IMR274. Jun 19
IMR027: NSU-Prozess und Strafrecht | Interview Rechtsanwalt

IMR - Original

IMR027: NSU-Prozess und Strafrecht | Interview Rechtsanwalt

Dr. Mehmet G. Daimagüler, Partner

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Über diese Episode

Folge 027 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

Rechtsanwalt Daimagüler berichtet im Interview von seiner vielseitigen Karriere. Zunächst war er als Bürovorsteher von Wolfgang Kubicky tätig. Anschließend wechselte er in eine der großen Unternehmensberatungen und arbeitet anschließend für einen internationalen Fond. Schließlich entschloss er sich aufgrund seines Erfolgs als Autor wieder als Anwalt im Strafrecht tätig zu sein, was zu seiner Rolle als Nebenklägervertreter im NSU-Prozess führte. Hört, wie er den härtesten Tag im Prozess gegen den rechtsradikalen NSU wahrnahm, wo er an seine Grenzen geriet und warum er den Verfassungsschutz für dringend reformbedürftig hält.

Inhalt:

  • 0:00Announcement
  • 2:07Vorstellung
  • 5:34Werdegang
  • 9:02Die Zeit in der Beratung
  • 12:39Nochmal Studieren
  • 16:28Energieunternehmen + Fond
  • 20:57Das erste Buch
  • 21:59Der Weg zum NSU-Nebenkläger
  • 27:55Exkurs: Yale & Drehbücher
  • 30:01Der härteste Tag im NSU-Prozess
  • 35:45Rechtsstaat & Strafverfahren
  • 40:24Effizienz und Gerechtigkeit
  • 45:00Strafprozess und Minderheitenschutz
  • 50:18Zum Verfassungsschutz
  • 55:05Über den persönlichen Antrieb
  • 56:35Schlussworte

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Zu Gast

Mehmet G. Daimagüler

Mehmet G. Daimagüler

Kapitel

  • 00:00:00.000Announcement
  • 00:02:07.000Vorstellung
  • 00:05:34.000Werdegang
  • 00:09:02.000Die Zeit in der Beratung
  • 00:12:39.000Nochmal Studieren
  • 00:16:28.000Energieunternehmen + Fond
  • 00:20:57.000Das erste Buch
  • 00:21:59.000Der Weg zum NSU-Nebenkläger
  • 00:27:55.000Exkurs: Yale & Drehbücher
  • 00:30:01.000Der härteste Tag im NSU-Prozess
  • 00:35:45.000Rechtsstaat & Strafverfahren
  • 00:40:24.000Effizienz und Gerechtigkeit
  • 00:45:00.000Strafprozess und Minderheitenschutz
  • 00:50:18.000Zum Verfassungsschutz
  • 00:55:05.000Über den persönlichen Antrieb
  • 00:56:35.000Schlussworte
"
Strafrecht ist Menschenrechtspolitik in Aktion. Es ist der Ort, wo der Staat direkt auf den Bürger trifft, oft brutal, aber genau dort wird die Suche nach Gerechtigkeit sichtbar und spürbar.

Sneak Peak – Q&A mit Mehmet G. Daimagüler

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:00 Min
Marc Ohrendorf:

Moin moin, bevor es losgeht, zwei kurze Hinweise zu dieser Episode. Zum einen hat Irgendwas mit Recht nun einen gesonderten Twitter-Kanal, auf dem ihr Updates über die Episoden sowie Hintergrundinfos zu unseren Gästen erhaltet. Der Twitter-Nickname lautet imr-podcast.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Dort könnt ihr uns folgen und wie gesagt, da gibt es dann immer die nächsten Episoden, Hinweise zu unseren kommenden Gästen und da könnt ihr uns natürlich auch kontaktieren, wenn ihr Gäste oder abstrakt Themen vorschlagen möchtet. Zum Zweiten gibt es irgendwas mit Recht, jetzt mit echten Kapitelmarken, wenn ihr uns über eine Podcast-App anhört.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Das bedeutet, ihr könnt einzelne Kapitel in den Episoden überspringen oder direkt ansteuern. Das geht aber, wie gesagt, nur über Podcast-Apps und zum Beispiel nicht, falls ihr den Podcast über Spotify oder auf der Homepage hört, da das dann technisch jeweils nicht unterstützt wird. Direkte Links zu den Podcast-Apps, die irgendwas mit Recht unterstützen oder die generell gut funktionieren, findet ihr auf irgendwasmitrecht.de So, nun viel Spaß mit dieser, wie ich finde, sehr, sehr spannenden Episode mit Mehmet Daimagüler und bis bald.

1:14 Min
Music:

1:21 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Heute sitze ich an einem schönen Freitagnachmittag in Bonn und spreche mit Dr. Mehmet Daimagüler. Guten Tag.

1:31 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Guten Tag.

1:32 Min
Marc Ohrendorf:

Herr Daimagüler, Sie sind deutschlandweit mittlerweile bekannt, weil Sie zwei Opfer im NSU-Prozess als Nebenklägervertreter vertreten haben. Wir würden heute ganz gerne ein bisschen Ihr Leben beleuchten und mich würde interessieren, wie Sie eigentlich da hingekommen sind, gerade auch unter der Prämisse, dass Sie Fremdenhass, Rassismus sich als Thema, dass dieses Thema Sie sehr beschäftigt und Sie dort sehr aktiv sind.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Mögen Sie vielleicht mal erzählen, wie Sie aufgewachsen sind?

2:08 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nein, meine Eltern sind 1961 nach Deutschland gekommen als typische türkische Gastarbeiter. Ich habe dann in Siegen Abi gemacht, wusste dann nicht so recht, was ich anschließend machen sollte und habe mich dann für Jura entschieden. Also Geschichte, Politik hätten mich mehr interessiert, aber ich dachte mir, Jura ist solider und bei Jura, das ist halt auch so eine gewisse Bürgerlichkeit, kann man das Angekommensein besser nach außen demonstrieren.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Solche Beweggründe spielen da wahrscheinlich eine Rolle. Aber ganz ehrlich, kann ich das nicht mehr so rekonstruieren. Aber ich bewundere und bezweifle häufig Leute, die da so irgendwie 45 sind, mein Alter, und dann sagen, ja, ich wusste mit 14 genau, was ich wollte.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ja, damit kann ich nicht dienen. Also ich kann es eigentlich kaum glauben, dass man mit 14 weiß, was man machen will. Aber deswegen ist es ein bisschen Unglaube. Aber wenn die Leute es haben, dann ja.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Brinke ich da mit einer gewissen Bewunderung drauf.

3:14 Min
Marc Ohrendorf:

Wo haben Sie dann studiert?

3:16 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Also ich bin nach Bonn gegangen. Zum einen, weil das nicht so weit weg war von Siegen. Mein Vater war kurz vorher verstorben und war oft zu Hause. Und zum anderen, ich habe 1988 angefangen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Damals war der Bundestag noch hier und ich interessierte mich ja nochmal für Politik etc. Und ich hatte irgendwie die Hoffnung, vielleicht kriegst du einen Job im Bundestag irgendwie. Und ich brauchte auch einen Job.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich habe ein bisschen Geld gespart, Sommerferien gearbeitet und so, aber es reichte halt nicht lange. Und das war so ein bisschen die Überlegung. Ich habe auch Jura in Bonn gemacht, weil Bonn einfach eine schöne Uni ist, eine schöne Stadt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich habe noch ein paar andere Sachen nebenbei studiert, so Philosophie und Volkswirtschaft und Iberoromanisch-Romanistik. So ein bisschen alles ausprobiert. Bin halt dann in Bonn gelandet.

4:05 Min
Marc Ohrendorf:

Haben Sie wahrscheinlich noch manche von den den sehr prestigeträchtigen Altenbonner Professoren auch mitbekommen, oder?

4:12 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, schon. Also Staatsrechter wie Isensee, Völkerrechter wie Tomoschat, das waren schon große Nummern. Aber ich muss sagen, ich hatte auch eine ganze Reihe von jüngeren Professoren, die damals noch keinen großen Namen hatten, wie Borg, der jetzt in Hamburg ist, Kindhäuser, der letztes Jahr emeritiert worden ist und zu dessen Abschlussvorlesung ich gegangen bin.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das war damals noch ein junger Prof und der war großartig. Wir hatten damals wahnsinnig Jahrgänge. Die Leute saßen auf dem Boden und so. 400, 500 Leute in einer Vorlesung und trotzdem haben sich Professoren wie Kindhäuser die Zeit genommen für jedes Gespräch, wenn man eine Frage hatte.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das fand ich schon toll.

