Dr. Benjamin Limbach, ÖD | Justizminister NRW
Asylgerichtliche Verfahren - Ausbildungsoffensive - Digitalisierung - Gefangenenvergütung - Integrierter Bachelor - Justizministerium NRW - Karrierewege - Knappe Kassen - Lerngruppe - Öffentlicher Dienst - Personalprobleme - Promotion - Psychische Belastung - Staatsanwaltschaften - Strafprozessordnung - Zweigeteilte Ausbildung
Heute zu Gast bei IMR: Der Justiminister Nordrhein-Westfalens, Dr. Benjamin Limbach. Wir sprechen über seinen persönlichen Werdegang sowie das Jurastudium. Warum fand Dr. Limbach die Karriere im öffentlichen Dienst schon immer spannend? Wie hat ihn dabei seine Familie geprägt? Kann man planen, Justizminister zu werden? Wie muss man sich den Moment, in dem man gefragt wird, das Amt anzunehmen, vorstellen? In welchen Punkten sieht der Minister Reformbedarf in der Juristenausbildung? Inwieweit hilft der integrierte Bachelor? Antworten auf diese und viele weitere Aspekte bezüglich der Justiz in NRW erhaltet Ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Der Justizminister Nordrhein-Westfalens steht als Teil der Landesregierung an der Spitze der größten Justizverwaltung Deutschlands. Von Düsseldorf aus steuert das Ministerium ein Netz aus Gerichten, Staatsanwaltschaften, Justizvollzugsanstalten und Fachbehörden, in dem rund 40 000 Beschäftigte – von Richterinnen und Richtern über Staatsanwältinnen bis hin zu IT-Expertinnen – arbeiten und Recht sprechen.
Ob Digitalisierung der Akten, Reform der Juristenausbildung oder Sicherheitskonzepte im Strafvollzug – thematisch ist das Portfolio ebenso breit wie praxisnah und bietet Juristinnen und Juristen fast jeder Couleur spannende Karrierepfade im öffentlichen Dienst. Lust auf einen Blick hinter die Kulissen? Dann hör jetzt in die IMR-Folge mit Minister Dr. Benjamin Limbach und lass dich inspirieren.
Es hilft sehr, sich während des Jurastudiums Vorbilder zu suchen.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Mark hier, hi. Nur eine kurze sozusagen redaktionelle Mitteilung. Zum Zeitpunkt der Aufnahme vor einigen Wochen war gerade so noch nicht bekannt, dass in NRW Referendarstellen gestrichen werden. Deswegen ist das leider nicht Teil des Interviews, aber auch ansonsten gibt es viele spannende Infos, unter anderem zu der Frage, warum oder warum nicht Reformbedarf im Rahmen des Jurastudiums gesehen wird.
Viel Spaß!
Herzlich willkommen zu einer ganz besonderen Episode Irgendwas mit Recht. Mein Name ist noch immer Marc Ohrendorf und heute darf ich für euch im schönen Justizministerium in Düsseldorf setzen und mit Herrn Justizminister Dr. Benjamin Limbach sprechen. Hallo.
Hallo Herr Ohrendorf.
Danke, dass Sie mich eingeladen haben. Normalerweise sozusagen frage ich ja, was Sie so machen. Das ist bei einem Justizminister vielseitig und gleichzeitig vielleicht auch schon bekannt, aber wir fangen mal ganz vorne an, denn Sie sind ja auch nicht von gestern auf heute Justizminister geworden, Sie haben auch irgendwann mal Jura studiert. Wie kam es dazu?
Ich wollte eigentlich erst was ganz anderes machen und habe mich nach dem Abitur umentschieden und habe dann aber gesagt, jetzt gehe ich erstmal zur Bundeswehr und habe dann mit meinem besten Schulfreund, der immer noch mein bester Freund ist, haben wir beide überlegt und haben gesagt, nach der Bundeswehr gucken wir mal, ob wir nicht beide Jura studieren. Weil, ich gebe zu, wir zu dem Zeitpunkt eigentlich beide gar nicht wussten, was wir machen wollen.
Aber das hatte man ja immer so gelernt, mit Jura kann man alles machen. Also mein Vater hat immer gesagt, mit Jura kannst du alles außer operieren. Und daher lag das dann nahe, Jura zu studieren, aber ich hatte noch keine konkrete Vorstellung, was ich später werden möchte.
Hat da Ihr familiärer Background eine Rolle gespielt? Ihre Mutter war ja auch eine recht bekannte Juristin oder ist?
Ja, also meine Eltern sind beide Juristen. Ich hatte noch zwei Onkel, eine Tante, die auch Juristen sind. Meine Schwester studierte zu dem Zeitpunkt auch schon Jura oder war, glaube ich, sogar schon in der Referendarzeit.
Also das hat natürlich so eine Rolle gespielt, dass man in der Familie gesehen hat, dass es ganz unterschiedliche Berufe gibt. Wir hatten zwei Beamte, eine Professorin, eine Richterin, einen Notar. Also man sah, es gibt sehr viele Möglichkeiten.
Und deswegen war das eigentlich ideal, wenn man gar nicht weiß, was man genau machen will.
Würden Sie sagen, dass es das leichter oder schwerer gemacht hat? Oder war das neutral?
Ich glaube, man hat schon einen Vorteil, wenn man aus einer Juristenfamilie stammt, weil ich bestimmte Überlegungen und Sorgen nicht hatte, die andere hatten. Also immer diese Sorge, am Ende steht dieses große erste Staatsexamen und das ist wie so ein Riesenberg.
Und wenn man da nicht durchkommt, hat man nichts in der Hand. Und schafft man das eigentlich? Eigentlich. Und dieser Weg dahin, wo man dann sagt, wenn man zwei Staatsexaminationen hat, kann man Richter werden, das glaubt man immer, ist wie so ein Riesenberg, der vor einem steht.
