Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln
Juristische Karriere - Jurastudium - Referendariat - Großkanzlei - New York - Anwaltschaft - Frauen in der Juristerei - Rechtsabteilung - Vereinbarkeit Beruf Familie - Hochschullehrer - BGB - Schuldrechtsreform - Verbraucherschutz - Künstliche Intelligenz (KI) - Juristenausbildung
Happy Birthday! In dieser Folge begrüßt Marc die Kölner Zivilrechtsprofessorin und akademische Mutter von Irgendwas mit Recht, Barbara Dauner-Lieb, die anlässlich ihres 70. Geburtstags auf ihre Karriere sowie ein halbes Jahrhundert im juristischen Kosmos zurückblickt. Dabei beleuchten sie Stationen vom Studienbeginn 1973 über eine prägende Referendariatszeit in einer New Yorker Großkanzlei bis hin zu ihrer Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung der Zanders Feinpapiere AG und ihrer späteren Laufbahn an der Universität zu Köln. Sie spricht offen über frühe Hürden für Frauen in der Juristerei, über die Macht der billable hour, über den Wert von Promotion und Habilitation sowie über Lehr‑ und Prüfungsformate, die sie bis heute prägen. Welche Rolle spielen Festschriften im akademischen Brauch? Welche Auswirkungen sollte künstliche Intelligenz auf die zukünftige Juristenausbildung haben? Warum benötigen wir (endlich) open book-Klausuren? Wie verschafft man sich damals wie heute Ansehen zum Berufseinstieg? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet Ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
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Prof. Dr. Matthias Kilian , Professor
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Aus meiner Perspektive hat sich in den letzten 3 Jahren in der Juristerei mehr geändert als in den 50 Jahren zuvor.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Mein Name ist noch immer Marc Ohrendorf und heute habt ihr eine ganz besondere Episode im Ohr. Heute ist der 22.
April 25 und das hier ist voraussichtlich Episode 295. Die 300 hat aus logistischen Gründen gerade nicht so hingehauen, aber es hätte eigentlich die 300 werden müssen. Denn es ist eigentlich das Interview, was wir heute führen hier, was vielleicht auch hätte Episode 1 von Irgendwas mit Recht sein können.
Wir sprechen nämlich mit Barbara Dauner-Lieb. Hallo Barbara.
Hallo Marc.
Und wir haben festgestellt, dass wir nie das Format miteinander geführt haben, indem wir uns über deine Karriere und dich als Persönlichkeit und deinen Werdegang unterhalten, sondern ja viel hier über irgendwas mit Examen, juristische Fachinhalte besprochen haben. Und das wollen wir heute ändern und zwar anlässlich deines 70.
Geburtstags, der nächste Woche bevorsteht, mit einer kleinen Festschrift und allem, was dazugehört. Und wir haben in diesem Zusammenhang festgestellt, beziehungsweise du hast mir zugerufen, naja, ich blicke eigentlich auf über 50 Jahre irgendwie so im juristischen Kosmos, um es mal möglichst weit zu formulieren, zurück. Wo begann deine Reise?
1973, das war mein erstes Wintersemester in Köln und eigentlich wollte ich nicht Jura studieren, sondern ich hatte etwas vage Pläne, Arabistik und Geschichte und dann haben wir das mit den Eltern sehr ausführlich besprochen und mein Vater hatte einen klaren Standpunkt, der heute vielleicht nicht mehr so richtig wäre. Du kannst als Frau mit Arabistik und Geschichte bestenfalls lehrend tätig werden, aber richtig was Interessantes kommt da nicht bei raus.
Also studier mal Jura, obwohl er selber Juristen nicht besonders gerne mochte.
Wie bist du denn auf Arabistik und Geschichte gekommen?
Ich habe mich immer... Für Geschichte begeistert, seit ich überhaupt lesen kann, seit ich nachdenke, habe Geschichtsbücher verschlungen, geschichtliche Biografien verschlungen. Mein allererstes Buch, was ich bestimmt zehnmal gelesen habe, war im zweiten oder dritten Schuljahr, Gustav Schwab, die Sagen des klassischen Altertums, Odysseus, die Ilias und mir war klar, dass das natürlich nur Legende und Überlieferung ist, Aber Geschichte war für mich so wichtig und Arabistik hatte eine andere Quelle.
Ich bin in meinem ersten Studienjahr ganz überwiegend in einem Dorf im Süden von Tunesien gewesen und habe im Sommer auch einen Dreimonatskurs in Arabisch gemacht, in Tunis, in der Bourgibar School of Arabistik. Und dadurch hatte ich das Gefühl, das Richtige wäre eben orientale Wissenschaften und Geschichte.
Aber dann bin ich halt doch ins juristische Studium eingestiegen.
War das ein Schock?
Ja, total. Ich habe dann mit einem Professor, das war der alte Herr Klingmüller, eine sehr interessante, ein bisschen schräge Gestalt gesprochen und gesagt, ob ich nicht weiter nebenher auch noch Arabisch lernen könnte. Er konnte Arabisch und dann sagte er mir, nein, das geht gar nicht, dafür werden Sie gar keine Zeit haben, Fräulein Dauner, das juristische Studium ist so anspruchsvoll, irgendetwas Sinnvolles kann man nicht nebenher erledigen und das habe ich damals geglaubt.
Ich würde das heute völlig anders sehen, aber ich habe mich dann also Hals über Kopf und vollständig in das juristische Studium gelegt. Geworfen. Ich habe relativ lange studiert bis 1979.
Das war damals absolut nicht irgendwie überlang, sondern völlig normal. Und dann habe ich promoviert und dann bin ich in den Referendardienst gegangen und habe 1984 meinen Assessor gemacht.
Alles in Köln?
Alles in Köln, aus vielen Gründen. Ich bin zwischendurch aber im Ausland gewesen. Ich war dann nochmal in Tunesien. Ich war in New York, immer sehr verlängerte Ferienaufenthalte.
Ich war, das war eigentlich das Schönste, ich war in Jerusalem. Ich bin also gereist, ich habe auch andere Dinge gesehen. Ich habe in der Referendarzeit ein halbes Jahr in New York verbracht wiederum und habe dort in der Kanzlei Walter Constance arbeiten dürfen.
Das war für mich auch eine sehr wichtige Erfahrung, aber im Übrigen war ich in Köln, allerdings habe ich promoviert in Tübingen. Ich habe mich in meinen Doktorvater verliebt und er in mich und dann musste das natürlich selbstverständlich anders abgewickelt werden und dann wurde ich nach Tübingen verschickt zu Professor Wolfgang Zöllner, bei dem ich dann promoviert habe.
Das heißt, du warst Anfang der 80er in einer Kanzlei in New York. Ja. Erzähl mal kurz, was du von da noch erinnerst. Wie war denn das? Da war die Welt ja eine andere, da war ja jetzt nichts mit Ja.
Aber die Welt war vor allen Dingen auch völlig anders als in Deutschland. Also das Erste, was ich erinnere, was mich wirklich sehr geprägt hat, war, es gab dort, das nannten wir Word Processing, Textverarbeitung. Ich sag mal, es gab so etwas wie eine elektronische Schreibmaschine.
Während wir in Deutschland unsere Examensarbeiten noch schrieben mit Durchschlag und Korrektur und Tipp-Ex und allem, konnte man das in Amerika schon besser. Was übrigens zur Folge hat, dass sofort sehr viel mehr geschrieben wurde. Weil das alles nicht mehr so mühsam war zu korrigieren, hatte man nicht mehr das Bedürfnis, sich so kurz wie möglich zu halten.
Das war der erste Schock.
Böse Zungen sagen, dass wir gerade mit KI vor einem ähnlichen Phänomen stehen und die Schriftzeiten noch länger werden.
Ja, deswegen erinnert mich diese Zeit auch so daran, weil ich wirklich in New York ein Stückchen Zukunft gesehen habe. Das zweite, was ich gesehen habe, ist, dass ohne Englisch der Jurist der Zukunft gar nichts mehr machen wird. Und im Übrigen wurde sehr viel offener gesprochen über die Frage, was ein Jurist als Anwalt eigentlich tut, nämlich Geld verdienen.
Über die Frage, wie man Mandanten betreut, über die Frage, wie man Mandanten glücklich hält. Und das hat mein Weltbild erheblich verändert. Als junge deutsche Referendarin wurde ich keineswegs nur für juristische Dinge abgestellt, sondern auch zur Betreuung von Mandantenkindern, die nach New York geschickt wurden und die ich dann irgendwie bespaßen musste, was gar nicht so ganz einfach war.
Aber ich glaube, ich bin auch der Aufgabe ganz gut gerecht geworden. Aber das war völlig anders. Und wie starr das noch in Deutschland war, zeigt sich daran, dass die Ausbildungsabteilung des Oberlandesgerichtes mir ganz ernst sagte, ja, aber sagen Sie mal, Frau Dauner, Sie versäumen dann die Zwangsvollstreckungsarbeitsgemeinschaft.
Können Sie sich das leisten? Ist das so viel wert, im Ausland, in New York als Anwältin Einblicke zu bekommen? Also das ist schon wichtig, die Zwangsvollstreckungs-AG. Und ich habe dann nicht gesagt, etwas arrogant, das ziehe ich mir aus einem Skript in zwei Wochenenden rein.
Also das hat sich total geändert. Übrigens auch noch sehr witzig. In meinem Zeugnis stand eine Formulierung, Frau Dr. Dauner ist die erste deutsche Frau, die hier gearbeitet hat, wie eine Amerikanerin.
Und das wiederum verstand auch die Ausbildungsabteilung des Oberlandesgerichts überhaupt nicht und fragte, was meinen sie denn damit? Dann habe ich gesagt, das was da steht. Ich habe da gearbeitet und nicht meine Referendarsstage dazu benutzt, New York zu genießen, was auch vielleicht legitim gewesen wäre.
Weißt du noch, wo das war? Wahrscheinlich irgendwo in Manhattan?
Das war in Manhattan und ich hatte, weil ein Partner gerade irgendwie im Sabbatical war, hatte ich ein Büro, was auf die Twin Towers guckte. Ich konnte die ganze Fifth Avenue runterschauen und am Schluss waren dann, am Ende konnte ich die Twin Towers sehen und ich konnte den ganzen Tag dieses wunderbare, das war irgendwo ganz weit oben, ich glaube 70.