5:02 Min
Marc Ohrendorf:

Kindhäuser kenne ich auch noch, weil ich habe 2007 in Bonn angefangen zu studieren und da war das ganz ähnlich. Das war eine gute Zeit. Und wie kam dann Ihre Liebe zum Strafrecht auf? Ist es eine Liebe, vielleicht erst mal vorneweg?

5:16 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich habe Strafrecht nicht ausgesucht. Der Strafrecht hat mich ausgesucht. Das war ja eher ein Zufall. Ich meine, ich bin ja, ich habe das Examen gemacht, das war jetzt Examen, war das 96? Und das sind jetzt 23 Jahre. Aber als Anwalt tätig bin ich ja eigentlich erst seit acht, neun Jahren.

5:33 Min
Marc Ohrendorf:

Okay. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

5:35 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Naja, also ich habe erst mal im Bundestag gearbeitet. Da hatte ich einen Job bekommen beim ehemaligen Bundesinnenminister Gerhard Baum. Da war ich der dritte Hilfsreferent. Und dann nach einem halben Jahr, drei, vier Jahre gab es Bundestagswahlen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Da kam so ein junger Abgeordneter ins Parlament. Der hieß Kubicki aus Schleswig-Holstein. Und er hatte schon so den Ruf von so einem Enfant Terribel. Bei dem habe ich mich beworben.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Oder habe ich mich bei ihm beworben? Er sucht den Büroleiter und hat in der Fraktion nun gefragt und Baum hat dann meinen Namen erwähnt. So bekam ich ein Forschungsgespräch. Ich glaube, ihm gefiel ganz gut, dass ich Jura- und Volkswirtschaftslehre studiere, weil er genau das Gleiche gemacht hat.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und Chefs suchen ja immer ihre jüngeren Spiegelbilder, habe ich immer gelesen. Jedenfalls war das angenehm an Kubicki, dass ich a. Büroleiter war und b. er nie da war.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Er war Parteivorsitzender in Schleswig-Holstein im Bauer-Wahlkampf, kam eingeflogen zu den Sitzungswochen und ich habe dann ein paar Leute eingestellt, so Studis, Kommilitonen, und wir haben das Büro geschmissen. Und es klappte sehr wunderbar.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das habe ich zwei Jahre gemacht. Dann kamen die Wahlen in Schleswig-Holstein. Kubicki wurde Fraktionsvorsitzender und ich wollte dann aufhören zu arbeiten, mich aufs Examen konzentrieren. Und dann hat er mich überredet, mit ihm nach Schleswig-Holstein zu gehen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Dann war ich zwei Jahre in Schleswig-Holstein und da war ich Leiter des Büros des Fraktionsvorsitzenden. und Referent für Finanzen und Haushaltspolitik. Und ja, es war schon eine Nummer.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Andere Referenten hatten alle schon Promotionen und Examen und ich war 22, 23-jähriger Studi.

7:09 Min
Marc Ohrendorf:

Also vor dem Examen, kurz danach?

7:12 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Vor dem Examen. Ich habe dann parallel gelernt. Damals, Erich Samson, Professor Samson, ein enger Freund von Kubicki, Er hat regelmäßig mit Studis so eine Woche Intensivkurs Strafrecht gemacht. Da kam ich rein in diesen Kurs und das hat mir sehr geholfen, auch für das Examen später.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und 1994 habe ich dann das erste Examen in Kiel gemacht, OLG Schleswig. Und dann reichte mir das auch mit Schleswig-Holstein und auch ein bisschen mit Kubicki. Und ich bekam dann das Angebot, mitzuarbeiten bei Burkhard Hirsch, auch in der FDP, Bundesratsvizepräsident.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Da habe ich Außen- und Sicherheitspolitik gemacht und nebenbei Referendariat. Das alles erledigt, 96 als zweites Examen und habe mir überlegt, was ich machen soll. Und auf Beamtenlaufbahn hatte ich keine Lust, nicht weil das nicht in der Sand sein kann, Staatsanwalt oder Richter zu sein, sondern ich kann einfach nicht mit Hierarchien umgehen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich glaube, ich könnte noch nicht mal in einer Hierarchie arbeiten, wenn ich an der Spitze der Hierarchie stünde. Das Tempo, was da vorgegeben wird, oder das fehlende Tempo, das alles trägt mich ab. Meine Überlegung war vielleicht, Anwalt zu werden damals.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber ich war mir nicht sicher, ob das wirklich das Richtige für mich ist. Und weil ich mich nicht entscheiden konnte, habe ich kurz an meine Sachen gepackt und bin nach Berlin gezogen. und war ein ganzes Jahr in Berlin.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Hatte eine Anwaltszulassung, hatte auch zwei, drei, Mandanten, die so das Nötigste an Einnahmen generierten. Aber im Grunde genommen habe ich ein Jahr lang in Berlin die Clubszene ausgekundschaftet und war eigentlich nur unterwegs.

8:57 Min
Marc Ohrendorf:

Anfang der 2000er?

8:58 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nee, das war 1997.

9:00 Min
Marc Ohrendorf:

Ach, das war auch noch 1997.

9:02 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und nach neun oder zehn Monaten hatte ich mir überlegt, jetzt weiß ich, was ich will. Ich will die Wirtschaft. Das Blöde war, ich hatte keine Ahnung von Wirtschaft und dann hat mir ein Freund empfohlen, keine Angst vor Wirtschaft, dann geht auch eine Beratung.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das, was du da an Wirtschaft brauchst, bringen sie ja dann dabei. Da dort bei und dann habe ich mich beworben. Man sagte mir, für Strategieberatung muss man zu Boston consultingen und die haben mich dann auch genommen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Dann war ich ein paar Jahre dort und habe festgestellt, dass ich mich ständig überfordert und unterfordert zugleich fühlte.

9:30 Min
Marc Ohrendorf:

Inwiefern?

9:32 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Überfordert, weil einfach die Masse an Arbeit, die einem auf den Tisch kommt. Und Dinge, die so BWLer einfach im Studium gelernt haben, Excel umgehen, PowerPoint, den ganzen Mist, Präsentationstechniken, kannte ich alles nicht. Also wenn ich einen Zigaristenproblem habe, dann schreibe ich was auf.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und bei der Beratung können sie noch nicht mal die simpelsten Sachen einfach aufschreiben. Es muss eine Präsentation sein und es muss man erstmal können. Und zugleich habe ich mich unterfordert gefühlt, weil die Aufgaben, die auf einen zukamen, allesamt inhaltlich banal waren.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und man eben auch realisierte, dass man so als 26-, 27-Jähriger Volljurist, der sieben, acht Jahre im Bundestag und im Landtag gearbeitet hat, dort am Ende der Nahrungskette ist. Das ist halt associate und arbeitet zu und man sieht keine Mandanten.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das hat mich schon sehr frustriert. Ja. Wenn ich so nachdachte, was ich machen sollte, hatten wir ein Mandat in der Medienwirtschaft. Dadurch kam ich in Berührung mit der Medienwirtschaft und dann hörte ich beispielsweise Axel Springer an.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich war da ein paar Jahre und habe dabei vor allem für Matthias Dörpfer gearbeitet, der ein ganz interessanter Vogel ist. Als was? Ja, das Jobtitel war eines der Probleme. Wir waren drei, vier, das nannten sich Paradiesvögel oder Zierfische, keine Ahnung, Leute, die im Unternehmen herumflossen, direkt an Löffner berichteten, aber ansonsten so die Freiheit hatten, so Projekte zu machen oder auch nicht.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das war so ein Experimentieren mit neuen Führungskonzepten, glaube ich. Keine Ahnung, ich konnte es auch nicht so genau beschreiben. Jedenfalls waren wir ganz dritt oder zufrieden und wir haben alle nicht bis zuletzt nicht gewusst, was eigentlich so genau unsere Rolle ist.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber es war interessant, mal diesen Ausflug in die Medienwirtschaft zu machen und es war für mich auch gesellschaftspolitisch interessant, mal so einen Laden wie Springer von Insel leben.

11:39 Min
Marc Ohrendorf:

Was ist Ihr Take-away davon?

11:46 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich würde mal sagen, bei Springer laufen schon einige sehenswerte Leute herum. Und ja, Ich kann gut nachvollziehen, warum Springer auch heute noch Emotionen weckt, im Guten, im Schlechten. Aber jedenfalls, so richtig happy war ich da auch nicht. Ich war jetzt mittlerweile 35.

12:15 Min
Marc Ohrendorf:

Das sind wir Mitte der 2000er-Jahre.