Und wenn man sich in der eigenen Familie umguckt und man sieht lauter Leute, die haben das auch geschafft, das macht es erheblich einfacher. Also das ist, ich bin da, das sag ich ganz ehrlich, total privilegiert aufgewachsen, um ins Jurastudium zu gehen.
Bedeutet, als Ableitung hört mehr Podcast-Folgen, sucht euch Vorbilder, denn die haben es ja auch alle geschafft. Dann sieht man so ein bisschen das Licht am Ende des Tunnels in verschiedenen Rollen und merkt auch vielleicht, die Person, die hat mit 20 ganz ähnlich getickt wie ich und jetzt ist die das und das.
Da mangelt es vielleicht ja auch manchmal dran, wenn man lange Nächte alleine in der Bibliothek oder in langen Vorlesungen verbringt.
Also deswegen finde ich es gerade so wichtig, dass es Möglichkeiten gibt für junge Menschen, die zum Beispiel aus Nicht-Akademiker-Familien kommen, Mentorenprogramme wahrzunehmen. Und ich finde das immer total hilfreich, auch solche Vereine wie Arbeiterkind e.V., weil ich merke, dass ich mir über vieles nie Gedanken gemacht habe.
Und ich habe mit einem anderen zusammen gelernt fürs Examen, der der erste Jurastudent in seiner Familie war. Und ich habe immer dessen Sorge nicht so verstanden vor den Prüfungen. Aber das ist halt ein ganz anderer Background.
Und deswegen haben sie vollkommen recht, man muss sich Vorbilder suchen. Man muss sich diesen Berg wegdenken und sich einfach sagen, keine Ahnung, wie ich rüberkomme. Aber die anderen haben es auch geschafft, also werde ich das auch schaffen.
Ich hatte einen Tief im dritten Semester und war dann im vierten Semester in Prag, habe da Erasmus gemacht und da habe ich vier, liebe Grüße, nette Männer kennengelernt, die alle Jurastudenten aus Hamburg waren und die waren so kurz vorm Examen und da hatte ich genau diesen Effekt. Da habe ich gemerkt, oh, die feiern hier viel und sind trotzdem irgendwie gut unterwegs und gut drauf und dann habe ich ein Semester später gesehen, die haben auch ihr Examen bestanden und dann wusste ich, ja gut, klar, wenn die normalen Typen das schaffen, schaffst du das doch auf jeden Fall auch.
Also genau der Effekt. Übrigens, wir haben, ich habe das gerade nachgeguckt, parallel am 21. Mai hier eine Folge mit arbeiterkind.de veröffentlicht. Da also auch gerne mal reinhören.
Da tut sich auch gerade total viel, die auch sozusagen gerade die juristische Welt für sich entdecken, weil wir ja doch so ein bisschen eine Closed Community waren und uns zunehmend öffnen. Und da gibt es sehr, sehr viel Aufklärungsbedarf und aber auch Interesse.
Also ganz, ganz wichtiges Thema, würde ich so auch nochmal unterstreichen. Wo haben Sie studiert?
In Bonn.
In Bonn. Und dann ging es wo weiter mit dem Referendariat?
Ich habe nach dem Studium, weil man eh mindestens Wartezeit damals hatte, hatte ich das Angebot meines Professors, bei dem ich Student Hilfskraft war, als wissenschaftliche Hilfskraft und dann Mitarbeiter zu arbeiten.
Wer war das?
Professor Rudolfi, sehr liberaler Strafrechtler. Das waren schon seine letzten Jahre als Professor. Und ich habe dann noch das Glück gehabt, hatte so eine Assistentenstelle und die gab er einem immer so für ein Jahr, höchstens anderthalb, um eine Promotion zu schreiben. Und er hatte sie mir angeboten und in dem Jahr habe ich dann auch den größten Teil meiner Doktorarbeit geschrieben.
Man musste dann halt natürlich für ihn arbeiten, Arbeitsgemeinschaften für Erstsemester leiten, also mal so in den Unibetrieb reinkommen. Aber das war wirklich klasse, weil ich am Institut bleiben konnte, dieses Jahr dafür genutzt habe und dann zu meinem Wunschtermin Referendar auch am Landgericht Bonn werden konnte.
Hatten Sie die Promotion dann fertig?
Genau, als ich Referendar geworden bin, hatte ich sie, glaube ich, ihm schon abgegeben. Und ich habe da mal auf den Rat meiner Mutter gehört, die gesagt hat, Doktorarbeiten werden viel zu lang bei den Juristen. Und du schreibst auf keinen Fall mehr als 120 Seiten.
Wenn man mehr als 120 Seiten für einen Gedanken braucht, dann ist er nicht gut. Und ich bin bei 122 Seiten gelandet. Also ich habe es eingehalten und sie hatte selber als Profession gesehen, wie viele sich in der Doktorarbeit verlieren und hat gesagt, du musst dir ein Ende setzen, einen klaren Punkt setzen und entweder hast du es dann oder du lässt es sein.
Und das war wirklich ein guter Ratschlag. Und da ich auch nicht in die Wissenschaft gehen wollte, war ich auch nicht darauf erpicht, da irgendwie ein Summa Cum Laude und einen Fakultätspreis irgendwie zu erringen, sondern ich wollte einmal was Eigenes schreiben, was mir kein anderer vorgegeben hat und damit war es dann auch für mich das Thema Wissenschaft eigentlich erstmal erledigt.
Das heißt, Sie hatten auch die Möglichkeit, Ihr Thema selber auszuwählen? Ja. Das ist schön.
Da war Rudolf hier als Doktorvater ganz klar, er ließ viele Leute bei sich anfangen zu promovieren und da war er sehr kulant sozusagen, also war dann nicht so, dass er sagte, bei mir dürfen immer nur so und so viel gleichzeitig promovieren, sondern er sagte, nee, wenn die Note stimmt, derjenigen kennt, ja. Er muss sich das Thema selber suchen.
