IMR2846. Feb 25
IME024: Inhaltskontrolle von Eheveträgen, Unternehmerehe, Versorgungsausgleich, Scheidungsfolgenrecht, Ehegatteninnengesellschaft (Deep Dive)

IME - Irgendwas mit Examen

IME024: Inhaltskontrolle von Eheveträgen, Unternehmerehe, Versorgungsausgleich, Scheidungsfolgenrecht, Ehegatteninnengesellschaft (Deep Dive)

Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln

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Über diese Episode

Folge 284 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

In der 284. Episode von Irgendwas mit Recht, zugleich Folge 24 von Irgendwas mit Examen, schließen Marc und Prof. Dauner-Lieb das Familienrecht ab. Im Fokus der Folge stehen zentrale Themen wie der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der Zugewinnausgleich sowie die rechtlichen Folgen einer Scheidung, darunter Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt. Prof. Dauner-Lieb beleuchtet nicht nur die rechtlichen Grundlagen und Reformen, sondern gibt auch praktische Einblicke in die Bedeutung von Eheverträgen, die Kernbereichslehre des BGH und die Herausforderungen in Unternehmer-Ehen. Abschließend widmet sich die Folge der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und den rechtlichen Fragen, die in diesem Zusammenhang auftreten. Alles Weitere findet Ihr in den Chaptermarks dieser hoch verdichteten, sehr inhaltsstarken Folge. Viel Spaß einer weiteren Episode Eures Jurapodcasts zu allen Examens- und Karrierethemen!

Inhalt:

  • 00:18 Wo stehen wir?
  • 03:33 Scheidungsfolgenrecht
  • 07:12 Nachehelicher Unterhalt
  • 11:58 Schlagwort: from status to contract
  • 16:18 Zu häufig Gütertrennung?
  • 20:32 Inhaltskontrolle von Verträgen
  • 22:54 Keine Anwendung des AGB-Rechts auf Eheveträge
  • 29:20 BVerfG eröffnet 2001 Inhaltskontrolle, NJW 2001, 957 und 2248
  • 32:44 Scheidungsfolgenrechtliche Kernbereichslehre
  • 39:23 Rechtstechnische Verortung der Inhaltskontrolle
  • 45:26 Unbenannte Zuwendungen
  • 49:47 Ehegatteninnengesellschaft
  • 55:30 Nichteheliche Lebensgemeinschaft

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Zu Gast

Barbara Dauner-Lieb

Barbara Dauner-Lieb

Kapitel

  • 00:00:18.798Wo stehen wir?
  • 00:03:33.335Scheidungsfolgenrecht
  • 00:07:12.534Nachehelicher Unterhalt
  • 00:11:58.873Schlagwort: from status to contract
  • 00:16:18.604Zu häufig Gütertrennung?
  • 00:20:32.311Inhaltskontrolle von Verträgen
  • 00:22:54.211Keine Anwendung des AGB-Rechts auf Eheveträge
  • 00:29:20.331BVerfG eröffnet 2001 Inhaltskontrolle, NJW 2001, 957 und 2248
  • 00:32:44.347Scheidungsfolgenrechtliche Kernbereichslehre
  • 00:39:23.111Rechtstechnische Verortung der Inhaltskontrolle
  • 00:45:26.929Unbenannte Zuwendungen
  • 00:49:47.534Ehegatteninnengesellschaft
  • 00:55:30.299Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Über Universität zu Köln

Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.

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Ein Ehevertrag, der den Zugewinnausgleich ausschließt, ist immer problematisch, wenn Kinderwunsch besteht. Dann sollte man nicht einfach Gütertrennung vereinbaren, sondern über einen angemessenen Ausgleich nachdenken.

Sneak Peak – Q&A mit Barbara Dauner-Lieb

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:09 Min
Marc:

Herzlich willkommen zu Episode 4 im Familienrecht, hier bei Irgendwas mit Examen, Zivilrecht Edition mit Barbara Dauner-Lieb. Hallo Barbara.

0:19 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Hallo Marc.

0:20 Min
Marc:

Barbara, wir steigen direkt voll ein. Wo stehen wir gerade?

0:23 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir sind immer noch im Familienrecht, heute zum letzten Mal. Das nächste Mal kommt das Bereicherungsrecht. In den letzten beiden Folgen haben wir uns sehr intensiv mit dem gesetzlichen Güterstand befasst, der Zugewinngemeinschaft. Ich fasse noch einmal knapp zusammen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn die Ehegatten bei der Heirat im Hinblick auf ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse gar nichts tun und alles laufen lassen, dann leben sie in Zugewinngemeinschaft. Wir haben uns erarbeitet, diese Bezeichnung ist misleading. Es gibt in weiten Kreisen der Bevölkerung Fehlvorstellungen darüber, was Zugemeinschaft denn nun eigentlich wirklich konkret bedeutet, denn dieser Güterstand führt nun während der Ehe gerade nicht zu einer Vermögensgemeinschaft.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Während der Ehe gilt in der Zugewinngemeinschaft Gütertrennung. Und zu einem Ausgleich kommt es erst dann, wenn die Zugemeinschaft endet, durch Tod oder durch Scheidung. Endet die Ehe durch Scheidung, dann bewirkt der Regelungsmechanismus des Zugewinnausgleichs, dass das während der Ehe von beiden erwirtschaftete Vermögen gleichmäßig verteilt wird.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Sie erinnern sich an die zentrale Anspruchsgrundlage des Paragrafen 1378 Absatz 1. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu. Zweck des Zugewinnausgleichs ist vor allem die Gewährleistung der Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Bundesverfassungsgericht, das wir heute noch mehrfach diskutieren werden, hat mehrfach betont, dass die Ehepartner in der Gestaltung der Aufgaben- und Rollenverteilung, Einkommen, Haushalt, Kinder völlig frei sind, dass aber die einvernehmlich vereinbarten unterschiedlichen Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft dann gleichwertig sind. Also nicht, du hast noch deine Füße unter meinem Tisch und dann sage ich, wo es lang geht, sondern wenn die Ehegatten verteilt haben, einer macht den Haushalt und die Kinder, der andere verdient das Einkommen, dann sind diese Beiträge rechtlich gesehen gleichwertig.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da werden wir gleich nochmal drauf zurückkommen. Endet die Ehe durch Tod, dann bestimmt sich das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten nach den Paragrafen 1931 in Verbindung mit 1371. Sie erinnern sich, der überlebende Ehegatte erhält zunächst seinen erbrechtlichen Anteil, also neben den Kindern ein Viertel und dazu kommt dann als pauschaler Zugewinn-Ausgleich ein weiteres familienrechtliches Viertel.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der überlebende Ehegatte bekommt also neben den Kindern ein Halb. Das ist statistisch bei uns der Normalfall. Sie sehen, wir haben schon ganz viel Stoff erarbeitet.

3:33 Min
Marc:

Und wenn ihr da sozusagen gerade vielleicht doch noch eine Lücke hattet, dann hört mal in die alten Folgen rein. Die findet ihr auf irgendwasmitrecht.de. Oben seht ihr dann direkt die Examens-Specials und auch in allen Playlists auf Spotify.

1:09 Min
Marc:

Zurück zur jetzigen Folge und dem, wo wir sozusagen hier hin möchten. Abgesehen von den Verfügungsbeschränkungen der 1365 und 1369 gewinnt der Güterstand der Ehe also ja erst echte Bedeutung bei Ende der Ehe.

4:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Genau.

4:01 Min
Marc:

Das war eine wichtige Erkenntnis, die wir da hatten und die wir entsprechend auch in den letzten gerade angesprochenen Folgen ausgeführt haben. Welche weiteren Folgen hat denn eine Scheidung?

