IMR12229. Mär 22
IMR122: Strafvollzugsrecht, Kriminologie und späte Promotionen

IMR - Original

IMR122: Strafvollzugsrecht, Kriminologie und späte Promotionen

Ronja Maria Ahlers, Associate | Freie Universität Berlin

0:00
0:00

Über diese Episode

Folge 122 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

In der heutigen Folge von Irgendwas mit Recht spricht Marc Ohrendorf mit Ronja Maria Ahlers. Sie ist Doktorandin an der Freien Universität Berlin und juristische Mitarbeiterin bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich Litigation. Das Gespräch dreht sich dabei unter anderem um die folgenden Fragen: Gibt es den perfekten Zeitpunkt für eine Promotion? Was gilt es zu beachten, wenn man Promotion und die juristische Arbeit miteinander vereinbaren möchte? Was hat Ronja dazu bewogen, nach mehrjähriger Tätigkeit als Anwältin doch noch mit der Promotion zu beginnen? Im Anschluss hört Ihr, welche spannenden Aspekte Stoff für eine Promotion in der Strafvollzugsforschung geben. Ihr hört, wie Ronja zum Strafvollzug als ihr “Steckenpferd” kam, welche Rechte Gefangene im Strafvollzug haben und welche (grund)rechtlichen Fragestellungen sich in diesem Zusammenhang stellen. In welchen Bereichen gibt es Machtverhältnisse, die es kritisch zu hinterfragen gilt? Was hält Ronja von der sog. Ersatzfreiheitstrafe, die insbesondere auch im Kontext des Fahrens ohne Fahrschein aktuell im Fokus der öffentlichen Debatte steht? Last but not least berichtet sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit für den Verein Tatort Zukunft e.V. und erklärt euch, wie auch ihr euch während des Studiums engagieren könnt. Viel Spaß mit dieser Episode!

Inhalt:

  • 01:04 Intro
  • 01:14 Einleitung
  • 02:07 Vorstellung Ronja
  • 02:54 Promotion und Arbeit nebeneinander
  • 04:34 Idealer Promotionszeitpunkt?
  • 08:29 Ronjas Promotionsthema
  • 14:20 Grundrechte im Strafvollzug
  • 22:13 Ronjas Ehrenamt
  • 24:44 Schwarzfahren und Ersatzfreiheitsstrafe

Verwandte Episoden

Feedback/Support zur Folge:

Apps & IMR auf Social Media:

Happy Listening 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼

Zu Gast

Ronja Maria Ahlers

Ronja Maria Ahlers

Kapitel

  • 00:01:04.940Intro
  • 00:01:14.912Einleitung
  • 00:02:07.323Vorstellung Ronja
  • 00:02:54.645Promotion und Arbeit nebeneinander
  • 00:04:34.125Idealer Promotionszeitpunkt?
  • 00:08:29.549Ronjas Promotionsthema
  • 00:14:20.466Grundrechte im Strafvollzug
  • 00:22:13.783Ronjas Ehrenamt
  • 00:24:44.338Schwrzfahren und Ersatzfreiheitsstrafe

Über Freie Universität Berlin

Die Freie Universität Berlin ist eine der renommiertesten öffentlichen Universitäten Deutschlands und sitzt mit ihrem weitläufigen Campus vor allem im Berliner Stadtteil Dahlem. Rund 4.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie insgesamt über 8.000 Beschäftigte forschen und lehren hier in mehr als 15 Fachbereichen, darunter eine traditionsreiche und zugleich innovative Rechtswissenschaft.

Als Exzellenzuniversität zeichnet sich die FU durch starke internationale Vernetzung, interdisziplinäre Forschungsverbünde und einen praxisnahen Austausch mit Gerichten, Behörden und Kanzleien aus. Wie das konkret aussieht, erfahrt ihr in unserer Episode – klickt rein und lasst euch von Irgendwas mit Recht akustisch über den Campus führen!

"
Strafvollzug ist nicht die Strafe. Die Strafe ist das Urteil. Im Strafvollzug wollen wir aber nicht doppelt bestrafen, sondern die Reintegration ermöglichen.

Sneak Peak – Q&A mit Ronja Maria Ahlers

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:00 Min
Marc Ohrendorf:

Die heutige Folge von Irgendwas mit Recht wird euch erneut präsentiert von der EBS-Universität für Wirtschaft und Recht mit Standorten in Wiesbaden und Österreich-Winkel im Rheingau. Das Jurastudium gilt oftmals als verstaubt, elitär und trocken, doch nicht so an der EBS-Uni.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Denn die Hochschule hat das Jurastudium einer grundlegenden Reform unterzogen. Die juristische Ausbildung erfolgt in thematisch aufeinander abgestimmten Blöcken, in denen sich die Studierenden in kleinen Lerngruppen intensiv mit einem bestimmten Fachbereich auseinandersetzen. Bei der Vorbereitung auf die erste juristische Prüfung profitieren die Studierenden zudem vom integrierten einjährigen Examinatorium zur Erreichung der persönlichen Bestnote.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Und das mit Erfolg. Bereits zum vierten Mal in Folge kam der beste Jura-Absolvent in Hessen von der EBS-Universität. Und auch die Prädikatsquote kann sich mit 60% mehr als sehen lassen. Wer also Interesse hat, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und sich für ein privates Jurastudium begeistern kann, der sollte auf www.apps.edu oder im Profil auf LTO-Karriere vorbeischauen.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Vielen Dank für die Unterstützung von Irgendwas mit Recht und nun viel Spaß! Spaß.

