"Ich schicke eine provokante These vorweg: Es gibt keine Individualverträge."

Examensvorbereitung | AGB-Recht | Richterrecht | Transparenzgebot

Folge 165 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

IMR165 / IME006: In der sechsten Folge eures zivilrechtlichen Examenspodcasts dreht sich alles um das AGB-Recht. Gibt es wirklich keine Individualverträge mehr? Wie wichtig muss das Recht der AGB dann für die Praxis sein? Prof. Dauner-Lieb schafft es mit ihrer außerordentlichen Erfahrung in diesem Rechtsgebiet, durch Systematik und Gesetzeshistorie, ein Verständnis für das AGB-Recht aufzubauen. So steht der gelungenen Examensklausur nichts mehr im Weg!

Inhalt:

  • 00:00 Sponsor: PWC Legal
  • 01:40 Wichtigkeit des AGB-Rechts
  • 05:24 Pacta sunt servanda (?)
  • 07:47 “Aushandeln” iSv § 305 BGB
  • 11:02 AGB-Historie: Richterrecht vs Gewaltenteilung
  • 23:42 Schuldrechtsreform und AGB-Recht
  • 26:36 Das Transparenzgebot
  • 29:22 Fall: Bring or pay

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:02:38
Naja, das sind AGBs, die sind vorformuliert zwar von Dritten, aber er macht sie sich zu eigen und der Bundesgerichtshof hat ein einziges Mal eine kleine winzige Lockerung vorgenommen, da hatte ein Verbraucher an einem anderen etwas verkauft und hatte dafür ein Formular aus dem Internet geholt, aber es war eigentlich reiner Zufall, dass er es geholt hat und nicht der andere. Und darauf hat der Bundesgerichtshof auch abgestellt und hat gesagt, es liegt kein Stellen vor, wenn es im Grunde reiner Zufall war, wer was irgendwo hergeholt hat, wenn da nicht im geringsten Ausnutzung von Gestaltungsfreiheit drin war. Da sind wir schon voll drin. Aber ich komme zurück zu meiner Ausgangsthese, jeder, der ein Produkt am Markt regelmäßig vertreibt, wird standardisieren und effizienter werden wollen. Es gibt heute keine Rechtsabteilung, die ihrem Vertrieb überhaupt erlaubt, plötzlich anzufangen, Individualverträge abzuschließen. Und das Ganze wird natürlich jetzt durch Digitalisierung noch befördert. Man nimmt Textbausteine, also es bleibt die These, die ich nachher noch etwas näher erklären will. Es gibt im Massengeschäft überhaupt keine Individualverträge mehr, auch weil die Rechtsprechung die Stellschrauben fürs Aushandeln so angezogen hat, dass man praktisch diese Voraussetzungen überhaupt nicht erfüllen kann. Und ich bringe eine weitere Botschaft, die schmerzlich ist. Große Unternehmen B2B gehen raus aus dem deutschen Recht, wenn sie können, weil sie die die deutsche AGB-Kontrolle der höchstrichterlichen Rechtsprechung fürchten, die gehen ins Schweizer Recht. Okay, aber der Anfang lautet, die Praxis muss sich mit AGB sowieso beschäftigen, weil es was anderes de facto überhaupt nicht gibt, wenn man halbwegs standardisiert und effizient irgendetwas machen will. Das zweite ist, Studenten müssen sich damit beschäftigen, weil es dauernd vorkommt. Es ist einfach relevant für den Examenskandidaten und die 305 fortfolgende sind nicht ganz einfach zu erschließen. Die gehören zu den Regelungskomplexen, die sich nicht durch Lesen im Examen auch in fünf Stunden noch aufschlüsseln lassen, sondern da muss man die Strukturen vorher kennen. Worum geht es jetzt? setze ich mal auch noch ganz an den Anfang. Inhaltskontrolle von AGB, im Grunde geht es um etwas Schockierendes. Wir haben gelernt, Pacta sunt servanda. Wir haben Vertragsfreiheit. Aber Vertragsfreiheit bedeutet auch, wenn ich den Vertrag geschlossen habe, kann ich hinterher nicht sagen, der ist ungünstig, will ich wieder weg.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:05:28
