Virginia Mäurer, Associate | Advant Beiten
Arbeitsrecht - LLM - Interkulturelle Kompetenz - Restrukturierungen - Sozialauswahl - Abfindung - Aufhebungsverträge - Gewerkschaften - Betriebsräte - Global Mobility - Fachkräftemangel - Behörden - Beschleunigtes Fachkräfteverfahren - Kündigungsschutzverfahren - Einigungsstellen
In dieser 286. IMR-Folge spricht Marc mit Virginia Mäurer, Rechtsanwältin bei Advant Beiten in München, über ihren Weg ins Arbeitsrecht und die vielfältigen Facetten dieses Rechtsgebiets. Wie landet man eigentlich in einem bestimmten Rechtsgebiet? Welche Rolle spielen Zufälle dabei? Und warum kann gerade das Arbeitsrecht so spannend sein? Virginia berichtet von ihren Erfahrungen, ihrem LL.M. in London und wie interkulturelle Kompetenz in der anwaltlichen Praxis eine Rolle spielt. Außerdem tauchen Marc und Virginia tief in die Welt der Restrukturierungen und des Arbeitsmigrationsrechts ein: Wie laufen Entlassungen ab? Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer bleibt und wer geht? Im Gegensatz dazu: Wie funktioniert das beschleunigte Fachkräftemittelverfahren, wenn ein Unternehmen eine hochqualifizierte Person aus dem Ausland einstellen möchte? Antworten auf diese und viele weitere Fragen sowie spannende Karriere-Insights erhaltet Ihr in dieser Folge von Irgendwas mit Recht. Viel Spaß!
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Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Mein Name ist Marc Ohrendorf. Heute sitze ich wieder in München und spreche mit Virginia Meurer. Hallo Virginia.
Hallo Marc, vielen lieben Dank für die Einladung.
Ja, ich muss sagen, vielen lieben Dank für eure Einladung. Das ist nämlich sozusagen eine Doppelfolge. Wir veröffentlichen die separat, aber wir nehmen die sozusagen am selben Tag auf. Ich sitze wieder bei dir in der Kanzlei, bei Advan Beiten und wir haben schon mal mit einem deiner Kollegen gesprochen.
Die Folge ist am 13. Januar online gegangen. Hört da auch gerne mal rein. Da geht es um Managerhaftung und Versicherungsrecht. Heute, du machst schon ganz große Augen, soll es aber um dein Rechtsgebiet gehen.
So kann man ja auch in einer Kanzlei ganz unterschiedliche Steckenpferde haben. Und das ist unter anderem so ein bisschen das Arbeitsrecht, stimmt's?
Genau, ja. Also das ist mein Steckenpferd tatsächlich schon relativ früh entstanden, auch durch Zufall, muss ich sagen, wie das ja immer so ist. Man hat große Pläne, man denkt, man hat den großen Karriereplan und weiß ganz genau, wo es hingehen soll und dann ist es im Endeffekt doch alles ganz anders und ja, auch so bin ich dann tatsächlich im Arbeitsrecht gelandet.
Ja, irgendwann hast du dir aber mal überlegt, dass du Jura studierst.
Ja, obwohl ich gar nicht mal so sicher sagen kann, habe ich mir das überlegt oder war das eine Auswahlentscheidung bei dem, was ich nicht machen möchte. Eigentlich dachte ich, Pharmazie oder Architektur ist total super und habe dann aber festgestellt, Chemie kann ich nicht und Physik eigentlich auch nicht und Zeichnen auch nicht.
Das heißt, das fiel dann relativ schnell weg und dann war so ein bisschen die Überlegung, was mit Kindern wird es auf gar keinen Fall. Da bin ich einfach, ja, also Lehramt kam irgendwie auch nicht in Betracht und ich wollte mir das einfach so ein bisschen offen halten.
Also ich war noch etwas orientierungslos, würde ich sagen und Jura hat von Anfang an mir die Entscheidung schon so ein bisschen offen gelassen, also weil eigentlich schafft man es ja wirklich. Dank des deutschen Systems relativ unproblematisch, bis nach dem zweiten Staatsexamen keine Entscheidung zu treffen, was man eigentlich machen möchte.
Und selbst nach dem zweiten Staatsexamen, also ich habe immer noch genügend Kollegen, die wechseln von der Anwaltschaft in die Richterschaft oder in die Politik oder in die andere Richtung. Und das war dann meine Entscheidung für Jura tatsächlich, dass ich erstmal keine Entscheidung treffen muss.
Wo hast du studiert?
Ich habe in Berlin an der Humboldt-Universität studiert, habe da das erste Examen gemacht und habe da dann auch das Referendariat und das zweite Examen gemacht.
Kommst du aus der Gegend?
Ja, tatsächlich. Ich bin eine der wenigen Berlinerinnen, die auch in der Stadt geblieben sind, obwohl ich feststellen musste, dass ich relativ wenig von der Stadt kenne. Also Berlin ist ja groß und jeder ist dann eigentlich so in seinem Kiez, in seinem Viertel.
Und dann kam ich an die Humboldt-Universität und hatte die ganzen neun Kommilitonen, die alle ins Hippe Friedrichshain gezogen sind und mir alle von dieser tollen Warschauer Straße erzählt haben. Und kam aus dem beschaulichen Wannsee an der Stadtgrenze zu Potsdam und hatte keine Ahnung, was diese Warschauer Straße war und musste dann immer großes Wissen vortäuschen.
Und alle hofften auf die große Stadtführung und die coolsten Elektroclubs. Und da sah ich dann gar nicht so gut aus als Einheimische sozusagen.
Hast du dann irgendwann auch mal überlegt, nochmal zu promovieren oder ein LLM zu machen oder wie war das für dich?
