Dr. Karsten Hardraht, Unternehmensjurist | Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
In Teil 9 des Rechtsmarkt-Specials gemeinsam mit dem Bucerius Center on the Legal Profession ist Dr. Karsten Hardraht zu Gast. Karsten berichtet aus der Sicht der KfW-Rechtsabteilung zu Trends in 2024. Wie sieht modernes Risikomanagement aus? Welche Rolle spielt Technologie in diesem Zusammenhang? Welche Fähigkeiten sind für Juristen in der Rechtsabteilung zukünftig wichtig? Hierzu gibt’s viele spannende Impulse von Karsten. Viel Spaß!
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Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist die staatliche Förderbank des Bundes und zählt damit zum öffentlichen Sektor. Ihr Hauptsitz liegt in Frankfurt am Main, dazu kommen größere Standorte in Bonn und Berlin; weltweit arbeiten rund 8.000 Beschäftigte für die Gruppe.
Juristisch spannend ist das breit gefächerte Mandat der KfW: Sie finanziert Mittelstand und Start-ups ebenso wie Infrastruktur, Entwicklungs- und Klimaprojekte im In- und Ausland und begleitet Kapitalmarkttransaktionen. Das Zusammenspiel von öffentlichem Auftrag, regulatorischen Anforderungen und internationalen Finanzierungen bietet einzigartige Einblicke.
Wer wissen will, wie sich Nachhaltigkeit, Digitalisierung und modernes Risikomanagement in einer der größten Rechtsabteilungen Deutschlands treffen, sollte unbedingt in unsere Gespräche mit Dr. Karsten Hardraht reinhören – klickt jetzt auf Play und lasst Euch inspirieren!
Zitat von Karsten in Epsideo 2 mit ihm
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu Episode 9 von Im Rechtsmarkt und heute darf ich mit einem sehr spannenden Teilnehmer sprechen, der sehr viele gute Inhouse-Perspektiven mitbringt und das ist Dr. Carsten Hardrath. Hallo Carsten. Hallo Marc. Carsten, du hast einen etwas längeren Titel. Du bist Chefsyndikus und Leiter des Rechtsbereichs bei der KfW. In a nutshell, was sind da so deine Themen?
Das ist natürlich ein Riesenfeld. Der Rechtsbereich der KfW ist von den Rechtsbereichen der Republik einer der größeren. Wir haben im Konzern 130 Personen, die in Rechtsfunktionen tätig sind. Allein in der KfW sind es über 100. Und wir haben mit der ganzen Bandbreite dessen zu tun, was die KfW als Förderbank des Bundes so tut, in allen rechtlichen Facetten.
Die Frage, die über diesem Podcast steht, ist, wie sollte sich oder wie richtet sich eine moderne Rechtsabteilung in 2024 strategisch aus? Was sind da aus deiner Sicht die relevanten Themen?
Große strategische Themen in der Bankindustrie und in der Förderwelt ist natürlich das ganze Thema Digitalisierung und die Polykrisen dieser Welt. Damit haben wir dann vor allem in der Rechtsabteilung auch zu tun.
Das sind dann die Trends, die das Jahr auch erst einmal extern beeinflussen. Welche internen Trends siehst du?
Auch da wieder Digitalisierung und dann natürlich der Weg der KfW hin zu der digitalen Transformations- und Förderbank. Das ist eine Überschrift, die wir uns gegeben haben für unsere Zukunftswelt.
Wie sieht in diesem Zusammenhang dann modernes Risikomanagement in der Rechtsabteilung für dich aus?
Modernes Risikomanagement besteht in der Rechtsabteilung genau genommen nicht erst heute, sondern auch schon in der Vergangenheit in Verantwortungsübernahme. Das ist vielleicht der Kern.
Und das bedeutet?
Dass wir, das ist eine Grundlage dafür, zunächst mal das Geschäft verstehen müssen. Und dann den Kunden, den internen Kunden mit dem Rechtsrat, den wir geben, nicht alleine lassen.
Und das Ergebnis mitträgt und dann nicht nur sagt, ich übersetze mal frei, könnt ihr so machen, sondern dass man das Ergebnis entsprechend auch als gemeinsame Entscheidung sieht. Könnte man das so sagen?