Stock oder was, dieses ganze Gewimmel da unten sehen. Also das alleine war schon eine großartige Erfahrung, aber insgesamt lernte man halt auch viel, zum Beispiel, dass man in der Großkanzlei jeden Abend bis 11 Uhr da war. Man kam um 9 und ging um 11 und wir waren auch ganz froh.
Warum? Weil man ab 9 Uhr durfte man sich die Pizza auf Mandantenkosten bestellen. Ich habe auch noch was Wichtiges kennengelernt, die sogenannte Billable Hours. Das gab es in Deutschland überhaupt noch nicht.
Ach echt, damals gab es in Deutschland keine Belohnung?
Nein, nein, nein, das war noch nicht so. In Amerika mussten wir wirklich in 10-Minuten-Schritten schon dokumentieren, selbst als Referendare, was wir da eigentlich machten. Das ist dann rübergeschwappt und hat sich erheblich geändert.
Da muss man, glaube ich, mal gerade ein bisschen springen. Wir reden jetzt gerade hier von Anfang der 80er. In Deutschland gab es, soweit ich das weiß, aber korrigiere mich, wenn ich da daneben liege, so Mitte, Ende der 90er diese Welle, dass die größeren deutschen Kanzleien fusioniert sind mit US- oder UK-Kanzleien.
Ein bisschen eher in der Ecke jedenfalls, aber das kam viel später. Es war alles auch noch insoweit anders als die Mandanten, die aus Deutschland kamen, um Business in den USA zu machen, überhaupt noch nicht viel gereist waren und auch kein Englisch konnten. Also meine Aufgabe als Referendarin bestand darin, vorwiegend, da habe ich aber irre viel bei gelernt, amerikanische Dokumente ins Deutsche zu übersetzen.
Und die Mandanten kamen immer und sagten, wir können Englisch, die waren sehr selbstbewusst. Und wenn sie dann in diese unendlichen juristischen Formulierungen von juristischen Dokumenten auf Englisch guckten, sagten die Gott ins Willen, ich will doch eine deutsche Übersetzung. Und dabei habe ich ungeheuer viel gelernt, sowohl über ein anderes Rechtssystem als auch über die Sprache.
Ich glaube, dass ich nochmal wesentliche Schritte an juristischer Qualifikation allein durchs Übersetzen gewonnen habe, wobei das ganz schön hart ist. Wie gesagt, ich habe morgens um neun Uhr angefangen mit Übersetzen und abends um elf Uhr aufgehört und wir hatten so einen Schnitt, wie viele Seiten man eigentlich am Tag schaffen wollte und da musste man auch mal ein bisschen unscharf sein, aber insgesamt eine sagenhaft gute Übung.
Dann kamst du zurück, hast so ein bisschen wahrscheinlich das Gefühl gehabt, okay, da ist die Zukunft, ich konnte es schon so ein bisschen raushören, aber dein aller dringendster Wunsch war dann nicht, Juristin in der Kanzlei zu werden, oder?
Nein. Das war eine meiner Erkenntnisse, die ich heute auch wieder anders sehen würde. Meine Erkenntnis war, die Kanzlei ist ein Ort des Unternehmens und das Wichtigste ist das Akquirieren von Mandanten. Das hat mir mein damaliger ausbildender Anwalt sehr brutal gesagt, der hat gesagt, pass mal auf Kindchen, alte Worte Konsen, es gibt Rainmaker und Arbeitsameisen und du kommst hier auf Leistung, aber nicht als Rainmakerin oder als ein Kind von Rainmakers.
Arbeitsameisen müssen 60 Stunden die Woche arbeiten und Partner werden nur die, die im Laufe ihres Lebens es schaffen, auch Mandanten zu akquirieren. Das habe ich mir damals nicht zugetraut. Das würde ich heute wieder ein bisschen anders sehen, aber man lernt in seinem Leben, also ich habe gedacht, das Leben in einer Großkanzlei ist wahrscheinlich nicht das Richtige für mich und es kommt noch etwas hinzu, was vielleicht noch wichtiger war.
Ja, in Amerika ging es damals los, dass Frauen die gleichen Chancen haben, auch in der Kanzlei, weil man eben sagte, wenn sie Mandanten bringen, dann sind sie völlig gleichwertig. Aber in Deutschland war das noch nicht so ausgeprägt.
Es gab noch nicht sehr viele Juristinnen. Ich war die erste weibliche Referendarin am Oberlandesgericht Köln, die da in der Wahlstage ausgebildet wurde, 1983 oder 1984. Und man konnte Richterin werden.
Moment, also es gab jetzt nicht nur in der Anwaltschaft wenig Frauen, sondern es gab keine Frauen, die Jura studiert haben?
Doch, es gab Frauen, die Jura studiert werden, aber unglaublich wenige.
Okay.
Also wie ich begann, 1973 waren wir überschaubar. Das kann man sich, das ist so lange nicht her.
Wollte ich gerade sagen.
Ja, aber es gab einen Professor, der auch sagte, ach wie schön, dass einige Damen uns hier auch ästhetische Lichtpunkte in der Vorlesung geben. Das war noch nicht selbstverständlich, es war nicht gleichberechtigt und der Anspruch, den ich an mich selber hatte, ich will selber Erfolg haben, wurde überrascht.
Begrenzt ernst genommen. Also man sagte immer, eine Dame studiert Jura, damit sie einen guten Juristen als Mann gewinnt. Das war so der Spruch. Wenn sie dann nicht gleich einen Doktor hat, muss sie vielleicht doch einen heiraten.
Aber das war nicht so einfach. Und in der Referendarzeit waren wir in zwei Arbeitsgemeinschaften jeweils nur drei Frauen. Also das kam alles erst danach und Partnerin in einer Großkanzlei war fast undenkbar. Es gab bei Hengeler eine Partnerin, die wurde aber rumgereicht wie ein seltenes Tier.
In den USA war das ein bisschen anders. In der Kanzlei Walter Constance gab es dann schon Heidi Dürrbeck, Elizabeth Royce, die waren Partnerinnen. Aber in Deutschland war das nicht so.
Das war eigentlich ungewöhnlich.
Gut, da haben wir heute natürlich jetzt auch keine 50-50-Parität. Da gibt es viele Gründe für Vereinbarkeit, strukturelle Themen in der Ausbildung etc. Aber wenn wir uns mal zumindest die Studierenden heute anschauen, um da die Parallele zu ziehen, dann haben wir ja 50-50.
Ja und in der Justiz im Eingangsamt ist das auch weitgehend paritätisch, sogar ein gewisses Plus bei Damen. In den gehobenen Positionen Präsidenten und Vorsitzende Richter ist es noch nicht so ganz so, aber ich würde heute sagen, dass es in der Justiz ausgewogen ist.
In der Anwaltschaft ist es noch nicht ausgewogen. Es gibt Bereiche, wo es viele Damen gibt, Familien und Erbrecht, Topfrauen. In den Großkanzleien ist der Anteil weiblicher Partner immer noch nicht so wahnsinnig groß.
Was übrigens wieder mit dem Punkt, den ich eben schon erwähnt habe, zusammenhängt. Ich glaube, dass viele Jurastudentinnen und auch Nachwuchsjuristinnen, die noch nicht so alt sind, immer davon ausgehen, wenn ich eine Top-Juristin bin, werde ich auch Erfolg haben. Und dass Law außerhalb der Justiz ein Business ist, wo es gar nicht so sehr auf die Qualität als Jurist, das muss man sowieso sein, aber sondern vor allem darauf ankommt, dass man unternehmerisch erfolgreich ist, das wird oft verkannt.
Und dass es wichtiger ist, ein Business Case zu bilden, als, sage ich mal noch, die Akten am Freitagnachmittag wegzuräumen, dass diese Erkenntnis hat sich noch nicht so breit durchgesetzt. Das erkläre ich immer, wenn ich Coaching mache für Nachwuchsjuristinnen, dann sage ich immer, guckt nach dem Business Case.
Justiz spielt, da spielt das keine Rolle, aber in der Anwaltschaft und in der Wirtschaft spielt es eine entscheidende Rolle, ob du dazu beiträgst, dass dein Unternehmen und eine Anwaltskanzlei ist es ein Unternehmen, wirtschaftlich erfolgreich ist.
Du hast dich dann für ein klassisches Unternehmen zum Berufseinstieg entschieden?
Ja, ich habe mich eigentlich nicht entschieden, sondern das ist mir zugeflogen. Warum Unternehmen zunächst einmal? Ich wollte in die Hochschule, ich war promoviert, gut promoviert, summa cum laude, Aber mein Doktorvater war der Meinung, dass die Ehefrau eines Professors sich vielleicht nicht unbedingt habilitieren sollte. Das war auch wieder ein Genderfaktor.
Und da ich damals in der Szene keinen geeigneten Lehrer, Lehrerinnen gab sowieso nicht, gefunden habe, der mich habilitieren wollte, bin ich erstmal, wie ich es immer gesagt habe, in die Diaspora gegangen. Die DAS Diaspora war ein mittelständisches Unternehmen, das war aber gar nicht so klein.
Das war immerhin eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die allerdings noch eine Familienmehrheit hatte mit 4000 Angestellten und einer Milliarde D-Mark Umsatz. Also gar nicht so klein. Jetzt wirst du fragen, wie bist du da hingekommen?
Wie passiert sowas? Ich glaube, wer hier ganz aufmerksam zugehört hat in den letzten schlappen 290 Folgen, der wird es ungefähr wissen. Ich glaube, das haben wir schon mal kurz erwähnt.
Ja, da bin ich nicht ganz sicher, weil ich das ganz, ganz selten preisgebe. Aber jetzt bin ich alt genug. Ich war in der Unterprima, das ist die vorletzte Klasse des Gymnasiums, ist heute glaube ich Klasse 12.