12:17 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, so 2003, 2004 in den Dreh. Und im Grunde genommen ging es mir genauso wie am Tag nach meinem Abi. Ich wusste nicht so genau, was ich mal später machen sollte. Aber was ich wusste war, dass ich nicht später mal irgendwas mit Medien machen werde, weil ich gerade was mit Medien gemacht hatte.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das ist ja so der Klassiker. Sie lernen jemanden in Berlin kennen, der Kneipe, der sagt, ich mache das und das, aber ich will später mal was mit Medien machen. Na gut.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Jedenfalls fiel mir dann in der Zeit auf, dass ich eigentlich nie richtig studiert hatte. Ich habe in Bonn studiert, ja, aber ich habe ja Fulltime gearbeitet. Und ich habe Fulltime auch gearbeitet, nachdem ich es eigentlich nicht mehr musste.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich hatte nach einem Jahr ein Begabtenstipendium bekommen und war finanziell eigentlich ausgesorgt. Aber die Arbeit war spannend und meine jüngere Schwester hatte damals angefangen zu studieren und ich habe ihr dann wiederum geholfen, finanziell. Aber was zu kurz gekommen ist, das Studium.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich war nach drei oder vier Semestern scheidenfrei, weil ich die auf einem Express-Tempo gemacht habe. Vorlesungen waren nur drin, wenn es Pflichtveranstaltungen waren, ansonsten war ich halt nicht da. und hätte aber noch Lust.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich hatte mir gedacht, ich bin noch an der Uni und warum nicht ins Ausland? Und dann dachte ich mir, wenn du in die Zeit investierst, ein Jahr oder zwei, dann mach das so, dass du auch eine Marke hast. Es gibt tolle Studienprogramme an der University of Idaho, glaube ich, möglicherweise.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber ich wollte eine Marke haben im Lebenslauf. So wie Boston Consulting, ist auch eine Marke im Lebenslauf. Und dann... Kubicki auch.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, Brand ist... Brand Recognition kann nach vorne und nach hinten losgehen. Kubicki ist ein Schwiegertyp, aber was ich ihm hoch anrechne, ist, dass er 21 gegen sein Büro erlassen hat. Und so viel Vertrauen, das fand ich schon toll.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber jedenfalls hab ich mir gedacht, warum nicht dann an einen der guten Unis? Also Oxford, Cambridge, Harvard und da war auch so ein bisschen noch immer noch der kleine Immigrant in mir, der so als Alma zeigen will und beweisen will und es beweisen wollen. Das war ein bisschen noch einer der Gründe, warum ich beworben studiert habe, glaube ich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und da habe ich beworben, wurde in Harvard genommen, das war auch eine tolle Zeit, habe dann ein Master gemacht und nebenbei noch an der Doktorarbeit herum gedoktert. Und mir dann in der Zeit überlegt, was ich als nächstes mache.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich wusste es halt nicht so genau. Aber ein Jahr lang oder anderthalb Jahre lang zu sitzen und zu machen, was man will. Also ich war in der Candy School, ich war nicht in der Law School, wo es eine wahnsinnige Freiheit gibt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich hatte Kurse belegt an der MIT in Mathematik, an der Law School natürlich, fantastisch, was in der Universität ist. Und die Kurse an der Kennedy School selber, von Entwicklungspolitik bis zur inneren Sicherheit, also Sicherheitsthemen, fand ich schon toll.

15:17 Min
Marc Ohrendorf:

Welches war das Hauptthema, was war Ihr Programm, wo Sie auch den Abschluss gemacht haben?

15:21 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Also mein Schwerpunkt war in Political Advocacy. Also politische Führung, politische Willensbildung, politische Beeinflussung. Wie analysiert man Willensbildungsprozesse? Und das fand ich schon ganz gut. Ich hatte sieben, acht Jahre im Bundestag gearbeitet.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja genau, ich war zwischendurch noch sechs Jahre im Bundesvorstand der FDP, habe ich vergessen zu erwähnen. Also ich hatte eine Menge praktischer Erfahrungen, aber ich hatte so das Theoretische. Und man lernt halt tolle Leute kennen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Die Kennedy School ist die Fakultät mit der höchsten Ausländerquote. Ich glaube eine 50 Prozent. Das heißt sehr viele Leute aus der ganzen Welt. Und mit einem Parteipolitiker aus dem Waffel zu diskutieren und auch auch Einblicke zu bekommen, wie in anderen Systemen oder schwierigeren Bedingungen, Demokratie oder Ansätze von Demokratie funktionieren, fand ich schon toll.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber, großes Aber, danach wusste ich immer noch nicht so genau, was ich machen will. Hatte dann aber einen Bekannten, der hatte ein RG-Unternehmen gegründet, vor allem für Solar, aber auch Wind und so weiter. Und wir waren börsennotiert und der fragt mich, ob ich nicht Lust hätte, der Strategiechef zu werden für den Nahen Osten und für Afrika.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Gut, ich bin Jurist und als Jurist denkt man ja erstmal, ich kann alles. Und bei einer Handlungsberatung, da denkt man, das ist ja doppelt, dass man alles kann.

16:50 Min
Marc Ohrendorf:

Du hast die Strategie in Harvard.

16:51 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, Harvard gedöhnt, das kann man auch dazu. Mache ich das, dachte ich. Und dann war es auch eine tolle Zeit. Unternehmen akquirieren in der Türkei, in Afrika, mit lokalen Entscheidern über die Elektrifizierung von ganzen Landstichen zum Teil, fand ich toll.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Zwei, drei Jahre gemacht. Und blöderweise, während ich der Welt unterwegs war, ist das Unternehmen in Deutschland gegen die Wand gefahren. Und ich hatte dann im Jahre 2008, 2009 wieder die Frage zu entscheiden, was machst du als nächstes.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ganze Thema Erneuerbare Energien fand ich schon spannend. Und dann schlug ein Freund vor, dass wir vielleicht ein Private Equity Fund aufziehen in der Schweiz, der speziell in Cleantech investiert. Dann haben wir auch einen.

17:40 Min
Marc Ohrendorf:

Ich muss mal gerade einhaken. Sie sind Jahrgang, darf man das verraten, 68. Das heißt, Sie sind 51 Jahre alt. Das Ganze klingt ja bislang eher wie die Vita eines 85-Jährigen, wenn ich das sage. Sie haben unfassbar viel Jahr gemacht.

17:55 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich habe mal mitgezählt, ich glaube, Homer Simpson hat im Laufe seines Berufs, glaube ich, seit 1987, 1988 Jobs gehabt. Der war Lastwagenfahrer.

18:04 Min
Marc Ohrendorf:

Möchten Sie da noch hin?

18:05 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nee, aber ich finde das. Vielleicht sozusagen ein Vorbild. Aber jedenfalls, was sich nie geändert hatte bei mir, war eine gewisse Neugier auf das Leben. Und ich dachte, why not? Dann sind wir in die Schweiz gegangen, haben einen Fonds aus den Beinen gestellt, haben 150 Millionen Net Asset Value, nannte ich, bekommen von einem Single Investor aus Asien.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das Geld haben wir dann munter investiert. Und ich habe dann halt auch Leute kennengelernt aus der Pride Agri-Szene aus dieser Welt, die ich wahnsinnig, wahnsinnig fand. Also wirklich wahnsinnige Leute.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Schwerreichen Typen, was er aus Schweden kennengelernt, der mit verschiedenen Deals über eine Milliarde verdient hatte. Und der kam zu jedem Meeting mit so einer kleinen Klarsichthülle und da waren so 20, 30 prepaid SIM-Karten aus Bulgarien und Rumänien, die er ständig in seine Handys zuhört hat, telefoniert und dann wieder wegwarf, weil er Angst hatte, dass irgendwie die Steuerbehörden was mithören konnten.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich dachte mir, what the fuck, meine Junge, wofür? Nimm doch das Geld, leg dich an den Strand oder nimm es und mach was Gutes. Du kannst mit sehr viel Geld sehr viel machen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Du kannst 80, 90 Prozent deines Geldes weggeben an was Qualitatives und immer noch ein gutes Leben führen. Dieser Stress, der da. Anderer sagte, dass er jetzt festgestellt habe, dass seine Tochter sich mit seiner Frau, seiner Ex-Frau verbündet hätte, um ihn auszunehmen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich dachte, aha, hast du noch andere Töchter? Dann sagte er, nee, nur eine. Dann sagte ich, Johanna? Ich nenne sie jetzt mal Johanna. Dann sagte er, ja, Johanna ist fünf.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Er sagt ja trotzdem. Verstehen Sie, was ich meine? Ich habe damals festgestellt, dass so schwerreiche Leute echt einander Waffel haben können. Vor allem in dieser Szene. Aber es war trotzdem lehrreich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wir haben geschuftet wie die Irren. Wir waren zu dritt letzten Endes und wir haben auch zusammen gewohnt. Und das war alles so Post-Lehman. Und unser Investor hatte wahnsinnig viele Verluste eingefahren mit anderen Geschäften in Asien und dann irgendwann hat das Geld zurückgezogen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und unser Fonds stand ohne Geld da. So, und das war jetzt 2010, 11. Und dann telefoniere ich mit meinem alten Freund, Ernst von Münchhausen. Sehr, sehr alter Freund.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und der sagte, du bist doch Anwalt. Ja, dann werde ich doch Anwalt. Komm doch nach Berlin zu uns. Nach Berlin zu ihm.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Hab ein paar Monate dann in der Kanzlei als Partner, aber letzten Endes Partner bedeutet nichts, man bekommt kein Gehalt, letzten Endes Wirtschaftsmann. Das gemacht, was ich ganz gut konnte. Hab so ständige Unternehmen beraten, die in der Türkei was machen wollten und umgekehrt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Da war das Rechtliche immer ein Aspekt von verschiedenen. Und in der Zeit habe ich dann ein Buch veröffentlicht. Da ging es um Heimat und Identität und solche Dinge. Ein ganz harmloses Buch, meine ich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nichts Spektakuläres, einfach nur ein Beispiel meiner Familie erzählt.

