Dr. Sarah Katharina Stein, Professor | Max-Planck-Institut Freiburg
Wissenschaftliche Karriere - Habilitation - Promotion - Juniorprofessur - Tenure-Track - Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Max-Planck-Institut - Bucerius Law School - Völkerrecht - Familienrecht - Private Militär- und Sicherheitsdienstleister - Juridical Othering - Wissenschaft und Familie - Netzwerke - Vorbilder - Genfer Konventionen - Zusatzprotokoll Genfer Konventionen - Art. 47 Zusatzprotokoll I GK - Wissenschaftszeitvertragsgesetz
In der 282. Episode von Irgendwas mit Recht begrüßt Marc zwei Gäste, die sich der wissenschaftlichen Laufbahn im juristischen Bereich verschrieben haben: Dr. Henrike von Scheliha, die bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht tätig war und nun eine Juniorprofessur für Familien- und Erbrecht an der Bucerius Law School innehat, sowie Dr. Sarah Katharina Stein, Habilitandin am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg. Gemeinsam sprechen sie darüber, wie man Wissenschaftlerin in Jura wird, welche Herausforderungen und Chancen dieser Weg mit sich bringt und warum es vorteilhaft ist, sich schon früh an einem Lehrstuhl zu engagieren. Was bringt einem eine Lehrstuhltätigkeit für das Examen? Welche Rolle spielen Netzwerke und Vorbilder? Warum entscheiden sich viele nach der Promotion gegen eine Habilitation? Wie lassen sich Wissenschaft und Familie vereinbaren? Wie geht man mit dem Druck im Wissenschaftsumfeld um? Wie sehen die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit im selbigen aus? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!
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Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg gehört zur renommierten Max-Planck-Gesellschaft und ist damit ein außeruniversitäres Forschungsinstitut. Rund 140 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Mitarbeitende aus über 20 Nationen widmen sich hier der interdisziplinären Grundlagenforschung im Strafrecht, öffentlichen Sicherheitsrecht und der Kriminologie.
Besonders zeichnet das Institut seine internationale Ausrichtung, exzellente Forschungsinfrastruktur und die enge Verzahnung von Rechtswissenschaft, Psychologie und Soziologie aus, was spannende Impulse auch für die Praxis liefert. Lust auf mehr Einblicke? Dann klick dich in unsere IMR-Folge rein und hör nach, wie der Alltag dort klingt!
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Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Heute wieder mit ganz besonders gutem Ton, denn wir sitzen mal wieder im schönen Studio in der Bucerius Law School und ich würde sagen, das ist hier fast wie zu Hause von der Tonqualität. Nein, das ist genauso gut oder sogar besser als zu Hause.
Also üblicherweise nehmen wir ja häufig auch bei unseren Gesprächspartnern in den Räumlichkeiten auf und ich freue mich immer, wenn das so ganz besonders trocken klingt, wie gerade. Und da darf ich dann auch zwei Gäste begrüßen, nämlich einmal eine euch bekannte Stimme, Henrike von Gelia.
Hallo Henrike.
Hallo Marc.
Und Sarah Katharina Stein. Hallo Katharina.
Hallo.
Katharina, wir fangen mal mit dir an, denn dich kennt man ja noch nicht hier im Podcast. Was machst du so?
Ich bin Habilitandin, also Postdoktorandin Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg.
Und da wollen wir auch so ein bisschen anknüpfen. Wir sprechen nämlich heute über unter anderem die Frage, wie man eigentlich Wissenschaftlerin in Jura werden kann, so ganz salopp formuliert. Und da kennt ihr Henrike aus einer unserer letzten Folgen.
Ich müsste die Folgen nur mal nachschlagen, findet ihr in den Shownotes. Da warst du nach dem Bundesverfassungsgericht als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, stimmt's?
Ja, ganz genau. Da haben wir schon einen Podcast dazu aufgenommen.
Wie ging es dann für dich weiter?
Es ging dann so für mich weiter, das haben wir ja damals im Podcast auch erzählt, dass ja die Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Karlsruhe begrenzt ist. Auf zwei bis drei, manchmal ausnahmsweise auch vier Jahre und meine Zeit war dann zu Ende.
Und ich habe mir überlegt, was will ich denn dann eigentlich machen? Und dann gab es hier eine Stellenausschreibung.
Also das ist Bucerius Law School?
Bucerius Law School, genau. Bucerius Law School für eine Juniorprofessur für Familien- und Erbrecht oder bürgerliches Recht, insbesondere Familien- und Erbrecht mit Tenure-Track und da habe ich mich beworben und glücklicherweise hat es geklappt.
Hattest du das schon immer geplant, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen?
Ich hatte es nicht geplant, nein. Ich hatte nach meiner Promotion in Köln bei Barbara Dauner-Lieb es erwogen, bin dann aber erstmal ins Referendariat gegangen und dann hat sich meine Stelle in Karlsruhe ergeben, so dass ich mir ehrlich gesagt dann die Pause gegönnt habe darüber nachzudenken ob ich das machen möchte, ob ich diesen Schritt gehen möchte, und habe das aber immer im Hinterkopf gehabt, dass das etwas ist was mir, ja Wissenschaft etwas ist, was mir ganz ganz große Freude macht, und Forschung und Lehre irgendwie was ist was mir dann auch gefehlt hat während meines Referendariats und meiner Zeit in Karlsruhe, sodass es dann eben am Ende dazu gekommen ist dass ich dachte ich wage diesen Schritt oder ich versuche es mal mich hier zu bewerben.
Katharina, wie war das bei dir? Wie bist du zum Jurastudium gekommen und dann auch noch erst recht zur wissenschaftlichen Karriere?
Zum Jurastudium bin ich gekommen, weil ich mir in meinem Abi ja überlegt habe, was ich mal, also ich habe mir nicht überlegt, was will ich studieren, sondern wie will ich mal arbeiten? Und da habe ich mir ganz viele Kategorien aufgeschrieben, tatsächlich mit meiner Mutter zusammen bei unserem Garten, das weiß ich noch. Und ich habe aufgeschrieben, ich möchte mit Sprache arbeiten, ich möchte gerne im Team arbeiten können, ich möchte irgendwie, ich möchte, dass es menscheln kann, also weiß ich nicht, jetzt nicht Ingenieurin werden.