1:07 Min
Music:

1:14 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu Folge 122 von Irgendwas mit Recht. Mein Name ist noch immer Marc Ohrendorf und heute spreche ich mit Ronja Maria Ahlers. Hallo Ronja.

1:26 Min
Ronja Maria Ahlers:

Hallo.

1:27 Min
Marc Ohrendorf:

Ronja, bevor wir an letzte Folge anknüpfen, wo wir ja mit der Leiterin einer JVA gesprochen haben und du uns eine weitere Perspektive zu dieser ganzen kriminologischen und Strafvollzugsthematik geben wirst, würde ich gerade ganz gerne nochmal die Gelegenheit nutzen und ein bisschen Werbung in eigener Sache machen. Ich suche nämlich gerade für mein Team bei Wolters Klüver für die LTO einen Junior Digital Product Manager.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Wenn ihr also Bock habt, die Businessseite von LTO und LTO Karriere zu unterstützen, dann schaut mal in die Shownotes. Da gibt es einen Link mit der Stellenausschreibung. Ich würde mich total freuen, möglichst viele Bewerbungen von euch in den Händen zu halten und mit euch in einem Bewerbungsgespräch zu quatschen.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

So, genug der Vorrede. Wir steigen sofort ein. Ronja, du kennst das Spiel hier. Du hast mir gerade eben im Vorgespräch gesagt, du hast schon ein bisschen wieder auch EMR-Folgen als Vorbereitung gehört. Insofern stell dich doch bitte mal kurz vor.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Wo kommst du her? Wo hast du studiert?

2:22 Min
Ronja Maria Ahlers:

Hallo, vielen Dank erstmal, dass wir uns unterhalten können hier. Ich bin Ronja und bin im Moment hier in Berlin als Doktorandin und auch als juristische Mitarbeiterin bei Freshfields und ich habe in Bonn studiert. Und bin im Anschluss dann zum Referendariat nach Berlin gegangen und auch seitdem hier geblieben, weil es hier so schön ist.

2:46 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, das fand ich auch. Ich war fürs Ref ja auch in Berlin und man kann schon gut dort bleiben. Mich hat es dann woanders hin verschlagen, aber das kann man schon ganz gut machen. Bist dann in der Kanzlei eingestiegen, aber hast dich dann nochmal so ein bisschen anders entschieden.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Du hast schon angedeutet Promotion und Kanzlei. Das ist zwar nebeneinander machbar, aber natürlich dann nicht ganz beides Fulltime, würde ich annehmen.

3:08 Min
Ronja Maria Ahlers:

Genau. Ich bin tatsächlich erst mal nach dem Examen als Anwältin hier eingestiegen und dann nach einem weiteren Zwischenstopp habe ich dann mein ganz, ganz, ganz altes, eigentlich schon auf Eis gelegtes Promotionsvorhaben mal wieder eine vorgekramt und mir überlegt, wann sonst und habe mich nochmal an eine Promotion begeben und bin dann zurückgekehrt zu Freshfield in mein altes Team auch und allerdings als juristische Mitarbeiterin.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Das erschien mir doch ein bisschen die sichere Variante, weil ich glaube, dass es durchaus möglich ist, parallel zu arbeiten und auch zu promovieren. Ich habe da auch hier in meinem Team ganz viel drüber gesprochen, bevor ich zurückgekommen bin.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Das hängt sicherlich immer auch sehr viel davon ab, inwieweit der Arbeitgeber das mit unterstützt. und da bin ich hier wirklich auf sehr offene Ohren getroffen, aber, Ich glaube, da muss man sich selber so ein bisschen einschätzen, wie gut man dann so einen Cut machen kann, gerade wenn man so Teilzeit arbeitet.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und ich denke, das kommt auch immer so ein bisschen aufs Rechtsgebiet an. Ich bin jetzt im Bereich Litigation, da ist das natürlich, wenn man viele Fristen um die Ohren hat, zu sagen, so nach drei Tagen muss ich mich jetzt aber an meine Promotion setzen. Bisschen schwierig.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Deshalb ist das jetzt eine vielleicht eher ungewöhnliche Variante, aber eine, mit der ich sehr gut zurechtkomme, auch super unterstützt werde da von meinem Team.

4:34 Min
Marc Ohrendorf:

Naja gut, du hast jetzt gerade gesagt, wann, wenn nicht jetzt. Ich würde ja mal sagen, das ist ja eine ganz große Frage, was so eine Promotion angeht. Also viele Studierende sagen, nach dem ersten Examen ist das Beste.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Andere sagen, direkt nach dem zweiten kann man es noch machen. Dein Weg war jetzt der, dass du gesagt hast, naja, ich arbeite sogar erst mal als Anwältin und promoviere dann. Was waren denn da die für dich ausschlaggebenden Faktoren, dass du gesagt hast, nö, also für mich ist jetzt zu diesem relativ späten Zeitpunkt der richtige Zeitpunkt?