Und da kam mein Schuldirektor zu mir und sagt, Barbara, du bist zwar ein ausgesprochener Quälgeist und machst immer nur Dinge, die mehr Arbeit machen, aber ich habe hier eine Idee. Da gibt es in der Zanders Feinpapiere AG einen neuen Geschäftsführer, der kommt aus Österreich, Peter Dauscher.
Der soll Englisch und Französisch lernen oder üben, weil er das braucht. Der hat aber schon zwei ausgebildete Lehrer verschlissen. Die keine Lust mehr haben mit ihm und ich habe mir überlegt, das könntest du doch machen.
Okay, den Teil kannte ich tatsächlich noch nicht.
Und so kriegte ich mit 16,5 einen 50-jährigen Nachhilfeschüler, viermal die Woche zwei Stunden für ein horrendes Geld, was für mich damals ganz, ganz viel war, von 18 bis 20 Uhr in den Räumen der Geschäftsführung der Zanders Feinpapiere AG Und dann habe ich mir überlegt, wie könnte ich den Unterricht so gestalten, dass dieser Mensch, Herr Peter Dauscher, der Geschäftsführer und später Vorstandsvorsitzende, Spaß an Sprachunterricht hat.
Und dann war mir klar, also so Grammatikübungen hat er sicher gar keine Lust zu. Und ich habe mir dann aus Büchern ein Konzept zusammengestellt und dann haben wir fast bis zu meinem Abitur das gemacht. Der hat dann zwar in den zwei Stunden, also waren ja acht Stunden die Woche, ganz viele andere Dinge gemacht.
Da habe ich schon unheimlich viel gelernt, weil ich ihm beim Telefonieren dann zuhören durfte und schon gemerkt habe, was ein Vorstandsvorsitzender alles so auch noch abends macht und worüber der telefoniert und dass der eigentlich seine Zeit ganz schwer nur planen kann. Aber wir haben uns sehr gut kennengelernt und wie wir dann aufhörten, weil ich mein Abitur in Reichweite war, hat er gesagt, und sie werden für mich arbeiten.
Und er hat mich dann mein ganzes Studium so zweimal im Jahr gesehen, Bergesblattbach ist eine Kleinstadt, auf irgendwelchen Veranstaltungen und immer gesagt, wann sind Sie endlich fertig? Und wie ich dann dem Assessor näher kam, hat er gesagt, so und wenn Sie dann die Prüfung haben, dann fangen Sie am 1. April bei uns an.
Und da ich ja nicht in die Hochschule konnte, habe ich am 1. April bei der Zanders Feinpapiere AG angefangen, 14 Tage nach meinem Assessor und war dann ziemlich schnell Leiterin der Rechtsabteilung, kriegte ein halbes Jahr später Prokura und war dann drin. Ein heute unvollstellbarer Vorgang, der auch übrigens bei den Anwälten, den externen Anwälten der Firma Befremden auslöste.
Ich erinnere, dass ein Partner einer Großkanzlei, man kann es heute sagen, ich habe mich später mit ihm angefreundet, ein Partner von Hengeler in meiner Gegenwart zu Herrn Peter Dauscher sagte, aber lieber Herr Dauscher, was haben Sie sich denn dabei gedacht? Eine Frau und dann noch so eine Junge und Unerfahrene. Ich glaube, sagen zu können, dass ich mir dann in den sechs Jahren, die ich da war, relativ schnell Respekt verschafft habe, aber das war wirklich der ganz harte Weg.
Sag mal kurz zurück, war diese Erfahrung damals diese Nachhilfe zu geben und sich zu überlegen, wie mache ich das eigentlich? War das so ein bisschen der Einstieg in deine Didaktikthemen, die du dann auch nachher in deiner Karriere weiterverfolgt hast?
Nein, der Einstieg war es nicht. Der Einstieg war ein viel früherer. Ich habe schon in der Grundschule Nachhilfe gegeben. Habe ich kein Geld für gekriegt, aber es war mir immer ein Anliegen, das von Lehrern sehr unterstützt wurde.
Klassenkameradinnen und Kameraden, die irgendwie was nicht konnten, dabei zu unterstützen, lesen zu lernen, rechnen zu lernen, Aufgaben zu erfüllen. Ich habe dann mit meinem sehr intelligenten, aber äußerst faulen Bruder über Jahre Schularbeiten gemacht. Da habe ich übrigens etwas sehr Wichtiges entdeckt, nämlich das Prinzip des Bonnus.
Ich habe überlegt, wie motiviere ich den und ich kriegte, werde ich nie vergessen, dann wie ich schon im Gymnasium war und er noch nicht, ich kriegte dann ab einem bestimmten Punkt von meinen Eltern 5 D-Mark pro zwei Stunden, nicht rasend viel und ich habe immer gesagt, Klaus, wenn du dich anstrengst und eine gute Note schreibst, kriegst du von sämtlichen 5 D-Mark jeweils zwei ab.
Und sofort verbesserten sich seine Schulleistungen signifikant. Andererseits habe ich auch Bonussysteme immer sehr gehasst, die habe ich auch wissenschaftlich gehasst. Mein Vater versuchte nämlich, der war in der Wirtschaft und versuchte, das war gerade Mode oder kam in Mode, bei uns in Kindern Bonussysteme einzuführen.
Also neben dem sehr spartanisch bemessenen Taschengeld gibt es für bestimmte Dienstleistungen, dreimal Abwaschen und so weiter, gibt es eine bestimmte Summe zusätzlich und ich habe immer erklärt, ich mache das entweder, weil ich es für richtig halte und es mir eine Ehre ist oder ich mache es nicht. Aber für Geld mache ich das nicht.
Übrigens ein Standpunkt, den ich heute in der Hochschule mir wieder zurückwünsche. Ich glaube, dass viel zu viele Dinge mit leistungsbezogener Mittelvergabe belohnt werden und dadurch die intrinsische Motivation sehr stark leidet, sowohl in der Wissenschaft, aber auch in der Hochschule, als auch in der Wirtschaft.
Zurück dann zum Berufseinstieg und den sechs Jahren, die du in der Fabrik als Leiterin der Rechtsabteilung gearbeitet hast. Du hast eben gesagt, du hast es dann geschafft, dir dort Respekt zu verschaffen. Das ist ja jetzt auch Jahrzehnte später noch ein Thema, wenn man neu in den Beruf einsteigt.
Was sind da Tipps zum einen A, wie hast du es gemacht und B, was sind Tipps, die du da vielleicht auch weitergeben kannst an diejenigen, die jetzt gerade hier zuhören und vor dem Berufseinstieg stehen oder vielleicht gerade angefangen haben?
Ja, das Erste, was man noch erwähnen muss, um es farbig zu machen, ich war die einzige Akademikerin in dem ganzen Laden. Alle anderen Frauen waren Sekretariatskräfte, Arbeiterinnen, dann hatten wir noch eine Dame in der PR-Abteilung, aber ich war im Grunde die einzige Akademikerin.
Jetzt kommt ein kleiner Werbeblock. Was mir wahnsinnig geholfen hat, war die Tatsache, dass ich promoviert war. Weil draußen auf dem Schild stand, Dr. Dauner, Ende.
Ich wurde nicht mehr für meine eigene Sekretariatshilfe gehalten. Also ich habe durchaus nicht selten noch folgende Sprüche gehört, jetzt will ich aber mal Ihren Chef sprechen und die Antwort lautete, der Chef bin ich. Aber das hat sich gebessert.
Ja, was ist der Tipp? Erstmal hingucken, was läuft da? Wer redet mit wem? Ich empfehle jedem, der in den Beruf geht, etwas, was Juristen komischerweise nicht schon in ihrem Studium sehen, guck dir mal das Organigramm an. Ich bin der Meinung, du musst wissen, wer hat was wem zu sagen und wie sind die Abläufe.
Ich wundere mich immer, dass man Gesellschaftsrecht hören kann, ohne sich jemals das Organigramm einer Aktiengesellschaft angeguckt zu haben, weil man die ganze Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft eigentlich nur versteht, wenn man mal aufgemalt bekommen hat, wie es aussieht. Aber ich habe an den Vorstandsvorsitzenden berichtet, was Fluch und Segen zugleich war.
Ich hatte also nur Gott über mir, Peter Dauscher, sonst hatte mir niemand was zu sagen. Ich hatte aber auch niemand anders was zu sagen, was auch nicht sehr einfach ist. Ich war also darauf gezwungen, dass die Leute freiwillig mit mir zusammenarbeiten.
Die Technik, der Einkauf, der Verkauf. Und da gibt es jetzt eine Antwort, wie habe ich das gemacht? Eine lustige und eine ernste. Die ernste ist Professionalität im Sinne wertschätzenden Umgang, sehr nahbar, sehr fachlich kompetent, kein Fake.
Ich habe immer, wenn mich jemand was fragte, gesagt, entschuldigen Sie. Das weiß ich jetzt nicht genau, aber geben Sie mir eine Stunde, dann kann ich Ihnen vielleicht eine gute Antwort geben. Ich habe nie geblöfft, das ist hoch respektiert worden und im Übrigen jetzt die halb heitere Antwort gesagt.
Auch wieder Peter Dauscher, eine unerschöpfliche Quelle von Anekdoten, der sagte, ziehen Sie sich was Nettes an und haben Sie immer einen guten Kaffee bei sich. Ja, und da war was Nettes dran, wer in die Rechtsabteilung kommt.
Das war so wie zum Zahnarzt gehen, also nicht unbedingt der Termin, den man sich so gewünscht hat, aber sie kriegten bei mir immer einen guten Kaffee. Da standen immer frische Blumen. Ich war angezogen, guter Laune, habe eine nette Story erzählt und so bin ich eigentlich mit allen gut ins Gespräch gekommen.
Und ich habe natürlich auch manchmal den Leuten selbstverständlich kostenlos und auch nicht unter Abwehr von Anwälten einen Rechtsrat gegeben zur Vorbereitung für einen Anwaltsbesuch. Da gibt es natürlich auch wieder ganz lustige Dinge, Durchsetzungsprobleme, da gab es einen etwas widerborstigen Herrn in der Technik, der sich von mir gar nichts sagen lassen wollte und dann kam der von einem Seminar wieder und sagte, ich war da so auf einem Seminar, man soll doch kollegial partizipativ arbeiten, das ist doch alles nur Frauenquatsch.