4:11 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Scheidungsfolgenrecht hat drei Säulen. Den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt. Der Versorgungsausgleich zielt wie der Zugewinnausgleich auf einen Ausgleich der verschiedenen Beiträge zwischen den Ehegatten und es geht jetzt um den Ausgleich von Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Anrechte sind die Basis für spätere Rentenzahlungen im Alter und daher für alle ganz besonders wichtig, auch wenn sie noch jung sind. Man sollte schon jetzt die Versorgung im Alter ein wenig im Blick haben, sonst gibt es später, wenn man mal so alt ist wie ich, ein ganz böses Erwachen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dem Versorgungsausgleich liegt nun wieder im Zugewinnausgleich der Gedanke zugrunde, dass die von den Ehegatten während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanrechte meist eines Partners beiden Partnern zu gleichen Teilen wirtschaftlich zustehen. Es besteht also auch insoweit Anspruch auf hälftige Teilhabe am gemeinsamen Erwirtschaften.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn das Altersversorgungsvermögen infolge der während der Ehe gewählten Aufgabenverteilung nur einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet wurde, also in Fällen der Einverdienerehe. Wenn nur ein Ehepartner berufstätig war, hat der andere Ehepartner keine eigenen Versorgungsanwartschaften und infolgedessen werden dann die Versorgungsanwartschaften des verdienenden Ehegatten geteilt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist übrigens auch dann ziemlich bitter. Im Fall der Scheidung haben jedenfalls die Ehegatten Anspruch auf Ausgleich in Höhe der Hälfte des Wertes der jeweiligen Ehezeitanteile der Anreichte. Das ist sehr schwierig und das steht alles im Versorgungsausgleichsgesetz.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die rechtstechnischen Einzelheiten der Abwicklung sind äußerst kompliziert. Das Recht des Versorgungsausgleichs ist eine komplexe Spezialmaterie. Es reicht, wenn Sie wissen, dass es das gibt.

6:25 Min
Marc:

Ich fasse mal kurz ganz einfach zusammen. Also wenn der eine arbeiten geht und der andere nicht und Geld verdient in Form vom Gehalt, dann ist das normaler Zugewinnausgleich, weil das ist ja was, was auf dem Konto liegt und das ist der Zugewinn während der Ehe. Und was viele aber übersehen, ist, dass sozusagen aus dieser Erwerbstätigkeit ja auch entsprechend Rentenansprüche entstehen, die haben auch einen materiellen Wert, die werden zum Beispiel auch bei Haushaltsvermögen mit, je nach Statistik, dazugerechnet und die werden dann eben auch ausgeglichen, weil man sagt, naja, so jedenfalls das Leitbild, der eine kann ja auch nicht notwendigerweise so viel in die Arbeit investieren, wenn der andere sich nicht ganz alt hergebrachtes Rollenbild um den Haushalt kümmert.

7:12 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So ist es, genau. So, jetzt kommen wir zum nachehelichen Unterhalt. Das ist im Detail auch sehr kompliziert und auch da reicht fürs Examen meines Erachtens, dass man weiß, dass es den nachehelichen Unterhalt gibt und wo er steht. Man sollte aber auch die im Mündlichen oft gestellte Fragen, Was sind denn nun die drei Säulen des Scheidungsfolgenrechts? Wenigstens die Antwort geben können.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, nachehelicher Unterhalt. Jetzt ein paar Sätze zu diesem nachehelichen Unterhalt. Ausgangspunkt ist der Grundsatz der Eigenverantwortung. Der ist in § 1569 formuliert. Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist der Grundsatz. Ist er außerstande und nur dann hat er, also für seinen Unterhalt zu sorgen, dann hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt und die Voraussetzungen sind nun geregelt in den Paragrafen 1570 fortfolgende, die man sich mal anschauen sollte. Da gibt es insbesondere einen Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung, wegen Alters, wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dieser Unterhaltsanspruch wird verstanden als Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Die Ehe entfaltet also auch nach ihrer Beendigung noch eine gewisse Wirkung und auch wieder als Kompensation von Nachteilen, die sich aus einer gemeinsamen Entscheidung für eine bestimmte Rollenverteilung ergeben. Wenn also etwa ein Ehepartner nach langer Kinderbetreuungszeit keinen geeigneten Arbeitsplatz findet.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So muss der andere Ehegatte zunächst einmal durch Unterhaltsleistung dazu beitragen, ehebedingte Nachteile in der Erwerbsbiografie abzumildern. Die heute geltende Fassung der § 1570 fortfolgende beruht auf der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen einschneidenden Reform des Unterhaltsrechts.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Reform verfolgte insbesondere das Ziel, den Grundsatz der Selbstverantwortung deutlich stärker zur Geltung zu bringen. Etwas vereinfacht kann man heute im Rückblick sagen, dass durch genau diese Reform die Stellung eines Ehepartners, der während der Ehe zum Nachteil seiner Erwerbsbiografie Kehrarbeit geleistet hat, sehr deutlich abgeschwächt wurde.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es wird ihm heute sehr viel früher zugemutet, einen halbwegs angemessenen Arbeitsplatz anzunehmen. Also, auch wer schon jahrelang in einer Alleinverdiener-Ehekehrarbeit geleistet hat, 10 Jahre, 15 Jahre, muss heute damit rechnen, nach einer Scheidung wieder arbeiten zu müssen und zwar, böse Überraschung, ziemlich schnell. Auf eine lebenslange Versorgung durch den anderen Ehegatten kann heute so gut wie niemand mehr hoffen und das sollte man sich als Ehepartner bei der Aufgabenverteilung auch überlegen, wie man mit diesem Umstand umgeht.

10:33 Min
Marc:

Auch wenn wir jetzt hier gerade fast schon mehr in Richtung allgemeiner Lebensrat als rechtliche Analyse, aber das eine folgt ja aus dem anderen, Abschweifen, bedeutet das doch eigentlich, dass man das Modell der Einverdienerehe vermeiden sollte, auch wenn Kinder kommen?

10:48 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Völlig richtig. Das sage ich meinen jungen Mitarbeitern, Männern wie Frauen immer, auch wenn sie das nicht hören wollen. Die meisten jungen Paare, vor allem auch junge Paare mit Kinderwunsch, nehmen sich heute bei der Eheschließung meist vor, völlig gleichberechtigt und auf Augenhöhe ihre Erwerbsbiografien zu verfolgen und sich dann Kinderbetreuung und Haushalt zu teilen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aus vielen Gründen wird dieser Plan dann statistisch sehr häufig später modifiziert, wenn Kinder kommen. Die Kinderbetreuung erweist sich als schwierig. Das Haus bisschen Haushalt macht sich eben auch nicht von alleine.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nicht alles ist nur eine Frage einer guten Organisation. Und am Ende bleibt sehr oft ein Ehepartner für eine Weile ganz zu Hause oder geht für einen sehr viel längeren Zeitraum in Teilzeit. Das ist nach wie vor so gut wie immer die Frau.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber finanziell, ich kann mich nur wiederholen, ist das extrem gefährlich, weil dieser Ehepartner für den Fall der Scheidung nicht so abgesichert ist, als wenn er durchgehend voll berufstätig gewesen wäre. Und es gibt nach wie vor Familienanwälte, predigen das Land auf, Land ab, ein böses Erwachen.

11:58 Min
Marc:

Die Ehepartner könnten aber doch nun im Fall der Eheschließung oder bei der Eheschließung, aber eben auch später für eine solche Entwicklung Vorsorge treffen, zum Beispiel zum Schutz desjenigen, der für die Familie Einschnitte in seiner Erwerbsbiografie akzeptiert.

