"§ 377 HGB ist praktisch nicht zu unterschätzen. Hier gehen Gewährleistungsrechte qua Gesetz unter."

Gewährleistungsausschluss | Examensvorbereitung | Zivilrecht

Folge 195 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

In Folge 14 Eures zivilrechtlichen Examensspezials dreht sich alles um das Gewährleistungsrecht, insbesondere den Ausschluss von Gewährleistungsrechten. Wann kann ein Gewährleistungsausschluss erfolgen? Welches Verhältnis herrscht zum Verbrauchsgüterkauf? Was muss ich zum Examensklassiker – dem notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag – wissen? Wie wirkt sich eine Erklärung ins Blaue bzw. § 377 HGB aus? Antworten auf diese Fragen sowie einen Gesamtüberblick zum Thema gibt’s in dieser Folge – wie immer von Prof. Dauner-Lieb. Viel Spaß!

Inhalt:

  • 00:24 Wo stehen wir?
  • 04:28 Warum Gewährleistung ausschließen?
  • 08:12 Unterschied zwischen dispositivem und zwingenden Recht
  • 13:44 Rolle des Verbrauchsgüterkaufs
  • 18:25 Verhältnis zum Schadensersatzausschluss, § 476 III
  • 22:44 (Kein) Gewährleistungsausschluss in B2B-Geschäften
  • 27:44 Examensfall: Notariell beurkundete Grundstücksverträge
  • 41:35 Erklärung ins Blaue
  • 44:54 Arglistiges Verschweigen bei § 377 HGB
  • 48:32 Weitere Infos & irgendwasmitrecht.de

Verwandte Episoden

Feedback/Support zur Folge:

Apps & IMR auf Social Media:

Happy Listening 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼

Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:00:41
Wir stehen bei den vertraglichen Schuldverhältnissen und befassen uns konkret mit dem Kaufvertrag. Wir haben bereits die vertragstypischen Pflichten von Verkäufer und Käufer erarbeitet. Wir haben bereits einen wichtigen Fokus auf § 433 Absatz 1 Satz 2 gelegt. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Daraus folgt, ich bringe das zur Erinnerung, dass jede mangelhafte Leistung und auch eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Absatz 1 ist und jede mangelhafte Leistung Schadensersatzansprüche auslösen kann. Entweder als einfachen Schaden oder unter den Voraussetzungen des Paragrafen 281 oder des Paragrafen 283 Schadensersatz statt der Leistung. Eine mangelhafte Leistung ist im Sinne des § 323 eine nicht vertragsgemäße Leistung. Man muss sehen, dass die Terminologie da im Wesentlichen identische Inhalte meint. Bei einer mangelhaften Leistung kann der Käufer daher unter den Voraussetzungen des § 323 Absatz 1 auch zurücktreten. Das ist das alte System. Pflichtverletzung berechtigt zum Rücktritt. Pflichtverletzung plus Verschulden kann Schadensersatz auslösen. Die wesentlichen Rechtsfolgen einer mangelhaften Leistung lassen sich also eigentlich unmittelbar aus dem allgemeinen Schuldrecht schon ableiten. Man braucht § 437 gar nicht. Im besonderen Schuldrecht geregelt sind nur Einzelheiten der Nacherfüllung, das steht in § 439 und Einzelheiten der Minderung, das ist der § 441. Gesamte Rechte des Käufers bei Mangelhaftigkeit der Leistung sind noch einmal in § 437 übersichtlich zusammengefasst und ich erinnere aber daran, dass der Käufer eben nicht alternativ Nacherfüllung verlangen, zurücktreten oder Schadensersatz verlangen kann, Sondern er muss, wenn die Nacherfüllung möglich ist, auch erst die Nacherfüllung akzeptieren. Das ist das Recht zur zweiten Andehnung. Und erst dann kann er zurücktreten oder Schadensersatz verlangen. Noch eine Klausur, taktische Bemerkung. Meine Damen und Herren, fast alle Klausuren im Kaufrecht, wo es nicht um Minderung oder Nacherfüllung geht, kriegen Sie locker auch ohne § 437 gelöst. Das ergibt sich nämlich alles bereits aus § 280 oder § 323. Damit stellt sich die Frage, muss ich diesen Paragraphen überhaupt verwenden? Eigentlich nicht. Sie können anfangen mit Rücktritt und sagen nicht vertragsgemäße Leistung, das ist der Mangel und dann einfach in Paragraph 323 weiterprüfen. Ich merke aber, dass die meisten Korrektoren es ganz gerne haben, wenn der 437 irgendwo vorkommt. Ich würde hier also pragmatisch vorgehen und zweigleisig fahren und sagen, ich zitiere alle Vorschriften, die relevant sind. Das führt dann zwar zu den berüchtigten Ketten, die auch nicht so ganz erfreulich sind, Aber den Paragrafen 437 würde ich nicht weglassen, weil er meistens doch erwartet wird, obwohl er nicht unbedingt notwendig ist.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:04:34
Ja, unser heutiges Thema ist der Gewährleistungsausschluss. Ich habe Ihnen eben nochmal einen Überblick gegeben, welche Gewährleistungsrechte der Käufer bei Mangelhaftigkeit hat. In der Praxis ist es aber so, dass der Verkäufer diese Rechtsfolgen als äußerst belastend erlebt. Übrigens als besonders belastend die Nacherfüllung. Die Nacherfüllung ist meines Erachtens auch selten im Interesse des Käufers, weil er bei Massengütern eigentlich viel lieber das Geld zurück hat und sich einen neuen Gegenstand kauft. Die Nacherfüllung könnte aber jetzt durch die ganze Nachhaltigkeitsproblematik eine neue Dimension bekommen. Ich habe da meine Meinung auch ein bisschen geändert. Nacherfüllung in Form von Reparatur ist natürlich besser als Schreddern des mangelhaften Gegenstandes und Kauf eines neuen. Also möglicherweise könnte zumindest die Reparatur, die Wiederherstellung des mangelfreien Zustandes eine neue Karriere machen, aber das ist nicht unser Thema. Unser Thema ist, dass der Verkäufer grundsätzlich... Daran interessiert ist, diese Gewährleistungsrechte des Käufers überhaupt einzuschränken oder auszuschließen. Er möchte im Mangelfall auch innerhalb der kurzen Verjährungsfrist möglichst nicht haften und nicht die Rechte erfüllen, die der Käufer daher hat. So, was bedeutet das? Er hat ein Interesse daran, vertraglich das Gewährleistungsrecht auszuschließen und das ist jetzt unser Thema konkret, die Möglichkeiten und Grenzen einer vertraglichen Änderung oder möglichst sogar einer Abbedingung der Paragrafen 434 fortfolgende.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:07:29