Und dann habe ich gesagt, lieber Herr Müller, der ist natürlich anders, wir können das auch anders machen. Sie können auch von mir einen Brief kriegen, Sie werden jetzt das und das tun und nicht, lieber Herr Sowieso, wären Sie bitte so freundlich, mir das Protokoll jetzt zu unterzeichnen.
Man kann das auch anders. Der hat es aber verstanden, der hat mich nachher auch respektiert.
Das ist, glaube ich, ein gutes Beispiel. Dann warst du dort sechs Jahre, wie bist du dann Hochschullehrerin geworden?
Zanders wurde verkauft. Die Aktienmehrheit wurde von der Familie verkauft. Da möchte ich jetzt in so großer Runde nicht allzu viel sagen. Es war ein dramatischer Vorgang.
Es war für mich ein sehr trauriger Vorgang. Ich werde nie vergessen, die Aufsichtsratssitzung, in der plötzlich die neuen Anteils-Aichner vor der Tür standen. Der Börsenkurs war ausgesetzt. Es war wirklich außerordentlich dramatisch.
Und nachdem Sanders verkauft war, hatten wir einen amerikanischen Mehrheitsaktionär und die Dinge entwickelten sich anders und ich hatte eigentlich nicht so wahnsinnig große Lust plötzlich in einem internationalen Konzern irgendwo an einem kleinen Rädchen mitzuspielen, aber das war das eine, das wichtigere war etwas anderes. Ein akademischer Kollege, Horst Konzen, kam eines Tages und sagte, eigentlich sollten Sie doch immer schon in die Hauchschule.
Wollen Sie sich nicht bei mir habilitieren? Und dann dachte ich, wie schön, jetzt kommt die Möglichkeit. Und dann habe ich relativ spät angefangen, mich zu habilitieren. Da war ich schon deutlich über Mitte 30 und habe mich dann in Mainz bei Horst Konzen extern habilitiert.
Und hatte in der Zeit auch keine Assistentenstelle, weil ich kriegte dann, das war das ganz große Geschenk meines Lebens, noch ein eigenes Kind. Und wie der in den Kindergarten kam, war ich weitgehend fertig mit der Habilitation.
Also, da ich jetzt gerade in einer persönlichen Situation bin und ich bin Vater geworden, das ist nun mal am Anfang auch noch weniger Arbeit als Mutter zu werden, allein aus biologischen Gründen, auch bei aller Gleichberechtigung etc. Und Arbeitsteilung.
Muss man ja schon auch mal sagen, so eine Habilitation in dieser Phase bis zum Zeitpunkt, wo der Kleine in den Kindergarten geht, ist ja jetzt schon auch eine gewisse Doppelbelastung.
Ja, das war das pure Chaos. Wir hatten Au-pair-Mädchen, das sind aber zusätzliche Kinder. Also das sind junge Damen, unsere, entzückend, wunderbar mit dem Kind, brauchte ich mir keine Sorgen machen, aber man konnte das Kind nicht abgeben und the mental load auch abgeben, sondern man musste drüber nachdenken, ist genug Butter im Haus, sind die Hosen gewaschen, macht das Mädchen keinen Blödsinn, also, Ich saß oben, ich sag immer ein bisschen übertrieben, eigentlich bin ich aus dem Trainingsanzug nicht rausgekommen.
Wenn allzu großes Geschrei war, unten bin ich runter. Mein Mann hat mir geholfen, aber begrenzt geholfen. Der war noch aus einer Generation, also der hat nicht ein einziges Mal die Windeln gewechselt oder so irgendetwas.
Der hat schon geholfen, der ist spazieren gegangen, der hat den Kleinen dann, wie er laufen lernte, auch mit in die Uni genommen, damit er sich da im Lehrstuhl an den NJW-Bänden erfreut und da rumkleppert und so. Das ist alles klar, aber es war… Typisch.
Was Kinder halt so machen.
Ja, aber typisch klar. Max hatte übrigens, wie er dann im Kindergarten war, mit vier schon sein kleines BGB. Das gibt eine schöne Anekdote, dass er mit einer Dame der Nachbarschaft zum Anwalt, die hat ihn irgendwie gehütet, mit zum Anwalt genommen.
Dann sagte der Anwalt, ja, wer bist du denn? Ja, ich bin Max. Ja, und was hast du da? Mein BGB. Ich weiß nicht, ob das den Anwalt nicht etwas verunsichert hat.
Meine Mutter hat mir sehr geholfen, das muss man sagen. Das Kind kam immer Donnerstagabends bis Samstagmorgens zu meiner Mutter, ich aber auch, aber dann konnte ich da arbeiten. Und dann war ein Tag in der Woche, wo ich wirklich konzentriert schreiben und denken konnte und irgendwie hat es dann geklappt.
Also neben der Tatsache, dass das natürlich schöne Geschichten sind und Max, liebe Grüße, muss man ja sagen, ist es ja schon spannend, denn das heißt, wir sind jetzt ungefähr Mitte der 90er und die Probleme und die Herausforderungen, diese vielen Pflichten zu haben, wie auch immer man es nennen will, viele Hüte auf, es gibt viele Metaphern dafür, die
sind doch dieselben geblieben von, ich sag mal, ja Menschen Mitte, Ende 30 und jünger.
Im Ausgangspunkt ja, wobei die Herausforderungen nach meiner Auffassung heute noch größer sind, weil von den Eltern sehr viel mehr Engagement in Kinderbetreuungsinstitutionen erwartet wird. Etwa Teilnahme an Kinderfesten, Kuchenbacken, Eltern müssen sich einbringen. Es wird auch erwartet, dass Eltern Kinder vom Kindergarten abholen.
Ich glaube, dass heute an junge Eltern sehr viel mehr Qualitätsanforderungen gestellt wurden als an mich. Ich habe mich selbstverständlich um mein Kind gekümmert, aber ich glaube nicht, dass ich es jemals irgendwo abgeholt habe höchstpersönlich. Und hinzukommen, man braucht so eine gewisse Lässigkeit.
Ich habe immer den Eindruck, dass Eltern heute auch, weil sie das Beste für ihr Kind wollen, sehr viel Wert legen, dass das Kind schon gefördert wird, dass das Kind ordentlich angezogen ist. Ich sag mal ganz krass, ich war etwas salopp der Meinung, dass ein Kind, das in einem Haushalt mit Büchern, Bilderbüchern, Musik und sehr interessanten Menschen aufwächst, Vettern und Cousinen hat, Nachbarskinder hat, nicht noch in irgendwelche Spezialkurse muss.
Und ich hatte eigentlich mit den Kindergärtnerinnen und später mit den Lehrerinnen einen ganz klaren Deal. Sie machen ihren Job, ich mache meinen Job und ich muss mich um Schule und Kindergarten weder inhaltlich noch organisatorisch kümmern. Die waren im Grunde sogar dankbar, mal Eltern zu haben, die sich nicht in alles irgendwo einmischten.
Und da glaube ich, das ist heute ein bisschen anders. Aber ich muss sagen, dass mein gesamtes DFG-Stipendium ausschließlich für Kinderbetreuung draufgegangen ist, weil man heute ja immer eins nicht so richtig sieht. Eine Habilitation schreibt sich in aller Regel nicht von 9 bis 17 Uhr.
Und selbst wenn man eine gute Kinderbetreuung hat, dann reicht das nicht. Der Haushalt muss noch gemacht werden, muss Wäsche kochen, was weiß ich und im Übrigen braucht man eigentlich Abendstunden und ich denke, leider ist das ein bisschen auch eine Frage des Geldes und zweitens eine Frage der Bereitschaft, dass man sagt, ich muss damit rechnen, dass ich zwei, drei Tage die Woche abends dann auch mich nicht um ein Kind kümmern kann.
Also ich glaube nicht, dass unser Modell in irgendeiner Weise schädlich für das Kind war, aber es hat dem Kind auch manches abverlangt und es war immer Chaos, weil man natürlich nie wusste. Au-Pair-Mädchen wird krank, Au-Pair-Mädchen haut wieder ab, Mutter, Oma ist krank, aber trotzdem hat es irgendwie geklappt.
Aber du brauchst da eine hohe Resilienz und du brauchst auch eine hohe Flexibilität, indem du im Grunde jeden Tag morgens dich an den Schreibtisch setzen musst und sagen musst, ja, aber ob das heute so funktioniert, wie du es dir vorgestellt hast, das weißt du nicht.
Ja, ein Freund von mir ist Anwalt in einer mittelständischen Kanzlei. Wir haben jetzt, wie gesagt, wenn ihr es hört, April, aber wenn ihr das vielleicht in der Zukunft irgendwann hört, also wir haben gerade April. Und er sagte zu mir, ach, es ist toll, einer von den beiden Söhnen war jetzt neulich das erste Mal dieses Jahr eine ganze Woche in der Kita, weil er nicht krank war.
Und der hat nichts Chronisches, war einfach immer irgendwas anderes. Ja, dann, was halt so ist Kita-Seuche. Und dann sage ich, wie geht es denn? Also ich meine, du bist Anwalt, deine Frau arbeitet irgendwie auch in einem sehr herausfordernden Job und das waren genau die beiden Antworten, Flexibilität und Resilienz.
Also natürlich ist es anstrengend und ich glaube, wir verwechseln manchmal auch in dieser ganzen Debatte die Frage, ob es geht, mit der Frage, wie geht es eigentlich so, dass es nicht anstrengend ist. Und ich glaube, auf letztere Frage gibt es eine Antwort gar nicht.
Jede Geschichte, die ich jetzt hier gehört habe in fast 300 Podcast-Folgen und die in diese Richtung geht, ist, es ist auch einfach eine Herausforderung, es ist anstrengend und es ist ja auch nichts, was sozusagen aufhört, denn am nächsten Tag beginnt es ja alles wieder von vorne.
Ja, man muss, du hast vollkommen recht, aber man muss vielleicht auch noch eins sagen, man sagt heute, es geht alles oder es soll alles gehen, aber es geht nicht alles gleichzeitig.
Guter Punkt, ja.