12:12 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das können sie. Schön wär's. Im Eherecht gilt grundsätzlich Privatautonomie. Den Ehegatten wird kein bestimmtes zwingendes Eheleitbild mehr vorgegeben. Sie können ihre Beziehungen nach eigenen Vorstellungen gestalten, sich für eine Doppelverdiener- oder eine Alleinverdienerehe entscheiden, die Aufgaben im Haushalt verteilen und eben insbesondere auch ihre vermögensrechtlichen Beziehungen regeln für die Zeit während der Ehe und auch für den Fall einer Scheidung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Schlagwort lautet from status to contract. Da kann man immer noch mit Punkten im mündlichen Examen, wenn man weiß, dass die Ehe heute nicht mehr ein Modell ist, das der Staat seinen Bürgern vorgibt, Vater, Mutter, Kind, sondern dass heute in ganz großem Umfang Variationen freigestaltet werden können. Manche jungen Leute und auch ältere Leute sind davon ein bisschen überfordert und fallen dann doch in die alten Muster.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

In § 1408 ist das auch ausdrücklich geregelt, insbesondere, dass die Ehegatten eben ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag regeln und auch den gesetzlichen Güterstand aufheben und ändern können. Das ist die Legaldefinition eines Ehevertrags.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Schließen die Ehegatten nun den gesetzlichen Güterstand oder den Zugewinnausgleich aus, so tritt nach § 1414 Gütertrennung ein. Und selbstverständlich, um auf deine Frage zurückzukommen, können die Ehepartner bei der Eheschließung oder auch später vertragliche Vereinbarungen zugunsten eines Ehepartners treffen, der Nachteile in seiner Erwerbsbiografie erleidet, etwa für den Fall der Scheidung einen höheren und länger laufenden nachehelichen Unterhalt vereinbaren, als das Gesetz vorsieht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und sie können auch vereinbaren, dass bestimmte Zahlungen unabhängig vom tatsächlich eingetretenen Zugewinn erfolgen sollen. Solche Regelungen zur Kompensation von Care-Arbeit sind bisher jedoch nach meiner Wahrnehmung eher selten. Das sind erleuchtete junge Leute, die wirklich neben allen aufwändigen Hochzeitsvorbereitungen und Eventplanungen auch noch die juristische und wirtschaftliche Seite ihrer künftigen Ehe ein wenig reflektieren.

14:36 Min
Marc:

Ja, auch aus eigener Erfahrung kann ich sozusagen berichten, dass das natürlich alles auf einmal kommt und man das dann alles auch in relativ kurzer Zeit, so wie du es gerade angedeutet hast, sich vielleicht auch aneignen muss. Insofern ist es sehr empfehlenswert, sich allgemein fürs Leben auch mit dieser Thematik schon frühzeitig zu beschäftigen.

1:09 Min
Marc:

Erst recht, wenn man wie ihr, die hier ihr zuhört, Jura studiert oder im Referendariat ist oder vielleicht auch schon am Anfang des Berufslebens.

15:01 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, wir kommen ja nachher auch noch zur nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Erfahrung ist, dass zum einen man wenig Neigung hat, wenn alles gut läuft, über Krisenfälle nachzudenken. Das ist eine menschliche Erfahrung, die auch rechtlich eine große Relevanz hat.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Man hat keine Motivation zur Vorsorge für Störfälle, wenn man glaubt. Dass der Störfall nicht eintreten wird. Die Zahlen sprechen dagegen, jede dritte Ehe wird geschieden. Trotzdem glaubt man, dass das nur anderen passiert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, das ist die eine Illusion. Und die andere Illusion ist, dass junge Paare mit Kinderwunsch bei der Eheschließung völlig überoptimistisch davon ausgehen, dass sich das alles irgendwo so organisieren lässt, dass völlige Gleichberechtigung von Berufstätigkeit und Care-Arbeit zwischen den Ehepartnern herzustellen ist. Das ist eben äußerst schwierig und meistens läuft es dann doch darauf hinaus, dass derjenige, der Karriere macht und mehr verdient, sagt, kümmer du dich doch ein bisschen mehr um den Innendienst und halte mir den Rücken frei.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und das ist ja auch in Ordnung, wenn man sich überlegt hat, was für Folgen daraus entstehen können.

16:19 Min
Marc:

Häufig ist es aber dann ja trotzdem in der Praxis so, dass dieses gesetzliche Schutzsystem modifiziert oder sogar abgewählt wird und Gütertrennung vereinbart wird. Was steckt dahinter?

16:31 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Erstmal beruht ein Ehevertrag häufig auf falschen Vorstellungen über den gesetzlichen Güterstand. Da haben wir schon mal drüber gesprochen. Viele Menschen gehen davon aus, dass im gesetzlichen Güterstand ein Ehepartner automatisch für die Verbindlichkeiten des anderen Ehepartners haftet.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der unternehmerisch aktive Ehepartner möchte etwa, das ist ein typisches Beispiel, den anderen Ehepartner vor den Konsequenzen eines unternehmerischen Scheiterns schützen, also vor dem Zugriff der eigenen Gläubiger. Häufig wollen die Eltern eines Ehepartners auch verhindern, dass das Schwiegerkind im Fall der Scheidung von Schenkungen und Erbschaften des eigenen Kindes profitiert und drängen dann auf Gütertrennung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir haben schon gemeinsam erarbeitet, dass dies nun keine tragfähige Motive für eine Gütertrennung sind, weil diesen Anliegungen schon der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft Rechnung trägt. Ich erinnere nur an den berühmten Paragraf 13, 74 Absatz 2.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Viele Eheverträge beruhen aber auch auf der Vorstellung, dass man im Fall der Scheidung gern einen kleinen, klaren Schnitt haben will und jeder ohne lange Diskussion dann seiner Wege gehen kann. Es gibt viele junge Leute, die sagen, wir sind gleichberechtigt, Gütertrennung, wir heiraten nur wegen der Liebe, wir wollen unsere verschiedenen Vermögensverhältnisse völlig getrennt halten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wie gesagt, das ist häufig überoptimistisch und schließlich, Stehen im Vordergrund der Gütertrennungskonstellationen die Fälle, in denen durch eine Vereinbarung von Gütertrennung unternehmerisches Vermögen vor einem Abfluss von Liquidität im Zuge eines Zugewinnausgleichs geschützt werden soll. Wenn nämlich das unternehmerische Vermögen während der Ehe Wertsteigerungen durchmacht, dann wären diese Wertsteigerungen ja Teil des Zugewinnausgleichs und das möchte man auf jeden Fall vermeiden, damit nicht plötzlich aus dem Unternehmen zur Realisierung eines Zugewinnausgleichs Geld abfließt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und deshalb finden sich in vielen Gesellschaftsverträgen oder auch in Partnerschaftsverträgen von Anwaltskanzleien nach wie vor Verpflichtungen der Gesellschafter, entsprechend güterrechtliche Vorsorge zu treffen.

18:52 Min
Marc:

Du hattest mir dahingehend auch mal von einem praktischen Fall erzählt.

18:55 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, ich erzähle den eigentlich spannendsten. Da war ein junger Gesellschafter und Geschäftsführer eines gar nicht so kleinen Familienunternehmens und der hatte seinen Anwalt und mich im Vorfeld seiner geplanten Eheschließung um Beratung gebeten. Der fand einen Gesellschaftsvertrag vor, der ihn verpflichtete, Gütertrennung bei Eheschließung zu vermeiden, übrigens mit relativ harten Sanktionen, keine Ausübung seiner Gesellschafterrechte ohne Gütertrennung, keine Geschäftsführerstellung ohne Gütertrennung, also das war schon hart abgesichert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, dieser junge Mann, sehr romantisch, wollte das nun seiner künftigen Frau aber nicht zumuten, hat mir dann sehr offen gesagt, er schließe die Ehe auf Lebenszeit und sei nicht bereit, die Scheidung sofort einzuplanen.

