubar ist. Das hat ja mit der Qualität des eigenen Grundstückes nach nichts zu tun, sondern damit, was auf dem anderen Grundstück passiert. Trotzdem ist es so, dass man heute die Lage des Grundstücks in einem bestimmten. Umfeld auch schon zur Beschaffenheit zählen kann. Es kommt immer auf den Einzelfall an. So gehört zur Eigenschaft eines Gemäldes auch der Autor, der Maler. Das Gemälde ist hübsch, da ist ein Baum drauf und da sind ein blauer Himmel und Sterne. Aber ist das wichtig, dass van Gogh diesen Himmel gemalt hat? Oder sagt man, das ist ein Bild? Da merkt man, dass das Drumherum, die Urheberschaft, die Stellung in der Umwelt auch schon zur Beschaffenheit gehört. Das ist übrigens Das ist auch eine wesentliche Eigenschaft, da sind wir dann wieder bei 119 Absatz 2. Gut. Jetzt kommt ein total neues Thema, nämlich Nachhaltigkeit und da wird diese Frage nach der Beschaffenheit, die vom BGH bisher auch schon ziemlich kreativ behandelt wird, völlig neue Probleme aufwerfen. Frage zum Beispiel, gehört es zu der Beschaffenheit einer Schrankwand, die sie gerade gekauft haben, dass sie aus illegal geschlagenem Truppenholz gezimmert ist. Kann ich sagen, die Schrankwand ist mangelhaft, die steht, ist alles in Ordnung, aber es stellt sich raus, da wurden illegal geschlagene Hölzer verwendet, ist jetzt die Schrankwand mangelhaft, weil sie eine Beschaffenheit hat, die ich nicht erwarten musste als Verbraucher. Es ist nicht nur eine Frage der subjektiven Anforderungen, auch der objektiven. Ist da plötzlich die Beschaffenheit so zu verstehen, dass sie sich auf den Produktionsvorgang in der Kette vorher erstreckt? Ich behaupte, dass das nach wie vor, bisher von der Rechtsprechung so nicht gesehen wird, aber die Rechtsprechung hat schon ganz, ganz viele. Präzedenzfälle entschieden, wo jedenfalls Beschaffung schon ganz schön weit weg ist vom körperlichen Gegenstand. Ich nehme mal noch ein anderes Beispiel. Gehört es zur Beschaffenheit eines Alpaka -Pullovers, dass die Wolle unter Beachtung des Tierwohls gewonnen wurde oder eben auch nicht? Ist der Pullover mangelhaft, wenn die Wolle von einem unglücklichen Alpaka stammt? Wir sehen also, dass das große Thema Nachhaltigkeit im Gewährleistungsrecht zu äußerst interessanten neuen Diskussionen führen wird und da diese Diskussionen im wissenschaftlichen Schriftstum schon sehr vehement geführt werden und es dazu auch schon viele Aufsätze gibt, noch keine Entscheidung, aber viele Aufsätze, müssen Sie damit rechnen, dass Sie mit solchen Themen im Gewährleistungsrecht konfrontiert werden und sich dann Gedanken machen, was ist Beschaffenheit. Und da kommen sie am besten halt zurecht, wenn sie mit der BGH -Definition anfangen und sagen, die Faktoren, die der Sache unmittelbar anhaften, die sind relativ unproblematisch. Aber alles drumherum, da wird man tragfähige Wertungen finden müssen und das wird außerordentlich spannend.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:54:58
Ja, eben nicht. Vor der Schuldrechtsreform konnte er das. Aber nach der Umsetzung der Verbrauchsgüter -Kaufrichtlinie, das ist jetzt Deutsch, hat der Käufer nicht nur ein Recht auf Nacherfüllung, sondern er muss auch dem Verkäufer grundsätzlich Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, bevor er zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann. Das ergibt sich aber nicht unmittelbar aus Paragraf 37. Da steht ja nicht, er kann Nacherfüllung verlangen. Und wenn das nicht läuft, kann er die anderen Rechte geltend machen, sondern das ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel mit 323. Der schnitt ja nun den Rücktritt wegen nicht vertragsgemäßer und