"§ 280 ist der Grundbeaustein des heutigen Leistungsstörungsrechts, da diese Norm auf der Pflichtverletzung aufbaut."

Schadensrecht | SE neben der Leistung | SE statt der Leistung

IME009 zur zivilrechtlichen Vorbereitung auf Euer Staatsexamen.

Neben der Einführung in das Schadensersatzrecht geht es in unserer Reihe Irgendwas mit Examen heute um einen Klassiker: Die Abgrenzung von Schadensersatz neben der Leistung und Schadensersatz statt der Leistung? Nach welcher Definition sollte man diese vornehmen? Doch noch wichtiger: Was sind die Hintergründe für den Aufbau des § 280 BGB? Welche Normen gehören – je nach Fallkonstellation – mit in den Obersatz? Wann lohnt es sich überhaupt, auf die Unterschiede der verschiedenen Schadensersatzarten einzugehen? Prof. Dauner-Lieb liefert Antworten in diesen kurzweiligen 35 Minuten, die fast schon Pflicht für jede(n) Examenskandidat:in sind. Viel Spaß!

Inhalt:

  • 00:00 Sponsor: Jurafuchs
  • 01:52 Wo wir stehen
  • 03:12 Bedeutung der § 280ff. heutzutage
  • 07:23 Warum mit Prüfung des Schuldverhältnisses anfangen?
  • 11:35 278 keine eigene AGL!
  • 12:48 Abgrenzung Vertrag zu 311 II / III
  • 14:03 Pflichtverletzung
  • 19:18 Zwischenergebnis: SE neben der Leistung
  • 21:37 Bedeutung der Nacherfüllung auf das Gesamtsystem
  • 23:04 Ebenso SE ndL: 280 II BGB
  • 27:09 Fristsetzung & SE statt der Leistung, § 280 III BGB
  • 30:07 Definition: SE statt der Leistung

