"Wie war das nochmal mit dem Flugreisefall?"

Minderjährigenrecht | Geschäftsfähigkeit | Deliktsfähigkeit | Flugreisefall

Irgendwas mit Examen, Folge 5 / IMR163

In dieser Episode Eures Jura-Podcasts erfahrt ihr alles Wissenswerte über das Minderjährigenrecht. Wie lautet die Regelungssystematik der §§ 105 ff. BGB? Was ist der Unterschied zwischen Geschäfts-, Delikts- und Erbfähigkeit? Warum wird das Minderjährigenrecht im Examen häufig im Zusammenhang mit dem Deliktsrecht und/oder der gestörten Gesamtschuld geprüft? Wie strahlt das Minderjährigenrecht – Stichwort: Flugreisefall – auf das Bereicherungsrecht aus? Antworten hierauf sowie viele weitere wertvolle Tipps für Eure Examensvorbereitung liefert Prof. Dauner-Lieb. Viel Spaß!

Inhalt:

  • 00:00 Haustmitteilung: Erstmals IMR Live!
  • 01:02 Intro
  • 01:32 Eure Feedbackmöglichkeiten
  • 02:09 Heute: Minderjährigenrecht
  • 02:33 Warum ist das Minderjährigenrecht im Examen wichtig?
  • 05:47 Minderjährigenrecht & Privatautonomie
  • 07:54 Geschäfts-, Delikts- und Erbfähigkeit
  • 20:40 Regelungstechnik der §§ 105ff.
  • 27:32 Zustimmungsfreie Geschäfte / Empfangszuständigkeit von Minderjährigen
  • 30:09 Gutgläubiger Erwerb vom nichtberechtigten Minderjährigen
  • 33:37 Flugreisefall, BGHZ 55,128

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:01:29
Hallo Marc.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:03:12
Das Minderjährigenrecht ist deswegen so wichtig, weil es sehr oft vorkommt. In der Praxis ist der Minderjährige kein echtes Thema. Das liegt daran, dass das Volljährigkeitsalter ja schon vor vielen, vielen Jahren auf 18 heruntergesetzt worden ist, sodass nennenswerte rechtsgeschäftliche Aktivitäten von Minderjährigen, die zu Problemen führen, eigentlich nicht vorkommen. Die alten Klausuren, in denen minderjährige Grundstücksgeschäfte abschließen, haben mir nie wirklich Begeisterung abgerungen, denn jeder vernünftige Notar wird natürlich sich einen Personalausweis vorlegen lassen und dass minderjährige Grundstücksgeschäfte abschließen, ohne dass jemand merkt, gibt es das gar nicht. Zweitens, die 105 fortfolgende, wir kommen da ja drauf, Geschäftsunfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, bekommen eine zunehmend dramatische Bedeutung für die Menschen am Ende des Lebens. Demenz ist eine ganz, ganz große Problematik, nur das wird Sie in Ihren Examensklausuren kaum betreffen, habe ich jedenfalls noch nie gesehen. Die Klausuren, die Sie lösen müssen, sind Klausuren mit Menschen unter 18 und die werden sehr, sehr häufig gestellt. Warum werden die gestellt? Weil man mit diesen Fallgestaltungen sehr schnell bestimmte andere Kenntnisse und Kompetenzen abprüfen können, kann zum Beispiel das Sachenrecht, das Abstraktionsprinzip. Wenn eine Willenserklärung eines Minderjährigen zustimmungsbedürftig ist, dann bekommen Sie sofort, andere Probleme aus dem Bereich des Sachenrechts, das heißt, da wird vernetzt und man merkt an Klausuren mit Minderjährigen sofort, ob die Kandidatinnen und Kandidaten überhaupt kapiert haben, wie das Trennungs- und Abstraktionsprinzip funktioniert. Also meine erste Botschaft ist, Minderjährige werden sehr oft mit sachenrechtlichen Fragestellungen zusammengespannt, manchmal auch mit erbrechtlichen Fragestellungen, aber eigentlich geht es um etwas anderes als um echtes Minderjährigenrecht. Sie werden sehen, da gibt es gar keine großen Probleme. Das ist, wenn man es kapiert hat, als System ganz einfach. Was man noch sehr gut sehen kann, ob die jeweiligen Prüflinge präzise mit dem Gesetz arbeiten können. Also insofern, das ist ein Tongerät. Nicht besonders spannend, finde ich, aber eben sehr häufig in Examenskonstellationen präsent. Und deswegen haben wir uns halt auch entschlossen, hierzu eine kleine Folge zu machen, weil sie da sich schon mit beschäftigen sollten.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:08:09