20:57 Min
Marc Ohrendorf:

Wo kam das her, dass Sie das gerne machen wollten, so ein Buch verfassen?

21:04 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Es spuckte mir schon länger im Kopf herum. Aber wir hatten im 2009er, 2010er auch die Situation ähnlich wie heute, dass jeden Tag eine neue integrationspolitische Sau durchs Dorf getrieben wurde. Und viele Leute über Migranten sprachen, als seien das Marsmenschen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Dabei wohnen sie Seite an Seite. Und ich hatte realisiert, die wissen eigentlich ja gar nichts. Vielleicht einfach mal so eine mit einfachen Worten erzählt, wie so Perspektive meiner Mutter, die nach Deutschland kam, die kam vor meinem Vater.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Mein Vater hatte sie nicht so recht getraut erst. So eine Frau, da setzt sich ein Zug in Istanbul mit einem Koffer in der Hand, kommt nach München, wird am Bahnhof abgeholt und am nächsten Tag fängt sie an zu arbeiten in der Fabrik und wohnt in so einer Art Kaserne zu acht in einem Raum.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Was bedeutet das? Und wie viel Mut gehört dazu? zu. Und ich wollte ehrlich gesagt auch gerade meiner Mutter und dieser Generation auch, Ja, eine Stimme geben. Jedenfalls das Buch erschien Mitte Oktober 2011 und drei Wochen später flog der NSU auf, die Selbstenttarnung.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich rief eine junge Frau an und sagte, ihr Vater sei einer der Mordeten und ob ich sie vertreten wolle.

22:13 Min
Marc Ohrendorf:

Das heißt, über diese Identifikation, vermutlich über das Buch, ist dann diese junge Frau zu Ihnen gekommen?

22:18 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich habe sie gefragt, wie sie zu mir kam und sagte, sie hat das Buch gelesen und sie hat das Gefühl, dass ich ein Anwalt sei, dem man nichts erklären müsse. Ich habe dann gesagt, dass ich keine Ahnung von Strafrecht habe und ich Strafrecht gemacht habe.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Zuletzt Vorlesung von Kindhäuser wahrscheinlich. Ich verstehe. Und zum einen und zum anderen ich auch ein persönliches Problem habe, weil ich durchaus damals in den Zeitungen ja das von den Dönermorden gelesen habe und wenn ich mit meinen türkischen Freunden zusammen war, mit meinen Geschwistern, war für uns immer klar, es sind Nazis.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und deswegen habe ich mir nach der Selbstenttarnung schon auch brutal die Frage an mich selber gestellt, was hast du eigentlich gemacht mit dem Wissen? Ich war ja damals im Bundesvorstand der FDP, ich hätte ja zu Guido gehen können oder zu den Abgeordneten, die da saßen oder zum Innenminister von NRW, die saßen ja einmal mal einen Monat mit mir zusammen und ihnen sagen können, wir müssen mal Richtung Rassisten schauen, Nazis.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Habe ich nicht gemacht. Letzten Endes aus ein bisschen Feigheit, vielleicht gibt es ja doch diese ungenöse türkische Drogenmafia, aber vor allem Opportunismus. So Anfang der 2000er, da war mir im Kopf, vielleicht was in der Politik werden.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

War ja schon Bundesvorstand und da ist Staatssekretär auf Landesebene oder ein Bundestagsabgeordneter immer in Reichweite. Und dann über Rassismus zu sprechen, das irgendwie thematisieren, gerade als jemand, der potenziell davon betroffen ist, das bringt keine Stimmen. Das kostet Stimmen, das wusste ich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das war dieses Stück Opportunismus, was dazu geführt hat, dass ich zu den vielen zählte, die geschwiegen haben. Und es gab ja Menschen, die nicht geschwiegen haben. Wir hatten ja einen Demonstranten in Kassel, in Dortmund.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

9.000, 10.000 Menschen. Und das habe ich meiner Mandantin erklärt. Und habe sie auch um Vergebung gebeten, für mein eigenes, persönliches Versagen. Und sie sagte, sie hat das akzeptiert und meinte, aber gerade deswegen sollte ich das vielleicht erst recht machen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Vielen Dank. Und dann habe ich angefangen, mich mit Strafrecht zu beschäftigen.

24:07 Min
Marc Ohrendorf:

Nach vielen Jahren wieder?

24:08 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, de facto das erste Mal. Und ich habe dann festgestellt, dass ich das spannend finde, weil Strafrecht ist Menschenrechts, angewandte Menschenrechtspolitik, Grundrechtspolitik. Nirgends trifft der Staat so brutal auf den Bürger.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und zwar nicht nur auf den Bürger in der Form des Angeklagten, sondern auch auf die Verletzten der Straftat, auf die Opfer, wie mit denen umgegangen wird. Und ich fand das spannend genug, dass ich dann auch aus Zeitgründen die anderen Sachen nach und nach nicht mehr gemacht habe, die anderen Mandate austauschen lassen.

24:49 Min
Marc Ohrendorf:

War Ihnen da der Umfang des Verfahrens, was auf Sie zukommt, schon bewusst?

24:53 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nein. Ich dachte, als ich das Mandat annahm, ein halbes Jahr, dann wird angeklagt, zwei Jahre Verhandlung, das war's. Ich habe ja die Hinterbliebenen von zwei Mordopfern vertreten. Es kamen also noch andere dazu und am Ende waren es sieben Menschen, die zum Teil auch in der Türkei lebten.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das war aber auch ein enormer logistischer Aufwand. Aber ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, zum allerersten Mal in meinem beruflichen Leben, dass das, was ich tue, in irgendeiner Weise einen Unterschied machen könnte, vom Belang ist.

25:27 Min
Marc Ohrendorf:

Also was sind Stiften für Sie?