Haben Gewährleistungsregeln natürlich auch eine Anreizwirkung. Ich bringe noch einmal die Nachhaltigkeitsproblematik. Wir haben relativ kurze Gewährleistungsfristen und das bedeutet, dass die meisten Autos genau nach Ablauf der Gewährleistungsfrist plötzlich an zu zicken fangen. Wenn man die Fristen verlängern würde, dann wären die Produzenten gezwungen, die Gegenstände anders und nachhaltiger zu konstruieren. Also das sind hier Stellschrauben, die von ganz großer volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Das hat übrigens vor Jahrzehnten der Bundesgerichtshof schon erkannt, als er in AGB, es gab noch gar kein AGB-Recht, den völligen Gewährleistungsausschluss für neu produzierte Waren für sittenwidrig erklärt hat. Das war klar, das geht nicht. Ich kann nicht sagen, ich verkaufe dir was und übrigens, wenn das völliger Schrott ist, den Kaufpreis habe ich schon mal eingenommen. Du hast gar keine Rechte. Also da geht es um sehr viel mehr als um Kleinigkeiten. Es ist umgedreht auch manchmal so, dass die Unternehmen natürlich nur Nacherfüllung und Reparatur leisten wollen und gerade nicht den Rücktritt. Beispiel dafür ist wieder das Auto. Wenn in dem Auto die Klimaanlage nicht funktioniert, will natürlich Audi auf gar keinen Fall, dass man sofort zurücktreten kann und sagen kann, dieses Auto will ich nicht haben, sondern die möchten natürlich das Recht zur zweiten Andienung haben und sagen, ich muss erstmal reparieren können, weil sonst der Ausfall finanziell viel größer ist als die Kosten der Nachallerfüllung. Also wir reden hier über einen Bereich, der sowohl auf der Ebene des individuellen Vertrages außerordentlich wichtig ist, der aber auch für die Wirtschaft und die gesamtwirtschaftliche Perspektive von allergrößter Bedeutung ist.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:09:37
Nur wenn dispositives Recht da ist, kann man überhaupt etwas abbedingen. Dispositives Recht liegt vor, wenn es zulässig ist, dass die Parteien eine abweichende Gestaltung von den gesetzlichen Regeln vereinbaren können. Das Gegenstück, das Gegenteil, ist das zwingende Recht. Zwingendes Recht haben wir, wenn eine Abweichung nicht möglich ist, wenn also insoweit gar kein Spielraum für privatautonome Gestaltung existiert. Bei Inkrafttreten des BGB 1900 hatten die Parteien weitestgehende Vertragsgestaltungsfreiheit. Eigentlich war alles erlaubt innerhalb der Grenzen der guten Sitten und der gesetzlichen Vorschriften, Paragrafen 138 und 134. Wenn etwas nicht sittenwidrig war und nicht gesetzlich verboten war, konnte man eigentlich vereinbaren, was man wollte. Das beruhte, ohne dass dies so ausdrücklich irgendwo niedergeschrieben wurde, auf der Vorstellung, dass Erwachsene, also rechtsfähige und inzwischen mündige Rechtssubjekte selber am besten wissen, was sie für Verträge schließen wollen, was für sie gut ist und das in der Summe der Markt dafür sorgt, dass alle Rechtssubjekte auch Alternativen haben und ihre Bedürfnisse am Markt befriedigen können. Das ist die Vorstellung von Markt- und Privatautonomie als großen funktionierenden System, das übrigens in der Theorie auch dann letztlich am allerbesten zur richtigen Allokation von volkswirtschaftlichen Ressourcen führt. Wir merken im Moment in der Nachhaltigkeitsdebatte, dass dieses Modell infrage gestellt wird. Und weil das so ist, weil man sagt, jedes Rechtssubjekt ist fähig und in der Lage, die rechtsgeschäftlichen Entscheidungen selbstvernünftig zu treffen, hat man bei Verträgen auch eine Art Richtigkeitsgewehr angenommen. Das ist ein Begriff, den ein Herr Schmidt-Rimpler vor langen, langen Zeiten einmal erfunden hat. Was heißt Richtigkeitsgewehr? Da geht der Richter nicht dran. Man geht davon aus, dieser Vertrag ist fair, weil freie Vertragspartner ihn geschlossen hat. Man fängt nicht an zu sagen, das passt alles nicht, das kontrollieren wir hinterher. Zwingendes Recht gab es auch schon früh in Bereichen, wo man sagte, dieses Modell der Vertragsparität und der Richtigkeitsgewähr und des Marktes funktioniert nicht, nämlich im Arbeitsrecht und im Wohnungsmietrecht. Da gab es schon seit vielen, vielen Jahren zwingendes Recht und übrigens dann in frühen Verbraucherschutzgesetzen wie dem Abzahlungsgesetz. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat eine Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelt, die dann 1976 ins AGB-Gesetz gekommen ist und der Hintergrund war da, der Adressat von AGB macht gar nicht Gebrauch von seinen Vertragsgestaltungsmöglichkeiten. Dafür sind die Verträge nicht wichtig genug. Er darf in rationaler Apathie verharren und weil er in rationaler Apathie Verträge abschließt und sich nicht um den Inhalt kümmert, gibt es hinterher eine richterliche Inhaltskontrolle. Dann kam die. Normgebung zum Verbraucherrecht der EU und im Zuge der Umsetzung dieser Verbraucherrechtsnormgebung wurde nun für Verbraucherverträge die Vertragsinhaltsgestaltung immer weiter zurückgedrängt zugunsten von zwingendem Verbraucherrecht. Das Ergebnis ist, dass für den Verbrauchsgüterkauf inzwischen alle relevanten Regeln zwingend sind, mit der Folge, dass es da praktisch keinen wirksamen Ausschluss von Gewährleistungsrechten gibt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:15:24