Die Geschäftsfähigkeit ist lediglich die Fähigkeit, ohne Unterstützung wirksam Willenserklärungen abgeben zu können. Die Rechtsfähigkeit geht viel weiter. Das ist geregelt in Paragraf 1. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. Das heißt, es ist zu unterscheiden zwischen dem rechtsfähigen Kind, das selbstverständlich Vermögen haben kann, das erben kann, das aber keine Verträge über einzelne Gegenstände seines Vermögens schließen kann, ohne dass ein gesetzlicher Vertreter da entsprechend mitwirkt. Das heißt, die Rechtsfähigkeit ist eigentlich der ganz große Oberbegriff und heißt nichts weiter als das Selbstverständlich mit Beginn des Lebens. Nehmen wir es noch mal ganz genau. Mit Vollendung der Geburt die Rechtsfähigkeit beginnt. Und jetzt haben wir eine Norm, die ich bei der Gelegenheit noch mal ins Gedächtnis rufen möchte, weil sie etwas ganz Wichtiges zeigt, nämlich eine juristische Fiktion. Das ist die Erbfähigkeit. Der Paragraf 1923 Absatz 2 sagt, wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, also eigentlich noch nicht rechtsfähig ist, nach Paragraf 1, aber bereits gezeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren. Das heißt, im Hinblick auf einen Nachlass, einen Erbfall, beginnt die Rechtsfähigkeit mit der Zeugung und wenn das gezeugte Kind tatsächlich lebendig geboren wird, dann wird so getan, als ob es schon da gewesen wäre, als es gezeugt wurde. Warum ist das so? Das ist eine reine Fiktion, weil es viel weiter geht als Paragraf 1. Wenn ein Vater eines erzeugten Kindes, gezeugten Kindes einen Autounfall hat, dann wäre es ja gar nicht nachvollziehbar, dass das Kind, das noch nicht geboren war, nicht erbt, weil es noch nicht rechtsfähig ist, seine Geschwister, aber schon. Das heißt, nur für den Erbfall wird das Leben, die Rechtsfähigkeit nach vorn verlegt. Man hätte ja auch überlegen können, aber das wollte man natürlich nicht so sagen. Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Zeugung. Das hat man aber gerade nicht getan mit all den politischen Implikationen, die damit verbunden gewesen wären, diese vermeiden, sondern man hat eben gesagt, gilt als vor dem Erbfall geboren. Das hat als Regelung natürlich praktisch begrenzte Bedeutung, aber es ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie das Gesetz mit bestimmten Instrumenten arbeitet. Also als erstes Beispiel für eine Fiktion ist das immer eine gute Antwort, wenn man sagen kann. Ah ja, 19, 23, Absatz 2.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:11:37
Außerordentlich wichtig und auch praktisch außerordentlich wichtig. Die Deliktsfähigkeit ist relevant für die Frage, ob ein nicht 18-jähriger Mensch haftbar sein kann nach den 823 fortfolgenden, und zwar selbst. Natürlich gibt es außerdem noch eine Haftung für die Haftung der Aufsichtspflichtigen nach § 832. Wenn also jemand als gesetzlicher Vertreter ist und deswegen Kinder beaufsichtigen muss, dann haftet er auch, wenn er diese Aufsichtspflicht nicht ausreichend angemessen wahrnimmt. Es geht aber im Art. 8 und Art. 22 darum, wann das nicht volljährige Wesen selbst haftet. Ich bringe nachher noch ein hübsches Beispiel. Das deckt sich nicht völlig. Man könnte meinen, wenn das Kind oder der Minderjährige nicht nach 828 haftet, dann haften auf jeden Fall die Eltern. So ist das aber nicht. Das gucken wir uns gleich mal an. Jetzt zunächst, was steht in dem 828 drin? Da steht zunächst einmal drin, wer nicht das siebte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Das heißt, ein Kind, das noch nicht sieben Jahre alt ist, haftet nach 823 selbst überhaupt nicht. Ich bringe ein kleines Beispiel, der. Fünfjährige, der nach der Kindertagesstätte, die 300 Meter zu Fuß zurücklegt nach