19:44 Min
Marc:

Wie ist es ausgegangen?

19:46 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wie ist es ausgegangen? Es wurde eine akzeptable Kompromisslösung gefunden, auch mit den anderen Gesellschaftern, auch noch junge Leute, und zwar in Form eines modifizierten Zugewinn-Ausgleichs. Da wurde also im Ehevertrag, der wurde dann schon geschlossen, aber da wurde vereinbart, dass das unternehmerische Vermögen von einem eventuellen Zugewinnausgleich überhaupt nicht erfasst wird, das geht, sondern eben nur das Privatvermögen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und dieses Modell, Herausnahme von unternehmerischem Vermögen aus dem Ausgleich, ist in Österreich spannenderweise sogar das gesetzliche Modell. Da gibt es den Ausgleich von vorne herein nur für das Privatvermögen. Es trifft dann andere Fragen auf, aber ist in diesen Punkten sehr viel vernünftiger und realistischer.

20:32 Min
Marc:

Wenn wir uns jetzt mit der inhaltlichen Gestaltung von Eheverträgen auseinandersetzen, dann haben wir in den letzten 20 Jahren häufig das Stichwort Inhaltskontrolle von Eheverträgen gehört. Bevor wir jetzt spezifisch auf die Inhaltskontrolle von eben diesen Eheverträgen eingehen, eine Vorfrage sozusagen zum Verständnis. Was ist eigentlich unter Inhaltskontrolle von Verträgen zu verstehen?

20:56 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ganz wichtig. Examsrelevant, klausurrelevant. Im Wege der Inhaltskontrolle werden Verträge richterlich überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Der Richter schaut also den Vertrag inhaltlich an und stellt nach bestimmten Maßstäben fest, ist das wirksam oder nicht. Das ist ein Eingriff in den Grundsatz Pacta Sun Savanda und der Grundsatz Pacta Sun Savanda ist seinerseits Kehrseite der Privatautonomie, das wissen sie alle.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Vertragsfreiheit bedeutet, dass die Vertragsparteien grundsätzlich alles vereinbaren können, was sie wollen. Sie sind dann aber grundsätzlich auch an diese Vereinbarungen gebunden. Sie können nicht hinterher zu Gericht laufen und sagen, das war nichts, das habe ich mir nicht richtig überlegt, der hat mich übers Ohr gehauen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn nicht arglistige Täuschung oder sonst irgendein Mechanismus greift, gilt Paktas und Servander. Man muss sich an den eigenen rechtsgeschäftlichen Entscheidungen, wenn sie frei getroffen worden sind, festhalten lassen. Deshalb ist ein richterlicher Eingriff in autonom getroffene Verträge nur unter ganz besonderen Umständen und nur absolut im Ausnahmefall überhaupt legitim.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Okay, grundsätzlich findet die Vertragsfreiheit ihre Grenzen also nur in den Gesetzen und den guten Sitten und das sind die Paragrafen 134, 138, die wiederum examensrelevant sind, dafür haben wir ja schon eine Folge gehabt. Gut, interessanterweise knüpft deshalb die Rechtsprechung, wenn sie vorsichtig neue Ansätze zu einer Fallgruppe zur Vertragskontrolle entwickelt, fast immer zunächst an diese Normen an und beginnt mit dem Paragrafen 138 und mit dem Paragrafen 242.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Kein Gericht würde sagen, wir wollen jetzt hier mal Inhaltskontrolle vollziehen. Das entspricht nicht dem richterlichen Selbstverständnis.

22:54 Min
Marc:

Gibt es denn nicht auch eine gesetzliche Regelung einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen?

22:59 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das haben wir schon ausführlich behandelt. Das ist die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Maßgabe der § 305 fortfolgende. Wie gesagt, wir haben über diesen nun extrem klausurrelevanten Bereich schon in einer früheren Folge ausführlich gesprochen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Regelungen, die heute in den Paragrafen 305 fortfolgende stehen, wurden erst mit der Schuldrechtsreform 2002 in das Gesetz eingeführt, ins BGB. Vorher waren sie in einem eigenen Gesetz, dem AGB-Gesetz, verortet und dieses AGB-Gesetz war nicht etwas Neues, was der Gesetzgeber entwickelt hat, sondern das war die Kodifikation der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von AGB, die die Rechtsprechung zunächst einmal viele Jahre auf die 134 und 138 und 242 gestützt hatte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir haben über diesen Vorgang gesprochen. Sehr spannend, am Anfang steht die Rechtsprechung. Die Rechtsprechung knüpft ihre behutsamen und später sehr eindringlichen Ansätze auf die Paragrafen 138 und 242 Und irgendwann sagt der Gesetzgeber, das wollen wir jetzt doch eigentlich in ein Gesetz gießen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Am Anfang stand also Gesetz, nicht das Gesetz, sondern die Rechtsprechung. Das steht in einem Spannungsverhältnis zu unserer Vorstellung von Gewaltenteilung, dass Gesetze erst vom Gesetzgeber gemacht werden und dann von den Gerichten angewendet werden. So, für unseren Kontext her ist aber wichtig, diese Paragrafen 305 fortfolgende finden gemäß 310 Absatz 4, der die sogenannten Bereichsausnahmen regelt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erbrechts, des Familienrechts und des Gesellschaftsrechts, auch wenn vorformulierte Vertragsbedingungen verwendet worden sein sollten. Dahinter steht die Idee, dass in solchen Verträgen eine notarielle Beurkundung und damit auch eine notarielle Beratung erfolgt, sodass eine Inhaltskontrolle durch das Gericht nicht nötig ist.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Für den Bereich der Eheverträge, die eben nicht unter das AGB-Gesetz fallen, hat nun die höchstrichterliche Rechtsprechung seit dem Jahr 2004 in ganz vielen Fällen ein ziemlich komplexes Modell einer eigenständigen Inhaltskontrolle von Eheverträgen entwickelt. Diese Entwicklung wird vom Schrifttum nach wie vor sehr kontrovers begleitet und ist möglicherweise noch nicht zum Abschluss gekommen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich habe ganz viel dazu geschrieben und wenn du jetzt fragen solltest, warum ich auf das Thema gekommen bin, das ist ja manchmal auch ganz interessant, dann lag das eigentlich an einem einzigen Fall. Es kam nämlich eines Tages eine Anwältin aus München mit einer Mandantin und diese Mandantin hatte einen ganz fürchterlichen Ehevertrag.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die hatte Gütertrennung vereinbart, da standen aber noch ganz andere Dinge drin, zum Beispiel, dass sie nur das Haus verlassen dürfte, ohne entsprechend vorher ihre Küche aufgeräumt zu haben. Und dass sie ihren Kleidungsstil nur verändern wurde mit Einverständnis ihres Mannes.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich hatte sowas überhaupt noch nie gesehen. Das war eine Anlage, eine handschriftliche Anlage zum Ehevertrag und 30 Jahre später hatte er sich neu verheiratet und sie stand da und hatte Gütertrennung. Und damals, das war im Jahr 2003, hatte noch niemand im Blick, dass da irgendetwas zu machen war und ich habe dann interessanterweise diesen Fall 20 Jahre zusammen mit der Entwicklung der Inhaltskontrolle begleitet und immerhin hat ihr Ex-Mann, das war der letzte Stand der Dinge, nachdem er 2003 gesagt hat, sie kriegt gar nichts, 25 Millionen angeboten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So hat sich die Rechtsprechung inzwischen entwickelt, aber inzwischen ist er gestorben. Jetzt weiß ich nicht, wie es ausgegangen ist.