Das ergibt sich aus § 476 einer extrem wichtigen Norm auf eine Vormitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffenen Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den § 433 bis 435 und so weiter abweicht, kann sich der Unternehmer nicht berufen. Mit anderen Worten, der Unternehmer kann mit dem Verbraucher nicht wirksam vereinbaren, dass das Gewährleistungsrecht der § 434 ff. Nicht gelten soll. Und zwar kann er das weder in einem Individualvertrag vereinbaren, noch erst recht nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Was folgt daraus? Ein Ausschluss der Rechte des Käufers auf Nacherfüllung des Rechts zum Rücktritt oder zur Minderung, der greift einfach nicht. Und das gilt natürlich und erst recht für jeglichen Wettbewerb. Ausschluss, wenn er in AGB geregelt ist. Daraus folgt etwas Wichtiges für Ihre Klausurpraxis. Im B2C-Vertrag scheitert der Gewährleistungsausschluss bereits an § 476. Das ist überhaupt nicht möglich. Das heißt, man muss in der Klausur systematisch den Paragrafen 476 Absatz 1 prüfen, bevor man nun tief in eine AGB-Kontrolle einsteigt. Das ist systematisch wirklich wichtig, weil die meisten Studierenden, wenn sie AGB in einer Klausur sehen, auch automatisch sofort auf die Paragrafen 307 bis 309, also aufs AGB-Recht springen und eine Inhaltskontrolle prüfen. Das ist systematisch aber nicht richtig. Eigentlich gibt es gar keinen Anlass mehr für eine Inhaltskontrolle, weil alle Individualvereinbarungen, die einen Gewährleistungsausschluss zulasten des Verbrauchers enthalten, schon an § 476 scheitern. Den Mut haben wenige. Nach AGB-Recht unwirksam wären. Das sind dann bestimmte Klauseln, das kann man dann in zwei Sätzen sagen, das ist vor allen Dingen der Paragraf 309 Ziffer 7 zum Schadensersatz. Das kann man erwähnen, aber nicht zu breit, aber beides muss vorkommen, der 476 darf nicht fehlen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:18:40
Ja, das ist wieder ein Absatz einer Regelung, der selten gelesen und noch weniger verstanden wird. Was da im Ergebnis rauskommt, weiß der Praktiker ohnehin. Aber Sie müssen ja, wenn Sie eine Klausur schreiben, den Rechenweg ordentlich konstruieren und nicht nur das richtige Rechenergebnis auf den Tisch legen. Worum geht es? Wenn Sie den Absatz 3 des 476 lesen, dann entnehmen Sie dem doch, Schadensersatzansprüche können zugunsten des Verkäufers und zu Lasten des Verbrauchers vertraglich abgedungen werden. Das ist nach Verbraucherrecht im BGB nicht verboten. Wo kommt das her? Das hängt damit zusammen, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die man mit der Schuldrechtsreform umsetzen wollte, mit Schadensersatz überhaupt nichts zu tun hatte. Das interessierte den EU-Normgeber nicht, weil es vertraglichen Schadensersatz in vielen Ländern der EU in dieser deutschen Form auch gar nicht gibt. Das heißt, da ging es immer nur um Nacherfüllung und Rücktritt, aber nicht um Schadensersatz. Okay, wie Sie wissen, hat die Schuldrechtsreform den Schadensersatz aber zu einer wichtigen Säule des ganzen Systems gemacht. Aber die Schuldrechtsreform hat sich dabei an die Grenzen der EU-Richtlinie gehalten Und hat die Grenzen des zwingenden des Rechts genau auch auf die Grenze der Richtlinie gelegt. Also gesagt, das Schadensersatzrecht ist kein zwingendes Recht. Das ist die Theorie. Trotzdem kommt in diesem Bereich Schadensersatz der privatautonomen Gestaltungsfreiheit fast keine Bedeutung zu. Warum? Der Unternehmer, der B2C-Verträge abschließt, verwendet in aller Regel AGB. Das sind die Massenverträge. Der macht ja keine Individualverträge. Das sind Ausnahmen. Wenn er AGB verwendet, dann fallen diese Verträge unter die 307 bis 309, also unter das AGB-Recht. Kommt das AGB-Recht ja sogar schon zur Anwendung, wenn nur einmalige Verwendung beabsichtigt ist. Also ein B2C-Vertrag, der nicht unter das AGB-Recht fällt, ist statistisch eher selten. Gut, und damit sind wir in den Klausel verboten. Und damit sind wir in § 309 Ziffer 7, der einen Haftungsausschluss für unwirksam erklärt, Erstens bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei groben Verschulden. Das heißt, es bleibt ganz wenig für die vertragliche Gestaltung übrig und daraus ergibt sich, dass das Zusammenspiel von § 476 Absatz 1 Absatz 3 und den 307 bis 309 dazu führt, dass der Haftungsausschluss so gut wie immer unwirksam ist. Das kommt aber in der Klausur auch ziemlich oft vor. Und wenn man nicht diese Zusammenhänge verstanden hat, 476 Absatz 1 mit Absatz 3 mit AGB-Kontrolle, dann wird man das Ergebnis nicht falsch machen. Aber das ist ja nicht das Ziel, sondern der Prüfer will ja wissen, haben Sie die Zusammenhänge verstanden und deswegen ist es jedenfalls für eine bessere Note nötig, dass Sie das einmal wirklich genau erarbeitet haben, wie hier das Recht tickt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:23:02