Ja, also ich habe tatsächlich einen LLM gemacht. Ich habe ihn aber im Gegensatz zu relativ vielen erst nach dem zweiten Examen gemacht.
Das hört man nicht so häufig.
Ja, aber ich muss sagen, das war die absolut richtige Entscheidung. Also neben mir gab es nur einen weiteren Deutschen, der das auch nach dem zweiten Staatsexamen gemacht hat. Und wir haben da beide unendlich von profitiert.
Also weil man hat nicht diesen Druck, ich muss mir noch meine Refplätze suchen. Wir wussten irgendwie ganz genau, wie es und wo es weitergeht. Und ich habe wirklich einfach komplett nach freiem Gusto meine Vorlesung gewählt.
Und das war wirklich alles von Kunst über Antiquitätenrecht, über Terrorismus und Recht, über Medien- und Kommunikationsrecht, über Arzthaftungsrecht. Also es war wirklich alles mit dabei und ich musste nicht mit einem Blick schielen, muss ich noch Europarecht machen, will ich irgendwie noch Corporate-Recht machen, um es noch dann für das zweite Staatsexamen zu haben, sondern es war wirklich komplett frei.
Und natürlich noch einen weiteren Vorteil hatte ich, ich wusste, ich steige danach in einen Job ein, ich steige danach in eine Kanzlei ein und habe dann die entsprechende finanzielle Absicherung, weil so ein LLM ist nicht günstig, gerade nicht in London, ich war an der LSI, London war noch nie günstig und ich konnte es einfach dadurch in vollen Zügen wirklich genießen, weil ich wusste, Es wird, egal wie schlimm es jetzt ist, es wird besser.
Ja, cool. Das ist tatsächlich auch eine ganz gute Perspektive und auch eine realistische Perspektive, glaube ich, die dafür spricht, nach dem zweiten LLM zu machen. Klar, wenn man jetzt nur aufs Monetäre optimieren wollen würde, würde man wahrscheinlich einfach direkt arbeiten gehen, aber es ist eben auch eine tolle Erfahrung.
Es war die absolut beste Zeit aus meinem Studium. Also nicht nur juristisch. Also natürlich, man hat juristisch Sachen mitgenommen. Ich habe auch zwei Vorlesungen im Arbeitsrecht besucht.
Ich habe auch meine Masterarbeit im Arbeitsrecht geschrieben. Aber das war reines Interesse. Und ja, also auch einfach so viele Menschen kennengelernt, mit denen ich immer noch in Kontakt stehe. Und auch die interkulturelle Kompetenz, weil das Arbeitsleben wird immer internationaler.
Man hat mit immer unterschiedlicheren Kulturen zu tun. Und jede Kultur reagiert anders. Also ich habe, bevor ich bei Advaiten war, bei einer anderen Kanzlei gearbeitet, die einen sehr starken japanischen Schwerpunkt hatte. Und die Japaner haben einfach ein ganz besonderes Geschäftsverhalten und reagieren einfach ganz besonders auf Aussagen oder man muss sehr stark zwischen den Zeilen lesen.
Das lernt man eben auch unter anderem in so einem LLM, weil wir waren glaube ich 60, 70, 80 verschiedene Nationen, die dann in Gruppenarbeit zusammensitzen mussten. Ich hatte eine Vorlesung im vergleichenden Verfassungsrecht und wir haben dort praktisch Leitentscheidungen aus der ganzen Welt diskutiert, eben mit Kommilitoninnen und Kommilitonen aus der ganzen Welt und da ging es halt eben zum Beispiel um die deutsche Entscheidung zum Kopftuch.
Dürfen Kopftücher in Schulen getragen werden. Da war natürlich die Ansicht, dass Kollegen aus der Türkei vielleicht eine andere als von der amerikanischen Kollegin. Und in Indien sieht das dann schon wieder ganz anders aus.
Und das ist, glaube ich, eine interkulturelle Kompetenz. Die wird man so nie wieder irgendwo anders lernen. Das kann einem auch kein Business-Kniggekurs beibringen. Und dann natürlich die Freundschaften, die man schließt.
Also es kommen alle in eine neue Stadt. Es wollen alle Leute kennenlernen. Alle haben irgendwie Bock drauf, um es mal so zu formulieren und alle stümpern sich mit ihrem Schulenglisch irgendwie durch und ja, also es ist eine großartige Erfahrung, die ich jedem nur absolut wärmstens ans Herz legen kann.
Wir verlinken da auch mal eine entsprechende Folge, die haben wir letztes Jahr aufgenommen zum Thema japanisch-deutsche M&A-Transaktionen. Ich habe da so eine Vermutung, dass es da vielleicht eine Connection geben könnte, aber das klären wir mal off the record. Wie bist du dann ins Arbeitsrecht gekommen?
Ja, das hatte ich schon am Anfang gesagt. Das war eigentlich tatsächlich eher Zufall. Ich hatte in der Standard-Arbeitsrechtsvorlesung im Studium eher eine abschreckende Erfahrung gemacht. Wir hatten einen Professor, es war glaube ich ein Lehrbeauftragter, der vorher und währenddessen bei Verdi gearbeitet hat und dadurch eine sehr, sehr politische Ansicht zum Arbeitsrecht hatte, was natürlich das Verständnis vom Recht, aber auch die Argumentation, aus der ja Jura eben auch besteht, sehr, sehr schwierig gemacht hat.
Also wir hatten eigentlich kaum Raum zum freien Denken, um es mal so zu sagen, weil es eigentlich eine relativ klare Meinung vorgegeben hat. Außerdem gab es keine PowerPoint-Präsentation, sondern nur Overhead-Folien, die eigentlich nicht lesbar waren.