Haus, weil er nicht von seiner Mutter mit dem Auto abgeholt wird, weil es sich um eine verhältnismäßig vernünftige, der Nachhaltigkeit verpflichtete Mutter handelt, kommt auf den grandiosen Gedanken, mit einem Steinchen an den dort stehenden SUVs lang zu kratzen. Dann wird er nicht nach 823 haften, weil er das siebende Lebensjahr nicht vollendet hat. Die Geschichte geht natürlich weiter. Die zur Aufsicht verpflichteten Personen, seine Eltern, 832, könnten jetzt haften. Meine Damen und Herren, jetzt geht es los. Haben die tatsächlich irgendetwas getan, was nicht ausreichend der Aufsichtspflicht genügt? Das steht in Satz 2. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügend genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Meine Damen und Herren, dürfen Eltern ihr Kind von der Kindertagesstätte 300 Meter zu Fuß nach Hause gehen lassen? Selbstverständlich. Eine moderne Erziehung fordert das sogar und natürlich kann man sagen, wenn er das schon dreimal gemacht hat, der Kleine, dann haben sie Anlass da irgendwas zu tun. Aber wenn er das zum ersten Mal tut und auch sonst vernünftig erzogen wird, dann haftet das Kind nicht nach 823, aber die Eltern nach 832 schon. Spannendes Problem. Alle Eltern sind vernünftig genug, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Da muss man aber ganz genau hingucken, denn die Haftpflichtversicherung setzt an sich einen Haftpflichttatbestand voraus und wenn das Kind nicht haftet, zahlt er auch nicht die Versicherung. Das führt die Eltern in Schwierigkeiten, denn die Nachbarn, die sehr sauer sagen, der Kleine hat unsere Autos zerkratzt und sie sind sicher versichert. Denen muss man dann sagen, ja aber die Versicherung zahlt möglicherweise in einem solchen Fall nicht. Also, bis zum nächsten Mal. Dann wird es ein gesellschaftlich, ein nachbarrechtliches Problem. Es wird überhaupt kein rechtliches Problem mehr. Also Augen auf bei Haftpflichtversicherung für Kinder. Das ist aber nur der erste Absatz des 828. Der Absatz 3 lautet, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Das werden sie im Examen selten zu beurteilen haben, weil sie dafür in der Praxis einen Gutachter brauchen. Der BGH hat sich zum Beispiel mit großartigen Fragen zu beschäftigen gehabt, ob Elfjährige, die in einer Holzscheune ein Lagerfeuer entfachen, nach 8283 schon deliktsfähig waren oder nicht? Was mussten die wissen und konnten sie danach handeln? Das ist schwierig. Also Absatz 1 kommt vor. Der wichtigste, der vorkommt, ist aber der Absatz 2. Wer das siebende, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügten, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat. Das heißt, wir haben hier noch einen ganz interessanten Zwischenraum Zwischen, 7 und 10 für den Kraftverkehr.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:16:47
Genau. Und ein nicht ganz klarer Paragraph. Denn, meine Damen und Herren, was der Paragraph will, das war natürlich völlig klar, das ist eine sehr edle Zielstellung, nämlich die Kinder sollen vor der Unübersichtlichkeit des Straßenverkehrs insofern geschützt werden dass sie nicht in Haftung genommen werden wenn sie versehentlich mit dem Fußball zwischen zwei parkenden Autos auf die Straße rennen. Also was da ursprünglich mit gemeint war ist völlig klar. Diese wunderbare Vorschrift die ja nicht ins minderjährigen Recht gehört aber mit Minderjährigen zu tun hat hat aber eine Fülle von ganz wunderbaren Exams Problemen befördert nämlich was ist eigentlich ein Kraftfahrzeug? Nun könnte man meinen alles was Räder hat und brummt, ist eins. Aber der Examenskandidat versuche einmal halbwegs sauber herauszuarbeiten, warum ein Motorrad ein Kraftfahrzeug im Sinne des Paragrafen 828 Absatz 2 ist. Das steht irgendwo hinten in irgendeinem straßenverkehrsrechtlich relevanten Regelungswerk, aber man