Schon während meiner Promotion hat mich die Frage gereizt, wie wirtschaftliche Globalisierung menschenrechtlich eingerahmt werden kann. Die dramatischen Fabrikeinstürze und die UN-Leitprinzipien haben mich nicht mehr losgelassen. Daher widmete ich meine Habilitation vollständig dem Lieferkettenrecht und baue seither Forschung, Lehre und Praxisberatung darauf auf.

Globalisierung senkt weltweit Armut, zugleich verschärft sie Governance Gaps. Mich fasziniert dieser ambivalente Befund: wirtschaftlicher Fortschritt einerseits, eklatante Rechtsdurchsetzungsdefizite andererseits. Das Lieferkettenrecht erlaubt, diese Spannungen rechtsdogmatisch aufzulösen und Unternehmen in eine verantwortungsvolle Rolle zu führen – ohne internationale Arbeitsteilung grundsätzlich in Frage zu stellen.

Die Leitprinzipien sind mein methodischer Anker. Sie zeigen, wie unverbindliches Völkerrecht durch nationale Gesetzgebung verfestigt werden kann. Viele Elemente des deutschen und künftigen europäischen Rechts – Risikomanagement, Berichtspflichten, staatliche Aufsicht – entstammen direkt diesem Soft-Law. Ohne die UN-Leitprinzipien hätte es mein Forschungsfeld wahrscheinlich gar nicht gegeben.

Es geht nicht darum, jeden Missstand überall sofort zu eliminieren. Realistisch ist nur, Risiken systematisch zu identifizieren, zu priorisieren und dann verhältnismäßige Prävention oder Abhilfe zu organisieren. Dieses risikobasierte Compliance-Denken verbindet ökonomische Machbarkeit mit menschenrechtlichem Anspruch und macht das Lieferkettenrecht für Unternehmen überhaupt umsetzbar.

Unternehmen müssen jetzt ein echtes Risikomanagement aufsetzen, also Kartografie, Analyse, Prävention und Abhilfe dokumentieren. Diese Prozesse werden vom BAFA geprüft und können über Bußgelder, Vergaberechtsausschluss oder Reputationsschäden massiv sanktioniert werden. Für Juristinnen eröffnet das spannende Karrierewege in Legal, ESG-Management und Internal Audit.

Das Gebiet verknüpft Völker-, Europa-, Öffentliches und Zivilrecht mit Compliance-Praxis. Wer hier einsteigt, trainiert Dogmatik, politische Sensibilität und interdisziplinäres Denken zugleich. Im Examen tauchen Fragen zur Haftung, zum IPR oder zu § 434 BGB längst auf – frühzeitiges Verständnis verschafft euch daher echte Wettbewerbsvorteile.

§ 3 Abs 3 LKSG schließt Schadensersatz ausdrücklich aus; dennoch diskutiert die Literatur Analogien zu BGB oder Deliktsrecht. Frankreich geht bereits einen zivilrechtlichen Weg, die EU schwankt. Für Gerichte stellt sich zudem das IPR-Problem: Welches Recht gilt, wenn der Schaden in Pakistan entsteht?

Deutschland erfasst seit 2024 Unternehmen ab 1 000 Beschäftigten, verzichtet aber bewusst auf Zivilhaftung und verpflichtet primär zum First-Tier-Monitoring. Der aktuelle Richtlinienentwurf geht weiter: größere Schwellen, tiefere Kette, prinzipiell zivilrechtliche Haftung, allerdings politisch umkämpft. Wir beobachten gerade, wie Brüssel das deutsche Modell teilweise übernimmt.

Klagt ein verletzter Arbeiter vor deutschen Gerichten, wendet Art 4 Rom-II eigentlich pakistanisches Deliktsrecht an. Ohne Eingriffsnorm käme das LKSG gar nicht zum Zug. Wer IPR ignoriert, verliert also im Ernstfall die rechtliche Steuerung seines Falles. Darum ist IPR Schlüsselkompetenz auch für künftige Zivilrechtler.

Ich rechne nicht mit einer Abschaffung, wohl aber mit stärkerer Fokussierung: höhere Schwellen, weniger Tiefenprüfung, fakultative Haftung. Gleichwohl bleibt die Richtung klar – verantwortliche Unternehmensführung wird zum europäischen Standard. Für Jurist:innen entstehen dauerhafte Beratungsfelder von Governance bis Litigation.