Also das Ganze war etwas schwierig aus Studentensicht und hatte dann aber... Ja, einen ganz tollen Prof, tatsächlich im Schwerpunkt, der Juniorprofessor zu dem Zeitpunkt war und der das wirklich mit sehr viel Herzblut gemacht hat und der uns auch mit eingebunden hat und involviert hat und uns auch rausgefordert hat zum eigenen Denken.
Und all das hätte wahrscheinlich noch nicht gereicht, aber ich wollte dann mein Referendariat eigentlich im Life Science Bereich machen. Also ich komme aus einer Familie mit einem medizinischen Hintergrund und deswegen war das bei mir immer so ein bisschen Ärztin selber werde ich nicht, aber ich finde das Thema einfach interessant.
Und dann ist aber der Anwalt, zu dem ich wollte, ist tatsächlich kurz vor meinem REF zu einem Mandanten gewechselt und hat sein ganzes Team mitgenommen. Und da stand ich nun drei Wochen vor meinem REF-Beginn, vor meiner Anwaltsstation und es war irgendwie klar so, irgendwas muss ich jetzt machen und die referendatsbetreuende Partnerin war selber im Arbeitsrecht.
Und die hat mich damals dann gefragt, magst du nicht einfach zu uns kommen? Und ja, also es war wirklich von Tag 1 an fand ich dieses Rechtsgebiet sehr haptisch. Also jeder weiß irgendwie, man hat einen Arbeitsvertrag, es wird gekündigt, es gibt sexuelle Belästigung.
Irgendwas hat man ja immer schon mal in den Nachrichten gehört. Und ja, auch nach wie vor ist meine Meinung, das Arbeitsrecht ist ein Rechtsgebiet, was mit einem mitwächst. Von den kleinen Recherchefragen, von der kleinen Kündigung wird es immer größer.
Und das fand ich einfach von Anfang an unglaublich attraktiv und eben auch, es ist ein Rechtsgebiet, das ist kein Schreibtischtiger. Also ich sitze nicht den ganzen Tag nur im Backoffice, ich schiebe nicht nur den ganzen Tag Papier hin und her, sondern ich habe an den Kollegen da schon gesehen, es gibt Betriebsräte, es gibt Gewerkschaften, da wird mit der HR telefoniert, es gibt Verhandlungsrunden, es gibt Einigungsstellen, also das ist am Menschen dran.
Manchmal ein bisschen zu viel, aber es ist am Menschen dran und das war was... Ich weiß nicht, es gibt nur wenige Juristen, die sagen, ich möchte was mit Menschen machen, weil sonst hätten wir, glaube ich, nicht Jura studiert. Aber im Rahmen des Möglichen ist das ein sehr menschliches Rechtsgebiet, was ich schon immer toll fand.
Was machst du da konkret?
Ja, alles. Wir sagen wirklich auch, und so ist es auch, es ist Arbeitsrecht wirklich von A bis Z, also von Arbeitsvertrag über Abmahnung, was jedem ein Begriff ist über die von mir eben genannte Einigungsstelle, was wahrscheinlich nicht jedem ein Begriff sein wird, bis das dann wirklich am Ende vielleicht zu Streitigkeiten kommt, Kündigungsschutzverfahren, das ist so das, was man jetzt mal unter dem Begriff Individualarbeitsrecht fassen würde, also eigentlich die Unterstützung von HR-Abteilungen.
Also wir sind entweder die ausgelagerte HR-Abteilung von einem Unternehmen, die gar kein eigenes Arbeitsrecht hat oder wir unterstützen eben die Kolleginnen und Kollegen in der Personalabteilung wirklich mit allen Fragen, Vertragsanpassungen, Anhörungen oder wir haben gehört, es gibt ja jetzt was Neues mit der Arbeitszeiterfassung, wie ist denn das genau? Also wirklich, das sind so alles, was wir machen. Dann haben wir auch einen größeren Projektbereich.
Projektbereich kann man es, glaube ich, ganz gut nennen. Es ist ja immer wieder in den Medien. Es gibt Unternehmen, denen es gerade nicht so gut geht. Da müssen Stellen abgebaut werden.
Das ist auch was, was wir machen. Also wir nennen das Restrukturierungen. Wie kann man sozusagen wirtschaftlich Unternehmen wieder durch Umgestaltungsmaßnahmen so herstellen, dass sie wieder funktionieren und eine Zukunft haben? Oder auch, dass Transaktionen, dass ein Unternehmen kauft das andere. Das ist dann eher ganz, ganz klassisches Arbeitsrecht in Kombination mit Gesellschaftsrecht.
Das ist natürlich auch was, was wir machen. Dann haben wir noch einen Kollegen bei uns im Boot tatsächlich, den Mark Zimmer, der macht Compliance-Recht und Arbeitsrecht. Das ist so das, wo Arbeitsrecht tatsächlich sehr, sehr spannend wird, wo wir auch die Wirtschaftsstrafrechtler öfter mit ins Boot holen.
Da ist auch tatsächlich alles möglich. Also von den kleinen Fällen wie jetzt Diebstahl aus der Kasse über der alsatzbekannte Belästigung bei der Weihnachtsfeier bis hin tatsächlich zu großen Betrugsgeschichten oder ja, also da ist auch alles mit dabei. Und dann natürlich Betriebsräte und Gewerkschaften, unsere ständigen Begleiter und unsere, ich würde gar nicht sagen Gegenspieler, weil das wäre zu wertend.
Einfach die Mitspieler ist, glaube ich, die bessere Formulierung, weil ohne geht es nicht. Manchmal machen sie einem das Leben ein bisschen schwieriger, aber ja, it is what it is. Und dann das letzte Thema und das ist was, was ganz besonders bei uns ist, das ist der sogenannte Global Mobility Bereich.