Die Einschätzung ist weit verbreitet und je weniger sich normale Menschen des täglichen Lebens, Kaufleute oder auch Juristen mit AGB-Recht beschäftigen, desto mehr glauben sie, naja, unter Kaufleuten haben wir doch Vertragsfreiheit. Das Gegenteil ist der Fall. Und weil das Gegenteil der Fall ist, haben wir ja ein ganz starkes Bestreben vieler großer Unternehmen aus dem deutschen Recht ins Schweizer Recht auszuweichen, um nämlich das deutsche Gewährleistungsthema zu verhindern. Woran liegt es nun? Ich wiederhole nochmal ein wenig, was wir in der Folge AGB-Recht schon erarbeitet haben. Zunächst einmal, es besteht Vertragsfreiheit zwischen Unternehmen. Soweit die Verträge tatsächlich in Form einer Individualvereinbarung geschlossen worden sind. Sie erinnern sich aber schon, das Erreichen einer Individualvereinbarung ist ganz außerordentlich schwer. Der BGH legt die Hürden für eine Individualvereinbarung so hoch, dass das in normalen Fällen fast nicht zu erreichen hat. Jeder verwendet Textbausteine und die Formel des BGH, dass jede Klausel AGB-Recht unterfällt, die der Verwender nicht ernsthaft zur Disposition stellt, ist so scharf, dass kein Unternehmen, das irgendwo Textbausteine zur Verfügung gestellt hat, so ohne weiteres sicher sein kann, dass das tatsächlich ein Individualvertrag ist. Das ist die erste Ebene. Auch B2B-Geschäfte verwenden sehr, sehr häufig AGB, einfach weil man aus dem Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht raus kann, selbst wenn man will. Nun kommt noch etwas hinzu. Die Klauselverbote der Paragraphen 308 und 309 sind ja auf Unternehmen zwar nicht unmittelbar anwendbar, aber aus dem Paragraphen 310 Absatz 1 Satz 2 wird gesagt. Entnommen immer schon, dass diese Klauselverbote in die Generalklausel hineingelesen werden können. Also man prüft, wenn zwei Unternehmen miteinander einen Vertrag genommen haben, nicht direkt 309 und 308, da muss man auch sagen, dass die nicht anwendbar sind, aber dann muss man bei der allgemeinen Inhaltskontrolle in der Generalklausel die Themen, die in 309 und 308 adressiert sind, wieder aufgreifen. Und dann steht in 310 noch was von kaufmännischen Besonderheiten, das hat aber nach der Rechtsprechung des BGHs nicht die geringste Bedeutung und das führt dazu, dass die AGB-Kontrolle von Verträgen zwischen zwei Unternehmern in der Sache nicht wesentlich weniger schärfer ist als die für B2C-Verträge. Was folgt daraus? Die Klauselverbote von § 309 Ziffer 7 Schadensersatz und § 309 Ziffer 8 Sonstige Rechte bei neuwertigen Waren usw. Das sind die beiden Ziffern, die die kaufrechtliche Gewährleistung adressieren, finden de facto auch auf B2B Verträge anwendbar. Und das führt dazu, dass im Ergebnis, aber mit ganz anderer Konstruktion, Verträge B2B auch ganz selten mit einem wirksamen Gewährleistungsausschluss geschlossen werden können. Sie merken aber jetzt eins für die Klausur, wie unterschiedlich. Ablauf der Normenkette läuft, ob sie einen B2C oder einen B2B-Vertrag haben. In der einen Konstellation spielt der Paragraf 476 eine ganz große Rolle und im AGB-Recht kommen sie dann eventuell noch ergänzend im Schadensersatzrecht auf den Paragrafen 309 Ziffer 7. Wenn Sie einen B2B-Vertrag haben, spielt der § 476 überhaupt keine Rolle, aber über § 310, die Indizwirkung der Klauselverbote für die allgemeine Generalklausel, kommen Sie dann doch letztlich wieder zu § 309, Ziffer 7. Das sind ganz unterschiedliche Rechenwege mit identischem Ergebnis, aber von Ihnen wird eben verlangt, dass Sie diese Zusammenhänge auch vernünftig und systematisch darstellen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:29:34
Sehr gern. Ich nehme mal ein Beispiel, mein Lieblingsbeispiel aus meinen praktischen Erfahrungen. Gehen Sie mal von folgendem Fall aus. Da ist ein Haus mit Grundstück oder das Grundstück mit Haus von Privatmann an Privatmann verkauft worden. Also ein ganz normales Einfamilienhaus. Sieben Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages und Übertragung des Hauses stellt sich heraus, dass das Haus Risse im Fundament hat und damit auch in allen Wänden. Und man findet heraus, dass diese Risse darauf zurückzuführen sind, dass unter dem ganzen Stadtteil Hohlräume unter dem Boden sind, die auf alte Bergbauaktivitäten zurückzuführen sind. Also alle Häuser, die da stehen, haben ein theoretisches Gründungsthema. Als die Sache zum Schwur kommt, sieben Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages, bestreitet der Käufer auch gar nicht