5:03 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ich glaube, da sind ganz viele Umstände zusammengekommen. Mir ging es so nach dem Referendariat, dass ich das Gefühl hatte, ich möchte unbedingt in die Praxis. Also für mich war es auch tatsächlich so, mir hat das Referendariat sehr viel mehr Spaß gemacht als das Studium, weil ich das total klasse fand, das, was ich in der Theorie alles gelernt habe, jetzt mal in der Praxis zu erleben.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Also wie funktioniert Recht, wenn das nicht nur auf dem Papier steht, Sondern wenn wir das in unserem Alltag anwenden. Und deshalb hatte ich das Gefühl, ach nee, erstmal arbeiten. Das hat mir richtig viel Spaß gemacht.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Es war auch dann so ein bisschen Sprung ins kalte Wasser, direkt in eine Großkanzlei zu gehen. Und ich glaube, dass mich aber diese Vorliebe für den Strafvollzug, für die Kriminologie, wo wir bestimmt auch gleich noch drüber sprechen, das hat mich so innerlich überhaupt nicht losgelassen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Das ist so eine wirkliche Begeisterung und Passion für das Thema. Und da ich dann auch hier in Berlin noch angefangen habe, ehrenamtlich in einem Projekt zu arbeiten, in der wir gemeinsam mit der Freien Universität Berlin eine Strafvollzugs-Law-Klinik aufbauen wollen, habe ich gemerkt, das ist mir echt, das Thema ist einfach meins.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und dann war eigentlich die Überlegung, Sich dieser Begeisterung nochmal anzunehmen, das habe ich schon echt lange dann erst noch mit mir rumgeschleppt. Irgendwann richtet man sich ja auch ein bisschen ein in seinem Arbeitsleben und in dem, was man so praktisch macht.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und das war schon so ein bisschen raus aus der Comfort-Zone sozusagen. Ich gehe jetzt aus diesem eigentlich sehr gesettelten Leben, das ich gefühlt da schon hatte mit meiner Berufserfahrung nochmal raus. Aber ich hatte das Gefühl, vielleicht auch weil die Begeisterung für dieses Thema, auch vielleicht nochmal so ein bisschen durch diese praktische Arbeit im Bereich Strafvollzug so groß geworden ist, dass ich mir so gut vorstellen konnte, auch beruflich nachher in dem Bereich mich nochmal weiterzuentwickeln, dass ich mir dachte, die Qualifikationschance nutze ich jetzt noch, bevor ich vielleicht mich so gut eingelebt habe im Arbeitsleben, dass ich, diese Comfortzone nicht mehr verlassen möchte.

7:17 Min
Marc Ohrendorf:

Wie lange nach deinem Berufsstart als Anwältin ist denn diese Entscheidung gefallen? Waren da mehrere Jahre dazwischen oder ein paar Monate?

7:24 Min
Ronja Maria Ahlers:

Mehrere Jahre. Ich habe 2016 angefangen als Anwältin zu arbeiten und habe dann, wie gesagt, nach meiner Zeit bei Freshbeats auch nochmal in eine andere Kanzlei gewechselt und da Ende 2019, kam dann die Überlegung, sollte es vielleicht irgendwie doch nochmal woanders hingehen und dann hatte ich mich eigentlich zunächst auf eine Selbstreise aufgemacht, die ich dann dank der Pandemie nach ein paar Monaten wieder unterbrechen musste.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und, Und genau, die Überlegung, die man aber dann nach so einer Weltreise, die Fragen, die man sich nach so einer Weltreise dann gestellt hätte, wie geht es jetzt weiter, habe ich dann halt einfach ein paar Monate früher mir gestellt. Und genau, insofern waren das schon gute dreieinhalb Jahre dazwischen.

8:04 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, so kann es gehen. Also der ein oder andere sagt Weltreise, mir gefällt es auf Bali so gut, ich bleibe jetzt hier und arbeite 100% remote. Und andere Menschen kommen zurück und sagen, nö, ich schreibe eine juristische Promotion, das ist es jetzt.

8:17 Min
Ronja Maria Ahlers:

Wer weiß, wenn Corona nicht gewesen wäre, wo ich jetzt sitzen würde. Leider dann etwas zwangsweise unterbrochen. Aber ich bin trotzdem ganz froh.

8:29 Min
Marc Ohrendorf:

Und worüber promovierst du jetzt genau? So für Menschen, die da nicht in dem Thema so tief drin stecken. Was machst du da?