Das ist jetzt auch was, was nicht alltägliches ist, aber es ist etwas, was eigentlich unter dem Begriff Arbeits- und Migrationsrecht fällt. Also das Thema Fachkräftemangel ist ja in aller Munde und bei uns melden sich einfach auch vermehrt Arbeitgeber, die sagen, wir haben einen Mitarbeiter aus einem Drittstaat, also einem Land, das nicht innerhalb der EU ist, wie können wir den hier nach Deutschland bekommen? Oder wir haben einen Geschäftsführer, der ist aber eigentlich gerade in den USA, wir wollen den für zwei Jahre in Deutschland haben, der soll hier was aufbauen.
Wie machen wir das? Und das ist tatsächlich, da beraten wir die Unternehmen auch in solchen Fällen und das rundet so ein bisschen unser Paket ab bei dem, was ist Arbeitsrecht.
Das ist eine ganze Menge.
Das ist eine ganze Menge, aber das ist auch ein Grund, was ich am Arbeitsrecht liebe. Es ist nicht langweilig. Also ich mache Arbeitsrecht jetzt eigentlich durchgängig seit 2019 ohne Unterbrechung und schon vorher als wissenschaftliche Mitarbeiter und Referendarin und es wird zu keinem Zeitpunkt langweilig.
Also ich hatte es ja schon vorher gesagt, das ist ein Rechtsgebiet, was mit einem mitwächst und ich sehe das auch gerade an den Berufsanfängern, also wie wirklich das kleine Spektrum von punktuellen Recherchefragen, wie der bekannte Fall, der Pfandbon, der aus der Kasse mitgenommen wird, reicht das für eine außerordentliche Kündigung bis zu immer größeren Projekten mit immer mehr Mitspielern wie Gewerkschaften, Betriebsrat und so wächst das mit einem mit.
Und das macht das eben auch so spannend und auch einfach als Rechtsgebiet einfach schön, wenn man sieht …, Es gibt immer mehr zu tun und es wird immer größer und die Verantwortung wird immer größer und ja, also langweilig wird es auf gar keinen Fall.
Cool, lass uns doch mal ein bisschen näher einsteigen. Also wir gehen erstmal sozusagen auf das ein, wo vielleicht auch der ein oder andere sagen würde, du bist also eine von denjenigen, die irgendwie helfen, Leute rauszuschmeißen. Stichwort Restrukturierung.
Ich würde mal ein konkretes Beispiel bilden, damit man jetzt nicht irgendwie nur sagt, ja, da geht es um Gewinnmaximierung, das ist ja meistens gar nicht der Hintergrund. Ich habe das gerade im Bekanntenkreis, da sind mehrere Arbeitnehmer, Freunde von mir, nicht in Führungspositionen, aber in guten Positionen in diesem Automobilzuliefererunternehmen, paar tausend Mitarbeiter weltweit und die haben halt relativ lange auf den Verbrenner gesetzt.
Oh Wunder, denen geht es gerade nicht so gut und da müssen jetzt mehrere hundert Leute entlassen werden und einfach damit das Unternehmen auch überlebt. Und der Freund von mir organisiert sich gerade mit der Gewerkschaft, fragt sich so ein bisschen, was er tun kann, wo der jetzt gerade irgendwie steht, da jetzt eine Abfindung irgendwann kommt, wie das alles eigentlich läuft, weil er auch nicht verheiratet ist und keine Kinder hat und der andere hat zum Beispiel zwei Kinder und ist verheiratet und hat man schon mal sowas gehört von Sozialauswahl oder so.
Kannst du uns da mal ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, was diese Thematik rechtlich sozusagen alles mit sich bringt?
Ja, gerne. Also vielleicht zu Anfang diese Vorstellung, das vom bösen Arbeitgeberanwalt, das kann ich total gut nachvollziehen und das war auch tatsächlich was, was ich mir am Anfang so ein bisschen überlegt habe, weil das ist ja, die meisten Kanzleien treffen oder haben eine Entscheidung für sich getroffen, Arbeitgeber- beziehungsweise Führungskräfteseite oder eben Arbeitnehmerseite und Betriebsratsseite beziehungsweise Gewerkschaftsseite, das ist natürlich eine Frage, die man sich stellt.
Also was möchte ich oder wo sehe ich mich? Bei mir war tatsächlich am Ende relativ klar die Entscheidung, ich möchte komplexe Dinge machen, ich möchte viele Dinge machen, ich möchte international arbeiten, ich möchte eben an diesen großen Verhandlungstischen mitsitzen und viele Arbeitnehmeranwälte werden wahrscheinlich entsprechende Projekte nicht mitbetreuen im Rahmen ihrer Karriere. Das ist auch nicht zwingend erforderlich, aber das war einfach was, was ich für mich entschieden habe.
Und ja, auch wir entlassen Menschen und haben größere Massenentlassungen. Und wie du gerade schon gesagt hast, Automobilzulieferer ist gerade das Wort der Stunde. Es ist nachvollziehbar, dass deine Freunde dort relativ unsicher sind, weil das ist natürlich auch eine schwierige Situation, weil die Arbeitgeber stehen zwischen, wir versuchen vielleicht nochmal das Unternehmen zu verkaufen, wir verhandeln vielleicht noch mit Investoren.
Und wenn der Arbeitgeber ein Unternehmen ist, was an der Börse ist und dann auch immer sagen, was dürfen wir schon kommunizieren, was dürfen wir nicht kommunizieren, wenn wir die Arbeitnehmer schon rechtzeitig informieren oder sehr früh informieren, was ist, wenn sie zum Beispiel streiken und sich organisieren und dann habe ich die Gewerkschaft im Haus und dann funktioniert gar nichts mehr.
Also das ist ein Balanceakt und wir machen sowas tatsächlich öfter, aber wir machen sowas auch nicht alleine, weil es ist einfach sehr, sehr viel, es ist sehr unterschiedliches. Also wir arbeiten in dem Zusammenhang zum Beispiel oft mit größeren Beratungsunternehmen zusammen, die uns dann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eben mit unter die Arme greifen.
