IMR8119. Apr 21
IMR081: Wirtschaftsstrafrecht | Interview Rechtsanwältin

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IMR081: Wirtschaftsstrafrecht | Interview Rechtsanwältin

Mirjam Steinfeld, Partner | Steinfeld Recht

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Über diese Episode

Folge 081 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Wirtschaftsstrafrecht - Wirtschaftsstrafrechtlerin - StA - Kanzlei - Compliance - Internal Investigations - Praktikum - Referendariat

In dieser Folge sprechen wir über den Weg zum Wirtschaftsstrafrecht, Sitzungsdienste bei der Staatsanwaltschaft, die Gründung der eigenen Kanzlei, typische Sachverhalte, Compliance-Maßnahmen, Internal Investigations sowie Praktika und Referendariat bei Mirjam. Spannende Einblicke und wertvolle Tipps erwarten euch!

Kapitel:

  • 00:56 - Weg zum Wirtschaftsstrafrecht
  • 02:08 - Sitzungsdienste bei der StA
  • 05:29 - Die eigene Kanzlei gründen
  • 08:51 - Typische Sachverhalte
  • 18:09 - Compliance
  • 22:44 - Internal Investigations
  • 30:01 - Praktikum / Referendariat bei Mirjam

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Mirjam Steinfeld

Mirjam Steinfeld

Kapitel

  • 00:00:56.195Weg zum Wirtschaftsstrafrecht
  • 00:02:08.804Sitzungsdienste bei der StA
  • 00:05:29.966Die eigene Kanzlei gründen
  • 00:08:51.418Typische Sachverhalte
  • 00:18:09.871Compliance
  • 00:22:44.399Internal Investigations
  • 00:30:01.951Praktikum / Referendariat bei Mirjam

Über Steinfeld Recht

Steinfeld Recht ist eine auf Wirtschaftsstrafrecht und Compliance spezialisierte Boutique-Kanzlei mit Sitz in Frankfurt am Main. Das Team um Gründerin Mirjam Steinfeld umfasst aktuell unter zehn Berufsträgerinnen und Berufsträger und berät nationale wie internationale Mandant:innen bei Internal Investigations, Steuer- und Korruptionsverfahren sowie präventiver Compliance-Architektur.

Als kleine Einheit kann Steinfeld Recht besonders schnell und persönlich agieren; Mandant:innen schätzen die unternehmerische Herangehensweise, die internationale Erfahrung der Anwält:innen und die Verbindung von klassischer Strafverteidigung mit strategischer Beratung. Lust auf mehr Einblicke? Dann einfach in die Podcastfolge reinklicken und mit uns in die Welt des White-Collar-Crime eintauchen!

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Wirtschaftsstrafrecht begeistert mich, weil es um Menschen geht, um reale Probleme, nicht nur um juristische Paragrafen. Es verbindet Recht und wirtschaftliches Verständnis – eine faszinierende Herausforderung.

Sneak Peak – Q&A mit Mirjam Steinfeld

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

Music:

0:10 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht, eurem Jura-Podcast in Zusammenarbeit mit LTO und LTO-Karriere. Mein Name ist Marc Ohrendorf und heute spreche ich zum Thema Wirtschaftsstrafrecht mit Mirjam Steinfeld. Hallo Mirjam.

0:28 Min
Mirjam Steinfeld:

Hallo Marc, danke, dass ich da sein darf.

0:31 Min
Marc Ohrendorf:

Vielen Dank, dass du der Einladung in diesem Podcast gefolgt bist, die übrigens auf eine Empfehlung durch eine Zuhörerin zurückgeht und durch eine gemeinsame Bekannte, die wir haben. Insofern ist es schön, dass wir heute mal dieses Thema Wirtschaftsstrafrecht uns ein kleines bisschen näher anschauen können.

NaN
Marc Ohrendorf:

Fangen wir vorne an. Wo hast du studiert und wie bist du dann überhaupt dazu gekommen, dich dem Wirtschaftsstrafrecht ein kleines bisschen näher zu widmen?

0:57 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, also das war nicht wirklich der direkte Weg, den ich da genommen habe. Ich habe in Mainz und in Dijon studiert. In Mainz habe ich Jura studiert, da habe ich dann direkt den integrierten Doppelstudiengang deutsches und französisches Recht gemacht, hatte mich selber vielmehr so im internationalen Privatrecht gesehen, hatte mich da auch entsprechend darauf spezialisiert mit dem Studium in Dijon, habe dann aber gemerkt, dass auch bei Praktika dann in Frankreich, dass das nicht so ganz das ist, was ich möchte, weil ich dann doch irgendwie lieber mehr am Menschen und mit dem Menschen bin.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und da fand ich, bin ich dann doch mit irgendwelchen internationalen Verträgen eher ganz weit weg von. Dann bin ich wieder zurück nach Deutschland gekommen, habe das erste Staatsexamen ziemlich direkt danach abgeschlossen, bin dann ins Referendariat gegangen und war ehrlicherweise eher planlos, weil alles, was ich wusste, war das, was ich mir vorgenommen hatte, das will ich nicht.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Die Alternative dazu hat sich jetzt nicht direkt aufgedrungen und war dann in der Station bei der Staatsanwaltschaft und habe gemerkt, okay, da habe ich richtig Spaß dran. Also das ist sowas, das kann ich mir vorstellen, aber auf der anderen Seite.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also das war so direkt, dass ich gemerkt habe, super Sache, falsche Seite.