8:34 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ich promoviere im Bereich Strafvollzugsforschung und zwar beschäftige ich mich mit dem Rechtsschutz im Strafvollzug, im deutschen Strafvollzug und auch mit der Frage, was bedeutet Rechtsschutz für die Wahrnehmung von Verfahrensgerechtigkeit auch für alle am Strafvollzug beteiligten Akteure. Das heißt, die Gefangenen selber, Justizvollzugsmitarbeiter, die Anstalt an sich, auch die Gerichte natürlich, die beteiligt sind am Strafvollzug und auch inwiefern verschiebt oder begründet das vielleicht auch gewisse Formen von Machtverhältnissen im Strafvollzug, wenn die Möglichkeit besteht, also jetzt mal so ganz wirklich in der Nutshell, für einen Gefangenen seine Rechte auch prozessual geltend zu machen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und dann auch aus Sicht der Anstalt so ein gerichtliches Urteil, das da eventuell ergeht, umzusetzen oder nicht. Weil auch das so ganz in der Nutshell so wirklich kontrollieren tut es im Pravollzug dann nachher doch niemand.

9:39 Min
Marc Ohrendorf:

Okay, diese mehreren Nutshells versuchen wir jetzt gleich mal ein kleines bisschen zu öffnen. Wir fangen mal ganz vorne an. Also, es geht nicht um den Strafprozess an sich, sondern es geht um den Strafvollzug.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Da sind also Urteile gesprochen, Menschen sitzen im Gefängnis, siehe unsere Episode letzte Woche. Und dort gibt es dann entsprechend auch Sanktionsmöglichkeiten, das hatten wir nur so angeschnitten in der Folge, und entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen diese Sanktionen, richtig?

10:05 Min
Ronja Maria Ahlers:

Unter anderem, genau. Also einmal natürlich, wenn es innerhalb des Strafvollzugs zu Sanktionen oder auch Disziplinarmaßnahmen kommt. Aber auch, ich glaube, das muss ich dazu auch sagen, obwohl ich aus einem kriminologischen und auch sehr straffollzugsrechtlich geprägten Schwerpunkt von der Uni komme und mich echt viel mit dem Thema beschäftigt habe.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Was einem, glaube ich, nicht so ganz gewahr oft ist, ist, dass nun mal der Strafvollzug einfach ein in sich geschlossenes, ganz besonderes System ist, in dem aber die Gefangenen trotz allem auch noch Rechte haben. Und wenn es dann um so Dinge geht, die uns in unserem Alltag vielleicht als völlige Kleinigkeit erscheinen würden, wie zum Beispiel Besuch bekommen, Pakete bekommen, mir auszusuchen, wo ich arbeiten will, also meinen Arbeitsplatz auszusuchen, das ist natürlich im Strafvollzug alles ganz, ganz klar reglementiert durch die Strafvollzugsgesetze der Länder.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und wenn jetzt mal eine Situation einfach rausgegriffen, mir als Gefangener untersagt wird, Besuch zu bekommen, dann habe ich natürlich die Möglichkeit, diese Entscheidung der Anstalt überprüfen zu lassen, weil ich grundsätzlich, und da kommt einfach dieser, glaube ich, Alles-Gesetz. Auch ein bisschen überlappende Grundsatz der Resozialisierung zu tragen, weil ich natürlich einen Anricht darauf habe, so ist es auch festgestimmt in den Strafvollzugsgesetzen der Länder, dass das Leben in der Haft so weit wie möglich.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Den ganzen schädlichen Nebenwirkungen, jetzt mal so laienhaft gesprochen, die so eine Inhaftierung, so ein Strafvollzug mit sich bringt, entgegenzuwirken. Und dazu gehört natürlich auch, Auch, dass man möglichst viel Außenkontakte zu Familie oder zu anderen Angehörigen fördert. Und Sachen, die tatsächlich den Strafvollzugsalltag prägen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und bei denen die Anstalt immer im Rahmen ihres Ermessens entscheiden kann, wie regle ich diesen Alltag der Gefangenen in der Anstalt. Da kann ich mich natürlich gegen eine Maßnahme der Anstalt als Gefangener auch mit rechtlichen Mitteln zuwehrsetzen.

12:16 Min
Marc Ohrendorf:

Was sind denn das dann eigentlich für Rechtsmittel? Und was sind das nachher für Klagearten? Wo läuft das Ganze ab?

12:22 Min
Ronja Maria Ahlers:

Also es gibt zunächst die Möglichkeit, dass man sich erstmal mit seinem Anliegen an die Anstalt wendet, an die Anstaltsleitung. Es gibt auch noch mehrere Akteure, wie zum Beispiel auch so ein Anstaltsbeirat. Das sind Bürger, die ehrenamtlich sich engagieren im Strafvollzug und die quasi so eine Vermittlungskommunikation, aber eher auf einer kommunikativen Ebene so eine Vermittlungsschnittstelle zwischen der Anstalt und den Gefangenen darstellt, weil sich sehr, sehr, sehr viele Probleme auch als kommunikative Missverständnisse herausstellen letztendlich.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und also in erster Linie wendet man sich mit seinen Anliegen an die Anstalt. Man beantragt ja auch zum Beispiel erstmal eine Ausführung oder Besuch oder vielleicht auch Vollzugslockerungen. und die Anstalt kann dann eben entscheiden.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und wenn man mit dieser Entscheidung nicht zufrieden ist als Gefangener, kann man sich erstmal nochmal an die Anstalt wenden. Und wenn man nicht auf eine andere Entscheidung letztlich kommt oder die Anstalt tut gar nichts, den Fall gibt es auch.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Dann gibt es die Möglichkeit, das ist festgelegt im Paragraf 109 folgendes Strafvollzugsgesetz, dann gibt es die Möglichkeit, sich an das Gericht zu wenden. Und zwar, da ist dann zuständig immer die Strafvollstreckungskammer des jeweiligen Landgerichts. Und wenn man sich das dann von der prozessualen Ebene mal anschaut, dann ist das da sehr, sehr, sehr eng angelehnt an so ein verwaltungsgerichtliches Verfahren letztlich.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Da wird sich jeder, der sich noch an Verwaltungsprozessrechte erinnert, ganz schnell dann drin wiederfinden.

