Maria Kalin, Partner | Kanzlei am Münster
Migrationsrecht - Asylrecht - Aufenthaltsgesetz - Asylgesetz - Asylverfahren - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Klage Asylverfahren - Berufung Asylrecht - Prozesskostenhilfe - Familiennachzug - Klimamigration - Genfer Flüchtlingskonvention - Abschiebungsverbot - Schutzsuchende - Kollegialität Migrationsrecht - Rechtsstaat
In Folge 193 widmen wir uns einem wichtigen Thema, das Ihr euch bei IMR gewünscht habt: dem Migrationsrecht. Wie kommt man dazu, sich in diesem Rechtsgebiet für andere Menschen einzusetzen? Warum spielen gute Anwaltsnetzwerke im Migrations- und Asylrecht eine besonders große Rolle? Inwieweit zweifelt man in manchen Verfahren vielleicht auch schon einmal an unserem Rechtsstaat? Wie verarbeitet man teils sehr bewegende persönliche Schicksale im Privaten? Antworten auf diese und viele weitere Fragen liefert euch Maria Kalin in dieser neuen Episode Eures Jurapodcasts. Viel Spaß!
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Kanzlei am Münster ist eine kleinere, inhabergeführte Anwaltsboutique mit Sitz im Herzen von Ulm, direkt gegenüber des berühmten Münsters. Rund fünf bis zehn Berufsträgerinnen und Berufsträger sowie ein eingespieltes Team aus Mitarbeitenden widmen sich hier vor allem dem Migrations-, Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie ausgewählten zivilrechtlichen Mandaten.
Die Sozietät begleitet Menschen in oft existenziellen Verfahren, setzt auf enge Kooperation mit spezialisierten Netzwerken und zeichnet sich durch ein hohes Maß an Empathie und gesellschaftlichem Engagement aus. Wer wissen will, wie man als Anwalt oder Anwältin zwischen Richterbank, Behörde und Mandant im Migrationsrecht den Überblick behält, sollte unbedingt in unsere neueste IMR-Folge reinhören – Kopfhörer auf und los!
Migrationsrecht ist nicht nur ein Rechtsgebiet, es geht um Menschen, die Schutz brauchen, und es ist unsere Aufgabe, sie sicher durch das Verfahren zu bringen und ihnen eine neue Zukunft zu ermöglichen.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich Willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Mein Name ist Marc Ohrendorf und ich spreche mit Maria Kallin. Hallo Maria.
Hallo Marc. Wie schön, dass ich bei euch in der Folge sein darf.
Ja, wie schön, dass ich hier bei dir sein darf, um diese schöne Folge aufzunehmen. Und du hast heute schon zwei Rekorde aufgestellt, ohne dass du es weißt. Erstens, du bist ein Zuschauervorschlag und du hattest die meisten Vorschläge sozusagen an E-Mails, die uns erreicht haben.
Das ist sehr, sehr schön und insofern erfüllen wir natürlich auch gerne diesen Wunsch, heute zum Thema Migrationsrecht mit dir zu sprechen und eben nicht nur zu diesem Thema, sondern auch gerade mit dir als Person. Und der zweite Rekord, den hast du gerade aufgestellt, absoluter Rekord von reinkommen, Podcast-Equipment aufbauen und folgelos.
Normalerweise führt man ja so ein Vorgespräch und dann guckt man, okay, wo geht die Reise hin und du bist der erste Gast, der total handfest gesagt hat, ja gut, lass loslegen. Ja, ist doch super.
Kann man ja auch alles on-air machen. Also fangen wir vorne an. Irgendwann mal Jura studiert, ganz kurz den Abriss und dann wollen wir ganz viel über das Thema Migrationsrecht sprechen. Wo hast du studiert, wo hast du REF gemacht?
In Passau und in Passau. Ich hab ja hier Abi gemacht, hab auch nicht gedacht, dass ich nach oben zurückkomme und war nach dem Abi so, oh, was will ich denn machen? Ja, die Welt retten natürlich. Und dann habe ich überlegt, ja, vielleicht Richtung Politikgeschichte.
Und dann haben alle gesagt, wenn du dahin möchtest, dann geh doch, wenn du in die Politik willst oder zu einer NGO, mach doch mal Jura. Und ich hatte gar keine Ahnung und wollte dann nicht so ganz trocken Jura studieren.
Und Passau hat ja ein sehr breites Fremdsprachenangebot und das hat mich dann total angesprochen. Und die Stadt fand ich auch super schön. Und dann hat es mich nach Passau verschlagen, hab da studiert, erstes Examen gemacht, hab dann eigentlich gedacht, so und jetzt geht es in die weite Welt.
Aber mein Mann hat dann gesagt, ja, er möchte jetzt hier noch seinen Doktor machen. Da dachte ich mir, gut, lässt du den seinen Doktor machen, was machst du währenddessen? Machst du halt mal ein zweites Examen? Da habe ich eigentlich gedacht, brauche ich gar nicht, weil gar nicht mein Plan war, juristische Karriere so ganz klassisch zu machen, sondern irgendwas mit Recht.
Und dann hat es sich dabei ergeben, dass ich ein zweites Examen auch noch in Passau gemacht habe. Und zwischendurch war ich auch noch ein bisschen im Ausland. Genau, und bin dann auch länger in Passau geblieben und dann zwischendurch immer mal kurz weg.
Aber sehr lange in Passau und jetzt eben wieder in Ulm.
Und wie bist du zum Migrationsrecht angekommen?
Eigentlich war das so, dass ich so im sechsten Semester einen ziemlichen Hänger hatte im Studium oder schon nach dem vierten Semester, das kennen ja wahrscheinlich einige auch, dass man dann mal so denkt, oh, ist das jetzt wirklich das Richtige für mich und die Lernerei und dann taucht ja schon das Examen so am Horizont auf und man denkt,
oh, will ich mir das wirklich antun? Und ich hatte ganz starke Zweifel und dann hat mein Papa, der war Bewährungshelfer, hat gesagt, ja, er kennt den Ulm, den ganz tollen Strafverteidiger, der ist auch so sehr politisch engagiert Und dann geh doch mal zu dem und mach Praktikum.