27:19 Min
Marc:

Okay, und der BGH sozusagen hat sich aber ab 2000 dann ja sozusagen das auch mal näher angeschaut.

27:25 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das ist nun ganz interessant. Bis zum Jahr 2000 hat der BGH weitestgehend ehevertragliche Vereinbarungen auch dann akzeptiert, wenn sie einen der Ehegatten wirklich sehr benachteiligen. Das galt damals auch für den Totalausschluss aller rechtlich relevanten Scheidungsfolgen, die dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also Gesamtausschluss, kein Unterhalt, kein Versorgungsausgleich, kein Zugewinnausgleich. Gestützt hat das der BGH auf die sogenannte volle Vertragsfreiheit und darunter verstand er im Wesentlichen die Eheschließungsfreiheit. Die Argumentation lief wie feucht, niemand muss heiraten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wer aber auf Wunsch des anderen Ehepartners heiratet oder auch die Ehe fortsetzt, der könne auch die Geschäftsbedingungen vorgeben. Der BGH stellte sich tatsächlich auf den Standpunkt, das hat er mehrfach formuliert, dass eine Eheschließung ohne Schutz der gesetzlichen Scheidungsfolgen für den benachteiligten Ehegatten immer noch besser sei als überhaupt keine Ehe.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Sie sehen, das sind ganz alte Zeiten, wo man davon ausging, ein uneheliches Kind ist das Ende der Welt.

28:41 Min
Marc:

Das kann man sich heute zum Glück kaum noch vorstellen.

28:44 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nein, das konnte man sich 2000, so lange ist das ja noch nicht hier, eigentlich ausprobieren. Auch nicht recht vorstellen und daher waren viele Familienrechtler letztlich dann auch nicht sehr überrascht, dass das Bundesverfassungsgericht, nicht der BGH, das Bundesverfassungsgericht diese Linie des BGH erst einmal mit zwei wichtigen Entscheidungen, also mit einem echten Paukenschlag kassierte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das sind die Entscheidungen NJW 2001, 1957 und 2248. Da könnte man schon mal reingehen.

29:20 Min
Marc:

Um was für Sachverhalte ging es dort?

29:22 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich vereinfache etwas. Die Ehefrau, die spätere, war schwanger. Sie wollte unbedingt heiraten, damit sie kein uneheliches Kind bekommt. Der Erzeuger ließ sich Zeit, zögerte, zögerte, zögerte und einen Monat vor der Geburt ließ er sich dann doch auf eine Eheschließung ein, machte aber zur Voraussetzung, dass für den Fall der Scheidung auf sämtliche Scheidungsfolgen verzichtet wird, insbesondere auch auf jeglichen Unterhalt und auch für den Fall der Not.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und im Übrigen verpflichtete sich die Frau in dieser Urkunde dann auch noch dazu, den Mann von allen anderen Unterhaltsansprüchen des Kindes freizustellen. Also seine Pflichten beschränkten sich auf 150 Euro im Monat für den Fall der Scheidung.

30:10 Min
Marc:

Und diese entsprechende Globalverzichtserklärung eines Ehegatten, in dem Fall wie so häufig der Frau, hat das Bundesverfassungsgericht dann nicht akzeptiert?

30:19 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nein, es hat in zwei grundsätzigen Entscheidungen klargestellt, dass Artikel 2 und Artikel 6 Absatz 4 ein Recht auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch einen Ehevertrag gibt. Wenn man jetzt die Argumentation nachzeichnet, ergibt sich folgendes Bild.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Am Anfang steht auch für das Bundesverfassungsgericht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht sah und sieht die Funktionsfähigkeit der Privatautonomie jedoch nur gewährleistet, wenn beide Parteien eine Chance haben, ihre Vorstellungen und Interessen einzubringen. Da knüpft das Bundesverfassungsgericht unter anderem an seine Handelsvertreterentscheidung an, die sie öffentlich auch aus dem öffentlichen Recht kennen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Kennen, ich zitiere, wörtlich ist aufgrund einer besonders einseitigen Aufwürdigung von vertraglichen Lasten und einer erheblichen ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, Dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann. Ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Eine berühmte Formel und diese Grundsätze überträgt das Bundesverfassungsgericht nun auf die Eheverträge. Das geschützte Rechtsgut Ehe sei vom Leitbild der Gleichberechtigung der Ehegatten geprägt. Der Staat und die Gerichte hätten der Ehevertragsfreiheit der Partner dort Grenzen zu setzen, wo der Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt und dann sei es Aufgabe der Gerichte, über die zivilrechtlichen Generalklauseln den Inhalt des Vertrags einer Kontrolle zu unterziehen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und ein besonderes Kontrollbedürfnis sieht das Bundesverfassungsgericht natürlich. Das lag nah in den Fällen eines Vertragsschlusses mit einer schon schwangeren Frau.

32:44 Min
Marc:

Wie hat der BGH dann auf diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts reagiert?

32:49 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also zunächst einmal nicht sonderlich erfreut. Diese Rechtsprechung wurde von allen Seiten zunächst sehr kritisch aufgenommen. Der BGH hat dann, er musste ja reagieren, mit einer sogenannten Kernbereichslehre reagiert, die ausgerechnet ich in einem Aufsatz im Archiv für zivilistische Praxis damals ins Spiel gebracht hatte, hatte in Anlehnung an eine gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre des Zweiten, also gesellschaftsrechtlichen Senates BGH.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Daraus hat der BGH dann ein dogmatisches Gebäude gezimmert. Er betont zunächst noch stärker als das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der Vertragsfreiheit und bezieht sich natürlich auf den ausdrücklichen Wortlaut des Paragrafen 1408 BGB. Daraus entnimmt der BGH das legitime Bedürfnis, Abweichungen vom gesetzlichen Folgensystem zu vereinbaren, wenn diese nicht zum individuellen von den Partnern gewählten Lebensmodell passen und diese Vorgaben werden nun für das Zivilrecht konkretisiert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich zitiere nochmal wörtlich jetzt den BGH. Es gibt eine grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen, die darf aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteidung Entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Vereinbarung bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Unzumutbar erscheint. Sie sehen schon, wie schwer sich der BGH tut. Das ist ja eine sehr blumige Umschreibung. Die Belastung des einen Ehegatten werde umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, als die gesetzlichen Folgen des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts abbedungen werden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist eine Entscheidung aus dem Jahre 2004, BGHZ 158, 81 und diese Entscheidung ist Grundlage einer Rechtsprechung, die allerdings nach meiner Beobachtung eher wieder enger wird. Jedenfalls zum engsten Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehört nach BGH der Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes und der Versorgungsausgleich.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und dieser Kernbereich dürfe nur ausnahmsweise vertraglich eingeschränkt werden oder gegen Kompensation. Aber kernbereichsfern sei der Zugewinnausgleich, den könne man also fast immer völlig abbedingen.

36:02 Min
Marc:

Hättest du das für überzeugend?