2:08 Min
Marc Ohrendorf:

Okay, dann lass uns mal ein kleines bisschen für diejenigen, die das noch vor sich haben, auf die Station bei der Staatsanwaltschaft eingehen. Ganz bekannt ist, dass man da Sitzungsdienst macht. Man spielt so ein bisschen Staatsanwalt, ne?

2:19 Min
Mirjam Steinfeld:

Genau, wobei man auch da sagen muss, wie immer, es hängt wahnsinnig stark vom einzelnen Ausbilder ab. Ich hatte eine sehr junge, intelligente, motivierte Staatsanwältin, das Referendariat habe ich am Landgericht in Darmstadt gemacht und war da dann bei der Staatsanwaltschaft in der BTM, also in der Betäubungsmittelabteilung und hatte dann da direkt als Fall, den ich bearbeiten sollte, Ein Tötungsdelikt tatsächlich, weil da einer seinem Kunden anstelle von Heroin Lidocain verkauft hat.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und das ist halt nicht so günstig, wenn man sich das anstattdessen spritzt. Und das war total spannend. Also da waren ganz viele tatsächliche Fragen, rechtliche Fragen. Die Arbeit mit einem, das hat einfach richtig Spaß gemacht.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also da habe ich so richtig gemerkt, okay, das fand ich toll. Und natürlich im Rahmen dieser Staatsanwaltschaft oder der Station bei der Staatsanwaltschaft musstest du, glaube ich, zwei Sitzungsdienste machen. Du durftest aber auch mehr machen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und ich habe dann auch mehr gemacht, weil ich einfach gemerkt habe, wie gesagt, das macht mir einfach Spaß und das Auftreten vor Gericht, das natürlich ist man aufgeregt, aber manche Leute mögen halt diese Aufregung, dazu gehöre ich dann auch. Und habe mich da so richtig wiedergefunden.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Nur halt, wie gesagt, mit der Einschränkung, dass ich gemerkt habe, ich möchte auf der anderen Seite sitzen und gleichzeitig eben auch schon während ich Sitzungsvertreterin war, wenn ich mir dann angehört habe, was manche Verteidiger gesagt haben, dass ich gedacht habe, so um Jottes Willen, also das würde ich anders machen oder das kannst du doch nicht machen oder, oder, oder.

3:53 Min
Marc Ohrendorf:

Und woran hast du das gemerkt? War das nur, dass du gesagt hast, Kann das eigentlich vielleicht als Verteidigerin besser oder war das noch ein anderer Punkt?

4:01 Min
Mirjam Steinfeld:

Also zum einen war es wirklich, dass ich gemerkt habe, es interessiert mich. Das ist ja sowas, da kommt ganz viel, wer ist man selbst mit rein. Und das hatte ich zuvor, man fängt ja an mit der Station beim Zivilgericht, da war ich beim Amtsgericht.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und da hatten wir einen Fall, da ging es darum, ob ein Ikea-Regal kaputt geliefert wurde, kaputt aufgebaut oder sonst was wurde. Und da habe ich nur gemerkt, also dafür habe ich nicht Jura studiert. Dafür habe ich nicht Jura studiert.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Damit möchte ich nicht mein Leben verbringen mit derartigen Fragen. Redet doch einfach miteinander. Und das war so natürlich dieser Erfahrung vorausgegangen, wo ich gemerkt habe, also das auf gar keinen Fall. Und da jetzt im Strafrecht habe ich gemerkt, hier geht es um was.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Hier geht es um Menschen. Hier geht es um, so verwerflich sie sein mögen, aber um sehr menschliche Dinge. Und da habe ich einfach gemerkt, da war ich einfach mit Feuer und Flamme dabei. Und dann, nachdem ich natürlich eben vor Gericht dann dieses, du hast halt eben so eine ganz definierte Arena, in der du dich bewegst und mit einem ganz klar vorgegebenen Koffer an Handwerk, Handwerkszeug.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und damit kannst du arbeiten und da ist dann die Frage, was machst du wie, wann, wo und da habe ich halt gemerkt, da hat es direkt bei mir angefangen zu arbeiten, was kann man wie machen, was kann man besser machen, wo hat der andere vielleicht auch dann recht gehabt, wo hat der eine offene Flanke getroffen und derartige Überlegungen, also das hat einfach, das hat getroffen.

5:30 Min
Marc Ohrendorf:

Und dann hast du da im Prinzip schon beschlossen, dass du nachher Wirtschaftsstrafrecht machen wirst oder wie kam es dann dazu?

5:37 Min
Mirjam Steinfeld:

Das Wirtschaftsstrafrecht kam erst später. Also ich habe dann, jetzt quasi zurück auf meinen Lebenslauf, ich habe dann gesagt, okay, Strafrecht ist es. Dann habe ich mich umgeguckt und direkt nach einer freien Mitarbeit gesucht, schon während dem Referendariat und natürlich auch einen Platz für meine Anwaltsstation.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Habe dann einen strafverteidiger Kollegen gefunden, der in mehreren Städten einen Standort hat und unter anderem auch in Spanien. Ich war auch, sollte man sagen, während meinem Referendariat auch in Spanien, hatte auch mein Spanisch so ein bisschen up-to-date gebracht und konnte das dann da halt eben auch einsetzen und habe gemerkt, okay, Strafrecht finde ich schön, macht mir Spaß.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Habe ich dann direkt nach dem Referendariat, also wirklich direkt danach, ich habe im Dezember hatte ich mein zweites Staatsexamen in der Tasche und im Januar hatte ich meine Zulassung und damit dann auch direkt meine Kanzlei. Und bin dann eben direkt losgestartet als Strafverteidiger, habe wirklich natürlich am Anfang erstmal genommen, was mir vor die Flinte kam, habe auch die Pflichtverteidigungsmandate gemacht, bin also auch zum Gerichten gegangen, habe mich vorgestellt und, und, und, und habe erstmal gemacht und getan.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Habe dann allerdings natürlich gemerkt, okay, also damit möchte ich mich jetzt auch nicht meinen Lebtag lang beschäftigen und habe dann natürlich geguckt, okay, was ist von dem, was ich kann und was ich habe, was kann ich wie einbringen? Jetzt ist es so, ich kann in vier Sprachen beraten. Das heißt also, das ist natürlich so etwas, da kannst du jetzt natürlich sagen, okay, du spezialisierst dich auf die Drogenkuriere aus Südamerika, aber das war es jetzt auch wieder nicht, was ich wollte.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also insofern ging das dann schon mehr so Richtung Wirtschaft, zumal ich auch gemerkt habe, dass ich gerade so mit den berühmten kleinen und mittelständischen Unternehmen einfach einen guten Draht habe. Also, dass ich da einfach auf Augenhöhe mit denen sprechen kann und das gut funktioniert und die auch mit meiner Denkung zurechtkommen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und so hat sich das dann weiterentwickelt und dann kam es, vielleicht sollte ich sagen, genau, mein Examen habe ich, mein zweites habe ich 2012 gemacht. Und 2011 im Dezember 2012 hatte ich meine Zulassung, habe dann also mit 27 meine eigene Kanzlei gegründet, die ich jetzt also seit neun Jahren habe und habe dann eben 2015 hatte ich dann das Glück, dass ich über einen ganz tollen Kollegen hier in Darmstadt, den Oliver Kipper, in ein großes Mandat reinkam.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das war dann im Umsatzsteuer-Karussell-Verfahren und da durfte ich dann halt eben mit verteidigen und das war natürlich gerade für so einen Anfänger war das echtes Glück und hat Spaß gemacht und war natürlich ein riesengroßes Verfahren, wo halt eben dann auch gerade so Sachen wie meine, also ich bin zweisprachig mit Englisch aufgewachsen, wo das dann natürlich auch voll zum Tragen kam, weil eben mein Mandant auch nicht deutschsprachig war.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und das halt dann was ganz Wichtiges ist. Also das ist sowas, wo ich dann gemerkt habe, okay, und jetzt komme ich ins Wirtschaftsstrafrecht rein und da kommen dann auch wirklich trotzdem auch noch so menschliche Aspekte rein. Du kannst vielleicht eine Sprache sprechen, aber wenn du die Kultur nicht kennst, wenn dir die komplett fremd ist und damit meine ich jetzt nicht nur die Lebenskultur, sondern auch die Rechtskultur, dann ist es sehr schwer, einen Draht zu deinem Gegenüber zu finden, zu deinem Mandant, weil den musst du ja abholen und dafür musst du verstehen, wo kommt der her.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ja, da kannst du natürlich bei Adam und Eva anfangen und dem eine Vorlesung im Strafrecht geben. Oder aber du konzentrierst dich auf die Punkte, wo es eben die Abweichung gibt. Dass du dem also sagst, also das und das ist bei uns anders als bei euch.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Du kennst es so, hier ist es so. Und da hat das dann wirklich eingegriffen und einfach wahnsinnig Spaß gemacht.

8:51 Min
Marc Ohrendorf:

Wie würdest du denn das, weil du gerade sagtest, da bin ich so ins Wirtschaftsstrafrecht reingekommen, wie würdest du denn das Wirtschaftsstrafrecht abgrenzen? Was sind denn die typischen Delikte? Was sind die typischen Sachverhalte, mit denen du dort zu tun hast?

9:02 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, also im Englischen nennen wir ja das Wirtschaftsstrafrecht White-Collar-Crime und das bringt es dann, also White-Collar im Gegensatz zum Blue-Collar, das ist halt so der Unterschied, wo du ihn eigentlich ziehst, weil du kannst natürlich auch ein Nicht-Wirtschaftskriminaldelikt haben, was Diebstahl ist, du kannst es aber auch eben im Wirtschaftsstrafrecht haben. Aber üblicherweise, sage ich jetzt mal, die ganzen Papierstraftaten, also eben Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, die Insolvenzstraftaten, die Steuerstraftaten, all das, was wir uns so darunter vorstellen, das kommt halt eben in das Wirtschaftsstrafrecht rein.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Nein, es gibt so gesehen keine Definition davon. Wir haben sie im, so ein bisschen haben wir sie im Gerichtsverfassungsgesetz eben bei der Zuweisung zu der großen Wirtschaftsstrafkammer. Da haben wir eben so eine Aufzählung, da kann man sich ein bisschen dran orientieren.

9:55 Min
Marc Ohrendorf:

Kannst du den Studierenden und Referendarinnen, die hier zuhören, vielleicht natürlich anonym so einen kleinen Einblick geben in eines der Verfahren, was dich in der letzten Zeit beschäftigt hat?