25:29 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, gewissermaßen schon. Und ich habe natürlich gemerkt, dass ich nicht die Distanz zu dem Komplex habe, wie ich es in anderen Fällen hätte. Aber ich finde auch, man sollte sich nicht in die Tasche lügen als Jurist oder als Anwalt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Man ist immer in irgendeiner Weise emotional beteiligt. Manchmal weniger, manchmal mehr. Ich fand das aber wichtig, auch dazu zu stehen, dass ich diese Distanz zum Thema nicht habe. Solange ich mir bewusst war, dass das, was ich sage und schreibe und tue, nicht dem entgegensteht, was ich weiß, was ich mir erworben habe an Wissen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich habe die ersten zwei Jahre der Mandate nie von institutionellem Rassismus gesprochen. Ich habe auch vorher nicht an dessen Existenz geglaubt. Jedenfalls ich habe dann dieses Mandat übernommen, es wurde größer und größer, auch die staatshaftungsrechtliche Seite übernommen und das sind jetzt bald acht Jahre im November werden es acht Jahre seit ich das Mandat bekommen habe ganz ehrlich, wenn ich damals gewusst hätte, was auf mich zukommt, weiß ich nicht ob ich es gemacht hätte, wahrscheinlich hätte ich es gemacht aber wahrscheinlich länger nachgedacht, aber das war dann schon ein Feld, das ganze, Menschenrechtspolitik Politik, der mir wichtig erschien.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich habe da erst realisiert, wie wenig das eigentlich eine Rolle spielt bei der Ausbildung von juristischen Menschenrechten. Ich kann mich dunkel erinnern, ich musste einen Staatsrechtschein machen und da habe ich irgendwie gelernt, vorne stehen die Grundrechte 1 bis 19.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber dass man mal irgendwie im Studium vermittelt bekommen hat, dass dieses Thema der Unterschied ist wahrscheinlich zwischen jemandem, der BWL studiert und Immobilienmakler wird und einem Juristen. Dass ein Zusammenhang gibt zwischen Recht und Gerechtigkeit.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dass das ganze Thema Gerechtigkeit in die Tonne getreten werden kann, wenn wir die Menschenrechtsthematik nicht auf dem Schirm haben. Und bin dann später auch ins Kuratorium gegangen vom Deutschen Institut für Menschenrechte. War dann noch in der Amadeu-Anti-Stiftung im Verwaltungsrat.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das sind schon Aufgaben, die mir Spaß machen. Und bevor ich das Mandat annahm, habe ich nochmal Luft geholt, nicht ahnend, dass dieser Mandat auf mich zukommt. Ich war noch als Fellow und Wissigen Squad an der Yale University.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Da habe ich, das war schon toll, ein halbes Jahr. Wir haben jedes Jahr 18 Fellows aus der ganzen Welt eingeladen. Die sind ein halbes Jahr ungefähr da. Und die machen selber einen Leadership-Kurs mit.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Sehr spannend, mit sehr spannenden Referenten. Einen kleinen Kreis, Generalsekretär der WTO oder Paul Kennedy, Autor. Timothy Snyder, also ganz toll. Aber die andere Hälfte der Zeit sagt jedem, was du das, worauf du Bock hast.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich habe damals Bock gehabt, zu lernen, wie man Drehbücher schreibt. Wenn man sagt, du kannst machen, worauf du Bock hast, kann man ja im Grunde genommen zwei Sachen machen. Ich vertiefe das, was ich mache, lerne mehr oder ich mache etwas, was ich wahrscheinlich sonst nie machen würde.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und in Yale gibt es die Yale School of Drama, also Schauspielschule und auch eben Kurse in Schreiben von Drehbüchern für TV-Formate. Und theoretisch wüsste ich jetzt, wie man eine TV-Serie schreibt.

28:58 Min
Marc Ohrendorf:

Haben Sie das mal als Anwalt genutzt, das Wissen?

29:01 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich sag mal so, überraschenderweise ja. Denn bei der Entwicklung eines Franchise, einer Story, ja, Es ist ganz, ganz wichtig, der Persönlichkeit, der Akteure Tiefe zu geben. Eine Person darf nie A oder B sein, gut oder schlecht.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wenn eine Person nur gut oder schlecht ist, dann haben sie es mit einem sehr einfältigen Format zu tun. Die Widersprüche müssen dargestellt werden, die Komplexität der Persönlichkeit und damit auch die Komplexität des Verhaltens. Und ich meine, wenn ich einen Mandanten habe, einen Angeklagten, Es ist schon ganz wichtig, dem ein Leben zu geben, jenseits der Akte, die Komplexität seiner Persönlichkeit darzustellen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Außerdem auch die Wichtigkeit von Begrifflichkeiten, dass man mit den Begrifflichkeiten den Diskurs setzt. Das, was jetzt als Framing so bekannt ist.

29:59 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, in den letzten Jahren immer mehr aufkommen.

30:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich fand schon, dass man da viel gelernt hat. Und es hat mir vor allem auch Freude bereitet. Aber das ist nur am Rande, was wir vorhin sagten.

30:11 Min
Marc Ohrendorf:

Spannend, wirklich. Also ich sehe schon, wir müssten eigentlich drei bis vier Stunden miteinander reden, aber leider haben wir die Zeit heute nicht. Lassen Sie uns noch ein kleines bisschen auf den NSU-Prozess eingehen, auch aus der juristischen Brille und der Brille derer, die jetzt vielleicht gerade in der Bibliothek sitzen und diesen Podcast hören.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Ich habe letztens gehört, dass das häufiger vorkommen soll. Alle wissen aus den Medien, was im Prozess passiert ist. Was mich interessieren würde ist, welcher Tag war für Sie der härteste? Es gab wahrscheinlich viele, aber wenn Sie an einen denken müssen, welcher war der härteste?

30:50 Min
Mehmet G. Daimagüler:

An einem Tag war als Zeuge geladen der Vater von Halit Yozgat. Halit Yozgat war ein junger Mensch, Anfang 20, der jobbte in seinem Internetcafé, da wurde er ermordet. Und dieser Fall ist besonders, weil da ein Verfassungsschutzbeamter anwesend war und abgehauen ist.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

So. Dieser ganze Fall, ich habe die Familie Jors gerade nicht vertreten, aber es hat mich schon sehr bewegt. Allein die Aktenarbeit bei diesem Fall. An einer Stelle sieht man die Tatortfotos, der erschossene junge Mensch auf dem Boden liegend und ein Meter von ihm liegt ein Mathematikbuch.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Buch. Und ich habe dann den Vater gefragt, was es mit dem Buch auf sich hat. Und er sagte, der hat fürs Abi gelernt. Der hat an der Abendschule studieren wollen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich dachte mir, der Internetcafébetreiber, der da ausschossen wurde, das war ein junger Mensch, der was aus seinem Leben machen wollte. Jedenfalls, der Vater ist als Zeuge geladen. Und als Zeuge sitzt man auf einem Zeugenstuhl vor dem Vorsitzenden.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Der Vorsitzende sitzt mit dem Senat in fünf Richtern auf einer Hütten-Podest. Rechts sitzen die Damen und Herren von der Generalbundsanwaltschaft, links die Angeklagten und ganz rechts von den Angeklagten Frau Zschäpe. Das heißt, sie ist am nächsten dran zum Zeugen Josgat und der Mann spricht ganz okay Deutsch, aber er konnte die Frage nicht genau beantworten, in welcher Position er den Sohn vorgefunden hat.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Der Vorsitzende fragte ihn dann mehrfach. Und er sagte, ja, er hat dann mit dem Kopf in die Richtung gekommen, er konnte das aber nicht so genau beschreiben. Und dann stand er auf und hat sich auf den Boden gelegt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Sozusagen zu Füßen des Vorsitzenden, aber genau auch zu Füßen von Frau Zschäpe. Und da lag dieser Mann von Anfang Mitte 60 auf dem Boden, lag da in der Position, in der er seinen Sohn vorgefunden hat und sagte auf Türkisch, so habe ich ihn gefunden, mein Lämmchen, sagt er.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

So habe ich ihn gefunden. Und die Richter blickten auf ihn hinab und Frau Zschäpe blickte auf ihn hinab. Und. Ich fand das herzzerreißend, diesen Anblick.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich habe mich gefragt, was denkt Frau Zschäpe wohl in diesem Moment? Was denkt sie? Und ich habe das nicht gedacht in der Form von anklagend. Was hat sie sich dabei gedacht? Wie geht sie damit um, mit dieser Situation? Wie geht man mit dieser Schuld um?

33:36 Min
Marc Ohrendorf:

Haben Sie einen Erklärungsversuch, was Sie hätte denken können aus Ihrer Sicht oder ist es Ihnen immer noch unbegreiflich?

33:41 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich glaube, dass der Mensch, versucht, augenblicklich Strategien zu entwickeln, die seine Schuld minimieren. Ich hatte ja keinen, der nicht so sagen vielleicht. Ich war nicht dabei.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber ganz tief im Inneren weiß man dann doch, ich war mittendrin, ich war mit dabei. Ganz tief im Inneren entdeckt man die Halbschlechtigkeit des eigenen Herzens und dann Überlegen Sie sich das mal. Sie sitzen da, erleben das.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann werden Sie zur Gefangensgefängnis. Sie schlafen ein, stellen sich Gedanken. Und morgens wacht sie auf. Ich weiß nicht, wie man mit so viel Schuld umgehen kann.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und ich finde das... Ich habe an meiner Mutter, die war da schon Anfang 80, zum Flughafen gefahren. Von Siegen zum Flughafen Köln-Born. Ich habe dann an irgendeiner Stelle so gefährlich überholt, fuhr zu schnell und meine Mutter sagte, ich sollte vorsichtig hier fahren und dann habe ich sie angeschnauzt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das tat mir so leid, ich habe mich dann auch entschuldigt. aber jedes Mal, wenn ich an dieser Stelle vorbeifahre, und das passiert vier, fünf Mal im Monat, denke ich genau an diesen Moment, an dem ich meine über 80-jährige Mutter anschnauze, aus dem nichtigen Grund. Das ist, das beschäftigt mich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann überlege ich mir, du hast so viel Unheil über andere Menschen gebracht, Tote, Eltern, die ein Leben lang zu Trauer verurteilt sind. Wie gehst du damit um? Also ich finde das ich finde das schwer, wenn man.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Gefangen ist in sich selber und keinen Ausweg findet, da rauszukommen. Das dachte ich im Moment. Das war schon der Moment, wo ich auch emotional an die Grenzen dessen gelangt bin, dass, ich händeln könnte.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich war froh, dass der Verhandlungstag an dem Tag bald vorbei war, aber Das war schon schlimm.