Und was auch viele überrascht, wir arbeiten oft auch mit Medienagenturen zusammen, weil je größer und je bekannter das Unternehmen ist und auch je kritischer der Zeitpunkt ist, desto mehr stellt sich die Frage, wie verpacken wir das? Also ich hatte vor einigen Jahren eine große Betriebsschließung, da haben wir die Kündigung am 23. Dezember zugestellt.
Und das war auch was, wo ich auch dachte, tatsächlich, mein Kammerkonto wird sich davon nie wieder erholen. Und gerade in so einem Zeitpunkt war natürlich wichtig, wie kommunizieren wir es, wie werden Presse und Medien eingebunden, wie kommunizieren wir das gegenüber den Arbeitnehmern.
Also das ist nicht nur Jura, das ist ganz viel Politik, ganz viel Kommunikation, ganz viel Fingerspitzengefühl. Ja, genau. Und dann zu der Frage, was passiert.
Es wird sehr, sehr viel passieren, das kann ich auf jeden Fall sagen. Und in der Regel wird es, du hattest jetzt gerade vom Automobilzulieferer gesprochen und von den Gewerkschaften, in der Regel folgt da erstmal so eine Art Krisengespräch. Also da setzen sich die jeweiligen Beteiligten zusammen, die in diesem Zusammenhang eben was zu sagen haben werden.
Und da werden die Karten auf den Tisch gelegt, beziehungsweise je nach Prozess, je nach Verhältnis, weil das ist natürlich, es gibt Unternehmen, da ist das Verhältnis zum Betriebsrat und zur Gewerkschaft sehr, sehr gut. Da hat man einen sehr freundlichen, sehr offenen Umgang miteinander.
Dann gibt es aber auch Unternehmen, da wird dann gerade, je schlechter es dem Unternehmen geht, desto mehr wird dann noch versucht, durch den Betriebsrat oder die Gewerkschaft noch einen Vorteil rauszuschlagen. Also das ist natürlich immer sehr viel von der Stimmung abhängig.
Aber eigentlich setzt man sich am Anfang erst mal an den Tisch. Jede Seite hat natürlich auch ihre Anwälte mit dabei, weil es ist rechtlich unglaublich komplex. Also das ohne Anwälte zu machen, würde ich eigentlich niemandem empfehlen.
Und dann überlegt man sich halt einfach, was ist unsere finanzielle Situation? Was müssen wir für Maßnahmen ergreifen? Wo müssen wir die Maßnahmen ergreifen? Also gibt es vielleicht Betriebe, die sind wirtschaftlich besser aufgestellt? Oder gibt es bestimmte Betriebsteile, die laufen und andere vielleicht gar nicht? Das muss man natürlich gucken und da legt man sich dann am Anfang gerade auch so die Karten und im besten Fall wird dann so eine sogenannte Verhandlungsvereinbarung geschlossen.
Also man einigt sich so ein bisschen auf die Spielregeln, auch auf den zeitlichen Rahmenplan, weil der Arbeitgeber möchte oder hat vielleicht nur noch Geld bis zu einem gewissen Zeitpunkt oder…. Oder es soll eben gerade bis zu einem bestimmten Quartalsende sollen noch Dinge unbedingt fertig produziert werden und dafür braucht man vielleicht gerade noch jenes Personal, was man abbauen soll.
Also da spielen ganz, ganz unterschiedliche Interessen mit rein. Aber das ist erstmal so das, wo man sagt, okay, das sind unsere Spielbedingungen, das ist unser Spielplan. Und dann geht es regelmäßig dann in die Fragen Mitarbeiterkommunikation, wem erzielen wir was, zu welchem Zeitpunkt erklären wir die Situation und dann das Gesetz sieht tatsächlich vor, dass wenn es wirtschaftliche Nachteile gibt im Zusammenhang mit so einer Betriebsstilllegung oder mit einer großen Entlassung oder Umstrukturierung, dass Nachteile wirtschaftlicher Natur insbesondere durch Interessensausgleiche und Sozialpläne.
Das hat wahrscheinlich jeder schon mal auch irgendwo gehört. Es ist so ein nebulöser Begriff. Im Endeffekt geht es nur darum, die Beteiligten schließen eine Vereinbarung, indem man sagt, wir haben diesen bestimmten Topf Geld und wir müssen die Maßen oder folgende Entlassungsmaßnahmen in Bezug auf folgende Arbeitnehmer machen.
Da werden dann auch tatsächlich Arbeitnehmerlisten erstellt. Also man schaut sich an, was haben wir für Arbeitnehmer, wo können wir es auf einen bestimmten Teil abgrenzen oder so. Und da werden dann auch, ja so unangenehm es klingt, Arbeitnehmerlisten vereinbart, auf denen man dann schaut, das wären die Kandidaten, die gehen.
Okay, und sozusagen nach welchen Parametern macht man das? Also wir nehmen jetzt mal an, das ist unschön, aber das Unternehmen ist halt in Schieflage, muss irgendwie schrumpfen, um zu überleben. Jetzt gibt es dieses Stichwort Sozialplan, aber es gibt ja auch fachliche Qualifikationen.
Also die Abwägung ist ja irgendwie schwierig. Ich mache jetzt mal ein einfaches Beispiel. Da müssen jetzt 100 Leute entlassen werden, weil sozusagen die Zahlen sagen, wir müssen 400 Leute, ist die Abteilung groß, 100 sollen entlassen werden, 25 Prozent sparen.
Die verdienen der Einfachheit halber in unserem Beispiel jetzt alle gleich viel, damit man da irgendwie jetzt nicht noch rechnen muss. Wonach bestimmt man denn jetzt, wer aus den 400 die 100 werden? Ganz konkret.