Und ich finde, dass es auch wichtig ist, etwas lockerer zu werden. Ich halte heute, aus heutiger Sicht, es für vollkommenen Schwachsinn zu sagen, dass jemand vier Wochen nach der Geburt, Klammer auf, möglicherweise noch mit Kaiserschnitt, Klammer zu, wieder voll einsteigen muss. Ich kann mir auch ganz wenige Berufe vorstellen, wo es wirklich auf drei oder sechs Monate ankommt.
Ich halte das für einen Mythos. Also mag sein, dass sich im Moment mit KI die Welt so schnell dreht, Aber wer gut ist und intelligent, steigt dann auch wieder ein. Was man meines Erachtens braucht, ist eine gewisse Gelassenheit und was man akzeptieren muss ist, es gibt Phasen, da hat man für manches keine Zeit.
Man kann Freundschaften nicht mehr so pflegen wie früher oder man hat keine Zeit für sich selbst, indem man sagt, ich lese jetzt sehr viel oder ich gehe gern ins Museum oder ich mache Fernreisen. Und dann gibt es junge Eltern, die haben ganz gute Nerven, die gehen auch mit dem Baby auf Fernreisen und machen alles wie weiter nur mit dem Kind.
Da muss man sich halt überlegen, ist das dann nicht doch auch Stress und ist man dann vielleicht nicht drei Sommer in Norderney mit Kleinkindern am Strand entstresster, weil man dann nämlich in Strandkorb ein Buch lesen kann, weil man nur aufpassen muss, dass da nicht jemand ins Wasser krabbelt. Also da muss man nur einfach sagen, nicht alles gleichzeitig und nein, man kann nicht immer top frisiert, top geschminkt, hyperprofessionell und gleichzeitig da Kindergewusel, aber ganz ehrlich sagen, Es geht und es geht eigentlich auch ganz gut und ich glaube einfach, dass in vielen Biografien sonst etwas sehr Wesentliches fehlt.
Also ich rate, wenn mich junge Damen fragen, sagen Karriere, Kind, dann würde ich immer sagen, kriegt die Kinder, wenn ihr wirklich Lust drauf habt, berufsmäßig noch etwas zu machen, wird das trotz Kindern, nicht trotz Kindern, vielleicht wegen der Kinder gut klappen.
Ja und ich würde hinzufügen zu dem Punkt, dass du sagst, nicht alles gleichzeitig, das hat auch was mit Fokus zu tun. Wenn ich mich an meine Elternzeit zurückdenke, dann war das schon auch ganz schön, da einen gewissen Fokus haben zu können und es ist dann auch eine schöne Zeit und eine schöne Erinnerung anschließend.
Genau.
Gut, dann bist du Hochschullehrerin geworden. Jetzt haben wir ein bisschen die Schleife über Vereinbarkeitsthemen gezogen, aber zurück sozusagen nach deiner Habilitation, wie es dann weiterging. Ja, wie ging es dann weiter?
Ich habe eine Vertretung gehabt in Köln, da bin ich immer noch sehr dankbar für, weil das für damalige Zeiten sehr fortschrittlich war, dass man einer jungen Privatdozentin eine sogenannte Vertretung an der Fakultät gibt, an der der eigene Mann Professor ist. Aber das war sehr hilfreich, weil ich dadurch keine langen Fahrzeiten hatte und eben die restliche Zeit zu Hause sein konnte.
Und dann habe ich sehr schnell schon im nächsten Semester einen Ruf nach Hagen-Düsseldorf bekommen. Das war ganz großartig, weil es nicht weit weg war. Und Hagen ist Fernuni, da muss man hin, aber nicht jeden Tag, sodass ich das, was heute schon Modell ist, remote, viele Dinge von zu Hause aus tun konnte.
Und das war wirklich ein ganz, ganz wunderbarer Einstieg. Alles andere, was im Spiel war, wäre sehr weit weg gewesen und wäre sehr kompliziert gewesen in der Familienorganisation, obwohl mein Mann inzwischen ja auf die Pension zuging. Ich bin einmal gefragt worden, ja liebe Frau Dauner, wir würden Sie gern berufen, aber was machen wir denn dann mit Ihrem Mann hier? Und dann ist mir sofort klar geworden, ich habe gesagt, der ist dort pensioniert, aber mir ist klar geworden, wo die Sorge ist, dann kommt da der Alte und dann wird der hier auch nochmal den Laden aufmischen wollen.
Gut, also ich war froh, ich war in Hagen und Düsseldorf und habe Vorlesungen in Düsseldorf gehalten und dann kam eigentlich der Sechser im Lotto, den man im Leben nie kriegt und der alle Benachteiligungen, die man vielleicht vorher als Frau auch erdulden musste, ich habe tatsächlich die Nachfolge meines Mannes in Köln bekommen. Aus heutes Double Career gar nichts Besonderes und heute würde man nicht so ohne weiteres sagen, dass das so befremdlich ist, aber das galt für viele damals auf den ersten Blick als befremdlich und ich habe es letztlich bekommen, weil die Studenten in Düsseldorf im Ministerium, Sie antischambriert haben, sie wollten mich gern in Düsseldorf behalten.
Und damals war noch das Ministerium, die Liste wurde natürlich in der Uni gemacht, aber das Ministerium musste das genehmigen und die haben offensichtlich den Eindruck vermittelt bekommen, dass ich tatsächlich Platz 1 der Liste verdiene. Und infolgedessen kriegte ich den Ruf nach Köln.
Weil die Studenten das gesagt haben.
Die Düsseldorfer Studenten wollten mich gern behalten. Ich sage jetzt mal, worauf ich sehr, sehr stolz bin, aber trotzdem nicht oft erzähle. Die haben mir tatsächlich einen Fackelzug gemacht. Das kriegen ganz wenige Professoren. Die sind hier mit Fackeln zu mir nach Hause gekommen, damit ich in Düsseldorf bleibe. Ziemlich viele, über 50.
Das ist interessant.
Von Düsseldorf. Dann hat mein Mann übrigens, lustigerweise, alle Dosen, Würstchen und was noch so im Haus war. Und ich werde nie vergessen, dass diese 54 Studenten dann bei uns im Garten, es regnete nicht, mit irgendwelchen Fastfood gefüttert werden. War ein wunderbarer Abend.
Und diese Demarsche der Studenten, die haben auch ans Ministerium geschrieben, dass sie mich unbedingt in Hagen-Düsseldorf halten wollen, hat das Ministerium überzeugt, dass ich vielleicht für Köln auch nicht die falsche Person sein könnte.
Ja und es ist, also das wusste ich bislang auch noch nicht und es ist ein spannendes Mosaikstück in deiner Geschichte aus meiner Sicht, weil die Studierendenschaft und die Lehre dir ja herausragend wichtig immer waren und es passt einfach gut zusammen. Das ist einfach so.
Ja, für mich war Lehre immer das Wichtigste. Ich habe sogar bei Zanders Lehrlingsausbildung mit übernommen. Die Papiermacherlehrlinge und die kaufmännischen Lehrlinge gingen zur Berufsschule und da hatten sie kein Recht und dann hat sich der Personalschiff irgendwann mal ausgedacht, dass ich, weiß ich nicht, nicht viel, aber dass ich ab und zu Blöcke mache, was ein Kaufmann und was ein Papiermacher juristisch wissen muss.
Und dann habe ich das gemacht, was ich immer gemacht habe. Ich habe mir überlegt, A, was müssen die wissen und B, wie bringe ich es ihnen so bei, dass sie Spaß dran haben. Und dann habe ich das gemacht.
Und ich habe auch während der ganzen Habilitationszeit und schon während ich Waldsanders war in der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Fallendar, habe ich BGB für BWLer gelehrt, weil ich eigentlich immer ein bisschen Lehre haben möchte. Das ging übrigens toll, das ging damals samstags, man muss sich also vorstellen, man fuhr dann Samstagmorgen um sieben dahin, hielt vier Stunden BGB und fuhr wieder nach Haus, aber das war für mich so ein bisschen das Lebenselixier.
Das konnte ich nicht entbehren, nie, die ganze Zeit nicht.
Dann lass uns im Folgenden einen Blick werfen auf deine Zeit als Professorin in Köln und vielleicht auch so ein bisschen auf das Akademische. Was waren die großen Themen der letzten über 20 Jahre in diesem Kontext für dich?
Das ist für mich sehr interessant, dass es Themen gibt, mit denen ich mich sehr beschäftigt habe und die mich heute überhaupt nicht mehr interessieren, dass es Themen gibt, die mich immer interessiert haben, auch heute noch und dann neue hinzugekommen. Also ich habe sehr, sehr viel Zeit meines Lebens jetzt wissenschaftlich, akademisch, publikatorisch auf zwei Dinge gelegt.
Einmal im Personengesellschaftsrecht auf die Gesamthand und die BGB-Gesellschaft, ein Teil meiner Habilitationsschrift, Unternehmen in Sondervermögen betreffen auch die BGB-Gesellschaft und das interessiert mich überhaupt nicht mehr. Und dieses Mopek sagt mir gar nichts.
Ich glaube nicht, dass das eine nötige oder auch nur sinnvolle Reform war, aber das interessiert mich ehrlich gesagt nicht mehr. Da bin ich durch. Es gibt ein zweites Thema, für das ich für viele auch stehe, das ist die Schuldrechtsreform, die stand am Anfang, auch das Nomos-Kommentar, den ich damals als Herausgeberin mit aufgebaut habe, der hieß früher Anwaltskommentar.
Aber das war ein Riesenabenteuer und ich kann heute Schuldrecht in der Lehre immer noch, glaube ich, ziemlich gut und übernehme das auch jetzt noch im Examenskurs, weil ich glaube, dass ich den Studenten das ganz gut beibringen kann. Aber ehrlich gesagt, eigentlich interessiert mich das überhaupt nicht mehr, weil ich denke, da wird auch nichts mehr bei rauskommen.
Das ist eine Art von Glasperlenspiel und da wird es auch keinen Fortschritt geben. Das ist einfach ein totes Gleis geworden. Das interessiert mich gar nicht.