Das ist aber nicht der, der jetzt noch hier mit euch im Büro gemeint ist.
Tatsächlich ist es der, der bei mir jetzt hier auch in Bürogemeinschaft ist.
Ich hab mich nämlich gewundert, beim Reinkommen gab es eine Kanzlei mit einer Anwältin, du und noch zwei Kollegen. Und dann stand unten nämlich ein Strafrechtler in Bürogemeinschaft.
Das ist er nicht.
Das ist ein anderer.
Das ist nochmal ein anderer. Aber der eine von den beiden.
Ach schau.
Genau. Und dann hieß es ja, der ist auch so politisch engagiert, ich soll doch da mal Praktikum machen. dass ich sehe, es gibt auch so wirklich engagierte Juristen und nicht nur so in den Büchern und alles so ganz straight und ja sehr konservativ, sondern auch Leute, die so für die kleinen Sachen streiten.
Und dann kam ich eben hierher in die Kanzlei, das war glaube ich 2006 oder 2007 und habe hier ein Praktikum gemacht und dann der Thomas Oberhäuser, der jetzt hier auch mein Kollege ist, kam dann mit einem Stapel Akten mit Strafrecht und das kannte ich ja schon, aber dann hat er gesagt, naja weißt du Maria, mein Herz schlägt eigentlich fürs Migrationsrecht und da hatte ich vorher noch nie davon gehört, weil das ist ja jetzt auch kein klassischer Studieninhalt.
Und er hat gesagt, guck mal, das ist eigentlich das, wofür ich so richtig brenne. Und schau dir mal da ein paar Akten an, aber vorsichtig, da verliert man den Glauben an den Rechtsstaat. Und es war tatsächlich für mich so.
Das war so ein richtiges Zerfallen, dieses Glauben an den Rechtsstaat, dass alles so gut und gerecht und richtig hier läuft und dass die Institutionen sich an die Gesetze halten. Ich hatte dann so einen Familiennachzug mit einem Rohinterbezug, wo ich noch gar nicht wusste, was sind eigentlich die Rohinter? Also diese Volksgruppe aus Myanmar, Bangladesch, habe mich dann da reingearbeitet, fand es total interessant und habe dann teilweise auch gedacht, was schreibt denn da das Auswärtige Amt in den Klageerwiderungen? Das ist ja ganz, ganz furchtbar und überhaupt nicht mehr rechtsstaatlich.
Was ist denn da eigentlich los? Und dann hat mich das Thema so richtig gepackt und zurück in Passau habe ich dann angefangen, mich ehrenamtlich ganz stark in dem Bereich zu engagieren, habe aber nie gedacht, dass das mal meine Berufung irgendwie so auch sein wird. Und dann war ich eben fertig mit dem zweiten Examen und wir waren aber mit Passau noch nicht so ganz fertig.
Und dann habe ich gewusst, okay, jetzt brauche ich halt irgendwie mal einen Job. Und ich kannte eben eine Kanzlei in Passau, die Migrationsrecht gemacht hat bei Hauptner Schank damals und habe angefragt, gesagt ich brauche irgendwas, damit ich hier ein bisschen arbeiten kann, weil wir werden noch ein paar Jahre in Passau bleiben.
Habt ihr nicht so einen 450-Euro-Job oder irgendwas für mich? Und die haben gleich gesagt, komm, wir stellen dich mal so ein Jahr ein, so auf Probe, weil migrationsrechtlich ist jetzt nicht so... Viel los im Moment, aber dann kannst du ja mal reinschnuppern und mal gucken, ob dir das taugt.
Und es war 2014 und es war natürlich mein großes Glück, weil 2015 ist ja natürlich die Zahl nach oben geschossen. Und hat mich dann auch richtig gepackt und das Thema hat mich total gepackt und der Bedarf war einfach und ist jetzt auch heute noch so riesig, dass ich gar nicht mehr davon weggekommen bin.
Und dann irgendwann war die Frage, gehe ich jetzt in den Bundestag oder bleibe ich bei der Anwaltschaft im Migrationsrecht? Und dann war ganz klar, nee, jetzt hier mein Bedarf und mein Platz ist bei der Anwaltschaft und das möchte ich jetzt auch machen. und ich mache es auch nach wie vor total gerne.
Im Bundestag?
Ja, ich bin sehr engagiert bei den Grünen und war da auch in Bayern sehr engagiert und in Niederbayern, da war das Mandat im Freien und da war schon die Überlegung, möchte ich das jetzt machen und gehe ich für die Niederbayern und für die Grünen im Bundestag, aber dann war einfach 16, 17 migrationsrechtlich so viel los, dass ich
gesagt habe, nee, da sind meine Mandanten, die brauchen mich, das Rechtsgebiet braucht mich, es gibt so wenige Anwälte in dem Bereich, da möchte ich ja jetzt erst mal bleiben.
Also, das hatten wir glaube ich auch noch nicht. Eine Juristin oder ein Jurist hier im Podcast, die hätte in die Politik gehen können, Donald-Reich-Bundestag, war doch nicht schlecht, und dann aber sagt, nee, ich mache das so gerne, was ich mache und ich mache das nicht nur on the side, was ja rein theoretisch vorstellbar gewesen wäre, sondern sagt, nee, hier ist meine Passion, hier bleibe ich.
Also du bist im wahrsten Sinne des Wortes Überzeugungstäterin.
Absolut, aber alle Migrationsrechtlerinnen, die du treffen wirst, sind Überzeugungstäterinnen. Also ich kenne niemanden, der das so on the side macht. Das geht, glaube ich, auch gar nicht. Also das ist auch so etwas, was, glaube ich, die Migrationsrechtsanwaltschaft ausmacht.
Also das war auch etwas, was mich an dem Beruf dann so gereizt hat, weil, ja, also ich habe vorher bei einem Strafrechtler, da war ich HIVI am Lehrstuhl und auch Mitarbeiter, später in der Kanzlei als Mitarbeiterin und habe dann gemerkt, Wirtschaftsstrafrecht, das ist nicht so meins. Und auch in den Verhandlungen, das ist so sehr, ja, so gegeneinander.