10:05 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, also vielleicht jetzt mal ganz aktuell, weil das so etwas ist, was jetzt auch viele beschäftigt und wo auch eben, denke ich, sich ganz gut zeigt, dass man zum Wirtschaftsstrafrecht dann halt auch ein bisschen mehr braucht als nur das Strafrecht. Ich hatte jetzt natürlich auch einen Fall des Subventionsbetruges oder des vermeintlichen Subventionsbetruges mit den Corona-Hilfen aus dem März.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und da geht es dann genau rein. Also das heißt, meinem Mandanten wurde also vorgeworfen, dass er falsche Angaben gemacht hätte bzw. Die Gelder nicht richtig verwendet hat. Dann musst du natürlich erstmal reinkommen, was waren denn überhaupt die Voraussetzungen für die damalige Corona-Hilfen, was auch nicht so ganz leicht war.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann geht es halt eben los. Wie war denn wirklich seine wirtschaftliche Situation? Jetzt ist es ja so, in unserem juristischen Studium lernen wir unglaublich viel. Wir lernen nicht, betriebswirtschaftliche Zahlen zu erkennen, zu verstehen, zu lesen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also ich für meinen Teil, mir ging das ähnlich. Ähnlich, ich habe deswegen auch vor etwas über zwei Jahren noch ein Studium obendrauf gesattelt, habe noch ein MBA gemacht in Wirtschaftskriminalität und Compliance, eben weil ich gemerkt habe, ich kann nicht irgendwie dem Richter vorwerfen, er kann keine Bilanz lesen in einem Wirtschaftsstrafverfahren, um nur festzustellen, dass ich es selber eigentlich auch nicht kann.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und da habe ich eben diese Lücke dann dann ausgeglichen. Genau das kam dann hier halt eben auch zum Tragen. Das heißt, die Frage war, wie war denn wirklich seine finanzielle Situation? Das heißt, ich muss mir also wirklich seine gesamten betriebswirtschaftlichen Unterlagen angucken.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ich muss mir angucken, was hat er mit dem Geld gemacht? Hat er dieses Geld richtig verwendet? Hat er es nicht verwendet? Jetzt muss man dazu sagen, haben wir hier in Frankfurt die absolut privilegierte Position, die es Gott sei Dank auch in anderen Städten gibt, dass wir eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftsstrafsachen haben. Das heißt, da hast du mit Staatsanwälten zu tun, die wirklich fit sind, die auch mehr Zeit haben, die gleichzeitig auch die internen Kompetenzen haben.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das heißt, da gibt es dann auch Buchprüfer in der Abteilung selbst. Das heißt, die können das zu einem internen Gutachten rausgeben und sagen, guckt euch das an. War denn Liquidität vorhanden? War eine Überschuldung da? Wie oder wo sah das aus? Und das ist dann echt genau so etwas, was dann da eben reinkommt.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und jetzt in dem konkreten Fall war es tatsächlich so, das war ein echt kluges Kerlchen, der hatte halt einen Mietwagenfahrservice und hat sich halt auf Flughafentransfers spezialisiert. Da muss ich jetzt niemandem erklären, dass das natürlich in Corona-Zeiten ein bisschen gelitten hat.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ja, weil wenn am Frankfurter Flughafen die Fahrgastzahlen um über 90 Prozent einbrechen, dann gibt es halt auch ein paar weniger Leute, die dann entsprechend gefahren werden müssen. Und der hat jetzt also gesagt, okay, ich kriege diese 10.000 Euro.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Was kann ich jetzt damit machen? Allein, um meine Mietwagen zu bezahlen, komme ich anderthalb Monate weit, wegen der laufenden Kosten. Mhm. Also hat er das Geld genommen, hat sich Geld geliehen und hat halt die Mietwagen abgelöst.

NaN
Mirjam Steinfeld:

So. Und da war jetzt die Frage, ist das denn gedeckt oder ist das nicht gedeckt? Gut, ich bin jetzt zum Ergebnis gekommen, es ist gedeckt gewesen. Aber das sind halt so Sachen, wo man dann wirklich auch eben in diese wirtschaftliche Substanz reingucken muss, wo du dir auch die Zahlen angucken musst.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das Gleiche hast du auch regelmäßig bei den Insolvenzverfahren. Also das ist auch etwas, was ich sehr oft mache. Da hast du dann eben regelmäßig einen Geschäftsführer, der eben noch so meint und hofft und glaubt, dass er sein Unternehmen retten kann.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann hast du aber irgendwann einen Gläubiger, der sagt, eben reicht es mir, ich stelle jetzt einen Antrag auf Insolvenz, einen Fremdantrag. Und dann rollt die Maschinerie los. Also das Insolvenzgericht macht eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Die Staatsanwaltschaft wartet dann ab, bis es das insolvenzrechtliche Gutachten gibt. Und dann hast du halt eben regelmäßig das Problem der Überforderung der Justiz, dass dieses Gutachten dann einfach nur mal reihum gereicht wird und sich eigentlich keiner mehr weiter damit beschäftigt.

13:42 Min
Marc Ohrendorf:

Das kann recht aufwendig und umfangreich werden. Ich hatte in meinem Referendariat damals mich nicht so richtig um die Strafstation gekümmert und kam dann ins Insolvenzrecht beim Staatsanwalt und dann hieß es irgendwie nach der ersten Woche hier, lieber Referendar, hast du mal vier Aktenordner, nimm mal übers Wochenende mit nach Hause und sag mir mal, ob das hier alles in Ordnung ist oder nicht.

NaN
Marc Ohrendorf:

Bist du da so ein Bücherwurm, dieses Reinfuchsen und so ins Detail reingehen, ist das dein Ding dann?