Ja, ich glaube, wenn man es ganz genau nimmt, gibt es ganz am Ende eine Entscheidung des Business, bestimmte Risiken zu nehmen oder nicht zu nehmen. Aber das darf nicht handlungsleitend sein für die Juristen, sondern die Juristen müssen bereit sein in der Lage, und darauf achten wir schon bei der Auswahl der Leute, die wir einstellen, zu verstehen, was im Unternehmen passiert, was die Kunden brauchen und aus der Warte das ganze Thema sich anzugucken.
Heißt das, Silo-Denken wird in Zukunft, ich würde mal eine Klammer setzen, noch mehr aufgebrochen?
Ja, ich glaube, dass in der Risikosteuerungswelt Silo-Denken immer schädlich ist. Man muss immer bereit und in der Lage sein zu verstehen, was die Kunden wollen und tun. Ich glaube, die typische Rechtsabteilung, die man vor 10, 15 Jahren hatte, hat sich oft verstanden wie eine externe Kanzlei, die Rechtsrat gibt.
Der dann, das ist immer so mein Bild, den Rechtsrat auf ein Wägelchen stellt, dann eine silberne Haube drüber legt und das zum Kunden schickt und dann muss der Kunde mit dem Rechtsrat irgendwie klarkommen. Das ist aber ganz klar nicht der Weg.
Der Weg ist, mit dem Kunden sich unterzuhaken und gemeinsam die Themen zu besprechen und so in den Dialog zu gehen, dass man versteht, was er braucht und nur dann kann guter Rechtsrat daraus auch entstehen.
Hat das auch Auswirkungen auf die Frage, wann die Rechtsabteilung hinzugezogen wird im Prozess? Ist das aus deiner Sicht früher geworden, als es vielleicht noch vor einigen Jahren mal der Fall war?
Ich weiß nicht, ob man es so auf die Zeitschiene legen kann, aber es ist auf jeden Fall richtig, früh eingebunden zu werden, damit die Weichen, die gestellt werden, immer unter Reflexion des Rechtsrats gestellt werden. Und das Schlechteste ist, irgendwie so spät einbezogen zu werden, dass die Weichen schon gestellt sind und man mehrfach falsch abgebogen ist.
Insofern muss der Anspruch immer sein, früh dabei zu sein und zu gucken, welche Weichen relevant werden auf der Strecke.
Wie bekomme ich denn dann in die Rechtsabteilung die richtigen Skills rein? Also, dass ich beispielsweise auch die Businessbrille noch ein kleines bisschen besser aufsetzen kann. Denn dass in der Rechtsabteilung top juristische Fähigkeiten vorhanden sind, das kann man, denke ich, voraussetzen.
Dass zum Beispiel ein gewisses Technikverständnis gerade jetzt auch mit Blick auf die ganzen KI-Themen ausgebaut wird. Was kann man da tun als Rechtsabteilungsleiter zum Beispiel?
Ich glaube, es gibt verschiedene Spielfelder, auf denen es spielt. Das eine ist erstmal das ganze Thema soziale Kompetenzen. Wenn ich nicht bereit und in der Lage bin, erstmal auf mich selber zu schauen, mich selber zu verstehen und dann in der Folge mich in die Schuhe der internen Kunden zu stellen und die zu verstehen und zu wissen, woher die kommen, also Stichwort Perspektivwechsel, dann kann ich schon gar keinen guten Dialog mit denen darüber führen, was sie brauchen rechtlich.
Das ist das eine. Der Weg dahin führt über eine gute Auswahl von Personen und über Bewerbungsgespräche, in denen diese Themen auch implizit thematisiert werden, um zu sehen, was die Leute an Perspektivfähigkeit mitbringen und was sie nicht mitbringen. Das ist sozusagen die Social-Skill-Seite.
Und auf der anderen Seite, wenn du jetzt das Thema digitale Kompetenzen ansprichst, dann müssen wir uns natürlich darum kümmern, dass zum einen ein sehr dezidierter Dialog zwischen den Juristen und den internen Kunden stattfindet, sodass die Kunden erklären können, was passiert in den Themen, die rechtlich relevant sind. Erstens.
Und zweitens müssen wir natürlich und machen das auch, setzen wir Schulungen auf, wo die Leute das dann lernen.
Verändert sich dadurch auch die Rolle der Rechtsabteilung im Gesamtunternehmen?