damit mangelhafter Leistung, erst dann, wenn der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Diese Voraussetzung des Rücktritts wird häufig als Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung bezeichnet. Das kennen Sie. Das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung und die daraus folgende Notwendigkeit einer Fristsetzung durch den Käufer entfällt aber, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist, weil es einfach nicht geht. Das Ding ist nicht reparierbar und kann auch nicht durch einen mangelfreien Gegenstand ersetzt werden. Dann ist die Fristsetzung entbehrlich, weil sie überflüssig ist. So, jetzt muss man wieder systematisch verstanden haben, in diesen Fällen der unmöglichen Nacherfüllung kommt. Das war einfach die systematische Entscheidung der Schuldrechtsreform, Unmöglichkeitsrecht zu anwenden. Das heißt, sie haben die kaufrechtliche Gewährleistung, die über das Unmöglichkeitsrecht läuft. Man könnte hier wieder noch ein bisschen ironisch sein und sagen, dass die Schuldrechtsreform eigentlich die Unmöglichkeit abschaffen wollte, durch diese Systematik, aber der Unmöglichkeit überhaupt erstmals praktische Bedeutung verliehen kann. Jetzt ist es so, dass jeder nicht behebbare Mangel ein Fall der Unmöglichkeit ist und nicht des reinen Gewährleistungsrechts und damit wird es konstruktiv kompliziert. Damit kann man leben, wenn man es verstanden hat, denn im Ergebnis ist eigentlich völlig klar wie es läuft, aber man muss dann jeweils die Gewährleistung über das Unmöglichkeitsrecht begründen. Gut, nach § 437 Ziffer 2 kann der Käufer unter den Voraussetzungen des Rücktrittsrechts zurücktreten oder nach § 441 mindern. Wir haben also eine Vorschrift im Kaufrecht, die Minderung, und eine relevante Vorschrift, das Rücktrittsrecht in § 323. Die Minderung hat aber dieselben Voraussetzungen wie der § 323. Der Schadensersatz ist ausschließlich im allgemeinen Schuldrecht geregelt, das sagt Paragraf 437, Ziffer 3.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:58:13
Das liegt letztlich an der Grundentscheidung des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform, das Gewährleistungsrecht in das allgemeine Schuldrecht zu integrieren. Der Schadensersatz bei Mangelhaftigkeit der Sache richtet sich ausschließlich nach § 280. Wir hatten schon ganz ausführlich darüber gesprochen. Dieser Paragraf 280 ist der zentrale Baustein, die Ankernorm des Leistungsstörungsrechts, aufbauend auf diesem Grundtatbestand der Pflichtverletzung. Pflichtverletzung plus Verschulden führt zum Schadensersatz. Dieser Paragraf 280 soll im Schuldrecht nach dem Willen des Gesetzgebers die eigentlich einzige vertragliche Anspruchsgrundlage sein. Wir wissen aber schon, für die anfängliche Unmöglichkeit gibt es noch den Paragraf 311, klein a, Absatz 2. Sie erinnern sich, den hat man schon behandelt. Die anfängliche Unmöglichkeit war bis zur Schuldrechtsreform praktisch ganz, ganz selten. Aber dadurch, dass wir nun in Form der Nicht -Erfüllbarkeit, der Nach -Erfüllung. Ganz häufig Unmöglichkeit im Gewährleistungsrecht haben, hat der Paragraph 311, klein a, Absatz 2, auch einen ziemlich großen Anwendungsbereich. Ich versuche das nochmal etwas plastischer zu machen. Alle nicht behebbaren Mängel fallen unter das Unmöglichkeitsrecht. Mängel werden aber in aller Regel schon bei Vertragsschluss vorliegen. Der normale Mangel stellt sich nicht irgendwo zwischen Vertragsschluss und Abwicklung ein, so dass die Mängel so gut wie alle anfängliche Mängel sind. Und wenn die Behebung des Mangels unmöglich ist, dann stecken wir im Unmöglichkeitsrecht und damit in Paragraf 311 klein a Absatz 