Und da hatte ich so ein paar Kategorien. Und dann haben wir dahinter geschrieben, mit welcher Qualifikation man so arbeiten kann. Also auch wieder gar nicht genau geguckt, welcher Beruf ist das, sondern was muss man studieren, damit man so ein Arbeitsumfeld hat.
Und da stand eigentlich in jeder Zeile Rechtswissenschaften. Was ganz überraschend für mich war und ich glaube auch für meine Mutter, weil ich in der Familie überhaupt niemanden habe, der jemals Jura studiert hat. Also ich war dann die Erste.
Und genau, dann habe ich mich für Jura eingeschrieben, habe da angefangen zu studieren in Hannover. Für Hannover hatte ich mich entschieden, weil es da noch einen zusätzlichen Magisterstudiengang gab, der im Zuge der Bologna-Reform leider abgeschafft wurde. Der hieß Magister Legum Europae, wo man quasi sein Erasmusjahr verbunden hat mit noch einer Qualifikationsarbeit und dann noch so einen kleinen Titel mitnehmen konnte.
Und genau, dann habe ich da Jura studiert und ich glaube, nach den Klausuren im ersten Semester wurde ich angesprochen von Volker Epping, der Grundrechte und Völkerrecht und Europarecht gelehrt hat. Ob ich für ihn arbeiten will als studentische Hilfskraft.
Und seitdem habe ich angefangen, in diesen wissenschaftlichen Kontext und das Arbeitsumfeld reinzuschnuppern. Und seitdem habe ich irgendwie gedacht, Mensch, ich glaube, das ist was für mich und wollte da auch irgendwie bleiben.
Als wissenschaftliche Hilfskraft macht man ja sehr unterschiedliche Dinge. Das kann anfangen mit irgendwie einfach mal Kopien anfertigen bis hin zu nachher dann vielleicht auch als VIMI, Klausuren korrigieren etc. Was hat euch beiden da besonders Freude gemacht? Wie seid ihr sozusagen, du warst auch wissenschaftliche Mitarbeiterin früher.
Ich war auch erst Hilfskraft, genau wie Katharina und dann bei Klaus-Peter Berger und dann wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Professor Donna Lieb.
Was hat euch an diesen Tätigkeiten Spaß gemacht?
Also das Kopieren war jetzt nicht das Schönste. Am schrecklichsten war Nachsortieren von Sartorius und Schönfelde, wie sie damals noch hießen. Das war die Hölle. Aber was mich wahnsinnig, was mir total Spaß gemacht hat, war einfach einen Ort an der Uni zu haben.
Bei uns in Hannover war das an den Lehrstühlen so, dass man, wie das wahrscheinlich immer ist, dass man Schlüssel hat, aber auch einen Schreibtisch. Und das war einfach ein Ort, wo viele Leute waren, die sich ein bisschen mehr noch dafür interessiert haben, was hinter dem steht, was man für die Klausuren braucht.
Und da hatte ich einfach wahnsinnig, erstens habe ich wahnsinnig viele gute Freunde gefunden und da hatten wir auch total tolle Diskussionen. Und ich erinnere mich, dass ich zum Beispiel mit Herrn Epping, der hat dann einen Hochschulrechtskommentar rausgegeben, auf den Hochschulrechtstag mitfahren durfte und Konferenzen, da waren wir dann irgendwie so halb dabei.
Man durfte mal mitdiskutieren, was vielleicht sich eignen würde als Schwerpunktseminar-Thema, also als Überthema. Und war irgendwie auch von Anfang an eingebunden in seine wissenschaftlichen Überlegungen. Und das fand ich großartig.
Und so habe ich auch irgendwie gemerkt, wie viel Spaß das machen kann.
Henrik, wie war das bei dir?
Ja, ich glaube, ich kann das total unterschreiben. Das war eigentlich auch mit dem Ort. Ich würde nochmal ergänzen, dass bei mir, das waren glaube ich auch zwei verschiedene Punkte, die mich ganz besonders geprägt haben, einmal, dass irgendwie die Vermittlung von Wissen an jüngere Studierende oder Studierende wahnsinnig viel Spaß machen kann, wahnsinnig viel geben kann, wenn man das eigene Wissen oder die eigenen Kenntnisse teilt und gemeinsam darüber nachdenkt, zu einer Lösung zu kommen.
Das fand ich irgendwie toll. Das habe ich vor allem bei Barbara Dauner-Lieb dann erlebt, wenn ich da Vorlesungen vertreten habe oder AGs geleitet habe. Und gleichzeitig dann aber auch die andere Komponente, dass Jura irgendwie mehr ist als der Prüfungsstoff, dass man mit Recht noch viel mehr machen kann und dass das eine ganz, ganz große Welt ist, jenseits von dem, was das JPA von einem verlangt.
Und das war mir super faszinierend, weil das mir nochmal so vor Augen geführt hat, dass Recht eben nicht nur Recht ist, sondern Recht in ganz viele andere Bereiche hineinragt Und das Recht mit ganz vielen anderen Bereichen zusammenhängt und, gestaltend wirkt und das ist, ja, das fand ich irgendwie ganz besonders und damit wollte ich mich weiter befassen.
Hat euch das auch für eure eigene Examensvorbereitung geholfen, sowohl inhaltlich als auch motivatorisch?
Also als Motivation auf jeden Fall. Ich glaube, ich wäre sonst eingegangen in der Examensvorbereitung. Ich habe die maximal kurz gehalten, weil ich einfach keinen Nerv dazu hatte. Ich hatte wirklich absolut keine Lust, mir, Entschuldigung an euch beide, aber irgendwie Zivilrecht reinzuknallen, acht Stunden am Tag.