Und das fand ich auch gut, weil das ist ja schon, finde ich, Teil der Arbeit irgendwie, sich durch Zeitschriften zu wühlen und mal zu sagen, das finde ich mal interessant und sich dann so ein Thema selber zu erarbeiten. Also deswegen habe ich mich darüber sehr gefreut, dass ich, andere sind froh, wenn der Professor kommt und sagt, hier, schreib doch mal da und darüber.
Und ich fand es eigentlich eher schön, dass er gesagt hat, also Thema müssen Sie sich schon selber suchen.
Verstehe. Was haben Sie denn genommen?
Der drohende Tod als Strafverfahrenshindernis, Das war das Honecker-Verfahren vom Landgericht Berlin, was eingestellt worden war, weil Honecker todkrank war. Und das hat damals zu einer Kontroverse geführt. Der Tod ist ein Strafverfahrenshindernis.
Krankheit hemmt eigentlich nur, bis man wieder gesund ist. Und was ist eigentlich, wenn man weiß, dass jemand vor Ende des Verfahrens sicher sterben wird? Und das ist damals mal heftig diskutiert worden. Und dann habe ich gedacht, das ist wirklich mal ein Thema, das man mit einer Seitenbegrenzung auf 120 Seiten mal untersuchen kann und sich angucken kann, um einfach mal in die Grundlagen der Strafprozessordnung reinzukommen.
Was ist eigentlich Ziel des Strafverfahrens? Was macht eigentlich Sinn? Und wann muss man aufhören?
Okay. Referendariat auch in Bonn? Ja. Hatten Sie da besondere Stationen schon im Auge oder haben Sie es ein bisschen auf sich zukommen lassen? Wie sind Sie das Referendariat angegangen?
Dadurch, dass ich direkt aus der Promotion eigentlich kam, habe ich mir gar nicht viel Gedanken gemacht, sondern ich wusste halt, welche Stationen kommen und ich habe einfach gesagt, gut, Zivilrecht, damit fängt man ja an, ein halbes Jahr beim Zivilgericht, da habe ich gesagt, das war bisher nicht mein Ding im Studium so sehr, du startest einfach nochmal komplett
neu und das war wirklich gut, nachher war ich im Zivilrecht deutlich besser als im Studium, weil ich es aus einer ganz anderen Warte gesehen habe, also für mich, ich ganz ehrlich zu und zum Glück sind glaube ich alle meine Professoren oder fast alle emeritiert, ehrlich, das Referendariat war der bessere Teil der Ausbildung.
Fand ich.
Also Uni war toll, ganz tolle Professoren, aber richtig gelernt und begriffen habe ich Jura in der Anwendung und da wirklich zu sitzen, ich war beim Landgericht in der Zivilkammer und wirklich so ein Urteil zu schreiben und auch diese Relation zu schreiben, das hassen ja manche, aber ich fand das total gut, mal wirklich zu begreifen, es kommt Es kommt nicht eine abstrakte Frage, sondern es kommt ein Fall und den musst du lösen.
Und dann stellen sich da drin mal ein paar abstrakte juristische Fragen. Und für mich, da habe ich immer gemerkt, ich bin nicht für die Uni, ich muss raus ins praktische Leben irgendwie. Das fand ich das total Spannende.
Und dann die unterschiedlichen Möglichkeiten kennenzulernen. Damals habe ich noch überlegt, ob ich in die Verwaltung gehe oder Strafrichter werde. Und dann war ich statt bei der Staatsanwaltschaft, weil wir zu viel Referendare waren damals, musste ein paar zum Strafrichter gehen.
Da habe ich mich freiwillig gemeldet, weil ich gedacht habe, zu dem Zeitpunkt Staatsanwalt war nicht auf meiner Liste, aber Strafrichter. Und nach den drei Monaten war ein ganz toller Richter. Ich habe echt was gelernt und ich wusste, das ist nicht deins.
Das machst du nicht. Dann war für mich eigentlich klar, mein Ziel war, in die Ministerialverwaltung zu gehen. Da hatte ich es insofern einfach, weil mein Vater war Zeit seines Lebens Ministerialbeamter und ich fand das immer total spannend, was der gemacht hat.
Da habe ich immer gedacht, also das möchtest du mal irgendwo anders natürlich, in einem anderen Bereich, aber das würdest du eigentlich gerne machen.
Also da wussten sie dann auch ziemlich genau, worauf sie sich einlassen sozusagen.
Ja, also ich habe öffentlicher Dienst am Abendbrottisch sozusagen gelernt. Ich habe dann gelernt, wie man Organigramme liest, was die Farbenlehre bedeutet in einem Ministerium, wie die Hierarchien funktionieren etc. Und viele schreckt das total ab.
Also meine Geschwister wären mit Sicherheit, glaube ich, nicht auf die Idee gekommen, in die Ministerialverwaltung zu gehen. Aber ich habe immer gemerkt, dass ich das total spannend fand und unheimlich interessant. Und dann habe ich meine Wahlstation danach ausgesucht und bin ins Bundesjustizministerium gegangen, habe da im Referat gesessen und gearbeitet und habe gedacht, ja, das kann ich mir vorstellen.
Manche tun sich ja schwer mit solchen hierarchischen Systemen, Aber ich bin da vielleicht sehr preußisch erzogen. Ich habe da eine Klarheit und Struktur drin gesehen, mit denen ich gut arbeiten konnte.
Das ist ja ein ganz konkreter Grund auch. Das wäre nämlich sozusagen ansonsten meine nächste Frage gewesen, was Sie denn da so begeistert hat. Haben Sie mal mit dem Gedanken gespielt, Anwalt zu werden oder war das immer off the table?