2. Im Ergebnis weiß man ganz genau, was aus den Fällen rauskommt. Aber für den Nachwuchs ist es wichtig, dass er sich mit der Systematik befasst. Das sind zwar alles alte Kamellen und Geschichte, aber wenn man die Geschichte nicht verstanden hat, hakt man immer wieder. Also nur behebbare Mängel richten sich nach § 280. Unbehebbare Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorliegen, vorlagen, richten sich eben nach § 311a Absatz 2. So, das ist die eine Klippe, mit der man arbeiten muss, über die man hinwegkommen muss. Außerdem ist der Paragraf 280 für sich genommen auch noch mal herausfordernd. Wir haben schon herausgearbeitet, der Paragraf 280 Absatz 1 betrifft nur den sogenannten einfachen Schadensersatz, der auch Schadensersatz neben der Leistung genannt wird. Warum neben der Leistung? Weil es Schäden sind, die die Erfüllungsmöglichkeit des Verkäufers völlig unberührt lassen. Der kann auch nach erfüllen, aber trotzdem muss ein Schaden ersetzt werden. Durch diese Regelung sollte die alte höchstrichterliche Rechtsprechung zur positiven Vertragsverletzung kodifiziert werden. Im Inhalt hat sich da in der Form an der Stelle auch nichts geändert. Ersatzfähig waren und sind Schäden, die durch die Mangelhaftigkeit der Sache verursacht wurden. Die wurden oft Mangelfolgeschäden genannt. Und das sind in aller Regel Schäden an anderen absoluten Rechtsgütern der gekauften Sache und außerdem sind und waren ersatzfähig Schäden, die durch sonstige Pflichtverletzungen hervorgerufen wurden. Das ist alles Paragraf 280 Absatz 1 Schadensersatz neben der Leistung oder einfacher Schadensersatz.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 1:03:41
Auch diese Frage lässt sich am besten unter Rückgriff auf ein Beispiel beantworten. Wir haben wieder eine gebrauchte Waschmaschine, die Wasser verliert. Der Käufer der Waschmaschine fordert den Verkäufer auf die Maschine innerhalb von 14 Tagen zu reparieren. Das wäre auch möglich. Er setzt ihm eine Frist und der könnte das tun. Der V macht es aber einfach nicht. Nach 14 Tagen kauft sich der Käufer nun eine vergleichbare, ebenfalls gebrauchte Waschmaschine und zu Erklärungszwecken gehen wir jetzt mal davon aus, die kostet am Markt 50 Euro mehr. Er hat also höhere Kosten, um sich ein vergleichbares Gut zu beschaffen. Jetzt geht es um Schadensersatz statt der Leistung. Er kriegt sein Geld zurück, das ist völlig klar, aber er will noch 50 Euro haben, zusätzlich weil er insofern höhere Aufwendungen hat, als er ursprünglich für die gekaufte Maschine hätte bezahlen müssen. Und die kriegt er tatsächlich, weil es sich um Schadensersatz statt der Leistung handelt, nach § 280 Absatz 3. Der Schadensersatz soll hier funktional die Leistung ersetzen, die der Käufer nicht mehr haben will und die er wegen Ablauf der Frist auch nicht mehr annehmen muss. Vom Ergebnis ist das heute alles völlig klar. Versucht man nun aber klausurmäßig den Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung zu definieren, dann kommt man in gewisse Schwierigkeiten. Das hatten wir schon bei der Folge zu 2 .80 im Allgemeinen. Die bereits verwendete Formel Schadensersatz statt der Leistung ist der Schadensersatz, der funktional die Leistung ersetzen soll, ist eigentlich pragmatisch und passt immer. Im Schrifttum wird aber etwas feiner und intellektueller formuliert. Danach soll es sich um Schadensersatz statt der Leistung handeln, wenn eine hypothetisch gedachte Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt den Schaden verhindert hätte. Wenn der die Maschine repariert hätte, hätte sich der Käufer keine neue Maschine kaufen müssen und dann hätte er auch nicht 50 Euro mehr