Das hat mich einfach auch nicht interessiert, von Anfang an nicht. Und gleichzeitig braucht man es halt. Und wenn man ganz ehrlich ist, wenn man sich dann reinfuchst, dann macht es auch manchmal Spaß irgendwie.
Außer vielleicht Immobiliarsachenrecht. Aber ich habe also auf jeden Fall hat es mir wahnsinnig viel Motivation gegeben, weil ich gesehen habe, was ich damit alles machen kann, außer dann irgendwie Mietrechtsanwältin zu werden. Und es hat mir auch einfach geholfen, argumentativ stärker zu werden, würde ich sagen.
Also, dass ich wusste oder dass ich gelernt habe, wie ich argumentieren kann. Und dann hatte ich einfach wahnsinniges Glück, muss ich sagen, weil ich eben an einem Lehrstuhl war für Völker- und Europarecht und öffentliches Recht und meine beiden öffentlich-rechtlichen Examensklausuren waren Völker- und Europarecht.
Also für mich war damals, ich glaube, die Dinge, die ich gerade gesagt habe, die gelten eher so für die Zeit nach meinem ersten Examen, also zwischen meinem ersten, während meiner Promotion, wenn man so will, bei Barbara Dauner-Lieb und meine Zeit als studentische Hilfskraft, da würde ich sagen, da hat mich vor allem für das Examen total geholfen, dass ich im Institut von Professor Berger Menschen hatte, mit denen ich eben diskutieren und sprechen konnte und Fragen stellen konnte natürlich auf der einen Seite, aber auch gemeinsam diskutieren konnte mit anderen ständischen Hilfskräften, aber auch mit wissenschaftlichen MitarbeiterInnen.
Und das war großartig und das hat mir ganz, ganz viel gegeben, gemeinsam Klausuren zu besprechen, kurze Fragen zu stellen, da zu sitzen und zu lernen. Ich war da auch jenseits meiner Arbeitszeit, habe ich dort gelernt.
Das war ganz toll.
Ja, das kann ich unterschreiben. Ich würde sagen, studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl zu sein, hat mir so viel mehr gebracht als irgendwie diesen Mindestlohn, der mir ausgezahlt wurde. Es war einfach ein richtig guter Ort, an dem ich mich auch selbst gebunden habe und wo Diskussion stattgefunden hat und wo ich einfach ganz anderen Zugang hatte zum Recht und auch zu Materialien und zu Leuten.
Das war großartig. Und in der Promotionszeit, da war ich dann bei Ulrich Haltern, bin ich mit ihm nach Freiburg gegangen. Da ist dann einfach nochmal eine Schippe draufgekommen. Also dann konnte man richtig auf Augenhöhe teilweise diskutieren.
Und Herr Haltern hat das auch immer offen gestaltet. Also ich weiß noch, wir haben mal ein Gutachten geschrieben fürs Bundesinnenministerium. Er hat ein Gutachten geschrieben fürs Bundesinnenministerium. Und da haben wir diskutiert und überlegt und Europarecht ausgelegt.
Und das war so richtig lebendig. Ich weiß noch, wie ich in der Zeit immer dachte, wie kann irgendjemand nur denken, Jura sei trocken?
Ich musste gerade an meine eigene Zeit in Bonn zurückdenken, wo ich studentische Hilfskraft bei Professor Wagner war und abgesehen von den Tätigkeiten dort, wo ich alles unterschreiben würde, was ihr gerade auch gesagt habt, hat es auch so einen ganz praktischen Aspekt manchmal gehabt, wenn man noch an der Uni arbeiten musste und nicht irgendwo anders zum Arbeiten hinfahren musste.
Dann habe ich zumindest, weil ich war notorisch faul, vor allem in den ersten Semestern, auch einfach mal die eine oder andere Vorlesung nicht verpasst, weil ich gerade noch in der Nähe war. Und dann war das nicht so eine hohe Gefahr, dann doch nach Hause zu gehen und zu sagen, ach, ich lese den Stoff nach oder ähnliches.
Also man kriegt auch einfach so einen, gerade wenn man in jüngeren Semestern relativ früh studentischer Mitarbeiter wird, kriegt man einfach auch noch mehr so einen Bezug zu dieser Institution, Universität. Deswegen kann ich das nur wärmstens empfehlen.
Also falls ihr das Glück habt, den Podcast jetzt so früh in eurer Ausbildung zu hören, dann macht das mal und wenn ihr Leute in Ausbildung kennt, dann empfehlt das vielleicht weiter, wenn ihr das genauso seht wie wir. Gut, jetzt wollen wir ein bisschen sprechen über das Thema Wissenschaft und vor allem natürlich juristische Wissenschaft.
Wir haben schon so ein bisschen dargelegt, was euch Freude macht. Gehen wir gleich nochmal näher drauf ein. Aber zunächst mal eine etwas provokante Frage. Ist Jura überhaupt eine Wissenschaft? Denn man könnte sich ja auf den Standpunkt stellen, naja gut, anders als zum Beispiel die Physiker machen wir ja relativ wenig Experimente.
Ja, also Jura ist natürlich eine Wissenschaft. Das muss man, glaube ich, mit Vehemenz auch sagen, damit es nicht immer hinterfragt wird. Es ist natürlich keine Naturwissenschaft. Wir haben keine Naturgesetze, wir haben keine Taschenrechner oder Mikroskope, mit denen wir was untersuchen, sondern wir haben die Sprache, wir haben die Gesellschaft und wir haben Erfahrungssätze.
Wir haben Dogmatik und Auslegungsregeln. Also wir haben schon sowas ein bisschen wie Naturgesetze. Vielleicht ist das unsere Dogmatik. Aber vor allem haben wir einen großen Wirkbereich.
Es gibt ja nichts, quasi nichts, was ohne Recht funktioniert. Und da kriegen wir immer wieder gespiegelt, was funktioniert und was nicht. Und ich glaube, wenn man an Wissenschaft denkt, sagen wir mal aus einem Schulkindverständnis hinaus, dann denkt man an Labor und weiße Kittel und irgendwas explodiert.