Ja, ich glaube, das Erste, was man versucht, ist tatsächlich das Thema Freiwilligkeit. Also da arbeiten wir ganz oft mit dem Thema Ansprache durch die Führungskräfte oder ähnliches, weil jede Kündigung, die wir nicht aussprechen müssen, ist ein Verfahren, was nicht geführt wird, um es mal so zu sagen.
Außerdem gibt es relativ schnell Rechtssicherheit. Das heißt, das wissen natürlich gerade die Führungskräfte, wer in ihrem Team hat sowieso schon mal gesagt, er schaut irgendwie sich nach was Neuem um oder haben wir hier zum Beispiel einen Arbeitnehmer, der eh sagt, er will ab nächstes Jahr in Rente gehen oder es gibt ja verschiedene persönliche Umstände, die dazu führen können, dass es Arbeitnehmer gibt, die eigentlich schon gerne aus dem Unternehmen austreten wollen.
Was man dann in diesem Kontext natürlich auch macht, ist, man spricht sogenannte Low-Performer an. Also wenn man eh sowieso schon so ein bisschen Personalüberhang mit sich rumschleppt, bei dem eigentlich keiner so richtig weiß, was derjenige eigentlich den ganzen Tag tut, sind das immer so Momente, diese Person spricht man natürlich als erstes an.
Und dann machen wir oft Gebrauch von Aufhebungsverträgen natürlich, weil das viel Rechtssicherheit bietet und in dem Zusammenhang bieten wir auch sogenannte Klageverzichtsprämien an oder sogenannte Turbo-Klauseln. Also das sind jetzt Klauseln, wenn sie bis zum 20.
Den Vertrag unterschreiben, dann geben wir nochmal 5000 Euro drauf.
Okay, also es gibt immer eine Abfindung, muss man dazu sagen.
Ja, also das kann man sagen, das ist auch das, was wahrscheinlich die größten Diskussionen am Endeffekt dann liefert, wer kriegt auf der Basis von was wie viel. Genau, also dieser Sozialplan oder dieser Interessensausgleich, da gibt es so eine Art Berechnungsformel, die wird durch die Beteiligten festgelegt und da steht dann drin Faktor x mal y mal 25 durch 100 beispielsweise.
Und da werden eben, ja, also Betriebszugehörigkeit ist ein ganz klassisches Thema, Unterhaltspflichten ist ein ganz klassisches Thema, weil, und da kommt das ins Spiel, was du auch schon erwähnt hast, Sozialauswahl, beziehungsweise so Schutz des sozialen Besitzstandes. Dass gerade junge Arbeitnehmer mit guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ohne Unterhaltspflichten, die haben natürlich einen weniger starken sozialen Besitzstand als der Mitarbeiter, der seitdem er 16 ist im Unternehmen hat, drei Kinder hat und nebenbei noch zum Beispiel seine Frau pflegt.
Und das sind eben so Faktoren, die werden natürlich gerade bei der Abfindungsberechtigung berücksichtigt, weil die Abfindung ist eigentlich eine finanzielle Kompensation des Verlustes des Arbeitsplatzes oder der finanziellen Sicherheit, die der Arbeitsplatz mit sich bringt und da werden eben gerade jene Faktoren berücksichtigt und genau, das spielt sich dann später dann bei den Verhandlungen und bei den Berechnungen zugrunde.
Wie du schon sagst, da muss man also viel verhandeln. Da geht es dann gar nicht nur um Jura, da geht es auch ab und zu einfach mal um Geschick, um Strategie, um Taktik, um Kommunikation, wie wir gerade gehört haben. Wer sich das näher anschauen möchte, der findet natürlich deine Kontaktdaten auf irgendwasmitrecht.de und in den Shownotes.
Wir gehen nochmal auf einen anderen Bereich ein, der karmamäßig ein kleines bisschen besser gelagert ist, um hier auch so ein bisschen das Young und Young darzustellen. Ein Stichwort, was vielleicht beim Thema Arbeitsrecht noch gar nicht so viele Zuhörende gehört haben, Global Mobility, Arbeitsmigrationsrecht.
Ich denke mir wieder was aus, damit du nicht erzählen musst, wer deine Mandanten sind. Hochqualifizierte Fachkraft aus, sagen wir mal, irgendwie Indien, weil es irgendwie schon so häufig in der Presse war, soll nach Deutschland kommen. Ist jetzt mal nicht Programmierer, wie es das früher hieß, sondern ist vielleicht Chemiker und soll bei einem großen Chemiekonzern in Deutschland anfangen als Führungskraft, weil irgendwie besonders geeignet in einem ganz speziellen Gebiet und hat da auch schon geforscht und sich weltweit sozusagen Ruhm erlangt.
Ist weltweit zu Ruhm, wie sagt man?
Gekommen.
Weltweit zu Ruhm gekommen, kann man sagen.
Ja, glaube ich schon.
Und soll jetzt, Headhunter war da eingeschaltet, den Mann brauchen wir, will nach Deutschland kommen und ja, der kommt vielleicht dann nicht alleine, sondern kommt mit Frau und Kind. Will zumindest gerne mit Frau und Kind kommen. Das ist wahrscheinlich nicht ganz so leicht, oder?
Ja, also das war mir tatsächlich auch nicht so ganz klar, weil irgendwie man denkt so, naja, der hat ja einen Arbeitsvertrag, das muss ja irgendwie klappen und niemand reist gerne ohne seine Familie, und das ist tatsächlich auch ein relativ weit verbreiteter Glaube innerhalb von HR-Abteilungen, die dann gerne am 20. Eines Monats zu uns kommen und sagen, ja der soll ab dem ersten bei uns einsteigen.