14:09 Min
Mirjam Steinfeld:

Also ich sage, die Antwort wäre ein klares Jein. Ich muss und ich fuchse mich gerne ins Detail rein. Ich finde aber, die Kunst besteht darin, es dann wieder auf eine leicht verständliche, abstrakte Ebene runterzubrechen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also du kommst von diesem allgemeinen Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft bejaht. Von dem aus gehst du dann runter, wirklich in die letzte Verästelung und hast dann quasi so deinen Weg, wie du dahin gekommen bist. Und wenn du das dann gefunden hast, dann musst du jetzt wieder sagen, wie ist dieser kleinste letzte Punkt der Kette, wie kann ich den wieder nach oben auf eine hohe Ebene bringen und hieraus ein Argument machen, um damit eben das Ganze zu entkräften.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Weil wenn du einen Schriftsatz machst als Anwalt an die Staatsanwaltschaft, wo du über 30 Seiten erläuterst, warum jetzt irgendwie das 27. Mikroargument zählen soll, dann hast du den einfach verloren. Das kann sich keiner durchlesen, das kann sich keiner merken, sondern du musst einfach sagen, liegt nicht vor, weil, Punkt.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann kannst du das eben herleiten, aber kein Mensch hat Interesse auf Argumente auf so einer Nano-Ebene.

15:16 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt haben wir bislang hauptsächlich natürlich über Straftatbestände gesprochen, die sich logischerweise gegen Personen richten. Es gibt aber ja häufig auch den Fall, dass man mal sagt, eigentlich hat vielleicht gar nicht unbedingt eine Person was falsch gemacht, sondern das Unternehmen an sich. Dahinter steckt natürlich auch der Wunsch sozusagen in dem Fall, dass man einer Person es nicht direkt nachweisen kann, aber weiß, da kommt was vom Unternehmen, irgendwie dieses Unternehmen zu sanktionieren.

NaN
Marc Ohrendorf:

Umgangssprachlich spricht man auch so ein bisschen vom Unternehmensstrafrecht. Kannst du den Studierenden dahingehend mal eine kleine Einführung geben, was so die gängigen Probleme sind und worum sich diese Diskussion dreht?

15:57 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, also ich denke, man sollte damit anfangen, dass es einfach die gesetzgeberische Intention war, eben ein solches Unternehmensstrafrecht zu schaffen, wenngleich es auch nicht Unternehmensstrafrecht heißt, sondern Verbandssanktionengesetz, weil man eben sich nicht nur auf Unternehmen konzentrieren möchte einerseits und andererseits man also die Problematik der Schuld, ja, sag ich mal, ausgeklammert hat, indem man keine Strafe ausgibt, sondern eben eine Sanktion.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und das ist so das, was so dahinter steht. Da kann man jetzt sich vorzüglich schon drüber streiten, ob das überhaupt notwendig war, weil wir haben ja den 130 und 30 O-Weg, wo man durchaus auch schon spürbare Sanktionen an Unternehmen ausurteilen kann.

16:40 Min
Marc Ohrendorf:

Was steht denn da?

16:41 Min
Mirjam Steinfeld:

Na ja, da hast du halt eben die, also im OWIG bestrafen wir ja nicht, da haben wir ja Bußgelder, aber da hast du dann eben die Sanktionierung von Unternehmen, wenn eben eine Aufsichtspflicht verletzt wurde. Mhm.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das hast du, dass du eben sagst, so wenn jetzt das Unternehmen, also da habe ich regelmäßig im Bereich der im weiteren Sinne Umwelt, Arbeitsrecht, da hast du in jeder Schutzvorschrift hast du am Ende deine Bußgeldtatbestände und wenn da eben eine Verletzung eintritt, dann musst du dich notwendigerweise eben auch mit dem O-Weg beschäftigen und da bist du dann relativ schnell drin.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Da kannst du dann halt aber eben nachweisen, dass diese Pflichtverletzung eben nicht schuldhaft war und dass du dann da halt eben eben auch wieder rauskommen kannst.

17:27 Min
Marc Ohrendorf:

Und inwieweit unterscheiden sich davon jetzt diese neuen Vorstöße?

17:31 Min
Mirjam Steinfeld:

So, die unterscheiden sich insofern, dass jetzt eben also gesagt wird, zum einen, Anknüpfungspunkt ist die Verbandstat. Die kann also entweder durch eine Leitungsperson begangen werden oder eben durch eine sonstige andere Person in Ausübung, ich sage jetzt mal, des Geschäftsbereichs des Unternehmens, solange eben also diese Straftat dem Unternehmen zugutekommen ist oder kommen sollte.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und entsprechende Compliance-Maßnahmen oder Aufsichtsmaßnahmen, die es verhindert oder erheblich erschwert hätten, unterblieben sind.

18:09 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt hast du das Stichwort Compliance genannt. Das musst du, glaube ich, auch ein bisschen erläutern kurz.