14:02 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, klingt ja auch vorher schon so ein bisschen verwaltungsprozessual, dass man sagt, naja, der Gefangene muss angehört werden sozusagen, dann wird ihm eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt, wenngleich es jetzt vielleicht nicht so heißt, aber was du gerade beschrieben hast, ist ja schon relativ ähnlich so vom Verfahrensgang her. Du hast im Vorgespräch gesagt, ja und Grundrechte spielen natürlich auch immer eine total große Rolle.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Wo, ich kann es mir schon denken, aber dennoch die Frage, wo funken die so dazwischen, könnte man ja mal ganz böse formulieren.

14:34 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ja, also ganz zentral ist immer Artikel 1 der Grundsatz der Menschenwürde, die sich auch in ganz unglaublich vielen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestaltung des Strafvollzugs wiederfinden. Also der Gefangene hat immer ein Recht auf eine menschenwürdige Existenz, auch im Strafvollzug.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Das ändert sich nicht. Und sicherlich ist der Grundsatz der Resozialisierung auch ganz eng verknüpft mit Artikel 2, also mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Weil das Ziel des Strafvollzugs soll es ja letztlich auch sein, die Leute wieder zu befähigen, in einem Leben ohne Straffälligkeit zurückzukehren nach Verbüßung der Strafe.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und von der anderen Perspektive kann man natürlich schauen, welche Grundrechte schränken wir eigentlich ein, dadurch, dass wir jemanden in den Strafvollzug schicken. Da fallen einem natürlich wahrscheinlich dann schon einigermaßen viele ein, dass natürlich die Freiheitszügigkeit ist beschränkt.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Dann sicherlich auch immer ein Thema, das viel zu oft leider auch ein bisschen unten durchrutscht. Die Angehörigen, Schutz von Ehe und Familie. Was passiert eigentlich mit den Angehörigen, wenn auf einmal der Partner oder der Vater oder die Mutter ins Gefängnis geht? Da gibt es eine ganze Menge.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und natürlich, um auf den Kreis zu schließen zu diesem Thema Rechtsschutz, Artikel 19 Absatz 4, die Garantie effektiven Rechtsschutzes. Das ist ein ganz, ganz, ganz zentraler Punkt auch für, sicherlich auch für die menschenwürdige Existenz im Strafverzug.

16:13 Min
Marc Ohrendorf:

Wir hatten im Nachgang zur letzten Folge ein, zwei Zuschriften, die recht überrascht waren, ebenso wie ich auch in der Folge. Das wusste ich vorher nicht, dass der meiste Strafvollzug erstmal offener Vollzug ist. Und wir hatten eine sehr kritische Zuschrift, die sagte, naja, das ist doch alles hier viel zu lasch und kein Wunder, dass wir irgendwie so viele Straftäter haben.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

PS, ohne da jetzt zu sehr in die Details gehen zu wollen, aber ich sehe da zumindest in großen Teilen der Statistik auch rückläufige Zahlen, aber okay. Okay, dann noch die Frage an dich.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Was würdest du jemandem entgegnen, der sagt, naja, diese ganze Resozialisierungssache ist ja in der Theorie schön, aber in der Praxis unrealistisch. Das bringt doch alles nichts.