Ja, warum kann man Pacta sunt servanda durchbrechen? Da gibt es unterschiedliche Begründungen im Schrifttum und in der Rechtsprechung und das ist der Anfang der ganzen Schwierigkeiten. Im Schrifttum, darüber diskutiert man jetzt seit 1976, eigentlich schon länger, hat man eine ziemlich plausible Begründungskette entwickelt. Nämlich, es handelt sich um Transaktionskosten und um rationale Aparthie. Schön, ne? Normalerweise geht das BGB davon aus, dass sich ein Vertragspartner, bevor er einen Vertrag schließt, Gedanken macht, was er da macht. Und das kann er auch. Und das muss er auch. Bei AGBs ist das aber so nicht. Warum? AGBs sind undurchsichtig, sind lang, er versteht ohnehin nicht der Adressat, was da drin steht. Es lohnt sich auch gar nicht, sich damit zu beschäftigen, weil wenn Sie eine Zahnbürste kaufen, macht es keinen Sinn, darüber zu verhandeln, ob die AGB halbwegs tragfähig sind. 5,20 Euro gegen zwei Stunden Nachdenken. Und außerdem nutzt es meistens nichts. Verhandeln Sie mal mit Ihrem Bankberater über die AGB der Deutschen Bank. Und weil es ohnehin weder sinnvoll noch ökonomisch noch erfolgversprechend ist, Autonomiediskussionen über AGB zu führen, werden sie auch nicht geführt und infolgedessen funktioniert der Markt nicht. Weil jedes Unternehmen genau weiß, ich kann da machen was ich will, es wird nicht diskutiert. Und infolgedessen bedarf es einer richterlichen Kontrolle und der Durchbrechung des Grundsatzes Pacta sunt servanda. So, diese Begründung, einhellig in der Literatur, ich kenne niemanden, der was anderes vertritt, wird von der Rechtsprechung aber nicht ganz so akzeptiert. Die Rechtsprechung hat einen anderen Weg gefunden, viel abstrakter, aber deswegen auch teleologisch weniger standfest. Die Rechtsprechung sagt, es ist die einseitige Inanspruchnahme von Vertragsgestaltungsfreiheit. Das ist natürlich auf den ersten Blick auch gar nicht falsch, weil tatsächlich die eine Seite, die den Vertrag gestaltet. Das Problem ist, die teleologischen Grundlagen, warum das so ist, gehen verloren und die Konsequenzen in der Auslegung zeigen sich beim Aushandeln. Sie wissen, das steht in 305 Absatz 1 Satz 3. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ich bringe jetzt schon ein Beispiel, wenn die beiden Vertragsparteien mit Anwalten über Monate über einen Vertrag diskutiert haben. Dann würde der Bürger sagen, er ist ausgehandelt. Also für eine Inhaltskontrolle besteht hier kein Anlass, denn rational apathisch waren die ganz sicher nicht. Die waren ganz und gar nicht apathisch. Die haben sich ein halbes Jahr gestritten. Der BGH sagt aber, aushandeln ist etwas anderes, ein mehr als verhandeln. Also das drüber reden nutzt