Und dann weiß man am Ende, klappt es oder nicht? Und man hat so Ja, Nein Antworten. Und das gibt es halt nicht bei Jura. Also oder ganz, ganz selten.
Und das finde ich macht es aber auch so wahnsinnig spannend, aber natürlich nicht weniger wissenschaftlich, weil wir ja auch mit Methode und Konzept an offene Fragen stellen und rangehen und die beantworten.
Genau, also das kann ich auch wieder nur unterschreiben und ich würde vielleicht noch ergänzen, dass, wenn man so sagt, wenn man eben sich die Menschen in weißen Kitteln und im Labor vorstellt, die irgendwas explodieren lassen und wissen, ob das zwei Stoffe miteinander können oder nicht können, dann ist das letztlich gar nicht so anders als das, was wir machen.
Wir denken über eine Fragestellung nach und kommen zu Lösungen. Und wir haben die Welt draußen, wo wir gucken, ob das, was wir uns ausgedacht haben, funktioniert. Und wenn es nicht funktioniert, denken wir weiter darüber nach.
Und so diese Suche nach der Wahrheit. Ein und zwei Stoffe. Funktionieren miteinander oder nicht? Peng, dann haben wir ein Ergebnis. Das ist ja auch nicht die Wahrheit an sich.
Jetzt können wir sehr lange natürlich auch über Wahrheit diskutieren, aber Wahrheit ist ja mehr als das und das gilt auch für das Recht.
Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass man als Rechtswissenschaftlerin bestimmte Dinge untersucht, erforscht, vielleicht bei der Gesetzgebung, sich über neue Gesetzgebungen Gedanken macht, wie etwas besonders gut geregelt werden kann und auch fair geregelt werden kann, vielleicht auch ökonomisch sinnvoll geregelt werden kann, man kann das ja nach ganz vielen Metriken auch ausrichten, ist das alles relativ abstrakt. Könnt ihr beide das mal so ein bisschen konkreter machen, was ihr sozusagen in letzter Zeit erforscht habt oder geschrieben habt oder worüber ihr einfach nachgedacht habt, damit man sich davon ein besseres Bild machen kann, was ihr so hands-on tut?
Also ich kann zum Beispiel von meiner Dissertation berichten. Das ist, glaube ich, relativ hands-on. Die spielt im Völkerrecht. Und zwar habe ich mich mit privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern beschäftigt, also den Personen, die man gemeinhin Söldner nennt.
Und vielen sind die im Begriff durch die Gruppe Wagner, die in der Ukraine und mittlerweile auch in Afrika eingesetzt werden durch Russland. Und ich habe schon gesagt, die nennt man gemeinhin Söldner, aber das sind gar keine Söldner, weil Söldner ist eine Kategorie aus dem humanitären Völkerrecht, die definiert wird erst ein Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen im Artikel 47 und ich habe mir angeguckt, wie diese privaten Militär- und Sicherheitsdienstleister agieren und wie die humanitär-völkerrechtlich einzuordnen sind.
Und das würde ich sagen, ist noch relativ klassisches Jura. Also ich gucke, ich habe ein Sachverhalt und ich gucke, passt der auf die Norm? Und der passt leider überhaupt gar nicht auf die Norm. Also die sind eben keine Söldner qua Definition.
Das liegt allerdings vor allem daran, dass die Söldner-Definition, wie sie eben in ersten Zusatzprotokollen und in vielen anderen Konventionen verwendet wird, richtig schlecht gemacht ist. Und dann habe ich mir angeguckt, was sind denn eigentlich die Kriterien, die dahinterstehen? Also ich habe geguckt, wenn man am Konflikt teilnimmt, ist man entweder kombatant oder nicht kombatant oder Zivilist.
Das sind so die große Unterscheidung. Was steckt eigentlich dahinter, warum ist jemand kombatant und warum ist jemand Söldner? Und das hat, glaube ich, das habe ich in meiner Dissertation herausgefunden, ganz viel mit Zugehörigkeit zu tun. Also ich habe hinter die Definition der Norm geguckt und gesagt, was will eigentlich damit ausgedrückt werden, was wird hier eigentlich vermittelt? Und ich glaube, das ist im Falle von Kombatanten und Söldnern und privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern eben Fremdheit und Zugehörigkeit, also wie nah und wie eng bin ich an den Staat gebunden, dass der für mich einsteht, aber meine Handlungen eben auch auf ihn zurückverfolgbar sind.
Und dann habe ich weitergeguckt, wie ist das eigentlich mit privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern, Wurde irgendwann mal ein Staat eigentlich dafür hops genommen, dass er die eingesetzt hat. Und das ist einfach noch nie passiert.
Weil zwischen Privatmilitär- und Sicherheitsdienstleistern und dem Staat, der sie einsetzt, eine wahnsinnig große Lücke geschaffen wird. Das kann man zum Beispiel Juridical Othering nennen. Das ist so ein Konzept, das kommt aus der Soziologie eigentlich, in Othering, dass ich sage, ich schaffe eine Distanz zwischen mir und einer eigentlich von mir benutzten oder assoziierten Person, um sie zu entfremden.
Und dadurch ist sie mir nicht mehr zurechenbar. Und das machen Staaten, wenn sie private Militär- und Sicherheitsdienstleister einsetzen, indem sie eben sie nicht ins Militär eingliedern, aber auch Verträge so gestalten, dass eben ihre Handlungen nicht zurechenbar sind. Und das habe ich mir ganz genau angeguckt.
Dann habe ich zum Beispiel geguckt, wie sieht das eigentlich aus in den Militärhandbüchern und sagen wir mal, übersetzt würde ich sagen, sind es so wie die Verwaltungsvorschriften des amerikanischen Militärs, aber auch deutschen militärbezogenen Gesetzen. Wie macht das die Europäische Union? Also wie wird, was sagen diese Militärhandbücher, was sagen die Verwaltungsvorschriften darüber, wie militärisches Personal eingesetzt werden kann und für wen eine Zurechenbarkeit besteht und wie wird das umgangen, wenn private Militär- und Sicherheitsdienstleister eingesetzt werden.