Also wir haben einmal im Scherz in einer Gruppe von Freunden überlegt, wir machen zusammen eine Kanzlei auf und haben die Aufgaben untereinander verteilt, weil wir als Gruppe zusammenbleiben wollten. Ich glaube, es ist kein einziger von uns Anwalt geworden, doch einer.
Nein, ich bin dann doch ein Kind des öffentlichen Dienstes, muss ich wirklich zugeben. Ich bin da sehr geprägt worden und ich habe da immer am Beispiel meines Vaters auch gesehen, was man machen kann und was man gestalten kann in der öffentlichen Verwaltung. Und das fand ich spannend.
Ich war in der normalen Verwaltungsstation im Rechtsamt der Stadt Bonn, Und ich weiß immer, alle anderen Referendare, die da waren, haben eigentlich nur geguckt, dass sie möglichst mittags wieder draußen waren und dass sie möglichst Zeit zum Lernen haben. Und ich fand das total interessant, was sie da gemacht haben, die unterschiedlichen Prozesse zu begleiten, vom Sozialamt, vom Bauamt oder sonst wieder da reinzuschnuppern und zu gucken, wie funktioniert eigentlich Kommunalverwaltung.
Das fand ich einfach interessant. Und das ist immer, am Ende sage ich immer, muss man irgendwo gucken, dass man seinen Neigungen folgt, weil meistens hat man dann auch die Befähigung dafür.
Aber Sie haben wahrscheinlich da nicht geplant, Justizminister zu werden, oder?
Ich durfte ja noch nicht mal erstmal in die Verwaltung gehen, weil Nordrhein-Westfalen damals die Verwaltung, die Bezirksregierung Einstellungen stoppt hatten. Und deswegen bin ich ja sogar erstmal Verwaltungsrichter geworden und dann später hier ins Ministerium gekommen. Aber Verwaltungsminister kann man nicht planen.
Klar. Das kann man überhaupt nicht planen. Es gibt Leute, die sowas für sich planen, die Landtagsabgeordnete oder Bundestagsabgeordnete sind, sich hocharbeiten, auf Wahlsiege zuarbeiten und dann sozusagen überlegen, bin ich dran? Habe ich das passende Politikfeld zu einem passenden Ministerium etc.? Da kann man das vielleicht hoffen oder auch alles dafür machen, aber gerade wenn man als Quereinsteiger wie ich reinkommt, das kann man überhaupt nicht planen.
Und das gebe ich auch ehrlich zu, hätte ich mir auch nie überlegt sozusagen, gerade weil ich bin politischer Mensch, ich bin ja auch in der Partei, aber Minister ist einfach etwas ganz anderes. Das ist auch, finde ich, überhaupt gar nichts, was man planen kann.
Und deswegen, wenn Sie Ihren Hörern erklären wollen, wie kommt man zu diesem Beruf, ich weiß es nicht.
Ja, ich glaube, das ist die einzige valide Antwort, die man an der Stelle erwarten und auch wahrscheinlich geben kann. Aber vielleicht nochmal so als kleine Hintergrundgeschichte. Haben Sie es denn realisiert, dass Sie womöglich Minister werden? Wie lief das ab? Erinnern Sie sich da so an so einen Schlüsselmoment vielleicht?
Ja, ich kriegte einen Anruf und hatte die damalige Parteivorsitzende am Apparat und ich war nicht Teil der Koalitionsverhandlungen. Ich hatte Wochen oder Monate vorher mal Gespräche mit jemandem geführt, das aber auch nicht sowas zum Inhalt hatte, sondern ich hatte nur gesagt, also ich komme ja aus NRW, ich arbeite zu dem Zeitpunkt ja beim Bund und wenn ihr mal irgendwas braucht oder sonst was, ich stehe parat.
Während der Koalitionsverhandlungen habe ich nichts gehört und war auch nicht beteiligt und deswegen saß ich eigentlich quasi fast auf gepackten Koffern. Wir wollten in den Urlaub fahren und dann kam zwei Tage bevor wir losfuhren der Anruf und dann erklärte man mir, was ich ja schon aus den Nachrichten wusste, wie die Ministerien aufgeteilt worden seien.
Und dann habe ich gedacht, oh Gott, möglicherweise wirst du jetzt gefragt, ob du als Abteilungsleiter oder Staatssekretär ins, Justizministerium zurückkehrst und habe noch gedacht, das ist ja wirklich toll, weil das gebe ich ehrlich zu, wenn man Beamter ist, dann sagt man sich immer, einmal Abteilungsleiter sein und in ganz kühnen Träumen zu sagen, ach und die können dann noch für die letzten drei, vier Jahre irgendwie Staatssekretär werden.
Und dass ich gefragt werde, ob ich Justizminister werden will, war für mich die totale Überraschung. Ich habe damit nicht gerechnet, niemand hat damit gerechnet in meinem Bereich und das ist wirklich mit dieser Frage gekommen. Ich hatte keine Vorwarnzeit.
Haben Sie eine Nacht drüber geschlafen?
Ich hatte keine Zeit dafür.
Okay.
So viel Zeit hat man mir nicht gelassen. Ich konnte noch mit meiner Frau sprechen.
Okay, ja, das ist auch gesund wahrscheinlich.
Ja, das wäre sonst auch problematisch geworden, glaube ich. Nein, und das ist auch eine Frage, gerade finde ich, also andere Fragen kann man vielleicht auch allein beantworten, wobei ich alle meine Schritte in meinem Berufsweg immer mit meiner Frau besprochen habe. Aber so etwas kann man nur im Einvernehmen machen, weil das schon ganz klare Einschnitte auch im Privatleben mit sich bringt.