Und bei der Migrationsrätsanwaltschaft, wir treffen uns regelmäßig, tauschen uns auf und das ist einfach ein sehr, großes kollegiales Miteinander. Also es ist auch heute noch so jetzt, als ich nach Ulm gewechselt bin, ich hatte vorher noch keine Fälle mit der Türkei, weil die Türkei wird woanders hin verteilt.
Also die Länder werden innerhalb von Deutschland so ein bisschen regional aufgeteilt und Passau kriegt jetzt keine türkische Community ab quasi. Das heißt, die Geflüchteten aus der Türkei sind da nicht. Da hatte ich einen Schwerpunkt mehr so Nigeria, Äthiopien, Eritrea, Syrien, Afghanistan.
Aber das ist überall. Und dann kam ich nach Ulm und hatte meine ersten Asylsuchenden aus der Türkei, kannte mich gar nicht aus. Und dann schreibe ich eine E-Mail in den einen der vielen Verteiler und schreibe hier Leute, Hilfe, wie mache ich denn das? Und dann kriege ich gleich drei Angebote von Kolleginnen und Kollegen, die sagen, hier ist der Schriftzatz, hier sind die aktuellen Rechtsprechungen, da kannst du nachfragen, ruf mich an, wenn du was brauchst.
Und das ist natürlich fantastisch, wenn man sich so gegenseitig aufbaut und hilft und unterstützt. Und das macht, glaube ich, die Asylrechtsanwaltschaft zu etwas ganz Besonderem auf jeden Fall auch.
Dann lass uns mal ein kleines bisschen einsteigen und ein bisschen eine Ebene tiefer gehen. erstmal grundlegend so von der rechtlichen Seite. Wenn man jetzt gerade im Studium ist, dann paukt man eine ganze Menge, man macht viel materielles Recht, man macht viel Prozessrecht.
Was sind so die Gesetze und die, ich sag mal im allerweitesten Sinne, Frameworks, mit denen du dich tagtäglich rechtlich beschäftigst?
Ja, das geht gar nicht so aus dem Studium tatsächlich, weil das einzige, was so in die Richtung mal geht, ist ja das Verwaltungsrecht. Aber es ist, wenn ich mit einem Verwaltungsrechtler spreche und sage, ich mache Migrationsrecht und er sagt, ja, ja, ist ja öffentliches Recht und ist ja irgendwie ähnlich, sage ich, nee, tut mir total leid, weil wir haben schon allein in den Verfahrensvorschriften so viele Sonderregelungen.
Also unsere Klagefristen sind teilweise nur eine Woche, manchmal zwei Wochen im Asylgesetz und im Aufenthaltsrecht. Also wir haben eigentlich diese zwei großen, ja natürlich gibt es noch ganz viel außenrum, aber Aufenthaltsgesetz regelt quasi alles, wenn die ausländische Person dann in Deutschland ist. Wie hat die den Haufen unterhalten, wo muss sie wohnen, wie ist es mit Zugang zur Arbeit, wird ganz grob dargeregelt und das Asylgesetz macht alles in Bezug auf das Asylverfahren.
Wie wird die Person hier aufgenommen? Wie entscheidet das Bundesamt? Und das ist natürlich alles beeinflusst von europäischen und internationalen Verträgen und Richtlinien und Verordnungen. Das spielt ja alles noch ganz viel mit rein. Aber das sind so die zwei Hauptgesetze, mit denen wir zu tun haben.
Und die sind so unterschiedlich vom normalen Verwaltungsrecht, dass der Verwaltungsrechtler der schrickt. Manchmal denkt er, ist ja alles ein bisschen anders auch bei euch.
Also kürzere Fristen, was noch?
Wir haben zum Beispiel auch gar nicht die normalen Berufungszulassungswege, die es im normalen Verwaltungsrecht gibt. Also auch wenn ich ein ganz falsches Urteil bekomme, kann ich im Asylrecht nicht dagegen klagen und sagen, ich möchte jetzt in Klagen schon haben, ich kann da nicht in Berufung dagegen gehen, weil wir gar nicht die gleichen Zulassungsgründe haben, wie es im normalen Verfahren gibt.
Mit den Vertretungen, mit der Prozesskostenhilfe ist es deutlich schwieriger oft, was aber auch ein bisschen an den Gerichten liegt. Also es ist schon so ein bisschen so ein Sonderrechtsweg.
Klingt jetzt erstmal auf den allerersten Hörer so, als würde man das da irgendwie Menschen besonders schwierig machen?
Ja, ist auch manchmal so, ja tatsächlich, weil eigentlich ist es ja auch eine Klientel, die jetzt keine große Lobby hat, die hierher kommen, sehr schutzbedürftig sind und jetzt unabhängig davon, ob jetzt jemand hierher kommt, weil er vor Krieg flieht oder vor Verfolgung oder vor Klima. Ich finde, ich kann da gar nicht so einen Unterschied machen, weil das sind lauter Personen, die erstmal hierher kommen, weil sie sagen, ich kann da nicht mehr leben, wo ich eben bin.
Ich brauche jetzt hier irgendwie ein faires Verfahren, um zu gucken, ob ich hier eine neue Zukunft mehr aufbauen kann. Und das sind für mich auf jeden Fall sehr vulnerable Personen, also die ganze Personengruppe. Also es gibt ja diesen Spruch, so keiner flieht freiwillig.
Und ich kann es dann manchmal nicht verstehen, wenn gesagt wird, ja, die kommen ja alle hierher, weil die möchten hier nur profitieren und sich ja am Sozialsystem bereichern. Also das ist mir jetzt noch nie so gegangen, dass ich dieses Gefühl hatte bei meinen Mandantinnen oder Mandanten.
Also auch wenn ich dann sage manchmal, na gut, Asyl ist jetzt vielleicht nicht so der richtige Weg gewesen, um jetzt hier in Deutschland nur anzufangen, aber sich überhaupt auf den Weg zu machen, bedeutet ja schon, dass die Person sehr viel zurücklässt. Und sich dann wirklich auf einem schweren Weg macht und das nicht so leicht hat, egal von welchem Hintergrund die Person jetzt kommt.