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:01:09
Hallo Marc.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:03:19
Da muss ich ein bisschen auslegen. Sie wissen ja, ein bisschen Theorie muss sein. Wir schauen uns erst mal den 280.1 an, der lautet Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, So kann der Gläubige Ersatz des hier durch entstandenen Schadens verlangen. Satz 2. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Es geht also um die Pflichtverletzung. Diese Norm ist deshalb auch der zentrale Baustein des neuen Leistungsstörungsrechts, weil diese Norm auf dem einheitlichen Grundtatbestand der Pflichtverletzung aufbaut. Sie erinnern sich, das ursprüngliche Modell der Schuldrechtsreform 2002, das im geltenden Schuldrecht immer noch eine zentrale Auswirkung hatte, hatte ein Ziel. Das wollte die einzelnen Tatbestände der Leistungsstörungen und Möglichkeit Verzug, mangelhafte Leistung in einem einzigen Tatbestand verschmelzen. Das sollte also alles ganz einfach werden. Das ursprüngliche Modell der Schuldrechtsreform sagte, Pflichtverletzung berechtigt zum Rücktritt, Pflichtverletzung plus Verschulden gibt Schadensersatz. Das klingt super simpel und super effizient. Und das ist heute auch noch der Ausgangspunkt, der den § 323 ff. und den § 280 ff. Zugrunde liegt. Ich habe Ihnen aber schon berichtet in einer der früheren Folgen, dass man im Laufe der Diskussion der Schuldrechtsreform unterhalb der Ebene der Pflichtverletzung die einzelnen Leistungsstörungen doch wieder mit eingezogen hat und für die einzelnen Leistungsstörungen doch wieder zusätzliche Tatbestände geschaffen hat. Hat. Das ändert aber nichts daran, dass oben drüber eigentlich die Pflichtverletzung steht. In § 323 sieht man das nicht mehr. Das geht sofort mit der Leistungsstörung los. Aber in § 281 ist das immer noch das entscheidende Tatbestandsmerkmal. Ohne Pflichtverletzung kein Schadensersatz.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:08:02
Jetzt braucht man noch ein bisschen Theorie. Das ist die ganz zentrale Weichenstellung, auf die wir auch in den nächsten Folgen immer wieder, zurückkommen werden, nur wenn ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. Wenn also schon eine Art besondere Nähebeziehung da ist, dann greift der Paragraf 278. Das ist das entscheidende Element einer riesen Diskussion. Das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen wird uneingeschränkt zugerechnet. Wenn es kein solches Schuldverhältnis gibt, dann bleibt Deliktsrecht und im Deliktsrecht gibt es, das wissen Sie, bei Fällen der Arbeitsteilung immer den Paragraf 831, die Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen. Das heißt, die Haftung des Schuldners ist bei Vorliegen eines Schuldverhältnisses viel viel schärfer, als wenn nur Deliktsrecht greift. Und deswegen ist der Paragraf 831 auch der Hauptgrund dafür, dass die Rechtsprechung seit Jahrzehnten den Anwendungsbereich des § 278 immer weiter ausdehnt. In personeller Hinsicht, in zeitlicher Hinsicht. Und das ist der Ausgangspunkt dafür, dass sich die Kulpa in Kontrahente entwickelt, oder der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, oder die Sachwalterhaftung. Es geht immer darum, den Paragrafen 831 auszuhebeln und in den Anwendungsbereich des 278 zu gelangen und dafür braucht man eben ein vertragliches oder ein quasi vertragliches Schuldverhältnis. Das alles ist heute ansatzweise in Paragraf 311 Absatz 2 und in Paragraf 11 Absatz 3 tatsächlich im Gesetz geregelt, aber deswegen muss man immer als erstes prüfen, gibt es da ein Schuldverhältnis? Etwas überspitzt, ohne Schuldverhältnis keine vertragliche Haftung nach 2078 und ich mache hier schon eine ganz freche Bemerkung ohne den Paragrafen 831. Hätte es die CEC nie gegeben, hätte es die Schuldrechtsreform nie gegeben, hätte es die ganzen Schwierigkeiten mit den EU-Richtlinien zum Verbrauchsgüterkauf gar nicht gegeben, denn sie wissen ja hoffentlich schon, dass die EU-Richtlinien überhaupt nichts mit Schadensersatz am Kopf haben. Das interessiert die Richtlinie nicht und das ist ein Teil... Des Problems, warum es so schwierig ist, die Richtlinien ins deutsche Recht zu übersetzen. Also, der Paragraf 831 ist sozusagen der Feind, dass der heute im Deliktsrecht auch überspielt wird, durch Verkehrssicherungspflichten, Beweislastumkehr, alles mögliche, ist ein anderes Thema. Aber der Paragraf 831 war der Anfang der Entwicklung, der Erweiterung des Schuldverhältnisses rein in die CEC, rein in den Vertrag mit Schutzwirkung zu konzentrieren.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:17:00