16:51 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ich glaube, als erstes würde ich ihm sagen, lass dich mal zwei Tage einschließen im Strafvollzug. Ich glaube, das macht unglaublich viel mit jemandem, der vielleicht denkt, wir gehen irgendwie mit Straftätern oder Straftäterinnen nicht hart genug um und der Strafvollzug soll ja auch eine Strafe sein.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ich glaube, das ist ganz schwer, sich vorzustellen, was das mit einem macht, wenn man von jetzt auf gleich völlig fremdbestimmt wird. Und anders kann man sich das ja nicht vorstellen. Das komplette Leben wird auf einmal geregelt durch diese Institutionen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und selbst wenn das, also der offene, das ist auch ein bisschen unterschiedlich geregelt von Land zu Land. Die Länder haben ja seit der Föderalismusreform alle landeseigene Strafvollzugsgesetze, ob der offene Vollzug der Regelvollzug ist oder der geschlossene Vollzug der Regelvollzug ist. In den meisten Fällen ist es der offene Vollzug.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und trotz allem, offener Vollzug klingt jetzt vielleicht erstmal so lasch, aber trotz allem kehrt man da abends hin zurück. Trotz allem ist man noch immer ganz stark eingeschränkt durch ein von außen erstmal quasi aufgedrücktes Regelwerk, das die Anstalt, das der Strafvollzug einem vorgibt.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und ich glaube, dass in dieses Gefühl, ich würde es jetzt vielleicht wirklich mal als Gefühl bezeichnen, ohne das respektierlich zu meinen gegenüber Personen, die diesen Eindruck haben, aber dieses Gefühl. Das ist alles viel zu lasch, wie du es jetzt gerade formuliert hast oder das bringt doch eh alles nichts mit der Resozialisierung, ist meiner Meinung nach auch stark geknüpft an dieses Empfinden.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Da hat jemand gegen unsere Rechtsordnung verstoßen, hat jemand was Schlimmes gemacht, dem darf es doch jetzt nicht noch gut gehen dafür. Und da muss ich auch ganz ehrlich sagen, das fiel mir am Anfang auch ganz schwer, das zu trennen, also die Person von der Straftat zu trennen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und vor allen Dingen auch zu trennen, dass wir mit dem Urteil, wenn jemand verurteilt worden ist für das, was er gemacht hat, eigentlich schon einmal eine Zäsur geschaffen haben. Da haben wir eigentlich als Gesellschaft schon einmal unsere, ja, unser moralisches, Unseren moralischen Unmut über das, was diese Person getan hat, ausgesprochen und genau deshalb ist er ja auch in den Strafvollzug gegangen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und der Strafvollzug selber ist nicht mehr die Strafe. Und man muss auch sagen, dass natürlich je besser der Strafvollzug ausgestaltet wird, desto höher ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der später entlassen wird, nicht strafrückfällig wird.

19:37 Min
Marc Ohrendorf:

Ich weiß, was du meinst. Und ich bin gar nicht kritisch. Also persönlich nicht. Aber der Satz, der Strafvollzug ist nicht die Strafe, ich glaube, den muss man noch ein kleines bisschen weiter erläutern. Weil meine Mutter, liebe Grüße, würde jetzt sagen, hä, warum ist denn der Strafvollzug nicht die Strafe? Und ich denke mal, viele andere Menschen auch.

19:58 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ist richtig. Habe ich vielleicht auch etwas zu pauschal formuliert. Wir wollen quasi denjenigen, der in den Strafvollzug geschickt wird, nicht weiter durch die Bedingungen des Strafvollzugs bestrafen. So müsste man es, glaube ich, korrekterweise ausdrücken.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Da hast du völlig recht. Denn natürlich ist die Strafe, wenn man es jetzt mal ganz verallgemeinert sagt, ist natürlich insofern der Strafvollzug, als im Urteil natürlich irgendwie ausgesprochen wurde, das ist jetzt keine Bewährungsstrafe mehr oder keine Geldstrafe, sondern du gehst jetzt in den Knast. Aber wir wollen die Leute, die im Strafvollzug sitzen, ja nicht nochmal doppelt bestrafen, dadurch, dass wir ihnen das Leben da so schwer wie möglich machen.

20:37 Min
Marc Ohrendorf:

Verstehe.

20:38 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und ich kann das auf so einer kognitiven Ebene auch wirklich total nachvollziehen, wenn man so einen Eindruck hat. Und ich glaube, man muss auch Leute ernst nehmen, die so einen Eindruck haben. Und das wäre immer schön, wenn man irgendwie da mal ins Gespräch kommen könnte und vielleicht ein bisschen mit so einem Gefühl aufräumen könnte.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Aber das ist natürlich eine ambivalente Situation auch irgendwie. Wir haben natürlich immer diese Person vor Augen und vielleicht auch die Straftat, die sie begangen hat. Und dann löst das natürlich so einen menschlichen Impuls aus, dass man da irgendwie Vergeltung für möchte.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Als Gesellschaft möchten wir dafür Vergeltung, dass jemand etwas Schlimmes getan hat und sich nicht an die Rechtsordnung hält, obwohl wir uns ja alle daran halten. Und auf der anderen Seite ist das aber immer noch ein Mensch, losgelöst von seiner Straftat, dem wir ermöglichen müssen, dass er in die Gesellschaft zurückkehren kann.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und das funktioniert nur, wenn wir den Strafvollzug so ausgestalten, dass er möglichst nah eigentlich an den Lebensverhältnissen ausgerichtet ist, die diese Person erwarten, wenn sie dann nachher irgendwann mal entlassen wird. Also wenn man das so, eine sehr liebe Kollegin von mir sagt aus unserem Projekt, sagt immer, also das letzte Argument ist schließlich, stell dir vor, das wird nachher wieder dein Nachbar.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Dann hättest du auch ein Interesse daran, dass der möglichst gut wieder sich zurück in unseren Normen und Regelwerk eingefunden hat, bevor der nebenan bei dir einzieht. Ja, so muss man es eigentlich sagen.

22:13 Min
Marc Ohrendorf:

Du hast gerade gesagt, bei deinem Projekt, ich nehme an, du spielst an auf deine Tätigkeit im Strafvollzug und so ein bisschen natürlich auch auf die Erste Deutsche Law Clinic im Strafvollzug, die du gerade an der FU mitgründest oder was machst du dort genau?