Ja, gehen wir mal darauf ein. Jetzt sitzt man vielleicht irgendwo, unterhält sich mit jemandem über Thema X, irgendwas politisches und irgendwann sagt die Person leider, ja, aber die Migranten. Und der ganze Sozialstaat hat ja eh kein Geld mehr, weil Migration. Was entgegnest du da?
Ja, also das ist dann schon immer erst mal so dieses Schnaufen. Möchte ich mich jetzt überhaupt mal auf so eine Debatte wieder einlassen, weil ich glaube, das ist halt sehr kurz gedacht. Ja, weil das ist immer so diese, weiß ich nicht, Neiddebatte vielleicht, dass man sagt, die Migranten und die nutzen ja alles aus.
Aber es ist halt auch eine Frage, wie verstehen wir uns als Sozialstaat? Also der Sozialstaat ist ja eigentlich... Der, der sagt, ja, wir kümmern uns auch umeinander und wir sind solidarisch zueinander. Und bei meinen Geflüchteten ist es ganz häufig so, dass die auch sagen, ja, ich möchte auch hier gar nicht jetzt hierher kommen und gleich Sozialleistungen kassieren, sondern ich möchte gerne arbeiten und ich möchte auch gerne hier dazu beitragen und ich möchte ja gerne mich hier integrieren.
Und das wird aber den Leuten häufig ganz schwierig gemacht. Und ich finde es immer eine schwierige Debatte, dann zu sagen, ja, wir brauchen ja auch die Leute hier als Arbeitskräfte und Fachkräfte quasi, weil wir so einen Mangel haben an Arbeitskräften und Fachkräften, ist natürlich auch ein Argument, ist auch richtig, Denn viele kommen natürlich auch hierher, weil sie hier arbeiten wollen und weil sie sich hier eine bessere Zukunft erhoffen.
Aber viele kommen auch hierher, weil sie einfach Schutz brauchen. Und wenn Leute vor Krieg fliehen, glaube ich, ist es auch der Weltgesellschaft irgendwie schuldig zu sagen, ja, wir leisten auch unseren Beitrag dazu, um da zu unterstützen und diesen Leuten auch Schutz zu gewähren. Und wenn man sich die Fluchtzahlen weltweit anschaut, ist Deutschland immer noch eins der Länder, was schon viel aufnimmt, aber bei Weitem nicht so viel wie die Anrainerstaaten.
Bilden wir mal ein paar Subgruppen in dieser Thematik. Flucht gleich, ich will gerade noch mal auf dieses ganze Thema in Anführungszeichen Wohlstandsmigration hinaus. Wenn man das kombiniert mit dem Fachkräftemangel, den du gerade ja auch angesprochen hast, könnte man doch auch auf die Idee kommen, hey, wenn wir ein paar qualifizierte Menschen und vielleicht auch Menschen, die wir hier noch ausbilden oder weiterbilden, nach Deutschland bekommen, dann könnte man Wohlstandsmigration doch auch so verstehen, dass es uns allen hier gemeinsam besser geht, weil wir am Ende doch Fachkräfte brauchen.
Das ist auf jeden Fall so und das ist ja auch so ein erster richtiger Weg, den ich da jetzt sehe, dass wir sagen, wir machen mehr Möglichkeiten, um auch Fachkräfte oder Leute, die arbeiten wollen, nach Deutschland zu holen und zu bringen. Weil im Moment gibt es einfach sehr wenige legale Zugangswege nach Europa und nach Deutschland.
Und die Leute teilweise, die auch wirklich dann sagen, na gut, meine wirtschaftliche Lage ist so prekär, ich sehe gar keine andere Möglichkeit für mich, als mein Land zu verlassen und eben in Europa dann zu versuchen, die kommen hierher und sind dann erst mal hier ohne Aufenthaltshitl, sind erst mal illegal hier und beantragen dann Asyl, weil sie gar keine anderen Möglichkeiten sehen.
Und natürlich wäre für solche Leute das Richtige, dann zu versuchen, eben über die Chancenkarte, über dann, Aufenthaltsrecht, über Arbeit, über Ausbildung und deshalb ist es gut, wenn wir uns dann ein bisschen öffnen, weil das würde auch diesen ganzen Asylsektor entlasten, weil das sind ja auch Leute, die da eigentlich gar nicht hingehören, aber die im Moment einfach keine andere Möglichkeit sehen.
Gut, jetzt zweite Gruppe gerade angesprochen. Menschen, die fliehen, weil in ihrem Land Krieg ist, weil irgendwelche schlimmen Regime an der Macht sind. Wie muss man sich das ganz praktisch vorstellen, was diese Menschen erleben? Du hast da natürlich deutlich mehr Einblicke, als man üblicherweise hat. Was erlebst du da?
Das ist so einer der schwierigeren Teile, weil natürlich erlebt man da auch viel menschliches Elend oder kriegt das auch mit. Und ich habe auch so Geschichten manchmal im Kopf, die nehme ich auch mit nach Hause und belastet einen dann natürlich auch.
Aber das sind natürlich auch einfach Kriegs- und Verfolgungsgeschichten. Wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt, kommt man daran auch nicht vorbei. Aber das sind eigentlich dann auch die Fälle, wo dann auch wirklich der Kampfeswille in mir wach wird.
Und ich sage, ja, gerade für die muss ich dann gucken, dass ich die hier irgendwie sicher durch das Asylverfahren und in den Aufenthalt hier bekomme, damit die Leute einfach auch mal Gelegenheit haben, hier durchzuschnaufen und zur Ruhe zu kommen, weil ihnen dieses Recht auf Schutz einfach zusteht.
Kannst du da ein Beispiel nennen?
Ja, ich habe jetzt zum Beispiel gerade ein Verfahren gemacht oder bin gerade dabei am Bearbeiten mit einem Mann aus dem Irak, der ist über Weißrussland hier eingereist, als es diese Möglichkeit eben gab, leicht aus dem Irak einzureisen und ist dann über Polen nach Deutschland gekommen.
Über Weißrussland, Polen nach Deutschland?
Ja.
Ja, das muss man sich ja trotzdem erstmal überlegen. Also das ist nicht Flugticket kaufen und los.