gar nichts, sondern aushandeln heißt, zur Verfügung, zur Disposition stellen der Klausel. Nämlich sagen, mir ist egal, wenn du die nicht haben willst, komm die auch weg. Meine Damen und Herren, das heißt der Kaufmann geht in die Verhandlung ohne Plan, das ist vorgenommener Quatsch. Niemand geht rein und sagt, mir ist alles egal. So der Bundesgerichtshof sagt und dann kommt es noch auf die einzelne Klausel an, also man kann nicht sagen, ich gebe hier nach, du gibst da nach, sondern der guckt die einzelne Klausel an und wenn die nicht zur Disposition gestellt worden ist, dann ist die nicht ausgehandelt und daraus folgt, es ist so gut wie alles AGB, selbst wenn auf beiden Seiten Juristen sechs Monate darüber diskutiert haben. Wenn die eine Seite gesagt hat, da kann ich leider nicht von runter, das ist bei uns Konzernpolitik, wir gehen selbstverständlich gerne preisnach, bleibt das trotzdem eine allgemeine Geschäftsbedingung.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:14:31
Dann gab es einen Aufstand auf einem Juristentag, wo Peter Ulmer, der berühmte AGB-Rechtler mit dem großen Kommentar, natürlich ein großer Gesellschaftsrechtler, erklärte, das ginge nicht. Da gab es viele Motive, aber eins war völlig klar. Die meisten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betrafen B2B-Verträge. Und man sagte, wir können jetzt nicht den ganzen B2B Bereich rausnehmen. Verschwindet praktisch die AGB-Kontrolle in der maßgeblichen Bedeutung. Und da hat man nun eine Weiche gestellt. Der alte Paragraf 24, der heute in § 310 steht, ich sage Ihnen das mal eben, der war eine Kompromisslösung. Da ist keine Wortlautveränderung, deswegen kann ich das einfach so vorlesen. Da steht nämlich drin, dass die Klauselverbote 308 und 309, zunächst mal keine Anwendung finden auf allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmen verwendet werden und dann steht ein etwas schwer verständlicher Satz 2, Paragraf 307 Absatz 1 und 2, also die allgemeine Generalklausel, findet in den Fällen des Satzes 1, Klauselverbote, auch insoweit Anwendung als dies zur Unwirksamkeit von in Paragraf 308 Nummer 1, 2 und so weiter genannten Vertragsbestimmungen führt, Strichpunkt, die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen, Rücksicht zu nehmen. So, jetzt, wenn man das verstehen will, ist das eine sehr scharfsinnige Konstruktion, obwohl das Wording wirklich für einen Nichtjuristen kaum noch verständlich ist. Das lautet nämlich, es gibt eine AGB-Kontrolle auch zwischen Unternehmen. B2B. Die Klauselverbote, Diese ganz strengen ist unwirksam, ist unwirksam, ist unwirksam, 308, 309 finden aber im B2B-Bereich in der Anwendung. Die Themen, die da angesprochen werden, können aber in den 307 hineingezogen und dort berücksichtigt werden, allerdings unter Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gebräuche. Was ursprünglich gemeint war, heißt, die Klauselverbote kann man zwar in die Diskussion einbeziehen, aber man hat bei der Inhaltskontrolle von Unternehmen viel mehr Freiraum und kann hingucken, passt denn die scharfe Inhaltskontrolle wirklich auf die Bedürfnisse des unternehmerischen Verkehrs?