Wenngleich das natürlich jetzt nicht die beste Werbung ist, aber muss man es hier natürlich erwähnen, wenn ihr in der Ausbildung seid oder Menschen kennt, die in der Ausbildung sind und ihr das nicht ohnehin schon wisst. Wir haben hier im Podcast unter anderem zum Schuldrecht, aber eben auch zum gesamten zivilrechtlichen Examensstoff eine Sonderreihe, irgendwas mit Examen, wo du ja es sehr gut darlegst, was auch nicht heißt, dass es nicht zukunftsfähig ist, sondern es geht darum, was dich interessiert in deiner Forschung.
Ja, und es ist, also erstens, ich habe jetzt vom wissenschaftlichen Aspekt gesprochen. Studierende müssen sich mit dem Schuldrecht beschäftigen. Was ich so schrecklich finde, ist, dass durch diese Richtlinie in Sachen Digitalisierung das ohnehin schon komplizierte neue Schuldrecht so zerfleddert ist, dass das dogmatisch für mich kein konsistentes Modell mehr ergibt.
Und es ist auch keine, wie soll ich sagen, in der Rechtstechnik. Fast nicht mehr geeignet für Studierende. Sie werden es immer lernen müssen, warum ein Gesetzgeber, der eine zentrale Anspruchsgrundlage in einem Paragrafen 327 Klein O verpackt, der hat auch irgendwie jede gesetzgeberische Selbstachtung verloren.
Also wenn man, ich denke einfach, dass das den Aufwand, den legislatorischen Aufwand nicht wert ist und für Studierende schwer zugänglich ist, das ändert aber gar nichts daran und das mache ich auch immer noch gern, dass ich sage, ich vermittle euch die Schlüssel, die ihr braucht, um dann mit diesen neuen Details halbwegs zurecht zu kommen, weil ihr ohne diese Schlüssel überhaupt nicht mehr versteht, was da eigentlich abgeht.
Nur wissenschaftlich werde ich mich damit nicht mehr beschäftigen, weil es einfach interessantere Dinge gibt und zweitens, weil ich glaube, dass das auch wissenschaftlich keine wirklich interessante Zukunft hat. Aber da mag ich mich irren, aber ich habe da sehr viel Zeit meines Lebens verbracht und in der Lehre, das ist immer was anderes, in der Lehre muss man das vermitteln, was wirklich wichtig ist.
So, was bleibt jetzt, was ist immer geblieben? Ich habe mich, das ist aber jetzt sehr technisch, deswegen bringe ich es nur kurz, ich habe mich mit den Grenzen der Privatautonomie und der richterlichen Inhaltskontrolle und dem Richterrecht immer beschäftigt. Ich habe mich immer beschäftigt mit einem fairen Familien- und Erbrecht, was die Care-Arbeit ordentlich einbezieht.
Und ich habe mich, und da ist die Brücke zu Zanders geschlossen. Immer und gerade jetzt wieder sehr beschäftigt mit der Frage, wo sind die Grenzen der Funktionsfähigkeit des Rechts? Wie reagiert das Recht auf Unsicherheit? Sind unsere Haftungsmodelle überhaupt noch zukunftsfähig? Haben wir... Viel zu sehr Haftung.
Denken wir nicht alle im Absicherungsmodus, weil es so viel Haftung gibt. Muss man nicht angesichts der neuen Herausforderungen Haftung ganz neu denken? Muss man nicht auch Anreize ganz neu denken? Muss man nicht vielleicht auch das Verhältnis von Markt- und Privatautonomie nochmal neu beleuchten? Das sind Themen, die mich im Moment sehr bewegen, jetzt wissenschaftlich.
In der Lehre interessiert mich nach wie vor, was muss der Jurist können, nicht wissen, sondern können, um mit einem vertretbaren Aufwand ein angemessen erfolgreiches Examen zu bestehen. Das ist irgendwas mit Examen, da hat sich mein Interesse nicht geändert, aber ich würde auch im Bereicherungsrecht nicht mehr publizieren, aber ich unterrichte gerne Bereicherungsrecht, um zu zeigen, eigentlich ist es nicht so schwierig, wie man denkt, es ist eigentlich ganz einfach.
Was hat sich denn in dieser gesamten Zeit im Privatrecht Großes geändert?
Einen Punkt haben wir schon angesprochen. Die Rechtstechnik des Schuldrechts hat sich durch die Schuldrechtsreform maßgeblich geändert. Diejenigen, die heute Jura studieren oder selbst die Assistenten, wissen ja nicht mehr, dass in der Schuldrechtsreform in den ersten drei Büchern des BGB rechtstechnisch kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist.
Man kann sich das ja heute nicht mehr vorstellen, was das eigentlich für ein Event war, diese Schuldrechtsreform. Da hat man ein BGB und von Paragraf 1 bis Paragraf 852 werden erstmal fast alle Hausnummern geändert. Ich habe damals etwas gesehen, was ich immer noch bemerkenswert fand.
Alle Juristen über 50 haben gesagt, da haben wir keine Lust mehr drauf. Das lernen wir nicht. Was übrigens dazu führte, dass zehn Jahre nach der Schuldrechtsreform an manchen Gerichten einfach auch noch nach altem Schuldrecht geurteilt wurde, weil keiner Lust hatte, das neue anzuwenden.
Was aber gar nicht so schlimm war, weil das neue Schuldrecht inhaltlich ja gar nichts ändern wollte, sondern es nur technisch besser verpacken wollte. Also für meine Begriffe, ich sag das nochmal, wirklich eine ganz unnötige Geschichte.
Älteren haben es fast alle nicht mehr wirklich gelernt. Die konnten Schuldrecht, Unmöglichkeit und so weiter. Das konnten die, aber nicht mehr mit den richtigen rechtstechnischen Schrauben. Und eine meiner lustigsten Erfahrungen war, dass die alten Partner einer Großkanzlei vor fünf Jahren an mich herangetreten sind und gesagt haben, Frau Dauner-Lieb, wir haben ein ganz komisches Anliegen.
Uns nervt das immer, dass wir blöffen müssen, wenn die jungen Leute mit der Schuldrechtsreform rummachen und wir eigentlich überhaupt nicht wissen, wovon die reden, könnten sie uns das bitte noch mal ganz einfach erklären. Und dann habe ich 15 Jahre nach der Schuldrechtsreform mit lauter alten Partnern um die 60 denen noch mal erklärt, was passiert ist.
Und dann sagten die, ist ja gar nicht so schwierig. Ich sage, nein, es ist nur völlig unübersichtlich, aber schwierig ist es eigentlich nicht. Also das hat sich sehr geändert, aber nicht inhaltlich.
Es hat sich ganz viel geändert durch Einschränkung der Privatautonomie im Zuge des Verbraucherschutzes. Das ist eine ganz, ganz starke Bewegung, wie ich anfing zu studieren, gab es überhaupt noch keinen Verbraucherschutz. 1976 kam das AGB-Gesetz.
Vorher gab es nur Rechtsprechung. Das Jahr 76 war übrigens für Studierende sowieso ganz schrecklich, weil da kam die Mitbestimmung, also kam ganz, ganz viel. So, dann hatten wir also ein AGB-Gesetz und ab 76 kam überhaupt erst Verbraucherschutz und ich glaube, dass ich mit meiner Dissertation 81 die erste Dissertation war, die Verbraucherschutz im Titel hatte.
Verbraucherschutz als Sonderprivatrecht, wo ich analysiert habe, was es eigentlich bedeutet, dass wir plötzlich für bestimmte Rollen, nämlich Kaufmann-Verbraucher, ein anderes Recht gibt als für Kaufmann-Kaufmann. Jetzt habe ich noch eine weitere wichtige Veränderung adressiert, eine Veränderung, für die Carsten Schmitt ganz stark sich immer stark gemacht haben.
Das alte Kaufmannsrecht, was man als Handelsrecht bezeichnete, ist heute, auch wenn es noch ein Handelsgesetzbuch gibt, ganz überwiegend ein Unternehmensrecht. Also man stellt heute nicht mehr darauf ab, ob ein Kaufmann agiert hat oder nicht, sondern ob ein Unternehmer agiert hat.
Das ist aber nur im BGB zu sehen, in den Paragrafen 13, 14, wo plötzlich der Verbraucher und der Unternehmer definiert werden. Aber wir haben heute ein Unternehmensrecht. Und im Übrigen hat sich...
Viel geändert, was für Studierende auch heute ganz schwierig ist. Ich behaupte, dass wir fürs Examen nur im BGB die Hälfte des Stoffes hatten von heute. Und man sieht das auch an Klausuren und Hausarbeiten.
Das, was ich im Examen als Klausuren gehabt habe, das kommt heute nicht mal mehr als Klausur im kleinen Schein.
Weil es eben so viel komplexer geworden ist und anspruchsvoller? Nein, weil man auch glaubt.
Dass Studenten so viel mehr können müssen. Es gibt ja praktisch keine echten neuen dogmatischen Themen mehr und die Fälle werden deshalb, weil man ihnen immer was Neues abverlangen wird, auch immer komplizierter. Aber die Rechtsgebiete haben sich auch weiterentwickelt.
Ein Beispiel, wie ich anfing zu studieren, gab es noch das Abzahlungsgesetz. Das kommt irgendwo aus dem 19. Jahrhundert. 1896 ist das, glaube ich, ein altes Gesetz.
Heute hängt alles, was im Abzahlungsgesetz drin ist, das ist heute Verbraucherschutz, aber das ergreift alles. Damals ging es nur zunächst um die Regelung, jemand nimmt eine Sache, die er unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat, zurück. Das war das Abzahlungsgesetz.
Wenn er die zurücknimmt, muss er auch die Anzahlungen zurückzahlen. So, und da hat sich so irrsinnig viel verbreitert. Manches hat sich auch vereinfacht. Es gibt ganz wenig Dinge, die einfacher geworden sind, zum Beispiel das Bereicherungsrecht.
Da sind eine ganze Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen des BGH ergangen, die eigentlich das Feld geklärt haben. Man kann sagen, das gefällt mir nicht, man hätte einen anderen Fahrt gehen sollen, aber eigentlich weiß heute jeder, was aus einer bestimmten Konstellation in einem Fall rauskommt, weil man weiß, was der BGH macht.