findet es nicht ohne weiteres. Es gibt noch ein zweites Problem, was mir immer ganz großen Spaß macht, da fährt das Kind, neun Jahre alt, mit dem Skateboard den Berg hinunter und kracht donnernd auf ein dort stehendes Fahrzeug auf. So, ist das ein Unfall mit einem Kraftfahrzeug, dann haftet das Kind nicht, wenn es das ist. Wenn er in die daneben liegende Bäckerei durchs Fenster rauscht, haftet er garantiert nach Absatz 3, da müsste man gucken, aber wahrscheinlich würde er haften, aber Aber nach Absatz 2 haftet er sicher nicht, weil es ein Riesenthema ist, ob Unfälle mit Kraftfahrzeugen auch dann vorliegen, wenn die Kraftfahrzeuge stehen. Ich will euch jetzt da im Einzelnen nicht mit belästigen. Ich will nur sagen, da kann man auch sehr schön in der Klausur was zu sagen, weil man einfach teleologisch argumentieren müssen, in dem 800 § 828 Absatz 2 ist Musik drin, Weil man damit Wortlaut und Sinn und Zweck der Normen, einfach mit Pragmatik und gesundem Menschenverstand Probleme finden und Probleme lösen kann. Das ist natürlich nicht eine unmittelbar minderjährige rechtliche Regelung. Aber wenn in einem Fall schon ein Minderjähriger rumspringt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er nicht nur Rechtsgeschäfte abschließt, sondern vielleicht auch noch was deliktsrechtlich Relevantes tut.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:20:50
Wir schlagen wie immer das Gesetz auf und stellen fest, Geschäftsunfähigkeit kommt eigentlich nicht so wahnsinnig oft vor. Wir wissen aber, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist geschäftsunfähig. Wer als geschäftsunfähig fähiger Willenserklärung abgibt, gibt keine wirksame Willenserklärung ab. Das heißt, wenn sie den 104 haben, auch wenn ein Geisteskranker in ihrer Klausur eine Rolle spielen sollte, es passiert ja immer noch, dass auch geschäftsunfähige Menschen, also alte Menschen, die geschäftsunfähig sind, da vorkommen, dann wissen sie, alles ist unwirksam. Auch jede Übereichnung und alles. Die Kurzformel lautet, wo Geschäftsunfähigkeit, da 9,85, weil von vornherein klar ist, dass alles unwirksam ist. Da gibt es übrigens auch keinen gutgläubigen Erwerb, meine Damen und Herren, und vom Minderjährigen gibt es auch keinen gutgläubigen Erwerb, das sage jetzt mal schon. So, das steht in Paragraf 105, die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. Ist auch völlig klar. Dann haben sie den Paragraf 105a, ein Inklusionsparagraf mit praktisch geringerer Bedeutung. Das alles soll nicht gelten, wenn ein volljähriger Geschäftsunfähiger bei Rewe Kartoffeln kauft. Ich glaube, da brauchen wir uns jetzt nicht weiter zu beschäftigen. Denn das Interessante, was auch für Sie in Klausuren relevant ist, allem relevant ist, ist der Bereich der Paragrafen 106 fortfolgende, wo es nun in die beschränkte Geschäftsfähigkeit geht, nämlich die minderjährigen Thematik. Minderjährig ist jemand, der das siebte Lebensjahr vollendet hat, aber noch nicht das achtzehnte. Also jemand, der schon ziemlich schlau aus. Aber eben noch des Schutzes bedarf. Das habe ich ja eben erklärt. So, wie macht das Gesetz das? Das sagt grundsätzlich, wenn der Minderjährige etwas macht, eine Willenserklärung abgibt, durch die er nicht einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt, da kommen wir bitte gleich darauf zurück, bedarf er der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Also die Grundregel lautet vorher fragen. Okay, wenn er das nicht tut, dann gilt der 108, dann ist der Vertrag zunächst einmal schwebend unwirksam. Das ist ein wunderschöner Begriff, schwebend unwirksam. Das schwebt. Es ist nicht völlig nichtig, weil man es ja noch nicht weiß, ob es nicht doch noch wirksam ist. Es ist aber noch nicht wirksam. Das heißt, der gesetzliche Vertreter kann noch seine Genehmigung geben. Meine