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:18:17
Das weiß man so ganz genau nicht. Ich habe eine... Wie soll ich sagen, eine Hypothese aus der sehr intensiven Befassung mit der Gesetzgebungsgeschichte 1976. Nochmal, 1976 waren die Mehrheit der BGH-Entscheidungen Entscheidungen zu B2B und alles andere, was dann dogmatisch begründet wäre, es gibt keine Handelsbräuche und so weiter, haben eigentlich keine Rolle gespielt. Deutschland war von Anfang an 1976 eine klare Neigung der Rechtsprechung, die Linie Ulmer zu verfolgen. Es gibt keinen Unterschied zwischen B2B und B2C. Das ist übrigens von der dogmatischen Grundkonstellation wahrscheinlich gar nicht ganz falsch, weil grundsätzlich natürlich Unternehmen, die Adressaten von AGB sind, der, sag ich mal, sehr oft auch rational apathisch sind und auch sehr oft es akzeptieren müssen. Wenn, sag ich mal, irgendwas, einen Dachdecker einen PC kauft, dann ist er den AGB genauso hilflos ausgeliefert, wie jeder Verbraucher. Das ist eigentlich, das hat nichts mit seiner unternehmerischen Position zu tun, sondern das hat eigentlich damit zu tun, ob er einen Vertrag im Kerngeschäft abschließt oder in einem Bereich, der gar nicht zu seinem Kerngeschäft gehört. Nach meiner Meinung ist das Thema Aushandeln, auf das wir vielleicht gleich nochmal ganz kurz zurückgehen, viel, viel wichtiger. Ich halte aber jetzt noch mal fest, dadurch, dass der BGH sagt, die Klauselverbote haben Indizwirkung. Für Verträge B2B und außerdem das mit dem Aushandeln so macht, wie er es macht, führt das dazu, dass bei uns die Inhaltskontrolle B2C und B2B fast völlig parallel läuft. Das alles beruht auf der Weichenstellung 76. Wenn man das heute nochmal machen würde, würde man es möglicherweise deshalb nicht tun, weil ja das ganze EU-Privatrecht trennt zwischen B2B und B2C und wir eigentlich als einzige so zurückbleiben in unserer Inhaltskontrolle Kontrolle von B2B-Verträgen. Das ist vielleicht gar nicht so falsch. Also jetzt kommen wir auf ein ganz schwieriges Gebiet. Die ganzen Zulieferer für die Automobilindustrie sehen sich natürlich ganz, ganz schwierigen AGB der Großen gegenüber, die sehr, sehr schwergewichtig sind und sehr, sehr hart. Nur die sind nicht rational apathisch, die Adressaten, sondern Die sind hilflos und das ist eigentlich eine Frage des Kartellrechts und nicht des AGB-Rechts. Da liegt eher ein Thema Machtmissbrauch und so irgendetwas vor, aber nicht ein Thema, ich habe nicht kapiert, was da drin steht und habe auch keine Zeit, mich drum zu kümmern. Aber das macht die Sache so wunderbar kompliziert.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:21:50
Die Wertungsmöglichkeit ist relativ simpel. Das sind Klauseln, in deren Anwendung eine Wertung erforderlich ist. Wir nehmen mal irgendeine. Fiktion des Zuganges, 308.6, eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung, da muss eine Wertung rein. Was ist von besonderer Bedeutung oder nicht? Die 308 kommen ziemlich selten vor. Was oft vorkommt, ist der 309, und zwar der 309 Nummer 7, unwirksam ist, Haftungsausschluss, eine Begrenzung von Haftung für Schäden aus der Verletzung des Körpers und so weiter und so weiter. Daumenformel. Eine Haftungsausschlussklausel, wo nicht differenziert wird, das gilt nicht für Verletzungen des Körpers, der Gesundheit und des Lebens. Ist immer unwirksam. Also die Nummer 7 ist der Klausur-Hit. Wenn es tatsächlich zu einer konkreten