35:44 Min
Marc Ohrendorf:

War das auch die Grenze dessen, ein solches Verfahren, was der Rechtsstaat handeln kann? Sie haben ja entsprechende Ausführungen in die Richtung das ein oder andere Mal schon gemacht.

35:53 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Naja, also der Rechtsstaat, ja. Und der Rechtsstaat, wie wir ihn haben, ist in seiner Papierform weitestgehend gut. Es gibt Stellen, in denen ich Dinge verändern würde, natürlich, aber unsere Verfassungsordnung und so. Was ich vermisse an so einem Rechtsstaat ist, um anzuerkennen, dass der Rechtsstaat nicht für jedermann gleichermaßen da ist.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wenn man dem Weisen Mainstream angehört, stellt sich die Sache anders dar, als wenn man einer Minderheit angehört. Wenn sie eine dunkle Hautfarbe haben, werden sie mit Polizeibeamten eine andere Erfahrung haben, als wenn sie es nicht haben. Und diese Anfälligkeit des Rechts gegenüber, für Blindspots, gilt für jedes Land der Welt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber was mich dann in Deutschland ärgert, richtig ärgert, ist, wenn diejenigen, die privilegiert sind, geradeweg bestreiten, dass es diese Blindspots gibt. Und was wir in München erlebt haben, war die Aufarbeitung eines Rechtsstaates, der Menschen noch nicht mal erlaubt hat, Opfer zu sein, zu trauern.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und bei der Aufarbeitung auf der einen Seite viel von Aufklärung sprach, auf der anderen Seite an entscheidenden Stellen, da wo es wehtun könnte, uns allen wehtun könnte, einen schlanken Fuß machte. Und das, was wir erwartet haben an Aufklärung, ist nicht jenseits der Strafprozessordnung.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ist ja das, was immer uns eingeredet werden soll. Die Dinge, die wir erfahren wollten, waren alles Dinge, die wichtig waren für die Feststellung der Schuld und für die Feststellung der Rechtsfolgen. Lass uns nämlich ein Beispiel geben.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nur ein kleines. Herr Temmel war dieser Verfassungsschützer, der in Kassel im Internetcafé war, als halt Joskrat umgebracht wurde. Er ist abgehauen. Die Polizei hat ihn dann ermittelt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Die Polizei in Kassel hat übrigens einen tollen Job gemacht, was das angeht. Die haben ihn ermittelt. Und der Mann hat gelogen. Und durch abgehörte Telefonate konnte auch festgestellt werden, dass ihm vom Amt auch kräftig, also vom Landesamt Verfassungsschutz beim Lügen geholfen wurde.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Der Polizeibeamte, der die Ermittlungen geleitet hat, war ein Münchner Zeuge und er sagte, ich bin der festen Überzeugung, dass der Herr Temme lügt. Ich weiß nur nicht, aus welchen Gründen er lügt. Entweder hat er was mit dem Mord zu tun oder es sind andere Gründe.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

So, und diesen Eindruck hatte ich auch. Der Mann war drei, viermal Zeuge da und er hat uns von der ersten bis zur letzten Sekunde angelogen. Dann haben wir als Nebenklage beantragt, dass wir die Ermittlungsakte gegen Temme von damals, als die Polizei gegen ihn ermittelt hat, beiziehen, damit wir sehen können, was er der damals der Polizei erzählt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das wurde von der Bundsanwaltschaft abgelehnt, tut hier nichts zur Sache? Und das Gericht folgt dem und sagt dann, und das war eine der wenigen Male, wo im ganzen Saal gelacht wurde, die Ausführungen von den Themen sind grundsätzlich glaubhaft. Das ist lächerlich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Natürlich ist es doch von Interesse zu erfahren, ob es weitere Miettäter gab. Natürlich ist es von Interesse, wenn staatliche Organe in einer Weise eine schützende Hand dargereicht haben oder auch nur ihre Ermittlungsarbeit nicht besonders gut gemacht haben. Warum? Weil das natürlich eine Frage der Strafzumessung sein kann.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ist doch anerkannt. Und deswegen war unser Antrag, das zu sehen, nicht jenseits von Gut und Böse, nicht jenseits dessen, was in einem Strafprozess jeden Tag geforscht wird. Und stattdessen wurde das immer so auf die Schiene abgeschoben, diese Nebenkläger, die wollen hier Dinge erfahren, die kann das Gericht hier nicht leisten.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich meine, dass wir es hätten da recht leisten können. Das Verfahren hat lange gedauert. Aber wenn Sie sich das mal anschauen, wenn Sie jede einzelne Tat verhandelt hätten, dann hätten Sie zehn Morde gehabt. Wie lange verhandelt man für einen Mord? 20 Tage? 30 Tage? 40 Tage? Dann haben Sie 15 Raubüberfälle.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Bei jedem Raubüberfall haben Sie 10, 12, 13 Zeugen. Manchmal mehr. Dann haben Sie zwei Bombenanschläge. Sie haben die Bildung einer Terrororganisation. Die Unterstützung.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

All das dauert. Und natürlich hat die Verteidigung, Und da mache ich der Verteidigung keinerlei Vorwürfe. Alles getan, was sie für richtig hielt. Alle Befangenheitsanträge in diesem Gerichtssaal wurden vor der Verteidigung gestellt und die kosten Zeit, weil dann die Verhandlung an dem Tag zu Ende ist meistens und dann wird aufgehoben für den Rest der Woche.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Es gab, glaube ich, 43 Ablehnungsgesuche durch die Verteidigung.

40:23 Min
Marc Ohrendorf:

Was übrigens heute in der Presse war, dass das eventuell in der StPO geändert werden soll, dass die Befangenheitsanträge nicht mehr zur Unterbrechung des Verfahrens führen. Unter anderem deswegen. Das ist eine der rechtspolitischen Folgen des NSU-Verfahrens.