Damen und Herren, ob Sie mit einem Juristen sprechen oder mit einem Nicht-Juristen, können Sie oft daran merken, dass der Nicht-Jurist pausenlos von Genehmigung spricht, wenn er Einwilligung meint und nicht weiß, dass die Zustimmung der Oberbegriff ist. Das findet sich alles in den 185 fortfolgende. Also vorher Einwilligung, nachher Genehmigung. Wenn man nicht genau weiß, wie die Vokabeln laufen, nimmt man die Zustimmung. Aber jedenfalls ist klar, eigentlich soll der gesetzliche Vertreter vorher Ja sagen, aber er kann es auch noch hinterher und die 108 fortfolgende geben dann noch ein bisschen Variation, wenn einer den anderen auffordert. Ich glaube, das brauchen wir jetzt nicht im Einzelnen uns angucken, das kann man lesen. Und das Wichtige ist, wenn genehmigt wird, wird der Vertrag wirksam und wenn nicht genehmigt wird, eben nicht. Diese Technik ist sehr spannend und die sollte man sich ganz besonders gut angucken. Wenn Sie gut zugehört haben, haben Sie längst gemerkt, die kenne ich doch irgendwie schon mit der schwebenden Unwirksamkeit. Die Technik ist identisch mit der Technik des Vertretungsrechts. Wenn jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt, dann ist das schwebend unwirksam und dann kann eine Genehmigung erteilt werden. Und die vorherige Erteilung der Vertretungsmacht heißt ja, ich bin einverstanden, mach das. Das ist wie die Einwilligung. Ich lege Ihnen jetzt noch ans Herz eine Reihe von Vorschriften, die wir jetzt nicht näher angucken, die Sie sich aber ganz bestimmt näher angucken. Das nämlich die 182 fortfolgende steht eine Menge drin zur Zustimmung und zur Genehmigung insbesondere der 184 Absatz 1 verdient ihre Aufmerksamkeit die nachträgliche Zustimmung Klammer auf Genehmigung eine Legaldefinition wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück. Heißt, wenn die Eltern genehmigen, war das alles immer schon wirksam. Okay, dass sie den 185 mit großer Liebe in ihr juristisches Herz aufnehmen, ist wohl selbstverständlich. Das ist ein Paragraf, den man nie genug anguckt. Aber die Verfügung eines Nichtberechtigten ist eine zentrale Stellschraube. Ich sage immer, es ist ein Schraubenschlüssel im Sachenrecht, den sie dauernd brauchen. Und den müssen sie auch so beherrschen, dass sie nicht sagen, ach, das guckt mich jetzt so an, als ob ich ihn noch nie gesehen hätte. Deswegen bitte befassen Sie sich mit den 182 fortfolgenden gar nicht wegen des Minderjährigenrechts, sondern weil Sie das dauernd brauchen. So jetzt noch einen Satz. Du kannst gleich weiterfragen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:27:40
Das Problem steckt im §107. Wir wissen alle, da steht, der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Das heißt, da braucht er die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Dahinter steht die Idee, wenn das für ihn alles nur günstig ist, dann braucht er nicht seine Eltern fragen. An dieser Regelung hängen eine ganze Reihe von kleineren Problemen. Ich möchte aber einfach nur das wichtigste Problem Ihnen nahe bringen. Nehmen Sie mal an, der Minderjährige hat eine Geldforderung neben einen anderen. Einen anderen. Jetzt sagen sie nicht, das kann nicht vorkommen, weil der ja minderjährig ist. Natürlich kann der Geldforderungen haben, nämlich eine Forderung, die seine Eltern als gesetzliche Vertreter für ihn abgeschlossen haben. Also nehmen sie an, der Minderjährige ist gläubiger und kann von jemand anders 1000 Euro verlangen. Dann stellen sie natürlich fest, dass die Übereichnung von 1000 Euro dem Minderjährigen keine Nachteile bringt. Er hat plötzlich 1.000 Euro, sodass das etwas ist, wo man sagt, das ist kein rechtlicher Nachteil, das ist ein richtiger Vorteil. Er wird Eigentümer von 1.000 Euro. Das Problem ist, er verliert natürlich durch die Erfüllung seine Forderung. Jetzt