zahlen müssen. Punkt. Warum jetzt hypothetisch gedachte und nicht nur gedachte Nacherfüllung? Man möchte mit dieser Formel außerdem die Fälle abdecken, in denen eine Nacherfüllung gar nicht möglich gewesen worden ist. Man will die Definition also auch auf den Paragraph 311, klein a, Absatz 2 zuschneiden. Das führt dazu, dass sie nicht sehr gut verständlich ist und nicht ganz einfach anzuwenden. Wie so oft, wenn man eine Definition versucht zu formulieren, die für alle Fälle passt, dann verflüchtigt sie sich in einen Abstraktionsgrad und verliert an Aussagekraft. Was macht der Examenskandidat, wenn er wirklich genügend Gedächtniskapazität hat? Setzt er auf Sicherheit und definiert den Schadensersatz statt der Leistung wie folgt. Um Schadensersatz statt der Leistung handelt es sich, wenn eine hypothetisch gedachte Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt den Schaden verhindert hätte bzw. Wenn der Schadensersatz funktional die ursprünglich geschuldete mangelfreie Leistung ersetzen soll. Mir ist das zu komplex. Ich meine, dass die nicht sehr aussagekräftig, aber dann doch richtige Definition, wenn der Schadensersatz funktional die Leistung ersetzen soll, reicht. Aber das müssen Sie entscheiden und Sie müssen auch entscheiden. Was Sie in Ihr Reptilien -Gehirn verschieben und was nicht. Sie wissen aber, die Kapazität ist insgesamt begrenzt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 1:07:52
Wir gucken erst einmal... Ins Gesetz, damit Sie sich erinnern, wo Sie eigentlich stehen. In § 280 Absatz 2 steht, Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter den ... unter der zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 verlangen. Es geht also um den alten Vollzug. Nach der Rechtsprechung hat diese Regelung im Kaufrecht nichts zu suchen. Nach der Rechtsprechung liegt entweder Schadensersatz Schadensersatz neben der Leistung vor oder Schadensersatz statt der Leistung. Da kann man in der Sache nicht mehr sehr viel falsch machen. Man muss halbwegs sauber mit den Begrifflichkeiten zurechtkommen. Im Schrifttum, jetzt wird es ein bisschen überintellektuell, wurde teilweise und lange Zeit vorgeschlagen, die sogenannten Nutzungsausfallschäden unter Paragraf 280 Absatz 2, also unter die Verspätung, zu fassen. Wiederum ein Beispiel, dann versteht man es, der Verkäufer repariert die Waschmaschine innerhalb der 14 Tagen, aber in diesem Zeitfenster gibt der Käufer seine Wäsche in einen Waschsalon, was viel Geld kostet. Der hat ja keine Waschmaschine, die ja erst noch repariert werden muss. Diese Kosten des Waschsalons möchte er vom Verkäufer haben. Das ist kein Schadensersatz statt der Leistung. Man könnte sagen, es ist ein Schadensersatz neben der Leistung, aber man könnte auch auf den Gedanken kommen, zu sagen, das ist ein Verspätungsschaden. Denn in der Verspätung der geschuldeten mangelfreien Leistung könnte man ja eine Verspätung sehen, sodass § 280 Absatz 2 zur Anwendung kommt. Dazu gibt es ein BGH -Urteil. Der BGH hat das abgelehnt. Der hat mit guten, wenn auch nicht ganz einfachen Gründen gesagt, das sind alles Schadensersatzfragen neben der Leistung, sodass sie heute ohne große Probleme einfach sagen können, es ist Absatz 1 oder ist es Absatz 3. Da kann man eigentlich nichts verkehrt machen und ich bin auch der Meinung, dass dieses alte Problem nicht mehr unbedingt erarbeitet werden muss. Die BGH -Entscheidung ist über zehn Jahre alt. Das Thema hat sich erledigt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 1:10:53
Ja, es war schön. Vielen Dank.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

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