Und da muss man Unterstützung haben. Und man sollte das auch mit jemandem reflektieren, wenn man solch eine Frage gestellt bekommt. Wenn man schlau ist, ist man selbstkritisch. Und wenn man selbstkritisch ist, fragt man sich auch immer, bin ich überhaupt die richtige Person? Bin ich dafür überhaupt geeignet? Ist das überhaupt mein Ding? Und das, finde ich, immer muss man mit jemandem reflektieren.
Und meistens kennt einen der Ehepartner am besten.
Gehen wir mal aufs Inhaltliche. Ich vermute, ich kenne die Antwort, aber haben Sie sowas wie einen Arbeitsalltag und falls ja, wie sieht dieser aus?
Also nein, ich habe keinen Arbeitsalltag. Wir haben eine Struktur, die wir uns als ich anfing gesetzt haben mit der Kollegin, die mein Vorzimmer leitet, mit der Leiterin des Ministerbüros, die ich sozusagen hier hingeholt habe. Aber da haben wir überlegt, wie wir bestimmte Strukturen einbauen mit bestimmten Routinen und Sachen.
Diese Struktur gibt es, aber sie wird jeden zweiten Tag über den Haufen geworfen. Es gibt halt bestimmte Sachen, die immer stattfinden. Dienstags ist Fraktionssitzung, Dienstags ist Nachmittagskabinettssitzung, einmal im Monat ist Plenum, meistens Mittwoch, Donnerstag, Freitag.
In einem bestimmten Rhythmus ist Rechtsausschusssitzung. Das macht Ihren Kalender schon relativ voll. Dann haben sie schon so ein Gerüst. Montags machen wir, das habe ich nicht eingeführt, das habe ich schon hier als Beamter erlebt, Abteilungsleiterbesprechungen, das heißt Minister, Staatssekretärin, alle Abteilungsleitungen an einem Tisch.
Wir gucken, dass wir regelmäßig Lagebesprechungen im Stab machen und dann ist der Tag schon relativ voll. Und dann haben Sie bestimmte Gesprächsformate, die regelmäßig stattfinden mit den vielen Richtervertretungen, Personalvertretungen. Die Berufsverbände und Gewerkschaften wollen aber auch nochmal mit Ihnen sprechen.
Sie müssen Rücksprachen mit Abteilungen machen zu bestimmten Themen. Es gibt große Dienstbesprechungen mit dem Bereich der Gerichtspräsidentinnen und Präsidenten, mit den Leitenden Oberstaatsanwälten, mit den Anstaltsleitungen im Justizvollzug. Und da ist so ein Jahr schon schnell voll.
Und wenn Sie dann sagen, ich will immer den ganzen Tag eine Behörde besuchen, dann bringe ich schon die Mitarbeiterin, die sich um meine Termine kümmert, schon in Argenöte, dann da irgendwo was zu schieben und zu verändern. Und dann passiert einfach auch viel Unvorhergesehenes.
Dann geht da irgendwas hoch, da passiert irgendwas. Und dann können Sie die nächsten zwei Tage vielleicht komplett anders machen. Also wir versuchen immer wieder mit Strukturen zu arbeiten und mit Arbeitslogiken zu arbeiten wichtig ist.
Das ist mir immer wichtig, Zeit zu finden mit meinen engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, immer wieder Phasen zu finden, wo man mal ganz in Ruhe und nicht gehetzt durch Themen rennt, sondern wo man mal ganz in Ruhe sich zurückzieht und überlegt, wo stehen wir gerade, was müssen wir regeln, was sind die großen Themen der nächsten Monate oder Wochen, wie stellen wir uns da auf.
Aber sowas finde ich ist total wichtig. Wenn Sie nur noch als Minister von Termin zu Termin hetzen, dann fliegen Sie irgendwann aus Ihrer Strategie oder aus dem, was Sie sich gemacht haben, raus.
Ja, verstehe. Viele unserer Zuhörenden werden Sie ja wahrscheinlich aus Medien kennen und mehr oder weniger zufällig dann auf Sie stoßen, wenn Sie irgendwo eine Rede halten und dann assoziiert man Sie mit einem gewissen Thema. Mich würde mal interessieren sozusagen, wie die Sicht aus der anderen Seite aussieht, nicht bezogen auf Medien, sondern auf diese Themenvielfalt.
Wenn ich Sie jetzt in den letzten zwei Wochen mit einem bestimmten Thema ein, zweimal gesehen habe, dann denke ich, ja gut, Justizminister, der arbeitet gerade mit seinen Menschen hauptsächlich daran, aber es ist ja wahrscheinlich deutlich bunter. Können Sie mal vielleicht so einen kleinen Blick hinter den Vorhang unseren Zuhörenden geben und einfach mal darlegen, was ist es, was Sie gerade alles so beschäftigt? Ich vermute, das ist recht viel und recht bunt, oder?
Ja, und ich hätte gerne noch mehr Zeit und Kapazität, um noch mehr Themen zu bearbeiten. Das ist wirklich, man hätte so viele Ideen, um die man sich auch gerne kümmern möchte. Also wir haben zum Beispiel seit Ende letzten Jahres sehr viel mit Staatsanwaltschaften zu tun.
Also wir haben halt festgestellt, dass die Staatsanwaltschaften der belastetste Bereich in der Justiz sind und dass wir dort andererseits auch Personalprobleme haben, als wir in Bereichen zum Beispiel der Rechtspflegerschaft, der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte, aber auch der Servicekräfte. Zu viele unbesetzte Stellen haben und wir mit dem Ausbilden kaum noch nachkommen.
Wir hatten auch in einzelnen Bereichen zu viele unbesetzte Staatsanwaltsstellen. Das sind wir angegangen und da haben vor allem die Generalstaatsanwälte viel geschafft bei den unbesetzten Staatsanwaltsstellen und wir haben halt auch nicht nur wegen der Staatsanwaltschaft, sondern insgesamt eine Ausbildungsoffensive gestartet, mehr Rechtspflegerinnen, Rechtspfleger ausbilden, mehr Servicekräfte für die Gerichte ausbilden, aber das wirkt ja erst mittelfristig.