36:03 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nicht mehr. Die Kernbereichslehre, und bewusst sage ich nicht mehr, die Kernbereichslehre, so wie der BGH heute versteht, wird auch im gesamten Schrifttum, das nicht nur meine Meinung, überwiegend kritisiert und fast einhellig abgelehnt. Und das hängt jetzt wieder mit der Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 zusammen, die ja nach der Rechtsprechung des Urteils zur Inhaltskontrolle erst erfolgte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also 2004 kam die Wende des BGH, 2008 kam die Unterhaltsreform. Die unterhaltsrechtlichen Ansprüche des Ehepartners, der Familienarbeit geleistet hat, vielleicht sogar überwiegend und der auch nach der Scheidung Familienarbeit leisten muss, weil die Kinder klein oder schwierig sind oder besonders begabt sind, dieser Unterhaltsanspruch wurde ja durch die Unterhaltsrechtsreform erheblich geschwächt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das heißt, das, was der BGH als Kern ansah, trägt nicht mehr wie früher und. Eine berühmte Formel des berühmten Familienrechtlers Dieter Schwab, der sagt, der Kern schmilzt. Die ganze Kernbereichslehre trägt nicht mal, weil der Kern immer weiter abschmilzt und infolgedessen eigentlich der Zugewinnausgleich viel wichtiger geworden ist, weil er, jedenfalls wenn beide in vernünftigen finanziellen Verhältnissen gelebt haben, vielleicht zumindest mal eine erste Basis für eine eigenständige Lebensführung auch mit Kindern sein könnte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber der BGH hält sich ganz starr an diese Linie und wie gesagt, ich habe den Eindruck, dass er die Inhaltskontrolle eher noch einmal beschränkt hat, als das schon im Jahr 2004 abzusehen war.

37:59 Min
Marc:

Warum ist die Linie des BGH denn besonders problematisch für Unternehmer-Ehen?

38:04 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das ist sehr interessant. In Unternehmer-Ehen werden meist keine typischen Versorgungsanwartschaften gebildet, die im Fall der Scheidung geteilt werden könnten. Da gibt es, es wird nicht eingezahlt in irgendeine Rentenkasse und so weiter. Anwaltsversorgung ist vielleicht noch was anderes, aber häufig wird anders Vorsorge betrieben, nämlich über private Vermögensbildung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da werden Immobilien angeschafft, Aktiendepots und so weiter. So, in solchen Fällen wäre der Zugewinnausgleich nun das Funktionsequivalent zum Versorgungsausgleich, den der BGH ja als Kernbereich qualifiziert hat. Aber der Versorgungsausgleich findet nicht statt und der Zugewinnausgleich ist abbedungen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

In Unternehmer-Ehen ist es aber gerade am allerhäufigsten, dass der Zugewinn-Ausgleich ausgeschlossen wird. Mit der Folge, dass der Partner eines Unternehmers, der die Familienarbeit häufig auf Wunsch übernommen hat und vielleicht auch noch für das Unternehmen in anderer Weise tätig war, weil er repräsentiert war, weil er Kunden betreut hat, weil er die Senioren betreut hat, Der geht dann im schlimmsten Fall ganz leer aus.

39:23 Min
Marc:

Nochmal kurz zur rechtstechnischen Einordnung. Wo verortet der BGH die Inhaltskontrolle von Eheverträgen?

39:30 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das ist jetzt etwas, was Sie wieder wissen sollten. Also Sie sollten Kernbereichslehre gehört haben. Sie sollten wissen, dass der Zugewinnausgleich da nicht zugehört. Und jetzt geht es um die Rechtstechnik.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Inhaltskontrolle knüpft der BGH nun an § 138, das ist die sogenannte Wirksamkeitskontrolle, und an § 242, das ist die sogenannte Ausübungskontrolle. Es sind also zwei Spuren, wo er interessanterweise die Normen, die wir ja mehrfach erwähnt haben, nun unterschiedlich instrumentalisiert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle 138 prüft er, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führen kann, so dass man ihr ganz unabhängig von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung versagen muss. Mit der Folge, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und im Rahmen der Ausübungskontrolle wird geprüft, ob und inwieweit im Zeitpunkt der Scheidung die Berufung auf den Ehevertrag als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann. Da kann dann alles berücksichtigt werden, wenn die also eine Doppelverdiener-Berufstätigkeit geplant hatten und keine Kinder wollten zum Zeitpunkt der Eheschließung, dann aber Drille gekriegen und noch dazu ein altes Elternteil zu versorgen war, dann kann über 2,42 der Ausschluss des Zugewinnausgleichs doch noch modifiziert werden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der BGH ist da aber außerordentlich zurückhaltend mit, man sollte sich darauf nicht unbedingt verlassen.

41:27 Min
Marc:

Auf gut Deutsch heißt das, dass ein schon vor der Ehe vereinbarter Globalverzicht ohne Kompensationsregelung, immer sozusagen Ying und Yang, nach dieser Rechtsprechung im Regelfall unwirksam ist?

41:39 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, also der Globalverzicht ist out. Das wird kein Notar mehr machen. Der wird immer sagen, Vorsicht, da ist die Rechtsprechung einschlägig. Ohnehin beraten Notare heute sehr viel differenzierter, als sie das vor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes getan haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und deswegen vernünftigerweise wird man heute eben ein Modell wählen, das unternehmerisches Vermögen zwar geschützt wird, aber auf der anderen Seite sinnvoll für denjenigen vorgesorgt wird, der möglicherweise dann Familienarbeit zu eigenen Lasten übernimmt.

42:18 Min
Marc:

Aber das heißt umgekehrt, es bleibt noch ein großer Freiraum für die künftigen Ehepartner. Hältst du das für richtig?

42:24 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Naja, ich bin im Prinzip natürlich selbstverständlich ein vehementer Verfechter der Privatautonomie. Aber es ist schon problematisch, dass man nach der derzeitigen Rechtsprechung schon vor der Ehe ein Schutzsystem bekommt. Abwählen soll, können soll, dass den Ehepartner schützen soll, der nachher die Familienarbeit doch noch übernimmt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wissen Sie, das übliche Argument, beide Partner hätten ja nun ganz genau gewusst, was sie da unterschreiben und müssten sich deswegen daran festhalten lassen, so argumentiert man bei der Privatautonomie ja immer, das trägt natürlich bei Eheverträgen nur sehr begrenzt. Zum einen ist es eben doch die Lebenserfahrung, dass Menschen, die heiraten wollen, überoptimistisch sind, sodass die Funktionsbedingungen von Privatautonomie halt ein bisschen andere sind, als wenn man einen Vertrag über einen Fitnesskurs schließt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und zum anderen, wir haben es eben schon gesagt, künftige Ehepartner wollen im Zeitpunkt der Eheschließung häufig nicht allzu genau darüber nachdenken, was sie da eigentlich machen.

43:33 Min
Marc:

Da das so wichtig ist, kannst du uns nochmal ein Beispiel geben dahingehend?

43:37 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, gern. Ich hatte eine Mandantin, eine gut ausgebildete, elegante, an sich lebenskluge Frau und die habe ich gefragt, bitte, was hat sie denn eigentlich gebissen, vor der Eheschließung diesen, sie total benachteiligenden, schrecklichen Ehevertrag zu unterschreiben? Dann sagte sie ganz entwaffnen, ja wissen Sie, hat zu mir gesagt, Liebling, das kannst du unterschreiben, du weißt doch, dass ich dir immer alles geben und immer für dich sorgen wäre.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und dann sage ich, ja und in dem Ding stand genau das Gegenteil drin, ich werde nicht für dir sorgen, wenn es schief geht. Aber das ist nach meiner Erfahrung gar nicht so ganz selten.

44:15 Min
Marc:

Das ist schon ein krasses Beispiel. Was folgt daraus für dich?

44:21 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, ich sage immer, ein Ehevertrag, der den Zugewinnausgleich ausschließt, ist immer problematisch, wenn Kinderwunsch besteht oder jedenfalls die jungen Leute sich in einem Alter befinden, wo Kinder nicht ausgeschlossen sind. Dann sollte man nicht einfach Gütertrennung vereinbaren, sondern dann sollte man nachdenken, wie man einen angemessenen Ausgleich findet.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Man kann darüber nachdenken, dass eine Kompensation entwickelt wird für den Fall, dass ein Partner als Folge einer gemeinsam entschiedenen Veränderung der Pläne Nachteile in seiner Erwerbsbiografie erleidet. Das kann man machen, dafür gibt es heute gute Modelle, aber das scheint mir eine Frage der Verantwortung zu sein.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Einfach Gütertrennung und Aus ist, finde ich nicht fair. Mich hat mal ein junger Freund gefragt, ja meine Schwester will heiraten und ihr Bräutigam verlangt Gütertrennung. Da habe ich gesagt, sie sollte es lassen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die waren nach drei Jahren wieder geschrien.