18:15 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, also Compliance ist, da muss man auch wieder aufpassen, Compliance ist erstmal sehr viel. Also Compliance fängt damit an, dass es erstmal nichts anderes bedeutet als Regelbefolgung. Damit ist natürlich noch lange nichts über die Regeln gesagt, die zu befolgen sind und auch nichts über das Wie.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Jetzt in unserem Bereich, mit dem wir uns beschäftigen, reden wir vor allen Dingen über Criminal Compliance. Das heißt also, die Regeln, die zu befolgen sind, damit eben Straftaten vom oder aus dem Unternehmen oder auch teilweise gegen das Unternehmen verhindert werden. Dazu können so Pflichten gehören nach dem Geldwäschegesetz, dazu gehören auch wieder Pflichten tatsächlich auch nach dem Datenschutz, können auch durchaus mit dazu gehören.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also das sind ganz verschiedenste Pflichten, die da jeweils einschlägig sind oder Außenwirtschaftsrecht, da gibt es eine ganze Latte an Regeln, die es zu beachten gibt. So ein Compliance bedeutet also, dass wir uns erstmal gewahr werden, welche Regeln sind durch dieses konkrete Unternehmen einzuhalten und dass wir uns dann überlegen, und wie sind diese einzuhalten.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das macht man in der Regel durch ein sogenanntes Compliance-Management-System, wobei das auch wieder davon abhängt, wie groß ist denn das Unternehmen, mit dem wir uns beschäftigen. Also ist das jetzt der Schreinereibetrieb von nebenan mit drei Mitarbeitern oder reden wir von Siemens? Dementsprechend ist natürlich auch das Compliance-Management-System etwas ausdifferenzierter, größer oder kleiner.

19:33 Min
Marc Ohrendorf:

Verstehe.

19:34 Min
Mirjam Steinfeld:

Also Compliance Management System bedeutet, wir gucken uns an, woran müssen wir uns halten, wie benennen wir das, welche Strukturen schaffen wir, welche Verantwortung, welche Mechanismen und, und, und. Und idealerweise macht dieses Compliance System es also so, dass diese Taten erstens nicht oder weniger begangen werden und zweitens, wenn sie begangen werden, wir es schneller merken.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Mhm, okay. Das ist so die Idee dahinter. Mhm.

19:59 Min
Marc Ohrendorf:

Das heißt, das braucht wahrscheinlich auch eine ganze Menge Schulungen und Fortbildungen im Unternehmen, oder? Weil das ja dann doch ein recht organischer und wahrscheinlich sich fortlaufend auch wechselnder, verändernder Prozess ist.

20:12 Min
Mirjam Steinfeld:

Absolut. Also ein Compliance-System, was man vielleicht sagen sollte, es gibt verschiedene Definitionen von solchen Compliance-Systemen. Da hast du zum Beispiel den PS 980, das ist von der IDW, also vom Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer. oder du hast die ISO 16900, müsste das sein.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das sind eben so Systeme, die sagen, so und so sollte ein Compliance-Management-System aussehen. Und da hast du verschiedene Faktoren. Und einer dieser Faktoren, die dazu gehören müssen, ist eben auch dieses Learning.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das heißt, du musst dein Compliance-Management-System regelmäßig evaluieren. Das heißt, du musst gucken, was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert, was hat sich vielleicht auch einfach erübrigt oder überholt. Wenn du irgendwie, sagen wir, in einem Teil hast du irgendeine Produktsicherheit und dann wurde dieser Teil des Unternehmens aber verkauft, ja, dann brauchst du das auch nicht mehr in deinem Compliance-Management-System, wenn das gar nicht mehr Teil deines Unternehmens ist.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Einfach nur mal als ganz plumpes Beispiel. Das heißt also, das musst du regelmäßig evaluieren und anpassen. Aber zuallererst musst du dir überlegen, was will ich denn überhaupt? Und das ist immer so ein bisschen das Problem mit Compliance, wenn du dann eben in Unternehmen drin bist.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und das ist so das, was ich sehr viel mache. Und dann das heißt, ja, wir müssen jetzt eben Compliance haben oder machen oder sein. Machen Sie mal, Frau Steinfeld.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ja, das funktioniert nicht. Also das ist so, klar, ich kann jedem eine Checkliste hinlegen, ich kann auch sagen, ich habe hier mal einen schönen Code of Conduct für sie geschrieben, das ist ganz toll, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Allein schon so ein Code of Conduct, also wie wollen wir uns verhalten, was wollen wir als Führungskräfte vorleben, der funktioniert eigentlich nur, wenn du dich wirklich mit den Führungskräften hinsetzt und sagst, ja, was wollt ihr denn? Ja, wir wollen nicht bestechlich sein, wir wollen ordentlich wirtschaften und jetzt ist das schön, aber da ist ja auch jedes Unternehmen anders.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Jedes Unternehmen ist ja auch anderen Risiken ausgesetzt und will auch was anderes in den Vordergrund stellen. Der eine kann da Nachhaltigkeit drin haben, der andere will das überhaupt nicht. Also allein da fängt es schon an, dass du das wirklich herausarbeiten musst, weil nur dann, wenn es wirklich auch mit der Unternehmensrealität übereinstimmt, kann das überhaupt gelebt werden.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann muss es natürlich umgesetzt werden. Und dann kommt das wirklich in diesen Kreis rein, in dem es auch funktionieren kann. Und das ist sehr viel Arbeit, erfordert viel Mitarbeit, erfordert auch Wollen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also nicht nur von oben, sondern auch von allen anderen. Und dementsprechend bedeutet das natürlich auch, dass es Ressourcen braucht. Weil selbst wenn ein Mitarbeiter vielleicht mitmachen will, aber er keine Zeit dafür bekommt, dann wird er bestimmt nicht seine Freizeit dafür opfern, jetzt irgendwie ein Compliance-Management-System umzusetzen.