Das ist ein bisschen die Frage, woher man kommt. Also ich glaube, dass eine Rolle einer Rechtsabteilung sich immer dann ändert, wenn man eben dort nicht ist oder dort nicht war. Und natürlich, wenn ich bereit bin, Perspektivwechsel einzunehmen, Verantwortung zu übernehmen, mit den Leuten gut zu reden, das Geschäft verstehe, dann ändert sich die Rolle automatisch, indem ich an die Tische komme, an denen die Entscheidungen getroffen werden.
Und das ist ehrlich gesagt die beste Art der Risikosteuerung, bei den Entscheidungen eingebunden zu sein, weil das größte rechtliche Risiko an den Stellen entsteht, wo ohne Legal gearbeitet wird.
Wie schafft man das denn dafür im Unternehmen auch als Rechtsabteilung sozusagen zu werben, da dann auch wirklich eingebunden zu werden, dass das durch die Dynamiken gerade in der Welt, aber auch im Rechtsmarkt einen immer größeren Bedarf gibt, das ist klar, aber hast du da vielleicht für unsere Zuhörenden, die ja gegebenenfalls auch in ähnlichen Rollen tätig sind wie
du, vielleicht noch einen konkreten Tipp, so ganz hands-on?
Das hat, glaube ich, notwendigerweise alles einen gewissen Abstraktionsgrad, aber ein sehr enger Austausch mit denen, die es betrifft, ist wichtig. So, das kann man dann runterbrechen in JoFix, regelmäßige Austauschformate, Workshops, die man gemeinsam macht mit den Kunden. Entweder, weil man am Anfang an der Strecke ist und Dinge wirklich in der Tiefe verstehen will, dann kann man einen Workshop machen.
Man kann aber auch und sollte auch an den Entwicklungen bei den Kunden dranbleiben, indem man einfach auch sich Gelegenheiten auch formalisiert schafft, im Austausch zu sein und zu bleiben über die Entwicklungen, die es gibt. Das ist etwas, was wir ziemlich konsequent machen, was ich persönlich auch konsequent mache und davon profitieren wir insgesamt, weil natürlich dadurch 360 Grad die Themen in die Rechtsabteilung kommen.
Dann lass uns doch mal über den Elefant im Raum sprechen, nämlich das ganze Thema KI. Als ich dich gerade eben im Vorgespräch gefragt habe, du, wenn wir jetzt wirklich einen Trend für 2024 brauchen, dann hast du mich etwas entgeistert angeschaut und gesagt, ja, KI, da kommen wir nicht drum herum.
Und da hast du natürlich vollkommen recht. Welche Themen dahingehend in der Rechtsabteilung siehst du und wie kann man sozusagen nicht nur von der Flut neuer, echter oder auch unechter KI-Software erschlagen werden, sondern eben auch KI nutzen, sodass KI entlastend wirkt? Welche Chancen gibt es in dem Zusammenhang?
Das ist eine große Frage, auf die man, glaube ich, allumfassend kaum vernünftig antworten kann. Ähm, Ganz generell glaube ich, dass in der Zeit sozusagen nach November 2022, also seitdem ChatGPT allgemein verfügbar ist, sich die Erkenntnis bei allen durchgesetzt hat, dass generative künstliche Intelligenz substanziell Effizienzgewinne in allen textlastigen Berufen mit sich bringen kann.
Und klar ist auch, dass man natürlich mit Blick auf juristische Themen da eine gesunde Skepsis haben sollte, um nicht leichtfertig die Ergebnisse zu nehmen, die da kommen. Einerseits. Andererseits mit dieser Begründung, dem Thema nicht nachzugehen, würde ich für komplett falsch halten, weil die Chancen, die drinstecken, gerade auf der Effizienzseite, Entlastungsseite und Fokussierung auf die spannenden, hochwertigen Themen, die ist es dreimal wert.
Da steckt eine ganz interessante Annahme drin in deiner Antwort, nämlich die Aussage, es gibt hochwertige Themen sozusagen und es gibt vielleicht auch weniger spannende, nennen wir sie mal eher spannend und nicht so spannende Themen. Und diese weniger spannenden Themen, die könnte uns KI dann in Zukunft eventuell eher abnehmen.