Und als Konsequenz ergibt sich daraus meiner Meinung nach. Dass Staaten sich selbst schaden, nicht nur wenn quasi die Militärdienstleister bei ihnen im Land agieren, wo die meistens von jeglicher Strafverfolgung und auch zivilgerichtlicher Verfolgung freigestellt sind, sondern auch wenn sie sie einsetzen, weil sie ihr staatliches Gewaltmonopol damit ohne Not ein Stück aufgeben.
Und zu diesem Ergebnis bin ich eben gekommen, indem ich mir ganz intensiv Normen angeguckt habe, Fälle, Gerichtsfälle, aber eben auch in verwandten Wissenschaften geschaut habe, wie die konzeptionell versuchen, was zu ergründen.
Cool. Und wenn man nicht so ein Ölrecht-Crack ist, dann macht man was?
Ja, wie Hörerinnen deines Podcasts wissen, mache ich ja Familien- und Erbrecht vor allem. Aber mein Thema ist auch Hands-on, ganz was anderes, aber auch ziemlich Hands-on. Ich schaue mir, habe mir in meiner Dissertation und schaue mir auch jetzt immer noch an, dass sich Familien- und Lebensmodelle, Entwürfe sehr geändert haben in den letzten Jahren, in den letzten 50, 30, je nachdem welchen Zeitabschnitt man sich anschaut.
Das hat ganz verschiedene Gründe. Einmal eine längere Lebensdauer, Fortschritte in der medizinisch-technischen Forschung, ein Wertewandel, was gleichgeschlechtliche Partnerschaften angeht, eine größere Offenheit mit den eigenen Schwächen umzugehen, vielleicht auch was jetzt Familiengründung angeht, also Reproduktionsmedizin. Gleichzeitig eine größere Offenheit.
Was ist eigentlich Geschlecht? Was ist eigentlich Familie? Was hat eigentlich die Ehe für eine Bedeutung? Solche Dinge. Und ich habe mir angeguckt und gucke mir auch noch an, was das Recht dafür für Instrumente bereithält. vor allem das Familienrecht und das Erbrecht und ob wir einen Rahmen für diese Veränderungen in den Familien- und Lebensentwürfen haben.
Das ist auch jetzt nicht mehr nur das verschiedengeschlechtliche Ehepaar mit den gemeinsamen Kindern, bis dass der Tod sie scheidet, gibt, sondern ganz viele Familien, die ganz anders sind. Und ja, komme immer wieder zu dem Schluss, dass das Recht häufig da keinen Rahmen für vorsieht und häufig Beziehung nicht absichert oder nicht richtig absichert, nicht rechtssicher absichert.
Und da bin ich dabei, entweder ob man das Recht verändern kann, aber ob man vielleicht auch Normen, die existieren, anders auslegen kann. Das ist mein Bereich.
Da sei ein kurzer Hinweis erlaubt auf unsere Familienrechtsfolgen bei irgendwas mit Examen. Wenn ihr gerade in der Examensvorbereitung seid, hört da mal rein. Im öffentlichen Recht fehlt uns das übrigens noch, aber das regeln wir vielleicht mal off the record, wie wir da weitermachen.
Schön. Dann lasst uns ein bisschen darüber sprechen, wie man eigentlich Wissenschaftlerin beziehungsweise Professorin in Jura wird. Da gibt es ja unterschiedliche Wege.
Klassischerweise ist der Weg über eine Habilitation.
Was ist das?
Eine Habilitation ist quasi eine zweite Qualifikationsarbeit. Man hat Promotion, das kennen viele. Dann ist man Doktor, Doktorin Jür. Und dann braucht man eben, um Professor, Professorin zu werden, braucht man eine Habilitation.
Und das ist der Weg. Man schreibt eine Qualifikationsarbeit, schreibt noch weitere Arbeiten, beweist, dass man wissenschaftlich arbeiten kann und braucht dann ein Ruhespräch. Beruf an eine Universität, an eine Hochschule, um, genau.
Professor oder Professorin zu werden.
Die ist ziemlich kompliziert und lang, so eine Habil, oder?
Hoffentlich nicht. Häufig ja, aber nicht immer. Also es gibt auch.
Aber gib mal jemandem, der vielleicht hier gerade im fünften Semester ist, so einen ungefähren Abriss darüber, wie lange man dafür Zeit hat, wie aufwendig das ist. Ist es 100 Seiten oder 1000 Seiten lang und so weiter?
Ich würde sagen, nach dem wissenschaftlichen Zeitvertragsgesetz hat man nach der Promotion nochmal sechs Jahre Zeit. Das heißt, man kann sechs Jahre lang habilitieren auf einer Stelle im deutschen Wissenschaftssystem. Und danach kann eine Uni nicht mehr befristet anstellen.
Das wissenschaftliche Zeitvertragsgesetz wird auch gerade nochmal neu verhandelt. Das ist eine relative Katastrophe für viele, die in der Wissenschaft arbeiten. Aber sagen wir mal, der Zeitrahmen ist ungefähr sechs Jahre und der Umfang ist meistens größer als eine Dissertation.
Aber nicht immer.
Nicht immer, genau. Genau, also es heißt ja irgendwie so schön, ich hatte keine Zeit, einen kurzen Brief zu schreiben, deswegen habe ich einen lang geschrieben und ich glaube, so ist es ein bisschen auch mit Habilitation und Dissertation. Aber der Umfang ist schon eher Richtung 400 Seiten oder 500 Seiten oder auch mal 350 Seiten, wenn sie sehr, sehr gut sind.
Aber es ist schon nochmal ein richtig langes Buch.
Okay, das muss man glaube ich einmal einfach wissen. Man schreibt auch schon noch so ein ordentliches Buch und bei bis zu sechs Jahren Pi mal Daumen Zeit ist es auch nichts, was man jetzt sozusagen mal gerade so macht und dann geht es weiter mit dem Leben, sondern da muss man sich schon richtig zu committen.