Dann habe ich auch Briefe auf dem Tisch gehabt, zum Beispiel von Rechtspflegerinnen aus einem Generalstaatsanwaltschaftsbezirk, die gesagt haben, das und das und das brennt uns auf den Nägeln. Dann habe ich mich mit denen getroffen.
Dann haben wir Gespräche geführt mit den drei Generalstaatsanwälten und den Fachabteilungen hier des Hauses. Wo können wir helfen? Was können wir machen, wenn auf so vielen Ebenen zu wenig Personal ist? Wie können wir da die Arbeit gerecht verteilen? Ich habe mit den Personalvertretungen gesprochen, ich habe Arbeitsbesuche gemacht bei drei Staatsanwaltschaften, bisher aus jedem Generalstaatsanwaltschaftsbezirk einer.
Und da haben wir gesagt, das ist so ein Arbeitsschwerpunkt 2024. Weil wir sehen, wir müssen was tun. Und wir haben dann auch eine Einigung hinbekommen, wo wir helfen, wo wir unterstützen, sind damit auch nach draußen gegangen, die Presse in den Rechtsausschuss, um das darzustellen.
Das sind manchmal ganz kleine Maßnahmen, das sind manchmal Maßnahmen, die erst mittelfristig wirken werden. Aber es ist mir wichtig, dass wir sagen, wir möchten uns nicht nur um die Leuchtturmprojekte kümmern. Ich bin beim Minister danach unterschieden, ob die nur Leuchtturmprojekte machen oder ob sie sich auch um die ganz normalen Menschen in der Justiz kümmern.
Und das ist mir wichtig, dass wir sagen, ja, es ist gut, dass wir solche Zentralstellen haben. Ich habe ja selber eine eingerichtet, Umweltkriminalität. Wir haben die zur organisierten Kriminalität, wo wir gerade einen super Fahndungserfolg hatten mit den 36 Tonnen Kokain.
Das ist alles super, aber das alles braucht auch die 19 ganz normalen Staatsanwaltschaften, die sich um Handtaschenraub, um Steuerbetrug und sonst was kümmern. Und das ist so ein Schwerpunkt, den ich mir für dieses Jahr gesetzt habe.
Ein anderer Schwerpunkt ist auch, wir müssen gucken, dass wir in der Digitalisierung vorankommen. Am 01.01.2026 müssen wir flächendeckend den elektronischen Rechtsverkehr haben, da müssen wir noch einiges stemmen auf dem Weg dahin. Da ist meine Aufgabe vor allem die Geldmittel beim Finanzminister zu verteidigen, dass sie nicht der Einsparung zum Opfer fallen.
Die Ausbildungsoffensive wollen wir fortsetzen, wir müssen aber auch mal den Blick wieder auf den Strafvollzug richten. An sich haben wir uns damals im Koalitionsvertrag sehr viel vorgenommen, auch im Behandlungsvollzug weiter voranzukommen. Wir haben jetzt, der ist in der Verbändeanhörung, den Gesetzentwurf zur Gefangenenvergütung, weil uns das Bundesverfassungsgericht da verurteilt hat, dass wir die Gefangenenvergütung reformieren oder neu regeln.
Das ist jetzt nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der Themenvielfalt, die ich momentan auf dem Tisch habe. Dann haben wir uns mit den Verwaltungsgerichten und dem Oberverwaltungsgericht zusammengesetzt, wie wir der Forderung der MPK nach Beschleunigung von asylgerichtlichen Verfahren nachkommen und wie man das löst in einer Zeit, wo die Haushaltskassen nicht voll sind, die Gelder nicht sprudeln und man nicht einfach wie in frühen Haushaltsjahren sagen kann, wenn es ein Problem gibt, schütten wir das einfach mit Geld zu.
So, das funktioniert momentan nicht mehr, also muss man dann ins Klein-Klein zum Teil reingehen mit den Verwaltungsgerichten, gucken, wie können wir eigentlich mit bestehenden Mitteln euch unterstützen, damit wir da Asylverfahren, was ja auch im Interesse der Klägerinnen und Kläger ist, die ja eine Sicherheit über ihren Aufenthaltsstatus haben wollen, wie können wir das machen? Und da merkt man immer, dass das Regieren in Zeiten knapper Kassen, da denkt man zuerst, man kann halt nichts mehr machen, also hat man nichts zu tun.
Aber das Gegenteil ist der Fall, weil die Probleme sind ja trotzdem da und die Aufgaben, die man erfüllen muss. So, und man kann sie eben nicht einfach durch Geld erledigen, sondern man muss gucken, wie man das hinkriegt. So haben wir, finde ich, einen guten Belastungsausgleich hinbekommen mit den Staatsanwaltschaften, wo Richterstellen zu den Staatsanwaltschaften rübergehen für einen Zeitraum.
Das haben die Gerichte mitgemacht, weil sie auch eingesehen haben, dass ihre Belastung momentan nicht so hoch ist wie in den Staatsanwaltschaften. Haushalterisch hervorragenden Zeiten, hätte man einfach gesagt, ja, besorgen und stellen und geben die dahin und dann stellen die ein.
Und das ist schon was ganz anderes. Und der Fokus hat sich dadurch sehr verschoben bei uns, weil als der Koalitionsvertrag verhandelt wurde, noch nicht so absehbar war, wie schwierig haushalterisch die nächsten Jahre werden. Da stehen wir jetzt vor ganz anderen Herausforderungen und trotzdem haben wir hier eine dritte Gewalt, wo die Bürgerinnen und Bürger den Anspruch haben, dass die funktioniert.