Also ich glaube, wir stehen am Anfang einer Entwicklung und in der gegebenen Situation würde ich sagen, ist das noch so, wie die Entwicklung weitergeht und ob die generative Künstliche Intelligenz nicht auch komplexe und anspruchsvolle Dinge, die sie heute noch nicht kann, in relativ kurzer Frist nicht doch tun kann. Das vermag ich heute nicht zu sagen.
Meine Annahme wäre eher, dass wir da auch hinkommen und dass die Entwicklung weiter so steil vorangeht, wie das aktuell der Fall ist.
Ja und damit sind wir ja wieder beim Thema Verantwortungsübernahme. Nehmen wir mal an, wir haben einen entsprechenden Entwurf durch die KI, dann muss natürlich der Inhouse-Jurist ebenso wie der externe Berater immer im Driver-Seat bleiben, immer seine Arbeitsergebnisse entsprechend auch rechtfertigen und ohnehin kann er ja diese nicht ungeprüft von der KI übernehmen.
Fraglos. Und jeder, der mit ChatGPT und all seinen Brüdern und Schwestern mal ein bisschen rumgespielt hat, weiß auch, was da rauskommt und weiß einerseits um die wirklich auch brutalen Effizienzpotenziale, die das Ganze hat auf der einen Seite und die Variationsbreite der Ergebnisse und die teilweise auch fehlende Verlässlichkeit der Ergebnisse auf der anderen Seite. Das heißt also in der gegebenen Welt, das kann aber in Zukunft auch anders sein, in der gegebenen Welt kann niemals ein KI-Produkt ungeprüft rausgehen, sondern es bleibt eine Rolle der Juristen auch bei einem KI-generierten Produkt immer in der Qualitätssicherung und je nach Komplexität ist das eine umfangreichere oder weniger umfangreiche Tätigkeit.
Und meine persönliche Annahme ist, dass sehr komplexe Aufgaben aktuell von der KI noch nicht bewältigt werden können. Bei Kleinen ist das aber ohne weiteres der Fall, aber auch da muss man eine Qualitätssicherung durchführen und dann kann der Jurist die Verantwortung auch gut übernehmen.
Stellt sich die spannende Frage, wie man die Juristen zukünftig seniorisiert, damit sie diese Erfahrung mit sich bringen, weil diese Qualitätssicherung ist natürlich ein Seniorer, also setzt ein Seniorer-Skill-Level voraus und es gab verschiedene Runden, in denen wir uns darüber schon Gedanken gemacht haben. Und ich glaube, das ist eine der großen Herausforderungen für den Rechtsmarkt insgesamt, die Seniorisierung, die wir alle durchlaufen haben, durch Befassung mit Einzelfällen, auch bei nachwachsenden Generationen so hinzubekommen, dass sie in der Lage sind, die Ergebnisse der KI zu kontrollieren.
Ja, super spannender Punkt, denn wir haben, nur um das sozusagen nochmal zusammenzufassen, da natürlich die Situation, dass diese ganzen Zwischenschritte zur Seniorisierung aufgrund der neuen Technologie, das eben weniger per Hand gemacht werden muss, wegfallen und damit natürlich auch sozusagen aus Mandantensicht immer weniger Bereitschaft herrschen wird, für solche Inhalte auch zu zahlen.
Ganz genau. Also ich glaube, da muss man noch einiges an Hirnschmalz reinstecken, weil es ohne Nachwuchs ja nicht geht. Und ein einfacher Weg wäre, und der wird vielleicht ein Teil jedenfalls dessen abdecken, was man braucht, ist eben begleitetes Überprüfen der KI-Ergebnisse.
Also man hat eben einen Senioren oder eine Seniorin und eine Junioren, die gemeinsam sich die Ergebnisse angucken und dann wird eben durch die Überprüfung der Ergebnisse gelernt. Also das ist sicherlich ein Weg, künstlich den alten Weg aufrechtzuerhalten.
Also ich glaube nicht, dass das ein zukunftsträchtiger Weg ist.
Ich sehe schon, wir müssten uns eigentlich noch etwas länger hier bei Irgendwas mit Recht unterhalten. Das machen wir sehr, sehr gerne, gerade auch mit Blick auf deine sonstigen Tätigkeiten. Für den Moment erstmal vielen herzlichen Dank. Sehr gerne. Tschüss.
Tschüss.