ernsthaft, dass es da ein Problem gibt. Das ist inzwischen in dem ganzen Stadtteil so klar, dass er nicht auf die Idee kommt, da ist kein Mangel und da war kein Mangel. Er sagt auch nicht, das war bei Gefahrübergang noch nicht relevant. Er sagt aber, ich habe das nicht gewusst. Und in dem Kaufvertrag war wie üblich ein vollständiger Gewährleistungsausschluss, wie die Notarien immer verwenden, vereinbart. Es ist klar, nach sieben Jahren sind etwaige Gewährleistungsrechte nach § 438 Absatz 1 Ziffer 2 in Verbindung mit Absatz 3, das müssen Sie bei Gelegenheit mal durchlesen, verjährt. Faustformel, Grundstücke, fünf Jahre. Der Käufer hatte also von vornherein nach den sieben Jahren überhaupt nur eine Chance vom Verkäufer noch irgendetwas zu bekommen, wenn er Arglist des Käufers darlegen und beweisen konnte. Warum Arclist? In dem Paragrafen 444 steht, dass sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen kann, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Arglist knackt also den Gewährleistungsanschluss. Außerdem knackt die Arglist die kurze Verjährungsfrist von fünf Jahren, denn nach § 438 Absatz 3 gilt die regelmäßige Verjährungsfrist mit subjektivem Verjährungsbeginn, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Arclist ist also wieder so ein Schlüssel, der dazu führt, dass die Rechtslage sich plötzlich völlig anders darstellt. Bei Arclist hat der Käufer lange nach Ablauf von fünf Jahren und auch bei einem Gewährleistungsausschluss noch eine Chance. Etwas dafür zu bekommen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war. Was hier inzwischen unstreitig war, streitig war nur die Arklist. So, der Käufer hatte in diesem praktischen Fall tatsächlich gewisse Indizien dafür, dass der Verkäufer von diesen Rissen was wusste. Das war der Witz in dem Fall. Insbesondere hatte der Käufer einen Nachbar gefunden, weiter oben an der Straße, der ihm gesagt hat, naja, also wir haben ja alle damals schon über die Risse gesprochen und ich habe auch mit dem Verkäufer darüber gesprochen und der hat auch mal mit einem Bauunternehmer gesprochen, was man eigentlich mit den Rissen machen kann. So, wie ging der Prozess aus? Der Verkäufer hat sich daraufhin tatsächlich dran gewagt und beim Landgericht Klage gesagt, Auf Schadensersatz, nicht auf Rückzahlung des Kaufpreises, aber auf Schadensersatz zu erheben. Und wie so oft, musste das Landgericht nicht entscheiden, denn dem Verkäufer war es ungemütlich. Also ob er es nun tatsächlich gewusst hat oder ob er sagte, ich weiß nicht so richtig, vor Gericht und auf hoher See ist man immer in Gottes Hand. Und jedenfalls gab es einen Vergleich, der zwar den Schaden nicht völlig abdeckte, der Schaden ist natürlich immens hoch, weil das Grundstück wird immer den Makel haben, dass Risse da sind und jeder Käufer wird dafür einen Abschlag verlangen, aber immerhin hat der Verkäufer eine nicht ganz geringe Summe im fünfstelligen Bereich dafür gezahlt, dass man etwas gegen die Risse im Fundament tun konnte. So, das war der Fall, an dem man im Grunde sagen kann, ja, die Arclist ist der Game Changer. Wenn man hier über Arclist reden will, dann ist das die einzige Möglichkeit, mit der man möglicherweise den Gewährleistungsausschluss doch noch knacken kann.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:34:49
Das war in der Tat eine Examensklausur mit einem etwas anderen Sachverhalt, die nicht ich gestellt habe, aber die Fälle kommen halt ziemlich oft vor. Wichtig ist zunächst mal die richtige Anspruchsgrundlage. Ich bin immer erstaunt, dass die Anspruchsgrundlage für eine Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises bei Mangelhaftigkeit der Sache von vielen Kandidaten und Kandidatinnen nicht richtig bezeichnet oder gar nicht gefunden wird. Ganz schlimm ist, wenn da steht, er könnte einen Anspruch auf Rücktritt nach § 323 Absatz 1 haben. Meine Damen und Herren, der Rücktritt ist eine Gestaltungserklärung und gerade kein Anspruch, aber es gibt einen Anspruch, wo drin steht, kann zurückverlangen und das ist der Paragraf 346, den wir mal lesen sollten, weil es wirklich eine unterschätzte und oft nicht zitierte Anspruchsgrundlage ist, die überhaupt gar keine Mühe macht, wenn man weiß, dass es sie gibt. Wir gucken uns das mal kurz an. Wahlkraft 346 sagt, hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten? Das haben wir hier nicht. Oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu? So sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewehren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Ich sage gleich hier, man sollte sich übrigens bitte mit dem Rest des 346 irgendwann auch einmal halbwegs gründlich befassen. Das kriegt man auch nicht in fünf Minuten raus. Aber uns interessiert im Moment nur hier die Anspruchsgrundlage. Wenn also ein gesetzliches