40:35 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, ganz ehrlich gesagt, das ist ja so eine Forderung vom Richtertag. Da ist ja immer die Forderung effizient. Ein Gerichtsverfahren muss effizient sein. Ich habe immer Probleme damit, mit Effizienz und Gerechtigkeit.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wenn sie ganz effizient sein wollen und da gibt es Wege, die das garantieren, aber da bleibt die Rechtsstaatlichkeit häufig auf der Strecke. Ein Gerichtsverfahren muss so kurz wie möglich sein und so lange wie nötig. Ein kurzer Prozess ist im Strafrecht ein schlechter Prozess.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Die Interessen der Beteiligten bleiben auf der Strecke, sei es der Angeklagten oder der Opfer. Und an der Stelle muss man sich mal kurz zurücklehnen und sich überlegen, wieso machen wir das ganze Tatrahmenstrafverfahren. Das Ganze soll ja eine befriedigende Wirkung haben in die Gesellschaft hinein.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Der Gesellschaftsvertrag sagt, du Bürger gibst einen Teil deiner Freiheit ab, wir Staat schützen dich. Und wenn eine Straftat geschieht, dann hat der Staat diese Straftat nicht verhindert und soll aber respektiv das wieder gut machen, in Anführungsstrichen, indem man alles aufklärt. Und je schwerwiegender eine Straftat ist, umso mehr muss aufgeklärt werden.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und deswegen an der Stelle zu kommen und zu sagen, mit Effektivität und Effizienz habe ich schon mal grundsätzlich Probleme. Und das andere ist, wir haben drei Tage die Woche verhandelt. Aber häufig wurden dann Fahndungstage aufgehoben, Entscheidungen des Gerichts.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wenn man jede Woche drei Tage an 40 Wochen verhandelt hätte, wäre das Verfahren nach dreieinhalb Jahren durch gewesen. So haben wir über fünf Jahre gebraucht. Und in den letzten anderthalb Jahren hatten wir Verhandlungstage, die fingen um 9.30 Uhr an und waren um 11 Uhr zu Ende.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ist auch eine Frage der Terminierung, der Logistik des Gerichts. Jetzt hinzugehen und zu sagen, weil das Verfahren lange gedauert hat, jetzt unter uns gesagt, es hat angesichts der Anklage nicht besonders lange gedauert, jetzt Forderungen umzusetzen, die für die Zukunft gelten, für jedes Verfahren, halte ich einfach für rechtsstaatlich, für skandalös.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Befangenheitsanträge sollen 14 Tage sozusagen im Hintergrund geklärt werden können und in der Zeit verhandelt der Richter weiter. Was heißt denn das in der Praxis? In der Praxis heißt es, sie sitzen da in der Verhandlung und der Richter tut irgendwas oder sagt irgendwas, was Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gibt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann sollen sie 14 Tage mit dem weiter verhandeln. So ein Befangenheitsantrag und die Androhung eines Befangenheitsantrags steht ja immer im Raum. Und der Richter weiß das und das diszipliniert Richter.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich hatte eine Verhandlung gar nicht lange her im Landgericht mit einem Tötungsdelikt. Der Weinmandant, der Geschädigte macht seine Aussage, der Staatsanwalt quatscht ständig in seine Aussage rein. Ich bitte den Vorsitzenden ganz höflich den Herrn Staatsanwalt zu bitten, dass er sich das Wort erteilen lässt, bevor er hier unterbricht.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann sagt der Richter, der Herr Staatsanwalt X und ich, wir arbeiten schon seit vielen Jahren eng miteinander zusammen, der hat mein Vertrauen, der kann sich das Wort ergreifen, wann er will. In dem Moment, jenseits der Strafprozessordnung, sagt ein Richter ganz offen, ich bin mit dem Staatsanwalt und du bist ein Verfahrensbeteiligter zweiter oder dritter Klasse und dann soll ich 14 Tage mit dem zusammenhocken und erwarten dürfen, dass der in irgendeiner Weise auf Fair-Middle-Man-Man-Dandung geht, halte ich für skandalös.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich halte das für einen Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit im Strafverfahren. Und das sage ich als jemand, der regelmäßige Opfer vertritt. Das geht nicht. Man sollte sich auch ehrlich machen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Wenn man von der Politik sagt, okay, wir wollen das Ganze machen, damit das ganze Züg über die Bühne geht und dann wir in Klammern Geld sparen, dann sollen sie es halt sagen. Dann sollen sie aber auch wirklich zugeben, das Recht ist unserer Theorie viel wert, aber in der Praxis sparen wir gerne.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und das halte ich einfach für einen Witz. Und die Ideen, wie man jetzt das regeln kann mit den Opfern, in denen den Opfern Anwälte zugewiesen werden, gebündelt werden und so weiter, freie Anhaltsweise, das ist einfach verblüffend, mit welcher Nonchalance hier am Strafrecht herum gedoktert wird. Nochmal, im Strafrecht, da spielt die Musik in Sachen Menschenrechten.

45:01 Min
Marc Ohrendorf:

Wir hatten vor einigen Folgen eine Professorin hier im Podcast, die sagte den schönen Satz, der oft nachgeklungen ist, eine Demokratie ist nur so gut wie ihr Minderheitenschutz. Und sie beschrieb, dass sie viel in verfassungsgebenden Prozessen in Krisengebieten involviert und beschrieb, dass sich jede gute Verfassungsgebung daran messen lassen muss, wie gut sie mit den Minderheiten umgeht und dass das auch die Grundlage ist.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Große Herausforderung in dem Verfassungsgebungsprozess ist.

45:28 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, natürlich. Meine Demokratie bewährt sich an seinen Rändern.

45:32 Min
Marc Ohrendorf:

Genau, so ist es. Ist das im Strafprozess auch so?

45:35 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Es müsste so sein, im Strafrecht. Theoretisch müsste es so sein. Jeder sagt, wenn Sie jemanden auf der Straße fragen, sind Sie dafür, dass es im Strafrecht oder meinetwegen im Verwaltungsrecht fair zugeht? Dann wird jeder sagen, ja. So, theoretisch sind wir alle dufte Verfassungsfreunde.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Dann gehen Sie mal konkret. Nehmen Sie mal einen konkreten Fall. Sami A. Ja, jemand, der als Asylbewerber in Deutschland gelebt hat, sich in islamistischen Kreisen herumgetrieben hat und der wird dann ausgewiesen und dann klagt seine Anwältin.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann wird er abgeschoben und die Anwältin will ihn zurückholen, die Gerichte anscheinend für sie. Was da in Tonlage kommt. Das geht doch nicht, Schweinerei, was ist das für ein Rechtsstaat? Es ist ganz, ganz selten der Fall, dass eine unschuldig blickende 19-jährige Kindergartenhelferin vor Gericht steht und dass das, was sie getan hat, überhaupt nicht so schlimm ist, so dass wir ganz, ganz viel Mitgefühl für diese bedauernswerte junge Dame haben.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und man muss zu seinem Prinzipchen stehen, da wo es auch hart wird für einen selber. Wo man jemanden sieht, der ist mir nicht sympathisch. Das, was er macht, ist mir nicht sympathisch.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das, was er macht, ist mir suspekt. Und gerade an der Stelle sich zurücklegen und sagen, gerade deswegen müssen wir ihn schützen mit unserem Recht. Denn wenn wir irgendwann aufhören, an unser Recht zu glauben und unser Recht umzusetzen, und zwar für jedermann, dann verlieren wir Legitimität und eine Gesellschaft ohne Recht ist auf dem Weg zu einer Räuberhöhle.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Also das ist an den Rändern. Kindern. Und ich habe einen Kollegen, den ich persönlich nur einmal gesehen habe in München, der vertritt regelmäßig Angeklagte, die Vorspaß zu sexualen Straftaten begangen haben. Kindermörder, Kindervergewaltiger und so weiter und so fort.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und Sie können sich vorstellen, was der an Post abbekommt, wenn er das tut, was er kann für seine Mandanten. Und ich habe für diesen Kollegen geantwortet. Einen Heiden-Heiden-Respekt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Einen Heiden-Respekt. Weil genau er das tut, was man in der Rechtsstaat tun muss. Dass eben jeder, der in diesem Lande und in unserer Rechtsordnung lebt, sich darauf verlassen kann. Dass egal was man ihm vorwirft, er ein Maximum an rechtsstaatlichen Schutz bekommt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Deswegen habe ich an keiner Stelle in fünf Jahren Verhandlungen in In München, meine Kolleginnen und Kollegen der Verteidigung persönlich angegriffen, wie könnt ihr bloß einen Nazi verteidigen? Natürlich müssen sie Nazis verteidigen. Es gibt einen Unterschied zwischen Nazi-Verteidigern und Anwälten von Nazis.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Da, wo es so eine gewisse Gleichklang gibt, einen ideologischen Gleichklang mit dem Angeklagten, da habe ich wenig Sympathie, persönliche Sympathie mit dem Kollegen. Mit dem möchte ich dann auch nicht nach der Verhandlung im Hotel an der Lobby sitzen und ein Bierchen trinken.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben, mit Nazis sitze ich nicht zusammen. Aber, dass die ihren Job machen und ihren Job gut machen können und dass sie dafür auch vernünftig entlohnt werden, dass man ihnen nicht die Rechte beschneidet. Das ist wichtig und deswegen habe ich auch, bin ich gefreut, wenn Nazis im Saal saßen oben auf der Zuschauerbank.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Die sollen da sitzen und sollen sehen, dass die Angeklagten, verteidigt von 16 Verteidigern, dass die halt alle Rechte haben und dass wir nicht in einem ein System leben, wie die sich das vielleicht vorstellen, wo Leute nachts abgeholt werden und dann in irgendwelchen Kellern abgeknallt werden. Finde ich wichtig.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Also in der Theorie sind wir alle irgendwie immer auf der guten Seite. Wenn es praxisnah, konkret wird, dann machen viele einen schlanken Fuß. Wir alle finden irgendwie Sexismus blöd, aber was ist denn daran so schlimm, wenn man einer jungen Kollegin jeden Tag ein unerwünschtes Kompliment macht? Das ist doch nett gemeint.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Was ist denn daran so schlimm natürlich die Schwulen und Lesben sollen die gleichen Rechte haben aber was ist denn so schlimm daran wenn man auf deren Kosten Witze macht auf dem Aschermittwoch oder wenn man die schrill findet oder wenn man meint ja die sollen die gleichen Rechte haben aber bitte schön nicht in der Öffentlichkeit sich küssen, Theoretisch sind wir alle meistens Dufte wenn es in die Praxis geht, in die Kunst Konkrete werden wir häufig schwach, und ich nehme mich davon nicht aus Ich habe selber meine Instinkte und bin denen, auch heute noch, folge denen oft noch.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Aber ich versuche mich am Zügel zu reißen, am Kopf zu überlegen, ist das richtig, was du gerade tust?