Da war das tatsächlich so ein bisschen zu viel Zeit. Ja, das war ja so eine Geschichte, wo Weißmann gesagt hat, wir setzen Europa unter Druck dadurch, dass wir jetzt viele Tickets quasi rausgeben und Visa, damit Leute aus dem Irak ran nach Europa kommen können.
Das wusste ich nicht.
Ah ja, okay. Letztes Jahr war das so eine heiße Geschichte.
Ach, aber nur für eine vorübergehende Zeit. Genau, nur für eine vorübergehende Zeit. Ja, okay.
Aber das ist ja auch immer so ein bisschen versetzt, dass die Leute... Irgendwann hier einreisen und versetzt kommt das dann erst ins Asylverfahren, deshalb landet das ja dann auch erst bei mir. Und der ist jetzt in Deutschland und der Streit ist jetzt im Moment war natürlich dann zuerst mal, na wie ist es, muss er denn nicht nach Polen zurück oder nach Kroatien, da war er zwischendurch auch noch mal.
Aber der ist halt da schwer misshandelt worden, also der musste in Kroatien sich ausziehen und ist dann von der Polizei geschlagen worden und die haben ihn überall abgetastet und es war für den total unangenehm. Und dann ist erstmal die erste Frage, ja ist es überhaupt zumutbar für den nach Kroatien zurückzugehen, was schon immer ganz schön schwierig ist.
Das hat dann damit zu tun, wie die Zuständigkeiten innerhalb Europas sind. Und nachdem wir dann diese Höhle genommen haben, sind wir jetzt im Asylverfahren und da geht es jetzt darum, wird ihm denn seine Fluchtgeschichte geglaubt. Also nimmt man ihm ab, dass er wirklich verfolgt ist und der erzählt, naja er ist Kurde, also aus dem kurdischen Autonomiegebiet und er ist homosexuell.
Und naja, ist natürlich schwierig, weil keiner hat ein Schild um sich rum, wo man jetzt wirklich prüfen kann, stimmt es jetzt, dass er homosexuell ist oder nicht. Und er war halt dann beim Gespräch beim Bundesamt nicht so, dass er gleich erzählt hat, ja ich bin schwul und ich bin dazu gekommen mit 16 und hab mich mit meiner Sexualität ja detailliert auseinandergesetzt.
Und das ist halt für die Leute auch ganz schwierig, weil die sind dann ja eh schon stigmatisiert in ihrer Heimat, wachsen da auf mit, du darfst gar nicht darüber reden, darüber wird nicht gesprochen und es wird alles total unterdrückt. Und dann soll er auf einmal hier, nachdem er einen Monat vielleicht in Deutschland ist, plötzlich beim Bundesamt alles auf den Tisch legen.
Und meine Aufgabe ist dann eben jetzt, nachdem der negative Bescheid kam, zu sagen, ja, das konnte der zu dem Zeitpunkt vielleicht noch gar nicht so darlegen. Oder mit dem Mann dann auch zu sprechen, zu schauen, ja, wie war das denn für dich? Wann hast du das denn für dich auch entdeckt, vielleicht, dass du homosexuell bist? Was hast du denn da wirklich an Verfolgung dann erlitten?
Das heißt nur, dass ich es auch verstehe und alle, die zuhören, der... Man ist nach Deutschland gekommen, hat Asyl beantragt, hat einen negativen Bescheid erhalten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Und jetzt bist du im Widerspruchsverfahren?
Jetzt bin ich in der Klage. Widerspruchsverfahren haben wir nicht. Ah, es gibt kein Widerspruchsverfahren.
Okay, wieder was gelernt. Gute Frage für die mündliche Prüfung. Gibt es im Asylverfahren ein Widerspruchsverfahren? Okay, es gibt kein Widerspruch, jetzt bist du in der Klage. Wie ist der zu dir gekommen, so ganz praktisch? Also wann wusste der, ich brauche einen Anwalt oder wie finden die Menschen zu dir? Weil ich könnte mir vorstellen, es gibt ganz bestimmt ja auch viele, die sind gar nicht anwaltlich vertreten.
Ja, leider gar nicht. Das ist natürlich schön für die Leute, wenn die von Anfang an besser betreut werden, bessere Verfahren haben würden, weil die dann auch mehr wüssten, ach ja, okay, darum geht es auch in der Anhörung oder worauf kommt es denn da an? Was muss ich denn da erzählen? Was ist denn relevant für mein Verfahren und was nicht? Das wird jetzt vielleicht ein bisschen besser, es gibt jetzt ein Gesetz, das sagt, es muss eine bessere Beratung geben schon vor dem Verfahren.
Aber im Moment ist es eigentlich so, dass sich das ja in der Community rumspricht und wenn dann eben der negative Bescheid kommt vom Bundesamt, hat man Zeit, zwei Wochen in der Regel oder eine Woche, dagegen zu klagen. Und da spricht sich das dann in der Community schon sehr schnell rum, wo jetzt die Anwaltschaft sitzt, die da vielleicht noch helfen kann.
Aber es ist natürlich so, dass ich auch Sachen ablehnen muss, weil ich einfach kapazitätsmäßig am Ende bin. Und so gibt es eigentlich vielen Kolleginnen und Kollegen. Und das ist auch ganz schwierig, weil wenn der Fall dann hier ist und ich den Fall sehe, dann denke ich mir eigentlich immer, ach ja, ich kann das eigentlich nicht ablehnen, weil man muss da ja was machen, weil es geht halt auch um so viel.
Es geht halt im Migrationsrecht nicht darum, kann ich jetzt mein Haus bauen oder kriege ich jetzt dann auch 500 Euro mehr oder weniger von der Kfz-Versicherung? Sondern es geht tatsächlich um das Leben von diesen Menschen. Also für den Mandanten würde heißen, zurück in den Irak, würde heißen, der ist da wirklich vom Tod bedroht.
Das heißt auf der einen Seite super Jobchancen für MigrationsrechtlerInnen.