Ich habe hier den Anfang der Entwicklung noch in der Hand, Festschrift für Larenz, das ist ewig lange her, da hat Canaris den Anfang dieser Konsolidierung bereitet, der Bereicherungsausgleich im Drei-Personen-Verhältnis. Und diese Festschrift, wann ist die, ich gucke mal gerade, 1973.
Da ist diese ganze Lehre von der Abwicklung innerhalb der Schuldverhältnisse und von der Kondiktion und der Kondiktion. Das ist in diesem Festschriftbeitrag von Canaris für seinen Lehrer Lahrens erstmals skizziert worden und seitdem hat der Bundesgerichtshof ein dogmatisches Gebäude entwickelt, was zwar nicht besonders schön ist und an manchen Ecken auch noch knirscht.
Aber es hat ein Dach und es steht. Ich erwähne die Festtriff für Larenz und den Beitrag für Kadaris aus einem ganz persönlichen Grund. Die hat für mich in meinem Leben eine ganz besondere Rolle gespielt, deswegen habe ich die auch von meinem späteren Mann veröffentlicht.
Zum zweiten Examen bekommen, da war er schon mein Mann, aber ich habe sie von meinem Mann zum zweiten Examen bekommen, warum dieser Beitrag wurde von Manfred Lieb in der Vorlesung Bereicherungsrecht, ich glaube das war das Wintersemester 74, 75, drittes Semester, wurde dieser Aufsatz besprochen. Daran siehst du übrigens schon, wie sich die Lehre geändert hat.
Manfred Lieb besprach im dritten Semester ohne jede Hemmung 20 BGH-Entscheidungen und fünf Festschriftbeiträge und erwartete, dass wir das im dritten Semester lesen.
So war der drauf.
Und ich hatte ihn in der Vorlesung und wir fanden ihn alle natürlich ganz toll. Sah auch gut aus, war noch jung, war noch unter 40. Und dann habe ich mich gemeldet an einer Stelle und gesagt, ich sehe das nicht ein, das stimme nicht, wie er es vorträgt.
Und dann haben wir uns, das sei nicht konsequent, und dann haben wir uns im Hörsaal so ein bisschen darüber unterhalten. Alle anderen fanden das natürlich total blöd, weil damals meldet man sich schon gar nicht und ein Mädchen schon überhaupt nicht.
Und dann kam er und so war Manfred Lieb. beim nächsten Mal und sagte, da hat mich doch jemand gefragt, Sie, kommen Sie bitte in meine Sprechstunde. Übrigens, Sie haben recht, Sie haben da eine sehr interessante Idee.
Und so kam ich in seine Sprechstunde und so lernte ich ihn kennen über den Doppelmangel im Drei-Personen-Verhältnis und im Bereicherungsausgleich. Und da hat er mich als studentische Hilfskraft engagiert. Ja, das ging dann ganz lange nicht so.
Wir haben uns dann erst angenähert, während ich in die Promotion kam. Aber so haben wir uns im Grunde kennengelernt und ich sage immer, meine Ehe beruht letztlich auf dem Festschriftbeitrag von Canaris zum Doppelmangel. In der Festschrift für Larenz, Seite 799.
Weiß ich heute noch, 799.
Ach, der Doppelmangel und die Ehe, wie das schon mal so ist.
Ja genau, der Doppelmangel und die Ehe, genau.
Das ist auch sehr schön und vor allem im englischen Podcast würde man jetzt sagen ein Segway, im deutschen, wie sagt man denn, eine Überleitung, die du mir gebaut hast. Denn wer weiß, was jetzt bei deiner Festschrift passiert.
Das ist ja sozusagen nicht selbstverständlich, aber natürlich ist es auch für dich jetzt glaube ich keine Überraschung mehr, denn du weißt, dass du bekommst eine Festschrift zu deinem 70. Geburtstag.
Wir haben jetzt gerade schon viel über Festschriften gesprochen, aber vielleicht für diejenigen, die jetzt eben noch nicht in der Vorlesung im zweiten Semester oder im dritten da viel lesen mussten, erstmal so von Anfang an, was ist das eigentlich?
Das ist das wertvollste Geburtstagsgeschenk, was Freunde einem Wissenschaftler, insbesondere einem Rechtswissenschaftler machen können. Denn typischerweise tun sich Schüler und Freunde eines Rechtswissenschaftlers, denen sie für bedeutend genug halten, eine Festschrift zu bekommen, die tun sich zusammen und sagen, wir wollen eine Festschrift auf die Beine stellen.
Und dann machen sie eine Liste und fragen Leute, die sie da gerne als Autoren gewinnen möchten. Und manche sagen ja, manche sagen nein, manche sagen erst ja und geben nicht ab. Es ist ein sehr aufwendiges Projekt, insbesondere für die Herausgeber.
Bis sie diese Festschrift dann zusammen haben und das wird dann überreicht und dazu gibt es jetzt zwei Dinge, die man etwas heiter ergänzen muss. Das erste ist, das ist natürlich, mein Mann sagte immer, das ist natürlich ein sehr, sehr teures Geschenk.
Weil jeder Kollege und Freund, der sich selber mit einem bestimmten Stundensatz bewertet, was Professoren offiziell nicht tun, aber natürlich inoffiziell trotzdem tun, der wird sicherlich eine bestimmte Anzahl Stunden dafür arbeiten. Und wenn es ein interessanter Beitrag ist, wird er eine ganze Reihe von Stunden dafür arbeiten und wenn er das multipliziert, ist das ein sehr teures Geschenk.
Und es ist vielleicht auch ziemlich lästig und es ist manchmal auch so, dass man keine Lust hat. Also mein Mann hat ausdrücklich gesagt, er möchte keine Festschrift, weil er sagt, ich möchte meine Schüler und Freunde damit nicht belasten. Das war vielleicht schade, aber das ist so.
Das zweite ist, eine Festschrift ist ein großes Geschenk, aber dieses Geschenk ist mit einer Art Auflage verbunden. Es gibt nämlich eine Ehrenpflicht, die heute nicht immer noch erfüllt wird, die darin besteht, dass der Jubilar verpflichtet ist, zu jedem einzelnen Beitrag dem Autor einen Brief mit inhaltlicher Reaktion und Auseinandersetzung mit diesem Beitrag zu machen.
Zu schreiben, der nicht kürzer ist als eine ganze Seite.
Was machst du bis 2031?
Ja, ich habe mir das mir überlegt, aber das Interessante ist, dass beispielsweise Herr Canaris mir einen Brief für meinen Festschriftbeitrag geschrieben hat. Der war nicht sehr lang, aber er zeichnet, dass er immerhin geguckt hat, worüber ich mich geäußert hat und dass er es wahrgenommen hat.
Also früher machten die Alten das, heute wird es nicht mehr von allen gemacht, ich werde versuchen es zu machen.
Welche Bedeutung haben Festschriften so allgemein im akademischen, aber vielleicht auch gesamtjuristischen Kosmos, also im Sinne der Wissenschaft, wie sind die einzuordnen, gibt es da irgendwie eine Besonderheit, die man wissen muss? Ich denke jetzt gerade so ein bisschen wieder an die Leute im dritten, vierten Semester, das steht in der Festschrift.
Also, sie werden viel zu wenig gelesen, weil sie manchmal auch schwierig zugänglich sind. Festschriftbeiträge oder Festschriften sind Wundertüten. Manchmal ist nichts Interessantes drin, manchmal ist es total interessant.
In dieser Festschrift für Larenz sind außer dem Beitrag für Canaris noch mindestens fünf weitere Beiträge, die Rechtsgeschichte geschrieben haben. Die Autoren haben sich sehr viel Mühe gegeben und sie haben etwas getan, was man... Als Wissenschaftler häufig nur in der Festschrift macht, sie haben etwas hingeschrieben, was noch nicht zu Ende gedacht war.
Sie haben Kreativität laufen lassen, sie haben mal eine Idee funkeln lassen. In der Festschrift gilt zum Beispiel der Grundsatz, man braucht nicht endlose Fußnotengräber anführen. Man darf auch mal etwas in Frage stellen.
Man darf vielleicht sich auch mal zu etwas äußern, von dem man nicht so viel versteht, wo man nicht Experte ist, wo man aber meint, etwas zu sagen zu dürfen. Man muss nicht so schwerblütig im Stil sein, wie man manchmal denkt, dass man sein muss in gewichtigen Monografien.
Also Festschriften sind für Studierende total interessant, aber leider werden sie selten in die Hand genommen. Ich gebe selbst im Examenskurs bestimmte Festschriftbeiträge immer aus und sage, wenn ihr euch ein bisschen Zeit mal nehmen wollt, was richtig Interessantes zu lesen, dann solltet ihr das hier lesen, das ist viel interessanter als ein Lehrbuch.
Aber heute werden in Zeiten der Digitalisierung natürlich Festschriften viel weniger gelesen, aber man findet da ungeheuer interessante Dinge drin, die wirklich anregend sind. Kommentierungen sind manchmal nicht anregend, oft nicht anregend, die liest man auch nicht so.
Aufsätze sind auch manchmal nicht sehr anregend. In der Festschrift findet man immer eine ganze Reihe von Beiträgen, wo man sagt, das möchte ich gerne lesen.
Na dann sind wir mal alle gespannt, was wir ab nächster Woche so in den Händen halten dürfen. Lass uns zum Abschluss nochmal den Blick in die Zukunft richten. Und da gibt es verschiedene Themen, die ich gerne mit dir besprechen würde. Die erste Frage, was wird sich verändern?
Alles.
Inwiefern?
Ich denke, dass sich zunächst einmal die juristische Arbeit schon wegen KI sehr ändern wird. Viele wollen das noch nicht wahrhaben. Viele denken, dass sich das Ganze beschränken wird auf Rechtsfragen der KI. Wie ist KI mit Datenschutz zu vereinbaren? Was ist mit autonomem Fahren? Wer haftet? Ich glaube, das ist nicht der Punkt.
Das ist ungefähr so, wie sich bei der Einführung der Schreibmaschine zu fragen, wer dafür haftet, wenn der Tastenanschlag kaputt geht.