Rücktrittsrecht existiert, dann kann der Käufer vom Verkäufer den Kaufpreis zurückverlangen. Das heißt, das nächste Tatbestandsmerkmal ist hier das gesetzliche Rücktrittsrecht. Noch eine Zwischenbemerkung. Ein eiliger Praktiker könnte natürlich schon auf die Idee kommen und sagen, ich prüfe schon hier den Haftungsausschluss, den Gewährleistungsausschluss. Ich prüfe schon hier, es kann gar keine Ansprüche geben, weil alle Ansprüche ausgeschlossen sind. Das kann man pragmatisch machen. Ich würde davon in der Klausur wiederum abraten, weil eben ein gebundener Gedankengang gewünscht ist. Das ist mit Sicherheit nicht falsch, aber ich würde schon die Anspruchsgrundlage benennen und dann fragen, was ist denn das gesetzliche Rücktrittsrecht? Das ist jetzt wieder nicht ganz trivial. Man kann nämlich einmal sagen, ich zitiere 434, 437 und komme dann irgendwo ins allgemeine Schuldrecht. Man kann aber auch gleich im allgemeinen Schuldrecht anfangen, das ist Geschmacksfrage. Noch wichtiger ist aber, dass man hier eine Unterscheidung treffen muss, die wieder mit dem zusammenhängt, was wir mehrfach schon behandelt haben. Das Rücktrittsrecht ergibt sich nur, wenn der Mangel zu beheben ist aus 323 Absatz 1. Wenn der Mangel unbehebbar ist, ergibt er sich aus Unmöglichkeitsrecht und damit möglicherweise aus 326 Absatz 5. Wir verweisen auf unsere Folgen dazu. Man muss also ein bisschen gucken, wie man das verpackt, was völlig klar ist, lag ein Mangel vor. Wenn ein Mangel vorliegt und der nicht zu beheben ist, dann existiert auch das Rücktrittsrecht. So, dann muss man doch sagen, dass das der Rücktritt und damit die Rückabwicklung aber ausgeschlossen sein könnte durch einen Gewährleistungsausschluss. Der macht selten ein Problem, weil er eben vorhanden ist und Notare ihr Geschäft verstehen und den auch ordentlich formuliert haben. Und dann kommt die Frage, ist das wirksam? Und dann kommt man, wenn man nicht Anlass hat, sich mit § 476 zu beschäftigen, auf den berühmt-berüchtigten § 444, eine zentrale Norm im Examsgeschäft, also statistisch und übrigens auch in der Praxis, auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Das heißt, der Obersatz lautet, diese vertraglich vereinbarte Modifizierung des Gewährleistungsrechts oder dieser Gewährleistungsausschluss könnte aber unwirksam sein. Besser noch, möglicherweise kann sich der Verkäufer auf diesen Gewährleistungsausschluss aber nicht berufen, weil er den Mangel arglistig verschwiegen hat und dann ist man in der Prüfung des arglistigen Verschweigens. Das haben wir ganz am Anfang in einer anderen Folge bereits einmal diskutiert. Man kann arglistig handeln oder man kann arglistig etwas verschweigen. Also man kann täuschen. Man kann aber auch arglistig täuschen, indem man etwas nicht sagt, wenn man eine Rechtspflicht zur Information, zur Aufklärung hat. Grundsätzlich muss sich jeder Vertragspartner um seine eigenen Angelegenheiten selbst kümmern. Aber der BGH nimmt eine Informationspflicht des Verkäufers an, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Käufer so wichtig sind, dass der Vertrag damit steht und fällt und der Käufer keinen Anlass hat, von selber drauf zu kommen. So, entscheidend ist also, ob der Verkäufer von dem Mangel wusste und eine Rechtspflicht zur Aufklärung hatte und dann läuft der Fall ganz wunderbar und in welche Richtung er läuft, hängt dann ausschließlich von den Umständen des Einzelfalls ab, die man wirklich in jeder Hinsicht würdigen muss. Bei Kaufverträgen über Häusern muss man davon ausgehen, dass die Aufklärungspflichten ziemlich weit gehen. Also Schimmel im Dach, Pilze im Keller, darüber muss man informieren. Alles, was langfristig den Wert eines Hauses mindert. Ich denke immer darüber nach, ob sieben Schläfer auf dem Dachboden, die immer jeden Winter wiederkehren, ein Mangel sind, über den ich einen Käufer meines Hauses aufklären müsste. Mein Dachdecker sagt nein, weil er sagt, alte Häuser haben alle sieben Schläfer. Ich bin mir aber nicht so ganz sicher und weiß auch nicht, ob ich da ein Risiko eingehen will.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:41:45