Auf jeden Fall. Also wirklich, es war ja lange nicht so viel los auch in dem Bereich und deshalb gab es auch glaube ich so ein bisschen eine Nachwuchslücke und langsam kommt es aber auch wieder so auf und es gibt jetzt Gott sei Dank schon einige sehr motivierte und tolle Kolleginnen und Kollegen, aber wir könnten immer noch mehr brauchen und zeigt sich auch dadurch, dass das Interesse für das Thema da ist, weil wir haben jetzt schon ganz viele Law Clinics, Es gibt so Refugee Law Clinics an verschiedenen Unis und da hoffe ich schon, dass da ein paar Kolleginnen noch so kommen und ja, also die ersten, die so auf jeden Fall in dem Bereich jetzt mal gelieben sind, die kenne ich jetzt schon, das ist ganz toll.
Und ihr seid meistens in dem Rechtsgebiet Einzelanwältinnen und Einzelanwälte, die dann eventuell mit anderen zusammenarbeiten, aber es gibt natürlich keine Teams von, oder ich sage es so natürlich, vielleicht liege ich falsch, aber ich würde mir vorstellen, es gibt keine Teams von sechs Migrationsrechtlern, die dann irgendwie zusammen auf einem Case arbeiten.
Nein, das gibt es nicht. Es ist meistens eher ein Einzelkämpfer. Die sind natürlich alle Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer. Wobei es natürlich schon so ist, dass die meisten, die ich kenne, zumindest irgendwo in der Bürogemeinschaft sind, damit man nicht so ganz alleine ist.
Weil es ist auch, glaube ich, so für die eigene Gesundheit wichtig, dass man sich auch gerade bei so härteren Fällen einfach mal ein bisschen austauschen kann. Außerdem ist es dann schon teilweise so komplex das Gebiet, dass man auch nicht alles wissen kann.
Und es ist ja nicht nur so, dass ich kann mich zum Beispiel jetzt, ich bin sehr fit, würde ich sagen, im Asyl Und beim Familiennachzug, dafür wenn es um die Einbürgerung dann später geht, da bin ich froh, wenn ich einfach mal eine Tür nebenan gehen kann und sagen kann, oh, ich habe jetzt hier einen Einbürgerungsfall, der ist ein bisschen komplexer, kannst du mir da nicht nochmal ein bisschen helfen? Also das ist dann schon wichtig.
Und ja, oder auch wenn ich eben Fälle habe, die mich sehr belasten oder wenn ich so frustriert bin von der Gesetzesgebung oder wenn ich frustriert bin, weil bei den Behörden nichts weiter geht, ist es schön, wenn man sich so ein bisschen austauschen kann.
Wir machen gleich nochmal einen ganz kleinen Block zum Thema Familiennachzug. Das würde mich interessieren. Aber jetzt ist ja schon mehrfach durchgeklungen, dass du sagst, also der Rechtsstaat, ich weiß nicht. Und Frustration mit den Behörden auch groß.
Wo läuft es denn nicht rund? Und wo wurden oder werden vielleicht so rechtsstaatliche Versprechungen aus deiner Sicht gemacht, die dann eben nicht gehalten werden? Du hattest es anfänglich ja schon mal angedeutet.
Naja, es ist halt schon so, dass ich eigentlich denke, der Rechtsstaat würde richtig gut funktionieren, wenn er die Schwächsten in seinem System gleichschützt wie alle anderen auch. Und das sehe ich im Moment einfach nicht.
Ja, also schon dadurch, dass ich sehe, dass teilweise Bescheide rausgehen, die einfach schlecht sind oder Urteile, wo ich denke, da wird das Individuum gar nicht mehr so richtig gesehen. Und wenn man sieht, wir klagen ja gegen Bescheide vom Bundesamt, also die negativ sind und da gewinnen wir 30 Prozent bei Gerichten.
Das ist jetzt zwar nicht jetzt die große Mehrheit, aber wenn ich mir vorstelle, dass ich dann quasi zeigen kann, 30 Prozent aller Bescheide, die ich erwische, die sind halt einfach mal falsch. Wenn es beim Steuerrecht so wäre, dann wäre, glaube ich, ganz schön was los bei uns.
Und wie gesagt, es geht hier nicht nur um Steuern und um Geld, es geht um Menschenleben. Und das ist halt schon ein großer Unterschied. Und ja.
Es ist einfach schwierig manchmal zu verstehen, wenn ich so Schicksale einfach habe und es gibt Ermessen auf Seiten der Behörden und es wird überhaupt nicht zum Positiven jemals ausgenutzt. Also es ist nicht so, dass ich mal sage, da ist mal Ermessen ausgegeben worden oder nicht, sondern es wird halt grundsätzlich nicht gemacht.
Oder dann so Einzelschicksale, also gerade beim Familiennachzug, ich hatte über Weihnachten einen Fall, der mich nicht hat schlafen lassen von einem Kind. Da ist die Familie 2015 geflohen aus Syrien und die sind auf der Flucht getrennt worden, da war das Kind gerade ein Jahr alt.
und ist mit den Großeltern in einem Flüchtlingslager im Iran gelandet. Und der Vater und die Mutter sind nach Deutschland gekommen und die mussten hier erst mal drei Jahre warten, bis sie einen positiven Bescheid bekommen haben vom Bundesamt. Haben immer gesagt, wir möchten unser Kind so schnell wie möglich eben wieder zu uns holen.
Und dann hat das Verfahren so lange gedauert und dann haben sie zunächst einen, ja, einen Subsidianschutz bekommen. Das ist jetzt so nicht das höchste auf der Stufe, was man bekommen kann. Da gab es dann eine Weile keinen Familiennachzug, weil es hieß, wir müssen jetzt das einfach aus politischen Gründen ein bisschen einschränken und das können nicht so viele Leute jetzt gerade nachkommen.
Dann haben sie geklagt auf einen besseren Status, haben den auch bekommen, aber erst zwei Jahre später und haben dann immer weiter versucht, dieses Kind hierher zu holen und bis es dann wirklich so weit war, dass das Kind einen Termin hatte bei der Botschaft, waren nochmal zwei Jahre vergangen und inzwischen ist das Kind dann sieben Jahre alt gewesen und die haben wirklich...