Genau.
Ganz genau.
Es gibt in manchen anderen Fächern die Möglichkeit der kumulativen Habilitation. Das ist jetzt in Jura noch nicht so richtig angekommen. Das würde bedeuten, dass man statt einer großen Monografie, also einem zusammenhängenden Buch, mehrere Aufsätze schreibt, die dann aber in ganz besonders guten Journals erscheinen müssen.
Und dann schreibt man noch einen Übersichtsaufsatz, um die so zusammenzufassen und in eine Klammer zu ziehen. Aber das ist in Jura fast. Also ich kenne da eigentlich niemanden, der das gemacht hat.
Ja, dazu muss man sagen, wenn man zum Beispiel in Naturwissenschaften was veröffentlicht, wenn man jetzt so nicht da drin steckt, dann ist es ja auch ein Peer Review, ein viel häufiger genutztes Verfahren, um zu schauen, wie gut ist die Qualität, hat das alles Hand und Fuß, was da gerade geschrieben wurde und das machen wir ja relativ wenig
als Juristinnen und Juristen.
Es kommt aber langsam, also so ein bisschen schwappt das jetzt über in unsere ja doch in der Tendenz relativ konservative Disziplin, gibt es das jetzt immer mehr auch.
Katharina, und wie läuft das bei dir?
Ich bin Habilitantin, ganz klassisch. Also ich bin nach der Promotion im Referendariat und noch ein paar anderen Zwischenstationen, habe ich hier meine Postdoc-Stelle gefunden am Max-Planck-Institut. Und Max-Planck-Institute sind eben keine Universitäten, sondern außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die so organisiert sind, dass die Direktorinnen und Direktoren haben.
Und die Direktorinnen und Direktoren sind an ihrer alten Universität, also von der sie herkommen, noch Honorarprofessorinnen und Professoren und können so Promotionen und Habilitationen abwickeln, weil das kann man ja eigentlich nur an der Universität. Und ich bin hier bei Ralf Poscher, der ist Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht und leitet die Sparte Öffentliches Recht und habilitiert mich damit an der Universität Freiburg.
Und an Max-Planck-Institut ist eben im Gegensatz zur Uni anders aufgebaut. Also es gibt keine Studierenden hier. Das heißt, ich muss nicht unterrichten. Ich kann unterrichten, also ich kann mich an Unis einfach bewerben und dann da Kurse geben, vornehmlich natürlich an der Uni Freiburg.
Und es ist einfach ein reines Forschungszentrum eigentlich. Also wir forschen hier in drei Sparten, in drei Abteilungen zu unterschiedlichen Themen, in unterschiedlichen Teams und haben dadurch ziemlich große Freiheit auch in dem, was wir tun. Und es gibt in Deutschland mehrere Max-Planck-Institute, es gibt ganz viele Max-Planck-Institute.
Die meisten kennen die aus den Naturwissenschaften. Aber es gibt eben auch eine große Gruppe Jura-Max-Planck-Institute, die dann auch nochmal alle miteinander verknüpft sind. Das heißt, wir sind quasi nicht eine kleine Insel hier ganz im Süden, sondern es gibt ganz viele Max-Planck-Institute, die Recht machen und die auch miteinander vernetzt sind.
Jetzt ist die Rechtswissenschaft eine relativ männlich immer noch geprägte Domäne. Wie kommt das aus eurer Sicht?
Ja, das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe keine Antwort darauf. Ich glaube, es ändert sich. Aber wenn man im Moment noch an die Fakultäten schaut, sind das doch hauptsächlich männliche Professoren, die dort dozieren. Kommt natürlich auch auf die Hochschule an, aber in der Tendenz sind das vielfach Männer.
Also ich glaube, wenn man sich anguckt, wie die Verteilung ist, vom Abi bis zur Professur quasi, machen ja mehr Mädchen Abi, auch die besseren Abis. Ich glaube, bei den Jura-Einschreibungen hält es sich ungefähr die Waage Männer und Frauen.
Und dann ist man im Studium. Und ich habe in meinem kompletten Studium keine Vorlesung bei einer Frau gehabt. Also es gab zwei Professorinnen, aber die habe ich halt irgendwie nicht erwischt. Aber auch zwei von, weiß ich nicht, 16 oder so.
Also ich hatte keine einzige Frau als Professorin gehört. Ich hatte AG-Leiterinnen, die großartig waren und die auch gepriegt haben, aber ich hatte keine Professorin.
Also es fehlen ein bisschen Vorbilder, sagst du?
Es fehlen Vorbilder, würde ich sagen. Ich glaube, da wird ganz viel getan. Da gibt es jetzt auch viele Initiativen. Aber einfach im Alltag, ohne dass ich mich darum bemühen muss, ein Vorbild zu suchen, ist es schwer, einfach welche mitzukriegen.
Und auch einfach, welche normal zu erleben, ohne dass die jetzt eine große Vorbildfunktion haben, sondern einfach, dass es alltäglich ist. Und wenn man sich die Abschlüsse anguckt, machen Frauen, glaube ich, auch tendenziell ein bisschen bessere Abschlüsse, sagen die Statistiken.
Und dann guckt man sich die Promotion an oder hält es sich auch noch die Waage. Und dann kommt man auf die Ebene der Habilitationen und dann brechen die Frauen weg. Also diese klassischen Gründe, die man oft anführt, das ist dann eine Zeit, wo vielleicht Familiengründung ansteht, wo man auch ausfällt, wenn man Kinder kriegt.
Ich habe auch zwei Kinder. Also ich habe mich da auch irgendwie durchwurschteln müssen. Und das ist auch eine Zahl, also mit diesem wissenschaftlichen Zeitvertragsgesetz, was wir ja schon angesprochen haben, hat man einfach immer nur befristete Verträge, man hat überhaupt keine Sicherheit.