Das ist dann ein Moment, da macht sich dann erstmal kurz ein bisschen Verzweiflung breit. Das ist nämlich tatsächlich gar nicht so einfach. Das fängt man eigentlich ganz am Anfang bei der Frage an, darf diese Person überhaupt erst mal ohne Visum einreisen? Manche Personen, also die USA zum Beispiel ist ein sogenannter Best-Friend-Staat, die dürfen schon mal erst mal ohne Visum einreichen.
Da gibt es dann den Stempel bei der Einreise, das ist relativ unkompliziert. Aber ja, du hast das Land Indien genannt. Da ist dann zum Beispiel schon mal für die Einreise ein Visum erforderlich.
Das heißt, jetzt eben so mal nach Deutschland einreisen funktioniert schon mal nicht.
Da ist vielleicht auch die HR-Abteilung so ein kleines bisschen EU-verwöhnt, würde ich das mal nennen, wo es ja dann deutlich einfacher ist. Wir schauen uns jetzt die Drittstaaten an, also nicht EU-Staaten.
Genau, ja, Entschuldige, das ist das Fachvokabular. Ja genau, also Drittstaaten sind alle Länder außerhalb der EU und Schweiz und Norwegen. Genau und dann, wenn man die Frage geklärt hat, wie bekomme ich diese Person erstmal ins Land, stellt sich dann die Frage, darf diese Person hier überhaupt arbeiten? Weil nur das Recht zur Einreise, also auch zu touristischen Zwecken, heißt nicht automatisch, dass die Person hier arbeiten darf.
Das ist also eigentlich frecht, wenn man so will, was da so sehr ans Arbeitsrecht dran gepflanscht ist.
Ja und das treibt mich auch tatsächlich regelmäßig in die Verzweiflung. Also das Thema Behörden ist ja echt ein ganz, ganz großes Problem. Also nicht Problem, aber etwas, was die Arbeit hier sehr zäh macht.
Also weil das geht dann tatsächlich Kommunikation mit Botschaften, mit Auslandsvertretungen in dem jeweiligen Herkunftsland über dann hier Meldebehörden. Die Arbeitnehmer, es wird hier keine Arbeitserlaubnis erteilt, wenn hier nicht ein geplanter Wohnsitz im Inland ist. Das heißt, wir unterstützen die Unternehmen oft dabei, hier Wohnungen zu bekommen für die Arbeitnehmer und sie dann einen Termin bei der Meldebehörde zu bekommen.
Manchmal gehen wir auch für unsere Mandanten zur Meldebehörde. Das ist deutlich mehr öffentliches Recht, als ich mir das so vorgestellt habe.
Wie ist denn da die Reihenfolge? Also Unternehmen und Fachkraft einigen sich, die wollen den Deal. Wie geht es dann ganz konkret weiter? Also was braucht man dann als nächstes, damit man irgendwann an seinem Ziel ankommt, dass die Person hier leben und arbeiten darf?
Eine typische juristische Antwort, es kommt darauf an. Es wurde tatsächlich jetzt so ein genanntes beschleunigtes Fachkräfteverfahren eingeführt. Das ist ein ganz besonderes Verfahren, was auf unser Beispiel ganz gut passt. Das ist ein hochspezialisierter Mitarbeiter, wahrscheinlich auch schon mit akademischer Ausbildung und Berufserfahrung.
Da hat man tatsächlich in Deutschland realisiert, Fachkräfte brauchen wir und die Behörden sind in Deutschland einfach überlastet. Wir kommen mit der Arbeit nicht hinterher und um die Person nicht zu vergraulen, brauchen wir ein neues Verfahren. Das kann hier in Deutschland tatsächlich durch den Arbeitgeber eingeleitet werden an seinem Unternehmenssitz.
Der muss durch die Führungs- oder durch die Fachkraft dann bevollmächtigt werden. Das übernehmen wir dann meistens mit und dann führt man hier dieses Verfahren durch, bekommt dann eine sogenannte Vorabzustimmung. Das heißt, die Ausländerbehörde in Deutschland hat dann sich alles angeguckt, hat die Voraussetzungen geprüft und leitet das dann an die zuständige Auslandsbehörde, also Botschaft oder Konsulat am Wohnsitz des Arbeitnehmers weiter und sagt dann, ja, hier gibt dem einen Termin innerhalb von drei Wochen, der hat einen Anspruch auf diesen Aufenthaltstitel, der darf hier bei uns arbeiten.
Also das ist praktisch eine Möglichkeit. Wenn diese Möglichkeit nicht besteht, dann erfolgt die Kontaktaufnahme tatsächlich auch bei der Auslandsvertretung und dann wird ganz klassisch ein Antrag auf Visum mit Arbeitserlaubnis gestellt. Und da wird dann das ganze Prozedere darüber dann abgewickelt und da stellen sich eben dann auch die Fragen, kommt die Familie mit, wie ist das, soll die Ehefrau in Deutschland zum Beispiel auch arbeiten, soll das Kind zur Schule gehen.
Das sind so ganz klassische Fragen, die in dem Zusammenhang geklärt wird.
Kriegt man das üblicherweise denn geregelt? Also haut das hin? Ich könnte mir vorstellen, viele Fachkräfte kommen ja auch einfach nicht, wenn sie ihre Familie nicht mitbringen können.
Ja, also da muss man auch sagen, da gab es ganz viel Entwicklung jetzt in den letzten Jahren, weil das eben auch gesehen wurde, dass das ein Problem ist oder ein wichtiger Faktor ist und das hat man zum Beispiel in den letzten Jahren deutlich vereinfacht. Also da gab es früher noch so Kriterien, die müssen alle verpflichtenden Integrationskurs machen, es müssen Sprachnachweise gegeben sein oder es muss sogar ein Job hier in Deutschland gegeben sein.
Da hatte ich jetzt gerade erst einen Fall, da war aber die Ehefrau hat jetzt gerade erst ein Kind bekommen.