Und die haben seine Eltern noch nie gesehen? Die haben eigentlich nicht gesehen in der ganzen Zeit, außer halt übers Handy und lebt da im Flüchtlingslager und die sind auch zwischendurch überschwemmt worden und die lassen das Kind nicht raus, weil die Angst haben, der wird entführt und dann wird Lösegeld erpresst. Also ganz prekär, ganz schrecklich für die ganze Familie.
Und die haben einen gesetzlichen Anspruch, dieses Kind zu holen, weil das Gesetz sagt, ja, wenn du minderjährige Kinder hast im Ausland als Flüchtling und die sind inzwischen anerkannte Flüchtlinge, dann darfst du dieses Kind auch hierher holen. Und trotzdem kommt dann vom Auswärtigen Amt und schreiben, ja, das Kind, das ist ja gar nicht mehr im Kindeswohlinteresse, wenn das jetzt zu den Eltern kommt, das lebt doch schon so lange bei den Großeltern, die Eltern seien hier nicht gut genug integriert, wo man denkt, das steht doch überhaupt nicht im Gesetz.
Das ist ja eigentlich für alle Entführer in der Argumentationslinie eine ganz gute Nachricht. Man muss nur lang genug jemanden in seiner Obhut behalten, wenn man den Folgen wollen will.
Ja, so ein bisschen, genau.
Also sorry, das ist ja, also klar, da sitzen auch Juristen und liebe Grüße, aber manchmal kommt es einem schon so vor, als müsse man jetzt nur noch ein Argument finden, oder?
Ja, genau und das ist das, was mich eben so aufregt, dass man es auch nicht mehr nachvollziehen kann. Und dass es den Leuten so schwer gemacht wird, wo ich mir denke, wenn mich hier jemand auf der Straße fragt, so ein durchschnittlicher Basant, der würde auch sagen, natürlich muss dieses Kind wieder zu seinen Eltern und zwar so schnell wie möglich.
Und eigentlich die europäischen Richtlinien sagen auch, Familiennachzug muss gehen, so schnell wie möglich. Aber wie gesagt, es ist ganz schwierig. Wir haben ja gesagt, wir machen noch Familiennachzug, aber gerade jetzt auch Familiennachzug Afghanistan, da könnte ich heulen, weil wir den Leuten eigentlich gesagt haben, ja, wir schützen euch und wir holen euch auch da raus teilweise.
Und ich habe eine Mandantin, die war Anwältin in Afghanistan, ist rausgeholt worden, weil man gesagt hat, die braucht Schutz, weil die war aktiv für mehrere NGOs und hat sich für Frauenrechte engagiert.
Jetzt im Zusammenhang mit dieser ganzen Übernacht-Aktion, wo wirklich im wahrsten Sinne des Wortes ja Leute rausgeholt wurden.
Genau, also wirklich so über Nacht, ganz am Anfang, als die Taliban in Kabul angenommen hat und hat es dann nach Deutschland geschafft. Und ihr ist dann aber auch gesagt worden, ja, du kannst nach Deutschland kommen und du bist dann hier sicher und du kannst die Familie dann noch nachholen, wenn du hier bist.
Und jetzt ist sie hier und die Tatsache ist halt, nee, also die Eltern, die werden nicht geholt. Das interessiert hier niemand und die kann zwar einen Antrag stellen auf Familiennachzug, aber sie muss erst mal dann drei Jahre warten, bis die Familie überhaupt einen Termin kriegt bei der Botschaft.
Sie sagt, die sind halt jetzt in Kabul, verstecken sich in einem Haus, ziehen eine Woche später in ein anderes Haus, weil die einfach so in Gefahr sind. Und ihr ist doch gesagt worden, Deutschland kümmert sich und holt die raus und unterstützt sie, aber da passiert halt gar nichts.
Und das ist für ganz viele natürlich total frustrierend und für mich auch.
Und das ist einfach mangelnde Aufmerksamkeit auf dem Thema geschuldet oder hast du den Eindruck, ist es nur politisch nicht gewollt? Woran liegt es?
Es ist ein Zusammenspiel von allem. Natürlich ist es eine politische Frage auch, weil dann immer gesagt wird, naja, wenn wir jetzt so viele Leute hierher holen, dann die Kommunen sind überlastet, was ja auch stimmt teilweise. Aber es ist ja kein Migrationsproblem.
Also, dass wir zu wenige Wohnungen haben, liegt nicht an den Schutzsuchenden. Ja, wenn sie jetzt hier in Ulm eine günstige Wohnung suchen, haben sie als Deutscher genau das gleiche Problem. Also, das ist ein Gesellschaftsproblem und kein Migrationsproblem.
Aber es ist natürlich immer leicht, das auf die Migration dann irgendwie zu schieben. Und es ist schon auch so ein bisschen administratives Versagen, weil, wenn man schaut in Teheran, die Visastelle, die... Natürlich, da sind jetzt auch Leute ausgewiesen worden, aber die sind personal einfach nicht so entsprechend ausgestattet, dass sie diese Antragsflut stemmen können.
Und man muss halt gucken, gibt es nicht andere Wege, kann man nicht sagen, na gut, wir evakuieren erst mal Leute und gucken dann in Deutschland, wer sind die denn tatsächlich und prüfen hier die Unterlagen und machen das Verfahren mehr hier vor Ort. Also da gäbe es schon immer Möglichkeiten, aber es ist natürlich ganz schwierig, ja, da dran zu kommen, gerade beim Familiennachzug, weil da ist zentral zuständig das Verwaltungsgericht in Berlin, weil wir klagen ja dann immer gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das Auswärtige Amt, was den Sitz in Berlin hat.
Und deshalb, ja, ist es da schwer, wenn die eben so eine Linie haben und sagen, nee, Untätigkeitsklagen lassen wir jetzt nicht zu, weil das ist alles noch so im Rahmen, wo man denkt, naja, wenn ich drei Jahre getrennt bin von meinem Kind und meiner Familie, ist es schon schrecklich. Aber wenn ich weiß, die Familie sitzt auch noch in Lebensgefahr in Kabul, ist es unerträglich eigentlich.
Stichwort Klimamigration. Wie ist da der Stand der Dinge? Also ich lese irgendwie Studien und höre ja selbstverständlich, es werden sich hunderte Millionen Menschen über die nächsten Jahre aufgrund unseres Fails den Klimawandel zu bekämpfen in Bewegung setzen müssen, muss man sagen. Wahrscheinlich auch nach Europa, viele davon auch nach Deutschland.