22:45 Min
Marc Ohrendorf:

Ein weiterer Punkt sind Internal Investigations, mit denen du zu tun hast. Das bedeutet, ja, im Prinzip privatrechtliche, könnte man sagen, du wirst ja jedenfalls nicht für den Staat tätig, sondern auf privatrechtlicher Basis erst einmal, Untersuchungen, ob da gerade was schiefgelaufen ist. Wie muss man sich das denn vorstellen?

23:05 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, da denke ich, sollten wir vielleicht nochmal kurz einen Rückschlag machen zum Verbandssanktionsgesetz oder zum Fersangé, zu dem Entwurf. Das wird nämlich nochmal eine ganze Ecke anders werden, wenn der wirklich da ist, weil das mehr oder weniger jetzt geregelt werden soll und auch wirklich, ja, also wirklich eine Weichenstellung werden wird.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ja, für das Fersangé ist geplant, dass ich also eine derartige Untersuchung, interne Untersuchung führen kann. Die darf ich aber nicht durch die mit der Verteidigung des Unternehmens oder der Beschuldigtenbeauftragten Personen durchführen lassen. Das heißt, da muss ich klar trennen und ich muss halt wirklich auch ununterbrochen und vollumfänglich mit den Staatsanwaltschaften oder Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das heißt, ich muss mir also zum ganz frühen Zeitpunkt überlegen, was will ich denn und wie will ich es denn? Was auch wieder stark von der Unternehmensgröße abhängt. Insofern muss man sagen, das, was ich jetzt erzähle, ist halt eben das, wie es bisher war.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das wird in der Zukunft sich sicherlich anders gestalten. Denn Internal Investigations sind halt einfach erstmal, ich bekomme einen Hinweis, dass ein mögliches Fehlverhalten vorliegt und hier auch direkt Obacht. Erstens möglich und zweitens Fehlverhalten.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Wir reden weder von einem Verdacht, noch reden wir von einer Straftat. Denn eine Internal Investigation kann auch laufen wegen Mobbing. Eine Internal Investigation kann wegen zig verschiedenen Sachen loslaufen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das muss überhaupt nichts mit einer Straftat zu tun haben. Und vor allen Dingen muss ich ja überhaupt erstmal prüfen, ob ich überhaupt einen Verdacht habe. Ja, denn wenn da einfach nur drin steht, die Frau Meier greift immer in die Kasse und mehr nichts, ist einfach mal die Frage, ist das denn überhaupt irgendetwas, außer dass da jemand vielleicht versucht, eine andere Person anzuschmerzen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das heißt also, wir haben erstmal einen irgendwie gearteten Hinweis, der kann über ein Hinweisgebersystem kommen, gehört auch zu einem funktionierenden Compliance-System dazu. Der kann aber auch auf sonstige Arten bei mir landen. Das heißt, ich gucke mir also erstmal diesen Hinweis an, was fange ich mit dem an, wie gehaltvoll ist der, kann ich da etwas rausnehmen, spricht da wirklich etwas dazu, dass hier wirkliches Wissen mitgeteilt wird, vielleicht sogar Täterwissen mitgeteilt wird.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann ist es eben die Frage, soll hier jetzt dem nachgegangen werden oder nicht? So, ich werde natürlich als Externe dazu gerufen. Viele Unternehmen haben auch eigene Internal Investigations Abteilung. Die können entweder bei der Compliance mit drin sitzen, manchmal sitzen die bei der Revision, manchmal sitzen die bei der Rechtsabteilung.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das ist, wie gesagt, eine Frage der jeweiligen Unternehmensstruktur. Und dann hast du eben die nächsten Fragen. So, ein Unternehmen ist natürlich dazu verpflichtet, sich legal zu verhalten, also hat auch eine gewisse Legalitätspflicht. Das bedeutet also, ein Unternehmen darf natürlich nicht dulden, dass bei denen im Hause Straftaten begangen werden.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ein Unternehmen hat aber nicht unbedingt die Pflicht dazu, Strafanzeige zu erstatten. Das hat das Unternehmen nur dann, wenn wir bei den Straftaten sind, deren Nichtanzeige eine Straftat ist. Da sind wir regelmäßig nicht bei der Wirtschaftskriminalität, weil da geht es nicht um irgendwelche staatsgefährdenden Anschläge.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das heißt also, die Entscheidung, möchte ich denn überhaupt Strafanzeige erstatten, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Erstmal geht es nur darum zu ermitteln, haben wir ein Fehlverhalten, welcher Art, können wir es abstellen, müssen wir es abstellen, was ist denn hier überhaupt.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also erstmal geht es wirklich einfach nur um eine Tatsachenermittlung. Ich werde natürlich meistens dazu geholt, wenn sich der Verdacht etwas verdichtet hat und ich werde auch meistens dazu geholt, wenn sich der Verdacht in Richtung einer Straftat verdichtet hat und meistens auch dann, wenn es wirklich kompliziert wird. Also ein Beispiel, was ich mal hatte, war, dass ich in einem größeren Immobilienfondsstruktur mit dazu gerufen wurde, weil das ist so ein typisches Beispiel.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Da gab es dann mehrere Objektgesellschaften und eine Objektgesellschaft hat also von der Muttergesellschaft Geld zum Bau bekommen. Und dann hat man sich das sechs Monate später mal angeguckt und hat halt festgestellt, okay, die sechs Millionen Euro sind weg, aber es ist nach wie vor nur ein Rohbau.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Wie konnte das denn passieren? So, das ist sowas, dann komme ich dazu.