Also für die Ehefrauen einen Job gegeben sein, dass die Hauptperson einen braucht, ist klar.
Genau, also die Hauptperson braucht sowieso einen, aber genau dann der mitreisende Partner sozusagen.
Geht natürlich auch umgekehrt, klar.
Genau und da war dann einfach das Thema, es war klar, die ist in der Elternzeit, die wird nicht arbeiten. Und da ging es auch nur darum, dass die für zwei Jahre in Deutschland sind, weil es hier nur darum ging, einen Standort aufzubauen.
Es hat überhaupt gar keinen Sinn ergeben, dass sie Deutsch lernt und einen eineinhalbjährigen Integrationskurs macht. Und das war vor der Gesetzesänderung und da seien wir uns noch mit dem Problem konfrontiert, was machen wir jetzt? Und da gibt es dann auch immer wieder die Möglichkeit, die Botschaften zu kontaktieren und denen dann das darzustellen, wieso das jetzt hier anders ist.
Aber da hängt es auch immer davon ab. Es gibt Behörden, die sagen, okay, wir denken mit und wir sehen, dass hier das Recht nicht passt und bejahen das dann trotzdem und drücken unseren Stempel rauf. Oder es gibt eben dann wieder eine Botschaft, die sagt, aber es steht so im Gesetz und ihr kriegt jetzt keine Stempel.
Und ja, da sind wir wieder beim öffentlichen Recht und dem Ermessensspielraum.
Cool. Was ist denn da die Rekordzeit, wo ihr das mal geschafft habt vom, hey, wir wollen den jetzt gerne hier haben oder die, bis ihr kann anfangen zu arbeiten? Also ist das ein halbes Jahr? Ist das eigentlich immer mindestens ein Jahr oder geht das auch mal in acht Wochen? Wie muss man sich das vorstellen?
Also wir sprechen hier in jedem Fall eher von Monaten als von Wochen. Wir haben tatsächlich heute erst ein Verfahren abgeschlossen. Da habe ich im Oktober, Mitte Oktober den Antrag eingereicht.
Wir nehmen im Dezember auf, also vor zwei Monaten.
Genau und die Botschaft in Brasilien hat jetzt drei Wochen Zeit, um dem Arbeitnehmer einen Termin zu geben. Also das heißt, wir wären dann bei gut elf Wochen, das ist schon extrem schnell. Wir haben aber auch teilweise Verfahren, die haben wir Anfang 2024 eingeleitet und da warten wir immer noch.
Also das hängt sehr davon ab, welche Ausländerbehörde ist zuständig. Gerade in den großen Städten Berlin, Frankfurt, Köln ist es natürlich sehr, sehr viel schwieriger als jetzt im ländlichen Bereich, wo natürlich die Menge an Personen, die Aufenthaltstitel wünschen, einfach geringer ist. Davon ist es halt abhängig, aber gerade Berlin ist extrem schwierig.
Das weiß man ja, wie lange man da unter anderem schon auf einen Termin für einen Personalausweis verlängernartet.
Ja, aber also jetzt so mit der Zeit muss ich auch echt sagen, am Anfang dachte ich auch so, es ist die Stadt, es liegt an den Leuten, aber das ist zum Beispiel überhaupt gar nicht der Fall. Also man merkt schon, die sind einfach wahnsinnig überlastet.
Also ich hatte letztens erst… Einfach zu viel Arbeit. Viel zu viel Arbeit. Also ich habe es jetzt erst gelesen in der Zeitung, die Ausländerbehörde in Köln hat jetzt schon so viele Terminanfragen, dass sie eigentlich erst Mitte 2026 wieder neue Termine vergeben könnten.
Aber sie bemühen sich natürlich trotzdem. Und ja, wir Anwälte machen ihnen das Leben auch nicht einfach, indem wir alle zwei Tage E-Mails schicken und nachfragen, wie der Stand ist. Aber uns sitzen eben die Mandanten im Nacken, die vielleicht auch nicht mit einer so langen Bearbeitungsdauer gerechnet haben.
Und ja, also es ist nicht einfach, aber es ist einfach auch teilweise sehr, sehr frustrierend, weil wir sitzen dann hier, haben alle Unterlagen eingereicht, es gibt nur ein allgemeines Kontaktformular oder im schlimmsten Fall nur die Behörden-Hotline und wir kommen an keine Person ran und wir können auch nicht sagen, wie ist der Stand des Verfahrens oder wir wissen nicht mal, haben wir alle Unterlagen eingereicht, weil die unterschiedlichen Behörden haben unterschiedliche irgendwelche Formulare und das, was noch bei der einen Behörde galt, gilt bei der nächsten dann schon nicht mehr.
Und ja, wir können oft Vermutungen anstellen. Es gibt dazu auch keine Lehrbücher. Also ich dachte am Anfang, als ich das Rechtsgebiet angefangen habe, ja, ich lese mir das dann einfach mal so durch und dann weiß ich schon, wie das funktioniert.
Nein, also das ist wirklich ein Rechtsgebiet, wo ich auch ganz oft mit meinen Kolleginnen zusammensitze und wir wirklich in Dreierrunden brainstormen und uns das überlegen. Und dann hat man vielleicht mal ein Glück, eine E-Mail-Adresse von jemandem zu haben, der in Berlin zum Beispiel bei der Ausländerbehörde arbeitet.
Und dann schickt man denen mal wirklich so unter der Hand E-Mails und sagt, wir wollen jetzt das und das machen. Ist das in Ordnung so? Oder an wen schicken wir das am besten oder so? Und man fuchst sich da so durch, aber es ist ganz, ganz wenig Jura und ich würde sagen, ganz viel probieren.
Vielen herzlichen Dank, Virginia. Das hat eine Menge Freude gemacht.
Sehr gerne.
Ciao.