50:17 Min
Marc Ohrendorf:

Ich würde gerne auf einen Moment noch eingehen, wo ich mich in der Vorbereitung zum heutigen Gespräch fragte, wie es Ihnen da wohl ging, ob Sie sich da auch an den Zügeln reißen mussten und zwar als Herr Maaßen, ehemaliger Präsident des Verfassungsschutzes, in der Presse war mit den entsprechenden Äußerungen, die in eine sehr unerfreuliche politische Richtung gingen. Wie ging es Ihnen da mit diesem ganzen Prozess? Haben Sie da absolut den Glauben an die Menschheit verloren, nachdem Sie ja auch vorher schon den Verfassungsschutz häufig kritisiert haben?

50:53 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich fühlte mich leider bestätigt. Das ist halt eine Institution, die über Jahre hinweg, bis in die 70er Jahre hinweg geleitet wurde von alten Nazis. Ein Laden, der geprägt wurde. Und geprägt wurde mit einer gewissen Sicht auf die Welt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und diese Sicht auf die Welt bedeutet, Kommunisten, böse, gefährlich. Was von rechts kommt, ist vielleicht unangenehm, aber nicht gefährlich. Und später kam noch der Islamismus. Anfang der 2000er gab es drei Zentralabteilungen beim Bundesamt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Islamismus links, rechts. Welcher wurde dicht gemacht? Rechts, weil keine rechtstheorische Bedrohung. Dass dann ein Herr Maaßen geht als Spitzenbeamter, als Jurist von einem Mord schwafelt, von einem Verfahren, wo das noch nicht mal angefangen hat, von einem Mord. Was wir hatten, ist ein Tötungsdelikt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das kann von einer Körperverletzung, Todesfolge bis zum Mord sein. Das kann auch selbst Notwehr gewesen sein. Das wissen wir alles noch nicht. Das soll das Gericht ja feststellen.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich fand es schon skandalös. Dann sich dann hinzustellen, daraus dann eine Opferrolle zu stricken. Ich bin der, der mal die Klappe aufgemacht hat und jetzt werde ich von der bösen Politik bestraft. Das ist schon ein Witz.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ist schon ein echter Witz. Ich hatte vor ein paar Wochen ein Gespräch mit dem Nachfolger von den Maßen und hat ihn gefragt, wie er denn sich überlegt hat, den Imageschaden des Amtes wieder hinzubiegen. Weil er hatte zuvor gesagt, dass sein Hauptaugenmerk auf den Islamisten liege.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und wenn man Islamismus bekämpfen will, dann muss man natürlich auch ein Draht, ein Standing haben in der muslimischen Community. Man sammelt ja Informationen. Und wie er dass er den Imageschaden wieder heilen will nach dem NSU.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Und dann sagt er, welchen Imageschaden? Wir haben keinen Imageschaden. Wir haben ganz prima zusammengearbeitet mit den Untersuchungsausschüssen und mit dem Gericht und wir haben keinen Imageschaden. Und dann fragt man sich, sag mal, auf welchem Planeten wohnst du eigentlich? Ihr habt nicht mit den Untersuchungsausschüssen und den Gerichten ganz prima zusammengearbeitet, sondern ihr habt Akten gescheitert.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Laut dem Bundesverfassungsschutzgesetz müsst ihr Eigeninitiativ, Staatsanwaltschaften und Gerichten bei der Aufklärung von Straftaten helfen und alle Informationen zur Verfügung stellen. Im Münchner Gerichtssaal haben wir keinen einzigen Informationsschreibblick von dem bekommen. Und das, was wir bekommen haben, mit Mühe und Not, war alles geschwärzt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Echt ein Witz. Und er sagte dann noch, wir hätten im Jahr 16.000 Bewerber und da seien auch viele Migranten drunter. Und die Migranten, die schon beim Amt arbeiten würden, seien sehr glücklich mit ihrem Job. Dann dachte ich, Halleluja.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Also wenn das die Wahrnehmung ist, glaubt er das wirklich gerade, was er gesagt hat? Das fand ich erschreckend. Ich habe lange Zeit die Ansicht vertreten, weil ich auch kein Experte für Sicherheitsarchitektur bin, man muss über die V-Mann-Thematik reden. Die V-Mann-Praxis, die wir jetzt haben, schadet und bringt nichts.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das ist meine These. Wenn man aus so einem Gespräch rauskommt und Verfassungsschutzpräsident sagt, wir haben kein Imageproblem, dann fragt man sich, ist so ein Laden überhaupt reformierbar? und am Ende fragt er mich, und ich weiß übrigens auch nicht, in welchen Kreisen sie sich so bewegen. Also Klammern, Islamisten, Linksradikale, ich halte mich für einen ziemlich bürgerlichen Typ.

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Mehmet G. Daimagüler:

Eine Woche später kommt eine Umfrage veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 52 Prozent der Deutschen haben wenig oder kein Vertrauen in das Bundesamt für Verfassungsschutz. Wenn man jetzt mal die Migranten fragen würde, dürfte der Anteil der Leute, die kein Vertrauen haben, noch größer sein.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das heißt, wir haben dann ein echtes Problem, Ein Problem, das nicht angenommen wird als Problem. Und ich glaube, Kritikfähigkeit, Umgang mit Kritik, Selbstreflexion ist auf einer persönlichen Ebene sehr, sehr wichtig. Das ist nicht einfach, das weiß ich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ich selber tue mich da sehr, sehr häufig schwer. Aber als Organisation... Das nicht zu haben, dann ist es ein echtes gesellschaftliches Problem, ein politisches Problem.

55:05 Min
Marc Ohrendorf:

Herr Demangüder, wir könnten noch sehr, sehr lange miteinander sprechen.

55:08 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Nein, nicht wirklich. Ich muss mit meinem Hund raus.

55:10 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist gut. Abschließend habe ich eine Frage. Was treibt Sie an und ist es heute etwas anderes, als es vor zehn Jahren war?

55:22 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Ja, nein. Also früher hat mich angetrieben Anerkennung. Da war es wie gesagt der Migrant, der Gastarbeiter so und der es allen zeigen wollte. Das habe ich nicht mehr.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

An seiner Stelle ist etwas getreten, was ich selber nicht so genau benennen kann. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß aber auch nicht, was ich später mal machen werde.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Das, was ich jetzt gerade mache, macht mir Spaß. Ich mache es gerne. Aber dieses alte Mervet-Deimer-Güller-Thema, ich weiß nicht, was ich später mal machen werde, das ist immer noch sehr, sehr präsent. Ganz ehrlich gesagt, habe ich das nie jemandem erzählt früher, dass ich nicht weiß, was ich später machen werde, weil ich 19, 20, habe ich meinen Mitschülern nicht erzählt, weil ich dachte, wie ist das alles, das ist so peinlich.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Dann hatte ich das Examen und da war es doppelt peinlich und irgendwann habe ich realisiert, ist doch scheißegal, was die anderen über dich denken, dann weißt du halt nicht, was du später mal machen wirst. Und wer weiß, ob es überhaupt später gibt.

1:00 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Insofern, ja, was das angeht, ich weiß es nicht, aber es ist gut so.

56:34 Min
Marc Ohrendorf:

Und wenn Sie es wissen, freue ich mich sehr von Ihnen zu hören. Vielen, vielen herzlichen Dank für diesen ganz wunderbaren Einblick und es ist ein schönes Abschlusswort, dass auch wenn man vielleicht noch nicht so genau weiß, was man machen will, man damit sehr erfüllt und auch erfolgreich sein kann.

56:49 Min
Mehmet G. Daimagüler:

Erfolgreich weiß ich nicht. Das ist immer so eine Definitionsfrage, was Erfolg ist. Aber Aber ich glaube, wenn man etwas tut und es fühlt sich nicht gut an, dann ist es häufig auch nicht gut. Und das ist vielleicht das, was so eine Lebenserfahrung ich bieten kann. Danke.

57:10 Min
Marc Ohrendorf:

Vielen, vielen Dank.

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