Die Erklärung ins Blaue gehört zu dem Kontext arglistige Täuschung und deswegen... Finden sich in allen Fällen, in denen die arglistige Täuschung eine Rolle spielt, potenziell auch immer Erklärungen ins Blaue. Worum geht es? Das ist eine Rechtsfigur, die der BGH vor über 30 Jahren entwickelt hat. Und da geht es um die Situation, dass der Käufer in irgendeiner Weise schon etwas misstrauisch ist und nach der Vorgeschichte eines Kaufgegenstandes fragt. Etwa, hatte das Auto schon Probleme? Ist das ein Unfallwagen? Gibt es Umweltschäden auf diesem gewerblichen Grundstück? So, der Verkäufer in diesen Konstellationen weiß nichts. Also der täuscht nicht aktiv, indem er falsche Tatsachen wiedergibt. Der sagt aber nicht, ich weiß nichts, sondern der sagt, keine Probleme. Darin könnte man schon eine aktive Täuschung sehen, aber der BGH hat nie gesagt, das ist eine aktive Täuschung, sondern er hat gesagt, das ist einer artlistigen Täuschung gleichzustellen, wenn jemand ins Blaue einfach etwas sagt, obwohl er in Wirklichkeit nichts Konkretes weiß. So, warum? Wenn man die alte Entscheidung dazu liest, irgendwo in den 80er Jahren, dann sagt der BGH ziemlich überzeugend, wenn der Verkäufer sagen würde, ich weiß es nicht, dann hätte der Käufer die Chance zu sagen, ich gucke mir das Auto nochmal genau an oder an das Grundstück lassen wir nochmal ein Gutachter dran. Dann wären die eigenen Verteidigungsimpulse des Käufers nicht herabgesetzt. Wenn der hört, keine Probleme, lehnt er sich zurück und sagt, keine Probleme. Und aus diesem Grund stellt der BGH die Erklärung ins Blaue der arglistigen Täuschung gleich. In den Anfangsentscheidungen sagt er auch noch ausdrücklich, ist gleichgestellt, heute verschleift sich so ein bisschen Licht einer arglistigen Täuschung vor, aber es ist natürlich keine arglistige Täuschung im technischen Sinne, weil der Verkäufer nicht bewusst falsche Informationen gibt, sondern einfach dumm rumschwätzt. Man könnte natürlich auch sagen, wenn man sagt, ich weiß keine Probleme, dann ist das eine vorsätzliche Falschinformation, aber das trifft die Sache nicht richtig. Es ist eher das lässliche zu sagen, nö und nicht, ich weiß es nicht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:45:20
So ist es. Allerdings betrifft der Paragraf 377 HGB nicht das, was wir bisher besprochen haben, den vertraglichen Gewährleistungsausschluss, sondern da gehen Gewährleistungsrechte aus anderen Gründen verloren, die im Gesetz normiert werden. Der Paragraf 377 HGB ist praktisch überhaupt nicht zu unterschätzen. Da geht es um Qualitätssicherung und um Obliegenheiten des Käufers. Ist der Kauf für beide Seiten ein Handelsgeschäft, so muss der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung untersuchen und das dem Käufer mitteilen. Gut, tut er das nicht, dann gilt die Ware als genehmigt. Das steht im Gesetz und das bedeutet, dass der Käufer keine Gewährleistungsansprüche mehr hat. Die gehen also verloren, weil er bestimmte Obliegenheiten nicht erfüllt hat. Die Konsequenz ist, dass jeder Käufer die Ware tatsächlich untersuchen muss. Es gibt ein sehr plastisches Beispiel. Wenn ein Sportgeschäft Ende April sehr günstig Markenski kauft und sagt, im Oktober kriege ich die schon los und dann aber erst im Oktober die Kiste aufmacht und feststellt, um Himmels Willen, sind alle mangelhaft. Dann sind seine Ansprüche weg, weil er direkt nach Lieferung im April aufmachen, prüfen und hätte rügen müssen, wenn er nicht seine Gewährleistungsansprüche verlieren will. So und auch hier gibt es eine Ausnahme, die ist in § 377 Absatz 5 geregelt. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen. Wenn also der Käufer darlegen und beweisen kann, der Verkäufer wusste davon und hat mich getäuscht, hat den Mangel arglistig verschwiegen, dann bleiben die Gewährleistungsansprüche erhalten. Warum erwähne ich das hier, obwohl es ein bisschen anderer Kontext ist, der Paragraphen 377 HGB. Unfassbar oft vorhin Klausuren und er wird dann oft mit anderen handelsrechtlichen Problemen kombiniert. Ein Paragraf aus dem HGB kommt selten allein, da ist dann oft noch ein Paragraf 15 dazwischen und vor allem aber auch noch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben und dann wieder noch AGB und dann sind wir wieder in dem ganzen Bereich, den wir heute besprochen haben. Sie sollten nicht erschrecken, wenn Sie merken, es geht ins HGB. Diese Klausuren sind äußerst dankbar nach meiner Erfahrung. Man kommt mit Grundlagenkenntnissen, halbwegs genauer Arbeit mit dem Gesetz und vor allem mit Common Sense ganz gut hin. Aber man sollte natürlich möglichst weder Paragraf 15 HGB noch Paragraf 377 HGB zum ersten Mal lesen im Examen. Da hat man nicht die Zeit, sich damit genug zu befassen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:48:29
Es war mir ein Vergnügen.
Marc Ohrendorf 0:48:31
Tschüss.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:48:31
Tschüss.

Gäste

Die Gäste dieser Folge im Detail. Bitte nutze die Kontaktmöglichkeit nur, falls du an einem konstruktiven Austausch interessiert bist. Solltest du Feedback zu IMR haben, kontaktiere uns bitte direkt.

Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb

Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

Kontakt

Abonnieren

Ihr könnt Irgendwas mit Recht bequem in Eurer Podcast-App der Wahl abonnieren. In der Regel findet Ihr den Podcast, wenn Ihr ihn dort einfach sucht. Alternativ klickt auf einen der unten stehenden Links.
Viel Spaß!