45:27 Min
Marc:

Gibt es in einem solchen Scheidungsfall auch einen Vermögensausgleich unter Ehegatten außerhalb des Zugewinns?

45:34 Min
Prof. Dauner-Lieb:

In der Zugewinngemeinschaft grundsätzlich nicht. Wir haben ja schon so viel darüber gesprochen. Dafür besteht im Regelfall kein Bedürfnis, wenn der Zugewinnausgleich gilt. Ich erinnere, das gilt auch für unentgeltliche Zuwendungen zwischen den Ehegatten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da haben wir in einer vorherigen Folge darüber gesprochen. Es ist ja durchaus nicht selten, dass ein Ehegatte, das ist so aus Pflichtgefühl oder weil er es für richtig fällt, findet dem anderen die Haushälfte überträgt oder beide von Anfang an ins Grundbuch eingetragen werden, auch wenn die finanziellen Mittel nur von einem Ehegatten stammen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das sind Zuwendungen zwischen den Ehegatten und wir hatten darüber gesprochen, der BGH sieht in solchen Zuwendungen in der Regel keine Schenkung im Sinne von Paragraf 516, sodass auch kein Widerruf der Schenkung wegen Scheidung in Betracht kommt. Gut, diese Vermögensverschiebung ordnet der BGH, das ist auch Wiederholung, als sogenannte unbenannte Zuwendung an.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Warum? Keine Schenkung, sondern unbenannte Zuwendung. Das hat eine sehr technische, aber sehr weitreichende Folge. Solche Vermögensverschiebungen fallen dann nämlich nicht unter die Privilegierung des § 1374 Absatz 2, die erhöhen nicht das Anfangsvermögen und werden damit im Zugewinnausgleich zum Teil wieder ausgeglichen.

47:10 Min
Marc:

Jetzt kann ich ja auch den Fall haben, dass die Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind etwas schenken. Ist das dann auch eine unbenannte Zuwendung?

47:17 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das kann sein. Ich habe mich immer gewundert, wie es dazu kommt. Also wir reden jetzt nicht von einem Schmuckstück zum Geburtstag oder selbst ein Auto, weil jetzt Kinder da sind. Ich rede von Grundvermögen und von großen Beträgen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da fragt sich ja jeder normale Mann, jede Frau, warum tun Schwiegereltern das angesichts der Statistik, dass jede dritte Ehe geschieden wird? Warum schenken sie das Geld oder das Grundstück nicht lieber ihrem eigenen Kind? Gut, der BGH hat tatsächlich früher angenommen. Dass so eine Zuwendung an das Schwiegerkind so behandelt wird, als ob die Eltern ihr eigenes Kind beschenkt hätten und dann diese Zuwendung an den Ehepartner weitergegeben hätte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das wäre dann wieder so gelaufen, dass im Fall der Scheidung gar keine Ansprüche der Eltern da gewesen wären, weil das Kind hat die Schenkung bekommen, alles ist in Ordnung und die Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten wäre dann wieder eine unbenannte Zubindung gewesen, die einen gewissen Ausgleich im Zugewinnausgleich erfährt. So, diese Linie, ständige Rechtsprechung, hat der BGH in einer völlig überraschenden und deshalb aufsehenerregenden Entscheidung 2010 aufgegeben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Man kann wirklich sagen, plötzlich. Und man kann der Begründung auch nicht entnehmen, warum eigentlich, aber er hat es getan. Und seit 2010 nimmt er nun an, dass Schenkungen an ein Schwiegerkind ganz normale Schenkungen sind, 516, und dass die Ehe mit dem eigenen Kind Geschäftsgrundlage dieser Schenkung ist.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ein Widerruf wird nicht angenommen, Scheidung ist kein Widerrufsgrund, aber nun kommt möglicherweise ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Einzelheiten brauchen sie nicht zu können, aber wenn jemals sowas Schreckliches bei ihnen als Aufgabe kommt, muss ihnen jetzt 313 einfallen und darüber hinaus hält der BGH auch noch eine sogenannte Conditio Obremm für möglich, also Bereicherungsansprüche wegen Zweckverfehlung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das halte ich für keine so gute Idee, denn eigentlich war die Conditio Obremm schon tot, wie sie geschaffen wurde und die meisten Autoren haben die Conditio Obremm für anwendungslos gehalten. Jetzt hat sie wieder einen Anwendungsbereich, nämlich die Schwiegerelternschenkung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir kommen gleich noch zu einem anderen Anwendungsbereich.

49:47 Min
Marc:

Dann muss man auch nochmal ein weiteres Buzzword ins Spiel bringen, nämlich die sogenannte Ehegarteninnengesellschaft. Gibt es die noch?

49:54 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, vielleicht sogar nach dem Mopek wieder examensrelevanter. Der BGH nimmt ganz unabhängig vom Güterstand eine sogenannte Ehegatten-Innengesellschaft an, wenn die Ehegatten gemeinsam, und jetzt zitiere ich den BGH, über die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft und die Sicherung des Familienunterhaltes einen gemeinsamen Zweck verfolgt haben, etwa den Aufbau eines Betriebes oder die Schaffung eines größeren Immobilienvermögens.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Innengesellschaft hat natürlich in der Zugewinngemeinschaft kaum Bedeutung, weil da es meistens dann doch alles über den Zugewinnausgleich läuft, aber die hat eine große Bedeutung für die Gütertrennung, weil es ja da keinen gesetzlichen Vermögensausgleich im Fall der Scheidung gibt. Und der Ausgleich vollzieht sich nun in solchen Fällen nach dem Recht der BGB-Gesellschaft.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dann nimmt der BGH eine BGB-Gesellschaft an und Sie wissen ja, das ganze Recht der BGB-Gesellschaft ist durch das Mopek neu gefasst worden. Das Problem bei dieser Ehegatten-Innengesellschaft liegt aber nun daran, dass der Bundesgerichtshof formal einen Rechtsbindungswillen verlangt, Also irgendetwas, was auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags hindeutet und es ist völlig klar, dass es das nicht gibt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Denn das ist ja gerade das Wesen der Ehe, dass man das als rechtsgeschäftsferne Zone lebt und nicht pausenlos drüber nachdenkt, was das eigentlich heißt, wenn man gemeinsam irgendetwas tut. Wenn man darüber nachdenken würde, würde man sich juristisch beraten lassen und einen entsprechenden Vertrag aufsetzen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das macht die ganze Sache ganz außerordentlich unsicher. Aber in der Sache ist es schon so, wenn man eine gemeinschaftliche Ehewohnung kauft, dann ist das keine Innengesellschaft. Aber wenn man drei Häuser kauft gemeinsam, dann liegt die Ehegatteninnengesellschaft nahe.

52:02 Min
Marc:

Kannst du dazu nochmal ein weiteres Beispiel bilden?