22:29 Min
Ronja Maria Ahlers:

Genau. Also ich arbeite ehrenamtlich noch für einen Verein hier in Berlin, Tatort Zukunft e.V. Heißt der. Wir beschäftigen uns quasi mit allem, was um den Strafvollzug herum passiert, was im Strafvollzug passiert, mit den Angehörigen, mit den Strafgefangenen, auch sehr viel mit Jugendlichen, Straftätern und Täterinnen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und haben da eine sehr dankenswerte Heimat in der Law-Klinik an der FU gefunden, die von Professor Mommsen und Professor Drenkhahn geleitet wird und die sich sowohl mit Strafvollzug als auch mit Wiederaufnahmeverfahren beschäftigen. Und wir haben die Möglichkeit jetzt als Verein gemeinsam mit dieser Law-Klinik eine Rechtsberatung von Studierenden für den Strafvollzug aufzubauen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Genau. Also letztlich vom Prinzip her dasselbe, wie es wahrscheinlich viele schon aus den Refugee-Law-Klinics kennen. Studierende sollen ausgebildet werden, kostenlose Rechtsberatung für Strafgefangene im Strafvollzug anbieten zu können.

23:30 Min
Marc Ohrendorf:

Cool. Und das ist logischerweise wahrscheinlich begrenzt jetzt gerade auf Berlin und da auf die FU. Aber wer sich angesprochen fühlt, ich vermute mal, sag ich jetzt einfach mal, darf gerne Kontakt mit dir aufnehmen, denn ich sehe dich schon nicken gerade parallel.

23:42 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ja, unbedingt. Total. Wir freuen uns total, wenn Leute sich dafür interessieren können. Wir haben auch über den Verein schon Projekte gehabt, in denen Gefangene zusammen mit Studierenden Uni gehabt haben. Also Uni im Vollzug heißt das.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, dass man möglichst früh anfängt, so Vorurteile aufzubrechen, die so ein bisschen entstehen durch dieses Denken, die da im Strafvollzug und wir hier und auch insbesondere vor dem Hintergrund natürlich, dass gerade Jurastudierende, später einmal möglicherweise auch in Positionen sind, in denen sie über den Strafvollzug mitentscheiden können. Und da möglichst früh so Berührungsängste abzubauen und auch ein Verständnis mal für die andere Seite, also einen Perspektivwechsel vollziehen zu können, ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig und auch unbedingt geboten.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und wir haben bisher auch ziemlich begeisterte Rückmeldungen von den Studierenden bekommen, dass es doch gar nicht so schlimm war, wie man sich das vorstellt. Weil die Menschen da eigentlich doch ganz nett sind.

24:44 Min
Marc Ohrendorf:

Ein Perspektivwechsel, der sich gerade bei Menschen, die den Strafvollzug und das Strafrecht mitgestalten, vollzieht, ist im Bereich des Schwarzfahrens und der Ersatzfreiheitsstrafe für Geldzahlungen oder Geldstrafen, die dort dann verhängt werden. Wir haben im Vorgespräch schon ein kleines bisschen darüber gesprochen.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Das Ganze ist im Umbruch, aber irgendwo ruckelt es noch. Kurz zum Problemaufriss ist am Ende des Tages einfach, dass Menschen, die sich schon eine Fahrkarte nicht leisten wollen, erst recht natürlich wahrscheinlich auch keine Geldstrafe zahlen können oder dies zumindest nicht tun. Wie siehst du diesen ganzen Problemkomplex und was könnte da eine mögliche Lösung sein?

25:27 Min
Ronja Maria Ahlers:

Ich finde es erstmal gut, dass das jetzt gerade ganz stark an den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, so öffentlich, weil das ist wirklich so ein Konstrukt, dieses Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahren, das so veraltet ist und einfach auch überhaupt nicht das bezweckt, was man sich vielleicht irgendwann mal gedacht hat, als man diese Norm geschaffen hat und auch überhaupt nicht mehr aktuell für die Gesellschaft ist oder für die Person, die es ja in erster Linie trifft.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Denn das ist, glaube ich, schon sehr, sehr häufig jetzt gesagt worden in Fernsehinterviews, in zahlreichen Artikeln, die jetzt mittlerweile in den Medien erscheinen. Jemand, der sich so ein Ticket nicht leisten kann, wie soll der sich denn bitte die Geldstrafe leisten? Und dann setzen wir den, und da kommen wir dann auch auf dieses Thema Strafvollzug, dann setzen wir den für ein paar Tage, ein paar Wochen in den Strafvollzug, je nachdem, wie viel sich da angestaut hat.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und selbstverständlich wird der aber in dieser Zeit, weil es ist einfach eine Ersatzfreiheitsstrafe, es ist ja keine Freiheitsstrafe, die den gleichen Behandlungskonzept des Strafvollzugs unterliegt, wie jemand, der jetzt gerichtlich verurteilt ist und den Strafvollzug geht. Dann sitzen da Leute ein paar Wochen, ein paar Monate völlig ohne irgendeinen Sinn, also wirklich Sinn, weil natürlich dieses Behandlungskonzept, das man für Strafgefangene natürlich ausarbeitet, kommt da überhaupt nicht zum Zuge.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und dann, das haben wir dann gewonnen. Die Person kommt raus, hat vielleicht in der Zeit auch noch irgendwie irgendeinen Job, den sie vielleicht noch hatte, verloren. Der hat sicherlich beim nächsten Mal auch kein Geld wieder, dieses Ticket zu kaufen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das ist ja dann quasi…. Man dreht sich im Kreis. Und ja, was macht man? Was ist eine Alternative? Das ist eine gute Frage.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Und ich finde, das ist auch, wenn man ein bisschen näher drüber nachdenkt, gar nicht so eine einfache Frage, wie wenn man jetzt impulsiv sagen würde, dann sollen die stattdessen, weiß ich nicht, wie es ja auch schon öfter mal vorgeschlagen wurde, arbeiten gehen oder Sozialstunden ableisten oder so. Also ich finde, das ist noch immer weit, weit, weitaus vorzugswürdiger als eine Ersatzfreistrafe.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Also das ist wirklich, ich glaube, da kann man sich auch mittlerweile darauf einigen, das ist einfach jetzt mal ganz überspitzt gesagt Blödsinn. Setzt man solche Menschen in soziale Arbeitsstunden? Ich finde, man muss immer so ein bisschen auch schauen, was für ein Klientel ist überhaupt von so einer Maßnahme erfasst, Wenn wir uns jetzt mal einen Schritt weiter überlegen, dass man diese Ersatzfreiheitsstrafe streicht und dann eine Alternative dazu findet.

28:13 Min
Marc Ohrendorf:

Ein Vorschlag könnte ja auch sein, vielleicht den ÖPNV mal für diesen berühmten einen Euro pro Tag anzubieten und dann entsprechenden SozialleistungsempfängerInnen da auch nochmal unter die Arme zu greifen, dass schon grundsätzlich das ÖPNV-Fahren gar nicht mehr so eine große Hürde darstellt.

28:31 Min
Ronja Maria Ahlers:

Zum Beispiel. Also das, genau. Letztlich kann man ja schon davon ausgehen, die Leute, die sich das Ticket nicht kaufen, werden weit überwiegend das nicht böswillig machen, weil sie einfach keine Lust haben, sondern weil es ihnen wirklich um diesen finanziellen Aspekt geht. Und ja, dann schon irgendwie einen Ansatz zu schaffen, in dem erst überhaupt nicht diese Straftat im Raum steht.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Also zum Beispiel, ich glaube, wenn ich das richtig verfolgt habe, wurde ja auch mal diskutiert, ob man das zu einer Ordnungswidrigkeit unterstuft. Das ist ja derzeit tatsächlich ein Straftatbestand. Straftatbestand, das muss man sich einfach auch mal wirklich irgendwie vergegenwärtigen.

1:00 Min
Ronja Maria Ahlers:

Das weiß ich nicht, ob das so weiterführend ist, weil letztlich kann man da natürlich, wenn jemand dann Ordnungswidrigkeit begeht, dann kann man halt im Zweifel, wenn er es nicht bezahlt, zivilhaft anordnen und dann sind wir wieder in der gleichen Situation. Aber ja, schon mal irgendwie auch politisch oder auch gesellschaftlich so Strukturen zu schaffen, die schon verhindern, dass man überhaupt erst so einen Straftat- oder Ordnungswidrigkeit Tatbestand erfüllt, ja, ich glaube, das ist ein viel, viel sinnvollerer Ansatz.

29:29 Min
Marc Ohrendorf:

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und ein kleines bisschen aus deinem Leben und deinem fachlichen Wirken berichtet hast. Ganz interessante Ansatzpunkte, schön passend zur letzten Folge und ich wünsche dir weiterhin alles Gute für deine Promotion.

29:42 Min
Ronja Maria Ahlers:

Danke dir. Tschüss. Tschüss.

Das könnte Dich auch interessieren

featured

IMR311: Versicherungsrecht, explodierende Wohnmobile, Trunkenheitsfahrten, Verkehrsrecht, Schmerzensgeld

featured

IMR310: Wirtschaftsinformatik im Nebenstudium, Legal Tech im Beratungsumfeld, KI-gestützte Vertragsprüfung

featured

IME029: Erfolgsqualifizierte Delikte, Gefahrverwirklichungszusammenhang, Letalitätstheorie vs BGH, Eigenverantwortliche Selbstgefährdung, Erfolgsqualifizierter Versuch vs Versuch der Erfolgsqualifikation mit Richter am BVerfG

featured

IMR308: Karrieretechnisch der Neugierde folgen, Full Service im Kanzleialltag, für Mandanten Synnergien heben, Buy & Build-Strategie im Unternehmenskauf

Nichts verpassen mit dem Abo

Abonniere den Podcast, um automatisch über neue Folgen und Karrieremöglichkeiten informiert zu werden.

QR Code for Apple Podcasts
Zu Apple Podcasts