Egal, ob es haushalterisch gerade gute oder schlechte Zeiten sind. Und da die richtigen Wege zu finden, das finde ich jetzt spannend, aber ich erlebe da auch die Justiz sehr konstruktiv, damit zu überlegen, mit nachzudenken, wie wir uns in solchen Zeiten aufstellen können.
Dann lassen Sie uns in den letzten Minuten unseres Gesprächs nochmal ein bisschen über unsere hier zuhörenden Menschen sprechen, nämlich viele Jurastudierende. Wenn Sie jetzt ein, zwei Tipps loswerden könnten und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie da was zu sagen parat hätten, was würden Sie dem juristischen Nachwuchs aktuell 2024 so insgesamt raten?
Erstens, Glückwunsch zu der Studienwahl. Das ist immer noch ein Studium, das einem nach zwei Staatsexamen fantastische Möglichkeiten bietet. Aber auch, wenn unser Gesetz demnächst durchkommt, wenn man eben nicht ins erste Staatsexamen geht mit dem integrierten Bachelor, auch gute Möglichkeiten gibt, sich anders in andere juristische Bereiche und andere Berufe zu entwickeln.
Zweitens, sich nicht Kürre machen zu lassen von diesen beiden Staatsexamen. Die Nerven zu behalten, wirklich darauf zu gucken, es haben schon so viele geschafft, ich kann das auch. Also da ruhig zu bleiben lassen und nicht all den Porolen zu folgen, die einem die älteren Semester erzählen.
Das war auch schon zu unseren Zeiten so. Also sich nie zu früh festzulegen. Der Einheitsjurist ist ein Riesengewinn, finde ich. So wie beim Mediziner, der auch, glaube ich, bis zum dritten Staatsexamen immer noch einheitlich ist, abgesehen von Zahnmedizin.
Sich nie zu früh festlegen, nie zu sagen, ich werde nachher Zivilrichter. Neugierig bleiben, offen bleiben, die Referendarzeit wirklich ernst nehmen. Und das Wichtigste ist, finde ich, in diesem Studium nicht alleine bleiben.
Mein erster Ratschlag immer, egal ob Jurastudenten oder rechtswidrige Studenten, Lerngruppe. Man braucht eine Gruppe, mit der man sich gemeinsam durchbeißt, wo man sich gegenseitig motiviert. Man hat immer, Sie haben vom dritten Semester gesprochen, man hat immer Phasen, wo man denkt, oh Gott.
Und dann hat man ein oder zwei in der Gruppe, die sagen, ach. Ziehen wir jetzt auch noch durch. Komm, den Schein schaffen wir noch. Und das finde ich ist, Lerngruppe ist für mich das A und O, um durch so ein Studium zu gehen.
Viele glauben immer, Jurastudium ist so ein Einzelgängerstudium oder sowas. Das sollte es nicht sein. Wer glaubt, alleine da durchzukommen, verschenkt, glaube ich, Potenzial. Und auch danach, wenn man fertig ist, immer offen bleiben.
Ich habe die unterschiedlichsten Berufe gemacht. Ich hätte nie gedacht, im Studium, dass ich mal Verwaltungsrichter werde und habe genau damit angefangen. Ich wollte immer in die Ministerialverwaltung und bin dann auf einmal irgendwann weggegangen und habe eine Hochschule geleitet.
Und ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Hochschule leite. Das war einfach nur, weil ich immer neugierig war und mich Leute angestupst haben und gesagt haben, guck mal, da hinten ist was. Willst du das nicht oder bewirb dich doch mal dahin.
Ein bisschen zu meiner letzten Tätigkeit als Präsident der Hochschule des Bundes. Über die Stellenausschreibung bin ich einfach in der Zeit gestolpert. Und da habe ich gedacht, ach, du bist jetzt schon Direktor einer Hochschule? Bewirb dich doch mal.
Was soll dir schon passieren? Also wirklich diese Vielfalt, die einem der juristische Abschluss Jetzt.
Haben wir Notendiskussionen und eine weitere Debatte, die wahrscheinlich genauso alt ist wie jede Debatte um Prädikatsexaminer und wie man da hinkommt. Vermeintlich ist die Debatte um die Reform des Jurastudiums gerade wieder ein bisschen angeheizter. Deswegen mal eine offene Frage. Müsste man das Jurastudium reformieren? Müsste man was ändern? Und wenn ja, was?
Also da ist nun unheimlich viel in der Welt und verschiedene Gruppierungen, die Vorschläge machen, Berichte. Ich habe selber gerade einen über den Tisch laufen haben. Ich sehe nirgendwo wirklich das Bedürfnis, eine grundlegende Reform zu machen.
Also ich glaube, unser System mit dem Einheitsjuristen wird immer noch von der überwiegenden Mehrheit positiv gesehen. Auch unser System mit der zweigeteilten Ausbildung, erst universitäres Studium, dann Referendarzeit, wird von niemandem, so sehe ich es, grundsätzlich in Frage gestellt. Es war immer noch die richtige Entscheidung, dass wir nicht am Bologna-Prozess teilnehmen.
Das finde ich, sehe ich immer wieder bestätigt. Ich sehe, dass das von unterschiedlichen Seiten Reformbedarf mehr in der Art und Weise, wie es läuft, gemacht wird. Wie gehen wir um mit der psychischen Belastung im Studium? Wie erhöhen wir diese Resilienz der Studierenden? Was immer wieder mit der Frage auch zusammenhängt, wir haben immer wieder andere Generationen im Studium mit anderen Bedürfnissen.
Werden wir dem immer gerecht? Ich bin 69er Jahrgang. Bei uns hatte man noch einfach glücklich zu sein, dass man an der Uni, wo man hinwollte, von der ZVS auch hingeschickt worden war. Da hatte man schon mit glücklich zu sein.