Klauselkontrolle kommt, dann ist es meistens der. Ein Rat aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sehen, es hat irgendwas mit AGB zu tun, Ihre Klausur, dann gucken Sie einfach mal, was da steht. Weil so gut wie das gesamte BGB irgendwo in diesen Klauseln vorkommt und die sind auch nicht unverständlich, man muss es einfach nur lesen. Aber die Haftungsklauseln sind natürlich die allerwichtigsten. Aber noch einmal ein Tipp fürs Examen. Nach meiner Erfahrung ist das aller aller allerwichtigste, dass die, dass sie das, was wir eben erarbeitet haben, 310, 307, 308, 309 Indizwirkung, dass sie das wissen, wie das funktioniert, weil in sehr sehr vielen Klausuren, die ich gesehen habe, einfach nur verlangt wird, dass sie das verstehen, wie das geht. Die eigentliche Klauselkontrolle ist dann minimal. Das geht dann, wenn man kapiert hat, wie man über den 310 in die reinkommt. Und das Aushandeln, das kommt natürlich immer wieder vor.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:24:08
Die Schuldrechtsreform hat zunächst einmal... Überhaupt nur das AGB-Recht vom AGB-Gesetz ins BGB transplantiert. Dadurch haben sich alle Hausnummern geändert. Studierende und Prüflinge der heutigen Generation sagen, what the heck, ist egal. Das war damals ein Riesenstreit, weil die Autoren von großen Kommentatoren großer AGB-Gesetze dachten, ihnen geht das Geschäft flöten, wenn das jetzt im BGB... Sie müssen ja einfach sehen, ganze Bibliotheken verschwanden. Das war einfach plötzlich im BGB. Also könnte man sagen, ist egal, jetzt steht es woanders, wir wissen wie es geht. Es hat eine ganz wichtige Änderung gegeben, die ganze Geschäftsfelder erschlossen hat. Nämlich die Einbeziehung des Arbeitsrechts. Eigentlich hat das Arbeitsrecht, sage ich jetzt mal etwas kess, da gar nichts drin zu suchen. Kollektives Arbeitsrecht sowieso nicht, weil da wird Privatautonomie und Richtigkeitsgewehr unterstellt. Wo Tarifverträge oder Betriebsräte dabei, gibt es keine richterliche Inhaltskontrolle. Aber was reinkam, waren die arbeitsrechtlichen Formularverträge. Warum sage ich das passt eigentlich nicht? Bin ich in der Mindermeinung? Ich glaube aber es ist trotzdem hörenswert. Warum? Weil die rationale Apathie im Arbeitsrecht keine Rolle spielt. Der Arbeitnehmer ist nicht rational apathisch, der liest sich das durch und versteht schon oder lässt sich beraten. Aber, so die Theorie, er hat ja wenig Chancen was dagegen zu tun. Aber das ist jetzt teleologisch ganz was anderes. Ob ich in einen Vertrag eingreife, weil einer da gar nicht reingucken muss oder ob ich es tue, weil ich sage, diese Verträge sind nicht gerecht. Das ist plötzlich eine ganz andere Schiene. Und mit dem Arbeitsrecht, sage ich mal, ganze Kanzleien sind entstanden. Es war die beste Business-Idee, die es je gegeben hat, die Erfindung des Arbeitsrechts ins AGB-Recht hineinzutun. Und das ist aber ein extra Thema, kommt in Klausuren permanent vor. Davon gibt es Dutzende von Klausuren. Das liegt natürlich auch daran, dass aktive Arbeitsrechte da sehr gerne Gegenstände für Klausuren sehen und auch welche machen. Manche sind schön, manche sind weniger schön. Aber das ist ein Dauerthema, wo sie aber mit dem normalen Handwerkszeug des AGB-Rechts nicht so weit kommen, weil das ist dann eher Arbeitsrecht. Und da spielt noch eine ganz, ganz große Rolle das Transparenzgebot, auf das wir vielleicht nochmal ganz kurz zu sprechen kommen. Gerne.