Also wenn man Jura studiert und einen guten Abschluss macht, sodass man promovieren kann und wenn man dann eine gute Promotion macht auf diesen guten Abschluss oder zwei gute Abschlüsse und vielleicht noch einen Master oder so, dass man habilitieren kann, wenn man so gut ist, dann kriegt man Fingerschnipsen in der Wirtschaft oder in der Justiz, hervorragende Jobs. Und sich dann bewusst dafür zu entscheiden, mit dieser Unsicherheit weiterzumachen, ist, glaube ich, schwer.
Und da braucht man Leute, die einen Rücken stärken und die sagen, hey, ich glaube, du hast das Zeug dazu und komm, ich zeige dir mal ein paar Türen. Ich mache sie dir vielleicht nicht auf, aber du kannst selber durchgehen oder ich halte dir die Türen auf.
Also ich glaube, das ist eine Phase, wo man einfach jemanden braucht, der hinter einem steht und der einem das ganz deutlich macht, dass das ein guter Weg sein kann auch. Dass man nicht eben diesen eher leichten Opt-out zu einem sicheren und einen deutlich besser bezahlten Beruf in der freien Wirtschaft nimmt.
Ja, hinzu kommt eben, dass man, selbst wenn man es dann irgendwie schafft, das große dicke Buch, über das wir gerade schon geschrieben haben, gesprochen haben, zu schreiben, dass es dann eben auch nicht klar ist, ob man einen Job bekommt. Dass man dann sich an den Universitäten ganz normal bewirbt und wenn dann eben keine Stelle frei ist, dann kann das sein, dass man sechs Jahre ein Buch geschrieben hat und dann nach diesen sechs Jahren sagen muss, jetzt gehe ich doch in die Justiz, jetzt gehe ich in die Kanzlei, wie lange möchte ich das eigentlich machen? Das durch die Bundesrepublik fahren und mich bewerben und genau und da, dass man da dafür dann den Mut hat und genau wie Katharina schon gesagt hat, Menschen, die sagen, doch mach das mal, ich trau dir das zu, das wird gut, du bist gut, das ist ganz, ganz wichtig und das ist natürlich vielleicht für Frauen nochmal eins schwerer, weil man eben, weil das oft in diese Phase fällt, Ich muss Familiengründung, ich muss mich setteln.
Ich weiß aber nicht genau, wo ich dann am Ende eigentlich lande, in welcher Stadt, an welcher Hochschule. Deswegen ist meine Vermutung, dass eben auch tendenziell Frauen davon absehen, diesen Weg einzuschlagen. Und das ist meine Stelle natürlich eine goldwerte Stelle, weil ich quasi diese Juniorprofessor mit TenureTrack, die es in Jura relativ wenig gibt, noch leider.
Einem quasi so einen Vertrauensvorschuss gibt und sagt, okay, ich glaube, du bist gut, du kriegst hier einen befristeten Vertrag für sechs Jahre, du musst bestimmte Vorgaben erfüllen, unter anderem eben die Habilitation, aber noch so ein bisschen mehr und musst auch ein bisschen Lehre machen. Und wenn du das alles erfüllst, dann darfst du hier bleiben, an diesem Ort, in dieser Hochschule.
Kannst ihn auch wegbewerben, aber du hast erstmal safe, du hast die Stelle hier, wenn das klappt. Und das ist etwas ganz Schönes und da bin ich sehr dankbar für und ich freue mich darüber und das müsste es eigentlich meiner Ansicht nach noch ein bisschen mehr geben.
Ja, das finde ich auch. Also es ist großartig, dass Henrike so eine Stelle hat, die sie vollkommen verdient hat, weil sie einfach so gut ist. Und dann hat sie die Sicherheit zu planen.
Und das ist großartig. Und ich will vielleicht noch einmal sagen, dass ich nicht, ich will nicht sagen, dass nur Frauen das Problem haben, dass sie nicht wissen, wo sie sich zetteln sollen oder vielleicht Kinder kriegen wollen. Nur die Gesellschaft macht das einfach meistens zu Frauenproblemen.
So ist das, genau.
Und deswegen ist es für Frauen dann vielleicht auch schwieriger, da wieder auszubrechen.
Naja, jetzt ist es dünnes Eis, ist aber die Biologie ja gewissermaßen auch.
Da sprichst du jetzt mit der Familienrechtlerin, zum Glück gibt es da inzwischen auch, ist immer mehr akzeptiert, dass man da auch nochmal, Auch nochmal eingreifen kann, wenn man möchte. Aber klar, es sind natürlich einfach andere Vorzeichen, weil die Gesellschaft eben mit einem bestimmten Blick auf Frauen guckt, immer noch und immer wieder.
Ja, das ist also sozusagen auch gerade im privaten Umfeld schon die Frage, wenn man dann ein Kind bekommen hat, ab wann man ein Kind in die Kita geben kann, ist nicht notwendigerweise nur davon abhängig, wann das sozusagen für das Kind passt und auch für die Einrichtung, sondern auch wann das für die Gesellschaft passt. Und wenn man dann nicht Rabeneltern ist und Rabenmutter, wenn man sein Kind zu früh weg gibt und so.
Aber da kommen wir ein bisschen zu weit vom Thema weg. Aber ich glaube, das ist ein ganz gutes Beispiel dafür, was wir hier gerade so versuchen zu umschreiben. Und da sind schon viele, sowohl in wissenschaftlichen Karrieren, erst recht dann natürlich nochmal mit dieser Befristungsproblematik, als auch in sonstigen Karrieren einfach zwischen, ich sag mal, Ende 20 und Ende 30 stehen wir hier vor Problemen, die man irgendwie bewältigen muss oder wo man vielleicht auch darauf hinarbeiten kann, dass diese Probleme irgendwann keine Probleme mehr sind.
Und ich möchte noch mal speziell für diesen wissenschaftlichen Kontext, ich sehe das genauso wie du, speziell für diesen wissenschaftlichen Kontext, glaube ich, kommt noch hinzu, dass viele Frauen auch so ein bisschen vor dem Dilemma stehen, irgendwie, also in der Tendenz. Ich möchte jetzt auch nicht so sehr stereotypisieren und in die Klischee-Kiste greifen, aber wenn man sich Podiumsdiskussionen, Vorträge, sonstigen wissenschaftlichen Austausch anguckt, sind die Beiträge der männlichen Teilnehmenden häufig lauter, schärfer formuliert und auch zahlreicher als die ihrer weiblichen Kolleginnen.