Damit können Sie der heutigen Generation nicht mehr kommen, die sich je nach Note quasi aussuchen kann, wo sie studiert. Die andererseits aber, und das erleben wir auch, andere psychische Belastungen haben. Die sind in einer multipolaren Krisenwelt groß geworden.
Die haben die Pandemie hinter sich gebracht, die wir jetzt im Studium haben. Die müssen sich daran zurechtfinden. Darauf müssen wir reagieren. Wir können das nicht einfach abtun und sagen, naja Gott, wir sind doch auch durchs Studium gekommen.
Wir müssen gucken, immer wieder bei der Frage der Studierfähigkeit, müssen wir mehr in Methodenkompetenz gehen? Müssen wir mehr IT-Kompetenz auch beibringen? Wie ist es eigentlich mit Fremdsprachen? Einziges fremdsprachliches Angebot in meinem Studium angenommen, galt auch als vollkommen unnötig, weil man ja aufs Richteramt studierte. Ich muss das jetzt mühsam, meine Kinder lachen sich tot, wenn ich Englisch rede.
Die sind aber auch mit einem anderen Englischunterricht aufgewachsen. Die erwarten auch, dass im Studium mehr mit Sprachen stattfindet. Also deswegen sage ich, ich sehe nicht das Bedürfnis für eine grundlegende Reform, sondern ich sehe eher so, dass wir an der einen oder anderen Stellschraube überlegen müssen, gehen wir da dran, drehen wir da was, ändern wir was.
Und ich finde es interessant, dass zum Beispiel, wenn ich mich noch richtig erinnere, die Studierenden sich eine strengere oder härtere Zwischenprüfung eigentlich wünschen. Also ich kann mir das nur erklären, dass sie sich sagen, wir wollen früher wissen, ob es das Richtige ist, ja oder nein.
Das muss man, finde ich, genau sich angucken und bewerten. Und ich bin eigentlich ganz froh, dass keiner eine grundstürzende Reform eigentlich befürwortet und dass sowohl, ob man Professoren befragt, Praktiker befragt oder Studierende, an wesentlichen Teilen dieses Studiums festgehalten wird.
Gerade wenn man von psychischer Belastung spricht, hatte man ja lange die Situation, dass man in dieses Examen ins erste rein ging und wenn es vielleicht auch nicht der Freischuss war, man sich dachte, wenn ich jetzt das hier nicht packe, dann stehe ich im Prinzip mit Abitur da, kann es nochmal wiederholen, aber im Worst Case ist es so. Da würde der integrierte Bachelor natürlich schon eine ganze Menge helfen.
Also deswegen finde ich das wirklich ein sehr gutes Vorhaben. Es hat mich gefreut, dass wir uns im Koalitionsvertrag da committed haben, dass wir das einführen wollen. Das läuft jetzt im Gesetzgebungsvorhaben, das haben wir in den Landtag eingebracht.
Es ist eigentlich eine ganz kleine Reform mit einer großen Wirkung. Und kleinere Formen sage ich deswegen, wir müssen nicht zertifizieren, wir müssen nicht ECTS-Punkte zuordnen, also ich habe das an meiner zweiten Hochschule ja erlebt, wie das ist, wenn man sowas akkreditiert und reakkreditiert, sondern wir können das sehr einfach gestalten und sagen, wer also die Voraussetzung für das erste Staatsexamen hat und die Schwerpunktbereichsprüfung, also alles, was allein an der Universität läuft, kriegt automatisch diesen integrierten Bachelor, also kann entweder direkt arbeiten gehen oder sich für einen Masterstudiengang bewerben und er kann trotzdem ins erste Examen gehen und hat die Sicherheit.
Also es ist halt nicht wie bei Günther Jauch, wenn man da aus einer Frage rausfliegt und landet wieder bei 100 Euro oder 500 Euro, sondern man hat wirklich so ein kleines Rettungsnetz sozusagen. Aber das ist eben nicht nur für die, die durchfallen, sondern ganz wichtig ist für die, die einfach im Studium sagen, ich will aber nicht Rechtsanwalt, Richterin, Staatsanwältin werden, sondern ich sehe da etwas Interessantes und ich würde jetzt gerne Psychologie oder Wirtschaft draufsetzen und dann müssen die nicht nochmal von neuem anfangen, sondern dann können die mit dem Bachelor dann hingehen und haben einen schönen Kombi-Master nachher, wo sie dann sagen können, guck mal, ich habe so und so viel Semester Jura studiert, habe dann Psychologie oder Wirtschaft oder Technik oder sonst irgendwas drauf gemacht.
Ich glaube, dass das ganz spannende Leute sind, halt für Berufe außerhalb dieser klassischen juristischen Berufe. Und deswegen finde ich, ist das ein Gewinn. Und ich fand es toll, also nicht nur die Studierendenverbände haben uns da sehr unterstützt, sondern auch die Unis haben gesagt, wir wollen das unbedingt haben.
Und das wäre, glaube ich, zu meiner Studienzeit, wenn man sowas vorgeschlagen hätte, noch ganz anders gewesen. Also hätten die gesagt, hier nur das erste Staatsexamen, sonst nichts. Und das finde ich immer eine Reform, wo Universitäten und Studierende das beide wollen und man sie Bürokratie armt.
Also das ist mal wirklich eine Reform, wo wir keine Bürokratie schaffen, wo niemand was kontrollieren, nachzählen, umberechnen oder sonst was muss, sondern man muss nur gucken, hat der die Prüfung, kleiner Blick in den Universitätscomputer, danke, Urkunde und raus. Also deswegen sage ich, es ist eigentlich eine kleine Lösung, aber mit großer Wirkung.
Vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, hier heute bei Irgendwas mit Recht ein bisschen Reden und Antwort zu stehen, Herr Minister.
Gerne. Tschüss. Tschüss.