Die Beweis-, die Darlegungsbeweislastregeln muss man schon deshalb in das Programm seiner Examensvorbereitung mit integrieren, weil sie sich letztlich aus dem materiellen Recht ergeben. Das sieht man ja beim 280 Absatz 1, wir können den uns nochmal eben anschauen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Also normalerweise muss jeder alle Tatsachen vortragen und beweisen, die für ihn günstig sind. Und zum Anspruch aus 280 gehört eben auch das Vertretenmüssen. Aber hier muss nicht der Geschädigte sagen, du hast das auch zu vertreten, sondern schon aus der Formulierung, dies gilt nicht, heißt, dass der Schädiger sagen muss, ich habe das nicht zu vertreten und das muss er auch beweisen. Also aus der Formulierung des materiellen Rechtes bekommen Sie schon Informationen darüber, wie die Darlegungs- und Beweislast im Prozess ist. Das ist noch gar nicht richtig Prozessrecht. Da geht es überhaupt erst richtig los. Ich darf aber an der Stelle gleich eine Bemerkung machen. Wenn Sie in die Listen Ihrer Pflichtfächer schauen, die in Ihren juristischen Ausbildungsgesetzen geregelt sind, JAGs, dann werden Sie feststellen, dass da auch was von ZPO und von Handelsrecht und von Arbeitsrecht steht. Sie sollten bitte ohnehin sich diese Listen mal genauer angucken. Es ist ja ganz entsetzlich, wenn Sie in eine Prüfung gehen und sich vorher gar nicht mal darüber informiert haben, worüber Sie da eigentlich geprüft werden können. Und bestimmte Teile der ZPO gehören da dazu. Da bieten alle Universitäten gute Crashkurse an. Das in den Repetitorien teilweise auch schon mitbehandelt. Also sie dürfen sich nicht auf den Standpunkt stellen, das ist ZPO, wir machen hier BGB.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:27:36
Zum ersten mal etwas anderes als der Schadensersatz neben der Leistung. Wir halten also noch mal fest 280 Absatz 1 und 280 Absatz 2 treten neben die Leistung, die noch erfolgen kann. Bei 280 Absatz 3 geht es nun um Schadensersatz, der die ursprünglich geschuldete Leistung funktional ersetzen soll, statt der Leistung. Das ist schon relativ plastisch. Der Gläubiger will die ursprünglich geschuldete Leistung wegen der Leistungsstörung gar nicht mehr haben, sagt hier, ist mir egal und ich will jetzt Schadensersatz. Was heißt das für den Schuldner, für den Schädiger? Dem wird die Möglichkeit genommen, die geschuldete Leistung doch noch zu erbringen und die Gegenleistung zu verdienen. Also dem wird unter anderem die Möglichkeit genommen, den Bagger am ersten fünften noch zu liefern oder etwa eine sache die mangelhaft ist noch zu reparieren der schuldner verliert den vertrag und all die chancen die mit dem vertrag verbunden sind so der gesetzgeber hat hier in den im 281 und übrigens auch im 323 noch mal eine bremse eingebaut und gesagt das darf man dem schuldner nicht sofort nehmen die chance auf das geschäft der muss noch mal eine letzte Chance bekommen, die Leistung doch noch zu erbringen. Und das ist die Fristsetzung, die im Paragraf 281 drinsteht. Der Gläubiger muss ihm eine Frist setzen, bevor er Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann. Also bevor der Gläubiger sagt, ich will überhaupt nichts mehr mit dem Vertrag zu tun haben, jedenfalls nicht in der ursprünglichen Form, ich will liquidieren, muss er dem Schuldner die Chance geben, noch einmal einen Leistungsversuch zu machen. Und weil es diese Hürde gibt... Und weil diese Fristsetzung erforderlich ist, muss der Schadensersatz statt der Leistung extra definiert werden. Es bleibt also eben nicht bei dem Pflichtverletzung plus Verschuldung gleich Schadensersatz, ich bin weg vom Fenster, ich will mit der Sache nichts mehr zu tun haben, sondern ich muss noch nachher eine Frist setzen. Und das ist der Schlüssel eben, um zu verstehen, wie der 281 tickt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:30:15
Das ist nicht so einfach. Es gibt Definitionen, da komme ich gleich drauf. Wenn man für alle Leistungsstörungen gleichermaßen und Möglichkeit, Verzug, mangelhafte Leistung, Leistung einer unbehebbar mangelhaften Sache und auch noch Nebenpflichtverletzungen gleichzeitig einen Schadensersatz statt der Leistung definieren will, wird das sehr kompliziert. Es gibt eine Definition, die lautet, um Schadensersatz statt der Leistung handelt es sich, wenn eine hypothetisch gedachte Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt den Schaden verhindert hätte. Stammt im Ausgangspunkt von Stefan Lorenz. Die stimmt. Ja, die ist so kompliziert, warum? Weil man den Fall der Unmöglichkeit der Nacherfüllung neben alle anderen Leistungsstörungen da auch noch mit integriert hat. Aber die Definition funktioniert nur für sie, die sie ja auch Klausuren schreiben müssen. Im Allgemeinen geht es um folgendes. Schadensersatz statt der Leistung betrifft die Fälle, in denen der Schadensersatz funktional an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung treten soll. So, jetzt werden sie sagen, was mache ich damit? Mein Rat ist relativ einfach. Ich würde die Zauberformel von Stefan Lorenz, wenn die hypothetisch gedachte Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt kombinieren mit dem Halbsatz, wenn der Schadensersatz funktional die ursprünglich geschuldete, mangelhafte Leistung ersetzen soll. Und dann würde ich mich nicht allzu lange damit aufhalten. Es ist nämlich heute so, dass jeder erfahrene Jurist und jeder Praktiker bei so gut wie allen Schadensposten weiß, der gehört nach Absatz 1, nach Absatz 2 oder nach Absatz 3. Da ist überhaupt keine Musik inhaltlich drin. Da gibt es auch keine Theorienstreitigkeiten und keine vernünftigen Probleme, über die es sich lohnt zu diskutieren. Es geht eigentlich nur darum, dass man halbwegs sauber im System navigiert. Das heißt, Sie sollten... Wenn Sie wollen die Definition bringen, aber dann auch nicht lange damit rumtütern und sich Gedanken machen über Details, sondern Sie müssen gucken, dass das am Ende halbwegs pragmatisch funktioniert.

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Prof. Dauner-Lieb

Prof. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

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