Und viele Frauen stehen eben dann so ein bisschen vor dem Dilemma, irgendwie auch stark ihre Meinung zu vertreten, aber auf der anderen Seite irgendwie sich selbst treu zu bleiben und sich nicht so zu verhalten, um einem Klischee nicht entgegenzuwirken. Und ich glaube, da ist der Kosmos einfach noch nicht, der Kosmos Wissenschaft auch noch nicht weit genug, da dieses Dilemma aufzulösen.
Das muss jede Frau für sich machen, vermute ich.
Ja, das sehe ich auch so. Ich glaube, man wird auch einfach als Frau, wenn man sich dezidiert äußert, wenn man sich stark äußert, wenn man sich vielleicht auch scharf äußert, dann ist man irgendwie schneller die Zicke und andere sind halt durchsetzungsstark. Männer sind eher durchsetzungsstark und Frauen sind dann eher nervig.
Aber ich wollte, also das hatte ich jetzt einen negativen Touch und ich wollte nochmal eigentlich sagen, dass es aber auch die Wissenschaft total toll sein kann, um zum Beispiel Kinder zu kriegen und eine Familie zu gründen. Ich habe mein erstes Kind während der Promotion gekriegt, da hatte ich ein Promotionsstipendium und also wenn man ein Stipendium zur Promotion hat, dann darf man daneben 25 Prozent arbeiten an der Universität und das habe ich gemacht, also ich hatte meine Stelle dann auf 25 Prozent reduziert, hatte ein Stipendium und habe meine Tochter bekommen und das war ganz wunderbar, Weil ich total flexibel wieder einsteigen konnte.
Das Stipendium verlängert sich automatisch um ein Jahr, wenn man ein Kind kriegt während der Stipendiumszeit. Und zwar bei allen Begabtenförderungswerken, nicht nur bei einigen, sondern wirklich bei allen. Und ja, ich konnte einfach flexibel wieder anfangen zu arbeiten.
Und auch jetzt habe ich zwei Kinder und natürlich ist es ein herausfordernder Job und es gibt viel zu tun. Aber ob ich jetzt nachdenke und schreibe abends um neun nochmal ein Stündchen und dafür vielleicht schon um vier gehe und die Kinder abhole, das ist ganz oft mir überlassen, wenn ich keine Termine habe.
Und das ist dann einfach auch großartig. Also ich weiß nicht, ich glaube jeder, der mal gelernt hat oder ein Buch geschrieben hat oder einen Aufsatz oder sich länger mit was beschäftigt hat, weiß ja auch, dass das nicht linear funktioniert. Also ich kann ja nicht sagen, jetzt schlage ich meine Sekundärliteratur auf und lese eine halbe Stunde und dann schreibe ich 20 Minuten.
So funktioniert das ja nicht, sondern es ist ja immer ein Prozess von aufnehmen, verarbeiten, Output, aufnehmen, verarbeiten, Output, alles hinterfragen, Gliederung umschmeißen, wieder was Neues lesen. Und in diesem Prozess, den kann man eben, der ist ja an sich schon flexibel, also zumindest ist er das bei mir, muss ich sagen, ich habe da noch nicht die absolute Struktur gefunden und da passt sich das dann eigentlich auch wieder ganz gut ein, wenn man eben auch, ja, wenn man sich auch zutraut zu sagen, hey, ich bin selbstorganisiert, ich kann dann eben auch abends mich nochmal hinsetzen, ich kriege das hin vielleicht dann auch mal.
Ich will jetzt nicht sagen, unbedingt am Wochenende zu arbeiten, das versuche ich zu vermeiden, aber wenn ich merke, ich kriege was unter der Woche nicht so hin, weil ich eben andere Verpflichtungen noch habe, dann kann ich das auch gut nachholen. Und das funktioniert natürlich nicht, wenn ich irgendwie ein Urteil abgeben muss.
Oder mir der Partner in der Großkanzlei sagt, ich brauche aber das Memo bis heute um 21 Uhr.
Und es ist 20 Uhr 13.
Genau.
Schön. Ich habe noch eine Abschlussfrage an euch. Und zwar, ich vermute, ich kenne die Antwort. Jetzt haben wir gerade über Netzwerke und Vorbilder und so weiter gesprochen. Und wir tragen hier ja auch immer gerne dazu bei, dass ihr möglichst viele Vorbilder, sei es in der Wissenschaft, sei es in der Anwaltschaft, bei der Justiz findet und auch seht, wie divers die Menschen auch sind.
Auch wenn wir alle irgendwas mit Recht gemacht haben und machen. Darf man sich bei euch melden? Dürfen wir euch in den Shownotes verlinken, dass man dann Kontakt aufnehmen kann zu euch?
Auf jeden Fall. Das hätte ich dich auch noch drum gebeten, wenn du das nicht gefragt hättest. Ja, sehr, sehr gern. Sehr, sehr gern.
Ja, natürlich. Also ich glaube, es lebt von Austausch. Jeder berufliche Weg und der hier nochmal ganz besonders. Und nicht, dass ich Antworten auf alle Fragen oder viele Fragen habe, aber ich bin immer gerne für Austausch bereit.
Und ich glaube, daran wächst man. Und ja, Bildbanden ist, glaube ich, ein ganz, ganz gutes Stichwort. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern überall.
Und manchmal braucht man eben auch einfach in Anführungsstrichen nur zwei, drei Sätze, um den Rücken gestärkt zu bekommen. Und einmal ein offenes Ohr, ein offenes Herz und eine offene Tür vielleicht. Und ja, dafür bin ich auch sehr gerne da.
Vielen Dank für eure Zeit heute. Ciao.
Tschüss.
Tschüss.