könnte man sagen, ist so. Der Schutz des minderjährigen Rechts ist hier aber insofern betroffen, als der jetzt 1.000 Euro hat und damit Blödsinn macht. Und dieses Problem der Empfangszuständigkeit ist dogmatisch nicht ganz leicht in den Griff zu kriegen. Weil entweder muss man sagen, das war nicht nur rechtlich vorteilhaft. Dann verdreht man aber die Abstraktionsebenen und dann verstößt man eigentlich gegen das Trennungsprinzip. Weil man kann nicht sagen, die sachenrechtliche Ebene war rechtlich nur vorteilhaft. Aber die Schuldrechtliche war nachteilig und das schlicht aufs Sachenrecht durch. So, wie löst man das Problem, was glaube ich praktisch nicht ganz unwichtig ist? Indem man im Grunde hier sagt, der Minderjährige ist nicht empfangszuständig und Erfüllung tritt erst ein, wenn der gesetzliche Vertreter das Geld hat. Und sonst behält der Minderjährige die Forderung. Heißt, der Schuldner muss nochmal zahlen. Unangenehm. Dumm gelaufen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:30:14
Ja, das ist ganz wunderbar. Der Minderjährige leiht einen Gegenstand. Wir nennen das jetzt mal Fahrrad. Der hat irgendetwas geliehen. Und das ist auch wirksam. Und der hat jetzt auch den Besitz des Fahrrads. Und jetzt verkauft und übereichnet der Minderjährige, nehmen wir mal an, der ist schon schlauer, 14, der braucht Geld, das Fahrrad an K und der K denkt, dass der M Eigentümer ist. Also wo ist der Witz? Der Minderjährige verkauft ein Fahrrad, das ihm nicht gehört, an einen Dritt. Ist das wirksam oder nicht? 9,85 des Verleihers oder nicht? Wenn man jetzt guckt die Übereichnung, dann wird man sagen, M übereichnet nicht als Vertreter, sondern in eigenem Namen das Fahrrad an K 929, erforderliches Einigung und Übergabe. Und dieses Einigung ist auch nur rechtlich vorteilhaft, weil er ja gar nicht Eigentümer ist. Das ist kein Problem. Er verliert dadurch nichts, dass er ein fremdes Fahrrad übereichnet. So dass man sagen würde, der Dritte, der erwirbt das Fahrrad, weil der Minderjährige hier nicht berechtigter ist. Wenn der berechtigt gewesen wäre, hätte der natürlich nicht übereichnen können, weil dann nämlich nach 929 die Einigung unwirksam gewesen wäre, denn er ist ja minderjährig. Wenn der sein eigenes Fahrrad übereichnet, hat er ja einen rechtlichen Nachteil. Problem, der Käufer hat Glück gehabt, weil der von einem Minderjährigen ein Fahrrad kauft und übereichnen lässt, was dem nicht gehört, wird der Eigentümer. Wenn er das vom minderjährigen, berechtigten Minderjährigen, dasselbe Geschäft gemacht hätte, wäre, würde er nicht Eigentümer, weil der Minderjährige nicht sein eigenes Fahrrad übereichnen kann. Meine Damen und Herren, Sie werden sagen, boah, äh, ja. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil das immer wieder vorkommt in Klausuren. Das ist natürlich ein Mini-Problem, das man aber immer wieder stellt und eigentlich ist hier nur relevant, dass Sie diesen Widerspruch herausarbeiten, dass der Käufer zufällig besser gestellt wird, weil er das Gerät von JEMAND! Übereignen lässt, der das nicht darf. Der gar nicht Eigentümer ist, es nicht darf und es trotzdem tut. Dann geht 932 fortfolgende durch. Wenn das die Realität wäre, was er glaubt, dass nämlich das Fahrrad dem Minderjährigen gehört, dann könnte er es nicht erwerben, weil der Minderjährige nicht übereignen kann. Das Problem ist völlig ausdiskutiert. Es gibt nicht die geringsten Zweifel. Man kann das dann so oder so lösen. Man kann übrigens die 932 fortfolgende kann man teleologisch reduzieren. Das wird aber niemand tun, weil man im Sachenrecht ganz außerordentlich strikt formal bleibt. Man, das ist eine teleologische Reduktion des gutläubigen Erwerbs, das ist fast undenkbar. Wir erzählen Ihnen das hier nur, weil das eins von diesen kleinen Problemchen ist, die eigentlich