52:04 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, da habe ich wieder einen äußerst plastischen Fall erlebt, den ich ein kleines bisschen verfremde, damit man nicht gleich doch noch erkennt, um wen es eigentlich ging. Da war eine junge Schneiderin, sehr begabt, die hatte sehr jung einen jungen unternehmenslustigen Unternehmer geheiratet und vor der Güter-Eheschließung wurde ganz typisch Gütertrennung vereinbart, wieder mal im Hinblick auf die irrige Befürchtung, im Ernstfall müsse einer für die Schulden des anderen einstellen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese junge Schneiderin war auch eine geniale Modedesignerin und die hatte im Laufe der Jahre einen sensationellen Erfolg. Ihr Mann kümmerte sich zunehmend um die Vermarktung ihrer Produkte und die betriebswirtschaftliche Seite des wachsenden Unternehmens, das Weltgeltung hatte, tatsächlich. So, die Ehefrau blieb bis zur Scheidung der kreative Kopf, das Gesicht nach außen, der Motor des Geschäfts, aber das ganze Unternehmen, alles rechtlich, wirtschaftlich Relevantes, lief auf den Namen des Mannes.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das wurde auch nie geändert, darüber hat sie sehr unvorsichtig nie nachgedacht und er hat es so laufen lassen. Dann stand sie bei der Scheidung wegen Gütertrennung mit vollkommen leeren Händen da. Hart.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Inhaber des, wie gesagt, inzwischen weltbekannten Unternehmens war er. Und ich war ziemlich sicher, das habe ich damals in der Beratung mit ihrer Anwältin auch artikuliert, dass man hier wohl einen Fall der Ehegatteninnengesellschaft gehabt hat, den die Rechtsprechung wahrscheinlich akzeptiert hätte. Das war so krass.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber vor der Perspektive, das bis zum BGH durchzufochten, hat die Frau mir gesagt, nö, mache ich nicht. Ich habe einen guten Namen, ich habe eine Marke, ich baue ein neues Unternehmen auf, das ist ihr auch gelungen, klein oder fein. Die hat das letztlich rechtlich nicht durchfechten wollen und das kann ich auch verstehen.

54:14 Min
Marc:

Das ist spannend. Mal zurück sozusagen zu unserer vor dem Examen stehenden Zielgruppe. Braucht man das fürs Examen?

54:23 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Sicher braucht man keine Details des Nebengüterrechts, das nennt man Nebengüterrechts, Vertrag sui generis, Ehegatten-Innengesellschaft und § 313 Condictio op rem, das gibt nur ganz, ganz wenige Praktiker, die das wirklich aus dem FF in jeder Faser beherrschen. Aber die BGB-Gesellschaft ist Examensstoff und nach der Reform durch das Mopek muss man damit rechnen, dass von der anderen Seite wieder Fragen kommen und das möglicherweise, weil irgendjemand Mopek prüft, hier ein Fall der Innengesellschaft, die ja heute in 705 Absatz 2 auch irgendwo ausdrücklich angesprochen wird, dass man auf die Ehegatten-Innengesellschaft kommt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Deswegen kann es meines Erachtens nicht schaden, wenn man das Stichwort mal gehört hat und außerdem versteht man gleich sehr viel besser, was nun eigentlich bei der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft läuft und die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft kommt nach meiner Wahrnehmung immer wieder vor, auch in Klausuren.

55:30 Min
Marc:

Für zur Folgefrage, was ist das und was muss man dazu wissen?

55:33 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, was ist eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft nach Vorstellung der Rechtsprechung? Erstmal ist es mehr als eine Wohngemeinschaft. Das ist schon ganz wichtig. Also drei Studenten, die in einer Wohnung leben, sind möglicherweise auch eine BGB-Gesellschaft und sollten sich vielleicht auch Gedanken darüber machen, wie sie verschiedene Dinge regeln.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber das ist noch keine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft, von denen es ganz, ganz viele gibt. Ich mache eine Bemerkung noch vorweg. Früher war eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft etwas, was überhaupt nicht gesellschaftlich akzeptiert wurde.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also meine Eltern hätten ein riesen Drama drauf gemacht. Die Zahl solcher Gemeinschaften ist im letzten Jahr ungeheuer gestiegen, einfach weil man liberaler ist. Für viele ist die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft so eine Durchgangszeit bis zur Ehe, so eine Probezeit, davon kann man halten, was man will, aber es ist einfach so.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, das Bundesverfassungsgericht, das sich mehrfach damit zu befassen hatte, versteht nun unter einer echten, rechtlich relevanten, nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft von zwei Personen, nicht mehr, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft anderer Art zulässt, also Exklusivität, und die sich durch innere Bindungen auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, die also mehr sind als Haushalt und gemeinsames Wirtschaften.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Sie ist eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Damit kann man das so wohl kennzeichnen. Aber sie ist eben auch keine Ehe. Die Partner haben sich vorläufig, manchmal dann auch endgültig, gegen eine Eheschließung entschieden und daraus wurde nun früher abgeleitet, dass es auch bei der Beendigung einer solchen Lebensgemeinschaft überhaupt keinen Ausgleich gibt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Jeder nimmt mit, was ihm gehört, wo er Eigentümer ist und geht seiner Wege. Das sieht man heute nicht mehr ganz so krass, aber es bleibt im Ausgangspunkt dabei, dass auf gar keinen Fall Analogien zu irgendwelchen eherechtlichen Vorschriften gezogen werden dürfen und das sollte man im Fall einer Klausur oder in einer mündlichen Prüfung auch immer als Ausgangspunkt formulieren.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es verbietet sich eine Analogie zum Eherecht, schon wegen des Abstandsgebots im Grundgesetz. Deswegen ist das ganz klar. Und weiterhin hat der BGH nun immer gesagt, es gilt der Grundsatz der Nichtausgleichung von laufenden Beträgen, auch wenn die sehr unterschiedliches wirtschaftliches Gewicht hatten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also wenn ein Partner die gesamten laufenden Lebenshaltungskosten getragen hat und der andere Partner investiert hat, schönen Schmuck gekauft hat, irgendwas anderes, es gibt keinen Ausgleich. Also es gibt für alles, was laufend ist, keinen Ausgleich.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist sicherlich nicht ganz unvernünftig, weil dann keine große Rechnerei stattfindet, aber das ist wieder einer der Gründe, warum man sich das dann doch überlegen sollte und vielleicht mal einen Gedanken darauf verschwenden sollte. Wie man das eigentlich für den ja nicht wahrscheinlichen, aber doch nicht völlig ausgeschlossenen Fall einer Krise halten wollte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, außerdem sagt aber der BGH gut, jenseits dieser laufenden Finanzierung des Haushalts. Gibt es wieder möglicherweise einen Ausgleich, und jetzt kommen wir zurück zu dieser Innengesellschaft, wenn die Partner nämlich etwas gemacht haben, was über die Gemeinschaft hinausgeht, Vermögensanlage, Immobilien, Unternehmensführung. Das heißt, man kann sich faustformelartig merken, in der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft gelten dieselben Grundsätze wie in der, gibt es auch sowas wie eine Innengesellschaft, das ist dann nur nicht eine Ehegatten-Innengesellschaft, sondern eine nicht-eheliche Innengesellschaft.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und außerdem sieht der BGH auch hier unter Umständen Ansprüche aus Paragrafenzeichen 313 und aus der Conditio Obremmen. Als Faustformel kann man interessanterweise festhalten, dass die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft im Hinblick auf die finanzielle Absicherung fast funktioniert wie Gütertrennung. Das steht nirgendwo, aber das ist in der Sache so.

59:58 Min
Marc:

Puh, jetzt haben wir in einer Stunde eine ganze Menge beleuchtet. Als Fazit könnte man zur nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft nochmal festhalten, dass derjenige, der in einer solchen lebt, sich vielleicht vorsorglich einmal Gedanken über die Vermögensverhältnisse machen und eventuell dann eben vertraglich Vorsorge treffen sollte. Vielen Dank Barbara für die sehr ausführliche Folge zu natürlich einem deiner Steckenpferde und beim nächsten Mal steigen wir dann in das Bereicherungsrecht ein.

60:28 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Noch ein Steckenpferd. Herzlichen Dank.

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