Gibt es da schon ein regulatorisches Framework? Ist da der Gesetzgeber schon dran oder ist das vielleicht einfach subsumierbar unter unseren aktuellen Vorschriften?
Ja, das ist ein großer Streit, aber im Moment, wenn man es so ganz klassisch drunter subsumieren würde, würde ich sagen, das passt einfach nicht, weil der Schutz, den wir im Moment gewähren, geht häufig über die Genfer Flüchtlingskonvention und die war ja nach dem Zweiten Weltkrieg dazu gedacht zu sagen, wie kann ich eben politisch verfolgte Menschen schützen und da fällt einfach dieses ganze Thema Klimaflucht nicht so direkt runter.
Wir haben dann noch so Auffangtatbestände wie das Abschiebungsverbot, was eben sagt, naja, wenn eine Menschenrechtsverletzung vorliegt, was auch darin eben gesehen werden kann, dass ich meine Lebensgrundlagen nicht mehr sichern kann, dann können wir das darunter noch subsumieren, aber das wird schwierig und es gab jetzt ja auch mehrere Studien und Artikel, die sagen, ja, wir müssen eigentlich da uns neue Modelle überlegen, aber das ist was, was noch ein bisschen verdrängt wird vom Gesetzgeber im Moment.
Also da gibt es noch keine Lösung leider. Also es wird auf uns zukommen, aber Deutschland ist ja bei so Verdrängungsthemen eigentlich ganz gut und es wird natürlich auch so sein, dass erst mal die Nachbarländer dieser Länder, die sind, wo die Leute hingehen werden. Weil wie gesagt, die wollen auch nicht so weit weg von zu Hause eigentlich, wenn sie nicht müssen.
Aber es wird auf uns zukommen.
Ja, ich glaube, das darf man nicht unterschätzen, dass man häufig vielleicht sagt, na ja, dein absolutes Traum und Zielland war es jetzt, nach Deutschland zu kommen. Aber jetzt überlegen wir doch mal, was wir selber machen würden, wenn man irgendwie flüchten müsste.
Also. Ich glaube, viele Menschen würden jetzt nicht ans andere Ende der Welt flüchten, sondern erstmal in die Anrainerstaaten Deutschlands am Ende des Tages, je nachdem, wo man sich gerade so aufhält.
Das ist auch so ein bisschen deutsche Arroganz, dass immer alle denken, alle wollen ja nach Deutschland kommen. Als so viele Flüchtlinge über die Grenzen gekommen sind, in Passau, war ich da häufig am Bahnhof und die Leute sind dann erstmal so, ach, ich bin jetzt in Deutschland, ich bin jetzt in Europa, also die haben das gar nicht so auf dem Schirm, wo sie jetzt wirklich hinwollen.
Und natürlich sagen schon viele, sie wollen eigentlich nach Deutschland, weil sie einfach von der Community gehört haben, hier werden auch Rechte gewährt und hier ist eigentlich ein gutes Land, um erstmal sicher irgendwie anzukommen. Aber es gibt auch Leute, die sagen, ich möchte vielleicht lieber zur Verwandtschaft nach Schweden oder ich möchte irgendwo mal ankommen.
Also ich habe auch Leute, die hatten schon Schutzstatus, beispielsweise in Frankreich und wollen dann trotzdem gerne nach Deutschland, weil sie sagen, hier lebt halt einfach die Großfamilie und dann ist natürlich verständlich, dass ich da hingehen würde. Und wenn ich jetzt mir vorstelle, ich müsste fliehen, würde ich auch überlegen, wo habe ich denn vielleicht auch einen Bezug hin, wo spreche ich vielleicht die Sprache, wo ist jemand, der mich unterstützen kann?
Maria, wenn man sagt, das Ganze, was wir jetzt hier die letzte gute halbe Stunde besprochen haben, finde ich spannend, dann verlinken wir dich natürlich. Kann man auch irgendwie bei dir mitarbeiten? Suchst du manchmal Verstärkung? Kann man vielleicht eine Referendariatsstation bei dir machen? Das klingt ja alles wirklich sehr, sehr spannend, wenngleich natürlich auch es ein sehr ernstes Thema ist und teilweise sicherlich auch sehr belastend ist.
Aber dennoch, wenn man Lust hat, kann man sich bei dir melden?
Man kann sich melden, wobei wir natürlich auch nur eine kleine Kanzlei sind. Ich freue mich natürlich trotzdem, wenn da engagierte Leute kommen. Wir haben ja auch immer wieder Referendarinnen und Referendare.
Ansonsten kann ich empfehlen asyl.net. Das ist eigentlich eine ganz gute Anlaufstelle, wo auch immer wieder Kanzleien Werbung machen oder wo auch Kanzleien sich vorstellen. Und dann kann man in dem Bereich gut was finden.
oder wenn man wirklich sagt, ich habe Interesse im Migrationsbereich. Beim DRV gibt es ja auch die Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht. Wenn man da mal schaut, wer das Mitglied ist, findet man ganz gut Kanzleien, die da aktiv sind.
Und ansonsten die Flüchtlingsräte der Länder, die sind auch sehr gut vernetzt und wissen, wo vielleicht ganz gute Kanzleien sind, die sich wirklich mit diesen Themen auch beschäftigen.
Das klingt doch wirklich so, als wäre das nicht nur ein Statement, sondern auch tatsächlich in der Praxis so, dass ihr bestens vernetzt seid mit diesen vielen hilfreichen Tipps, wo man sich auch nochmal umschauen kann. Vielen, vielen herzlichen Dank, dass du heute ein kleines bisschen aus deinem Alltag erzählt hast.
Ja, und ich danke dir, dass ich dabei sein durfte. Und wie gesagt, es ist ein sehr, sehr spannendes Thema. Hat auf jeden Fall Zukunft. Klimaflucht kommt auf uns zu. Also ja, wünsche mir viele neue motivierte Kolleginnen und Kollegen. Würde ich mich sehr freuen.
Danke. Ciao.