27:08 Min
Marc Ohrendorf:

Und was sind dann die typischen Informationsquellen, die du hast? Also es ist ja wahrscheinlich seltenst so wie im Tatort, dass du sagst, so setz dich hin, ich leuchte dir mit der hellen Lampe ins Gesicht und jetzt erzählst du mir alles. Sondern das funktioniert ja ein kleines bisschen, funktioniert ja in der Praxis ein kleines bisschen anders.

NaN
Marc Ohrendorf:

Ich nehme an, du hast dann wahrscheinlich Zugriff auf E-Mails, Zeugenaussagen und so weiter, oder?

27:32 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja und nein. Also da fängt es nämlich schon an. Ich werde dazugeholt und das Unternehmen hat ein Interesse an der Aufklärung oder das Unternehmen hat gar kein Interesse an der Aufklärung und ich werde trotzdem dazugeholt. Also das ist sowas, das sind so regelmäßige Fallgestaltungen, die man dann auch hat und gerade eben auch, ich sage jetzt mal in dem Bereich, wo ich eher unterwegs bin, also Mittelstand, wobei das war jetzt deutlich größer, da hast du dann natürlich auch Verflechtung.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Also hier war es zum Beispiel so, dass einer der Geschäftsführer zu einem anderen Zeitpunkt, der zu einem anderen Zeitpunkt Geschäftsführer war, war dann halt eben, ich sag jetzt mal weiter oben, mit der Fondsgesellschaft auch noch verbandelt. Und man hat dann beschlossen, das lösen wir lieber auf eine andere Art und Weise.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Und dann stellte sich also heraus, dass witzigerweise kurz zuvor eben in den Geschäftsräumen eingebrochen wurde und eben die Steuerunterlagen geklaut wurden.

28:28 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist aber tragisch.

28:30 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, total tragisch. Und ich meine, also ich weiß auch, dass also Diebesgut Nummer eins sind irgendwie zehn Kilo Papierordner mit Steuerunterlagen. Das ist einfach, der Marktwert ist einfach unschätzbar. Also das sind dann halt so Sachen, da kommst du dann natürlich relativ schnell in eine Sackgasse.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ja, also das heißt, in dem Fall war es tatsächlich so, ich hatte Zeugenaussagen, ich hatte auch teilweise Kontounterlagen, aber jetzt ist es natürlich so, ich bin ja keine Staatsanwaltschaft, ich kann nicht an die BaFin schreiben und sagen, ich möchte bitte eine Kontoverdichtung haben, also sprich einen Auszug, wer hatte worauf Zugriff, um dann die Banken selber anzuschreiben und zu sagen, bitte gib mir die Kontounterlagen, sondern ich habe quasi nur das, was beim Geschädigten passiert ist, das sind die Kontounterlagen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Ich kann sehen, was ist eingegangen, was ist weggegangen, gegebenenfalls auch noch, wohin ist es gegangen und das ist dann Ende. Das ist so weit, wie ich gucken kann. Also insofern diese tolle Tatortlampe, mit der ich irgendwie im Hell ins Gesicht leuchten kann, die hätte ich dann gerne, habe ich aber nicht und tapse dementsprechend dann irgendwie mehr mit der kleinen Taschenlampe im Dunkeln rum und versuche dann halt eben trotzdem durch die Mittel, die vorhanden sind, das so weit zusammenzuführen.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Denn andererseits ist es ja auch nicht meine Aufgabe, an der Stelle den Sachverhalt so restlos aufzuklären, dass ein Strafgericht hierüber urteilen kann. Sondern es geht mehr darum, die Tatsachengrundlage so weit aufzuklären, dass eine Entscheidung, eine unternehmerische Entscheidung getroffen werden kann.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Das ist eine ganz andere Auftragslage. Mhm.

30:02 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, als Hörerin dieses Podcasts, weißt du, was jetzt noch zum Abschluss sozusagen kommt? Für diejenigen, die das spannend fanden, was sie gerade gehört haben, kann man bei dir Praktikum oder Referendariat machen?

30:15 Min
Mirjam Steinfeld:

Ja, prinzipiell kann man das. Bei mir hängt es tatsächlich immer sehr stark von der Zeit ab, also wie gerade meine Fälle sind. Wenn ich nur zu Gericht renne, dann ist das für die Referendare oder Praktikanten immer total spannend, für mich wenig hilfreich.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Wenn ich gerade in vielen großen Fällen drin stecke, wo ich sage, jetzt hätte ich eigentlich gerne jemanden, dem ich sagen kann, hier vertiefe dich mal da rein, dann ist das für mich natürlich viel spannender. Insofern, ja, kann man.

NaN
Mirjam Steinfeld:

Bei mir gibt es einen knallharten Auswahlprozess in Anführungszeichen. Bei mir kriegt niemand irgendeinen Platz, wenn er nicht angerufen hat. Weil jemand, der es nicht schafft, den Hörer in die Hand zu nehmen und am Telefon jemanden Fremden, den er nicht kennt, von sich zu überzeugen, der braucht kein Strafrecht machen.

30:59 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist doch eine interessante Perspektive, ebenso wie alles andere, was wir hier in der letzten halben Stunde hören durften. Vielen herzlichen Dank fürs Teilen dieser spannenden Einblicke.

31:09 Min
Mirjam Steinfeld:

Gerne doch.

31:09 Min
Marc Ohrendorf:

Tschüss.

31:10 Min
Mirjam Steinfeld:

Tschüss.

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