Marc Ohrendorf 0:27:58
Nee.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:30:29
Es ist ein Fall, an dem man sehr schön sehen kann, dass sich die Rechtsprechung von den teleologischen Wurzeln entfernt hat und möglicherweise dadurch Ergebnisse produziert werden, die vielleicht manche Unternehmen dazu bringen, wenn sie können, in die Schweiz auszuweichen. Worum ging es? Da ging es ein Unternehmen, das betrieb eine Müllverbrennungsanlage in den Kommunen. Und die hatten AGB, die selbstverständlich an alle Kommunen, die dort ihren Müll hinbringen wollten, zum Vertragsbestandteil gemacht wurden. Warum heißt das bring or pay? Da war eine Klausel drin, die sagte, ihr müsst uns eine bestimmte Müllmenge bringen und wenn ihr die unterschreitet, müsst ihr trotzdem zahlen. Eigentlich völlig klar. Betriebswirtschaftlich, wir brauchen eine Mindestauslastung, sonst läuft das nicht. Wenn ihr sie nicht bringt, zahlt ihr trotzdem. Das hätte, da können die Hörer mal drüber nachdenken und die Hörerinnen, eine ganze Reihe von anderen Gestaltungsformen gegeben, wo man dasselbe Ergebnis erzielt, ohne in die Netze des BGH zu geraten. Aber so war es nun mal. Da stand eine Klausel, die übrigens bring or pay hieß, obwohl wir ja eigentlich sagen müssen pay. Nevertheless not bring oder irgendetwas. Aber die heißt also bring or pay. So, das Besondere dieser Entscheidung war, dass die beteiligten Vertragsparteien monatelang über diese Verträge verhandelt hatten und auf beiden Seiten anwaltlich bestens vertreten war. Also von rationaler Apathie nicht die Spur. Alle wussten ganz genau worum es ging und die Betreiber der Müllverbrennungsanlage haben offen aber doof gesagt und im übrigen, wir können über alles reden, wir können da nachgeben und da nachgeben, wir können auch einen anderen Preis machen, aber darauf müssen wir bestehen. So, damit war klar, kein Aushandeln, denn Aushandeln ist mehr als Verhandeln. Es ist das ernsthafte Zur-Disposition-Stellen der Klausel. Und wenn das nicht da ist, nutzt auch nichts, dass Paketlösungen vereinbart wurden. Wir geben hier ein bisschen nach und da ein bisschen nach. Diese Klausel ist unwirksam. der spätere Einwand mancher Justiziare, ja, sollen wir denn kaufmännisch in eine Verhandlung gehen und sagen, wir haben gar keinen Plan, wir stehlen alles zu eurer Disposition. Das wird doch kein Kaufmann machen, das haben die Juristen nie gehört. Das Interessante an dieser Entscheidung ist nicht, dass es sich um Müllverbrennungsanlagen handelte, das war vielleicht gar nicht so wichtig, aber das Entscheidende ist, dass man sieht, das Kriterium des Aushandelns, so wie der BGH es weiterentwickelt hat. Hat mit der rationalen Aparthie und dem Gesichtspunkt, der Adressat konnte sich nicht drum kümmern, wollte sich nicht drum kümmern und musste sich noch nicht drum kümmern, bei solchen Verträgen einfach keinen Sinn mehr macht. Das eigentliche Ziel der AGB-Kontrolle, eine solche Situation abzufedern, ist hier verfehlt, weil das Schutzbedürfnis, was eigentlich am Anfang des AGB-Rechts stand, in solchen Fällen schlicht nicht gegeben ist. Wenn sich zwei Großunternehmen gegenüberstehen und etwas verhandeln, bezweifle ich, ob sie den Schutz der AGB-Kontrolle brauchen, aber der Bundesgerichtshof hat einfach diese Linie so entwickelt und ist auch nicht mehr bereit, im Moment von dieser Linie abzuweichen. Es ist nun sehr interessant, über dieses Thema wird seit etwa 15 Jahren rechtspolitisch gestritten. Das ist das was ich immer als den Wanderzirkus AGB bezeichne. Es gibt also eine Gruppe von Leuten, die sich dafür interessiert. Ein Teil ist pro, ein Teil ist kontra. Der Kontrateil ist für den BGH, das ist Graf von Westphalen, eine imponierende Anwaltsfigur. Und die, die das AGB-Recht ändern wollen, Thomas Pfeiffer, Heidelberg und natürlich Klaus-Peter Berger hier in Köln. Und wir, ich bin manchmal auch dabei. Und wir diskutieren also seit über 15 Jahren, das AGB-Recht muss flexibler werden. Die anderen sagen auf gar keinen Fall, der BGH sitzt und hört zu. Und wir wissen, dass der BGH die Argumente natürlich längst kennt und sie vielleicht nicht alle für falsch hält. Aber uns hat der BGH jetzt immer wieder signalisiert, so lange wie wir das jetzt praktizieren, ist das quasi recht. Was nur noch der Gesetzgeber ändern kann. Wir brauchen ein Signal aus Berlin. Vielen Dank.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

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