längst gestorben sein sollten, weil jeder weiß, wo sie liegen und sie sind auch eigentlich völlig uninteressant und sie kommen auch gar nicht vor. Aber das ist einer dieser Examensthemen, die mit schöner Gleichmäßigkeit doch wieder irgendwann in einer Klausur eingebaut werden und nochmal, wenn sie genau arbeiten, haben Das ist Problem sofort. Und dann müssen sie einfach sagen pro contra und im Sachenrecht gilt im Allgemeinen immer sehr stur, sehr formal und gelöst. Das ist hier langweilig aber dankbar, weil da kann man eigentlich nichts verkennen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:34:00
Der Flugreisefall hat minderjährige rechtliche Aspekte, aber leitet bereits über in andere Rechtsbereiche, die wir ja auch noch besprechen wollen. Ich meine doch, dass wir ihn kurz schon ansprechen sollten an dieser Stelle, um sie auch ein bisschen schon in Vorfreude zu versetzen auf das Schönste aller Gebiete, das Bereicherungsrecht. Was war hier passiert? Es ist lange her, alle behaupten immer, es könnte heute nicht mehr passieren, aber ich sitze immer mal wieder in einer Maschine, wo einer sitzt, der da nicht hingehört und dann wieder rausgesetzt wird. Jedenfalls ein... Halbwegs erwachsen aussehender Minderjähriger ist als blinder Passagier von Hamburg nach New York geflogen. Dort wurde ihm die Einreise verweigert und dann beförderte ihn die Luftfahrtgesellschaft zurück nach Hamburg. Diese Flugreisegesellschaft verlangt nun von dem Minderjährigen den Flugpreis für Hin- und Rückflug. Es geht übrigens unterschiedlich. Die gesetzlichen Vertreter verweigern selbstverständlich die Genehmigung. Die haben auch offensichtlich gesagt, sie wollen das Kind sowieso nicht mehr wieder zurückhaben, naja, das ist so eine Spekulation. Also jedenfalls rechtsgeschäftlich war völlig klar, dass der Minderjährige hier keinen Beförderungsvertrag geschlossen hat. Sodass ich nunmehr die Frage stellte, kriegt die Fluggesellschaft etwas aus Bereicherungsrecht? Jetzt merken sie schon wieder etwas. Minderjährigenrecht hängt sehr oft mit sachenrechtlichen Konstellationen zusammen, aber eben auch sehr oft mit bereicherungsrechtlichen Konstellationen. Denn wo immer ein unwirksamer Vertrag, da Bereicherungsrecht. Also das ist auch wieder so eine Vernetzung. Und hier stellte sich nun die Frage, wir behandeln jetzt hier nur den Hinflug, was hat der Minderjährige denn eigentlich erlangt? Wenn man schon erstmal was man nicht darf in 8.18 guckt, stellt man fest bereichert ist der ja nicht mehr. Der hat eine Reise gemacht, keine ersparten Aufwendungen gehabt, also alles was wir heute aus moderner Sicht wissen, würden wir sagen ja der ist nicht mehr bereichert. So, das interessante war, dass in dieser Flugreiseentscheidung zuerstmals ganz präzise darüber nachgedacht wird, Was ist eigentlich das erlangte Etwas? Und das, was Sie heute hoffentlich alle völlig automatisch so machen, wie es üblich ist, nämlich zu sagen, na ja, die Reise, die nicht gegenständliche Dienstleistung, die ist das erlangte Etwas, die ist nicht so herauszugeben, dafür gibt es Wertersatz, die Bereicherung könnte wegfallen. Diese Trennung zwischen erlangtem Etwas und Bereicherung zwischen 8.12. und 8.18. Die ist in der Entscheidung zum ersten Mal so klar herausgearbeitet worden. Vorher hat man eigentlich immer sofort auf die Bereicherung geguckt und gar nicht so präzise gefragt, was hat derjenige denn eigentlich erlangt. Und dass man auch etwas erlangen kann, was man nicht anfassen kann, nämlich etwas nicht gegenständliches, eine Arbeitsleistung, eine Dienstleistung. Das ist das, was hier in dieser Entscheidung wohl zum ersten Mal so klar ist und der Anlass war ein Fall mit einem Minderjährigen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:37:33
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