Ungefähr. Nach meiner Wahrnehmung und auch nach meiner Mitarbeit in einem KI-Projekt für die Justiz geht es um ganz anderes. Es geht zunächst mal darum, welche juristische Arbeit durch KI unterstützt werden kann und darf und vielleicht auch, welche juristische Arbeit unterstützt.
Und was sich im juristischen Arbeiten und auch im juristischen Denken durch KI an sich ändern könnte. Es hat sich schon ganz viel durch die Digitalisierung geändert. Ich bringe ein Beispiel, was natürlich nicht dramatisch ist, aber schon dramatisch ist.
Reichsgerichtsentscheidungen und frühe BGH-Entscheidungen waren ziemlich kurz. Die kann man auch schnell lesen. Heutige sind ganz, ganz, ganz lang. Das hängt damit zusammen, dass man Copy und Paste, endlose Textbausteine hintereinander klatschen kann.
Wenn man die technischen Möglichkeiten nicht hätte und das alles abschreiben müsste, würde man es nicht tun. Übrigens würde man, wenn man es abschreiben müsste, sehr häufig merken, dass das, was man da übernimmt, gar nicht passt und dann würde man es nicht tun.
Aber ich sage mal, das ist nicht rückgängig zu machen. Und ich bin, und ich sage das wertungsfrei, ich glaube, ich bin fest davon überzeugt, dass KI noch Dimensionen entwickeln wird. Ich sage bewusst nicht, dass Dimensionen entwickelt werden, beides.
Aber KI wird sich dann weitere Dimensionen entwickeln, die wir noch gar nicht vorhersehen können. Und es ist ganz unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Juristen davon nicht betroffen werden. Ich glaube auch, dass die im Moment viel zu zurückhaltend sind und vielleicht auch zu wenig mutig zu gucken, was eigentlich ersetzbar ist und was nicht.
Also ich bin fest davon überzeugt, dass das, was wir mit jungen Leuten im Moment machen, noch das unfassbare Ansammeln von Details vollkommener Quatsch ist. Der Jurist der Zukunft wird vor allen Dingen denken können müssen.
Strukturell methodensicher denken müssen. Der muss wissen, was KI kann, können wird, was sie nicht kann. Der muss Skepsis entwickeln im Umgang mit KI und im Umgang mit anderen Autoritäten. Der muss teamfähig sein und zusammenarbeiten mit Entwicklern und mit Technikern.
Kurzum, er muss nicht derjenige sein, der die beste Klausur im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis schreibt. Nun haben wir ja die allgemeine Lebenslüge, wir bieten eine Denkschulung, die an sich so viel wert ist, dass dann der Jurist on the job alles andere sowieso lernt. Und ich halte immer entgegen und sage, warum machen wir dann nicht nur die Gästenanalyse? Wir können im Grunde dann auch römisches Recht machen.
Das ist vielleicht sogar interessanter, als Teile des BGBs heute sind. Um irgendetwas zu wissen, braucht man das nicht alles im Kopf zu haben, aber was man können muss, ist genug davon verstehen, dass man mithilfe von Dingen, die sich entwickeln, KI, die Informationen und Antworten kriegt, die man braucht.
Ich sehe immer, ich mache da so kleine Workshops und ein Herr Möllers Kollege macht große Workshops, KI und Juristerei und ich sehe immer, ich kann als alte Dinosaurierin mit ChatGPT4 deutlich besser umgehen, wie die technikaffinen Digital Natives im dritten Semester, weil ich halt vom Juristischen, von der Struktur viel mehr verstehe als sie. Also wir brauchen den intelligenten Juristen und ich glaube, dass wenn man jemanden sechs Jahre lang schult auf Risiko-Aversität, Absicherungsmodus, Haftung, EBV und Details, dass der nicht nach sechs Jahren plötzlich die Weite des Horizontes bekommt, die ihn fähig macht, mit diesen neuen Herausforderungen fertig zu werden.
Lass uns diese beiden Themen, die wir hier gerade im virtuellen Raum in eurem Ohr liegen haben, mal kurz auseinander dividieren. Das eine Thema ist die Frage, was du gerade schon angeschnitten hast, wie bilden wir die Juristinnen und Juristen der Zukunft aus? Da würde ich gleich gerne nochmal drauf eingehen.
Und das zweite Thema ist das Thema, was verändert sich gerade in der Praxis durch KI? Und zu diesem letzteren Thema würde ich gerne mal folgenden trivialen Gedanken hinzufügen. Wir sprechen viel von Wegrationalisierung, von Entfallen und das hat auch schon mal so einen negativen Touch.
Und da haben vielleicht auch Menschen Angst, vielleicht sogar existenzieller Natur, aber jedenfalls um ein paar Prozent ihres Umsatzes und fragen sich, wie verändert sich das denn? Muss ich da jetzt mitziehen? Ist der Wettbewerber vielleicht schneller als ich? Vor dem Smartphone oder vor dem Handy war aber auch niemand traurig, sein Handy zu Hause vergessen zu haben. Ich will damit sagen, durch jede neue Technologie kommen neue Möglichkeiten, kommen aber auch neue Probleme und neue Herausforderungen mit sich.
Wir wissen vielleicht noch gar nicht, auf welchem Level wir Rechtsdienstleistungen, ich denke das jetzt wieder ziemlich aus der anwaltlichen Brille, erbringen können und was da alles zugehört und welche Probleme auch erst freigeschaltet werden dadurch, neue Probleme, die uns die KI auch nicht abnehmen kann. Dass wir KI jetzt einsetzen, weil wir schneller werden, weil wir effizienter werden, weil wir vielleicht ganz andere Dinge tun, als wir heute tun.
Das bedeutet, so ein technologischer Fortschritt, der ist nicht nur in ganz großen Anführungszeichen, vielleicht sogar wertvernichtend oder wertverschiebend innerhalb des Business of Law, sondern der kann eben auch ganz neue Herausforderungen und damit wieder auch ganz neue Möglichkeiten zur Problemlösung mit sich bringen. Ich will sagen, das hat nicht notwendigerweise einen negativen Touch.
Überhaupt nicht. Also ich bin in der Hinsicht, außerordentlich optimistisch und ich sehe im Moment, dass junge Leute mit durchschnittlichen Examen, die einfach nicht bestimmte Noten erreicht haben, weil sie nicht gerne fünf Stunden Klausuren unter Druck schreiben, die aber durchaus Ordnung im Kopf haben, mit KI und Englisch, das ist das, was ich immer sage, Technik und Englisch, plötzlich Angebote kriegen, die man früher kriegte mit einem Doppelgut und auch erst, wenn man fünf Jahre im Betrieb war.
Es gibt unendlich viele Chancen. Es gibt allerdings viel Bewegung und das ist etwas, was natürlich immer auch Unsicherheit erzeugt. Man muss raus aus der liebgewonnenen Komfortzone. Also nach meiner Wahrnehmung hat sich in den letzten drei Jahren, was die juristische Perspektive und Themen und Aspekte ergibt, mehr geändert als in 50 Jahren, die ich davor erlebt habe.
Davor war eigentlich zwischen 1973, ja gut, ich sag Verbraucherschutz, aber das waren rechtliche Materien, die sich geändert haben. Aber niemand will doch die Zeit der Schreibmaschine zurück und niemand will auch die Zeit ganz ohne Handy zurück. Und niemand will doch Manuskripte wieder mit einem Diktiergerät mühsam übertragen.
Nein, man muss bestimmte Gefahren wahrnehmen, beispielsweise dass sich die Flut des zu Lesenden so vielfältigt, dass dann gar niemand, irgendetwas liest, dass KI-Papiere bauen, die dann von KI gelesen werden und die Menschen eigentlich sagen, warum das Ganze das etwa im Compliance-Bereich scheint mir das ein Problem zu sein dass Prozesse dokumentiert werden müssen sehr ausführlich, das macht die KI Keiner will es mehr lesen, sondern man lässt lesen durch KI und am Schluss fragt man sich, was hat die ganze Aktion nun wirklich gebracht.
Aber insgesamt kann man erstens technischen Fortschritt sowieso nie zurückdrehen, aber zweitens bringt es gerade für Juristen, für denkende Juristen, für Juristen, die kreativ sind, die Spaß haben, ungeheuer viel Chance.
Ich glaube das auch. Das ist gerade eine ganz tolle Zeit, um in diesem Markt, in diesem Beruf unterwegs zu sein. Und ich würde mir wünschen, dass das vielleicht auch Abiturientinnen und Abiturienten entdecken, denn dann haben wir jedenfalls in einigen Jahren weniger Probleme dahingehend, dass wir zu wenig Juristinnen und Juristen haben.
Dazu, dürfte es wahrscheinlich aber auch einer reformierten Juristenausbildung, können jetzt wieder alles anführen, jetzt letzte Woche, nur mal anekdotischer Natur, gab es die neue Studie, dass sich über 90 Prozent der Referendarinnen und Referendare mittleren bis starken psychischen Druck ausgesetzt sehen. Kann man lange drüber diskutieren, will nur sagen, wahrscheinlich wird sich was verändern und wahrscheinlich muss sich auch was verändern.
Wie sähe diese Veränderung aus deiner Sicht denn aus? Was machen wir in der juristischen Ausbildung in Zukunft besser als heute?
Wir brauchen eine effizientere Nutzung der Ausbildungszeit. Bisher ist es so, dass wir, ich übertreibe leicht, aber nur leicht, fünf bis sechs Jahre bis zum Assessor im Wesentlichen mit Lösen von Fällen und Klausuren schreiben verbringen. Meine Erfahrung ist die, das was eine gute Klausur, ein gutes Gutachten in der Klausur ausmacht, was man da können muss, das kann man, aber man kann nur begrenzt was dazulernen.
Es gibt Leute, die haben, ich sage immer, das ist so eine Art juristisches Gehen, die kapieren, wie es geht im zweiten Semester, manchmal im ersten oder die Relationstechnik am ersten Tag der Referendarzeit, wissen sie, was Relationstechnik ist, weil so schwierig ist das nicht oder sie lernen nicht mehr dazu. Wir trainieren aber alle gleichermaßen sechs Jahre auf das, was dann doch nur eine bestimmte Anzahl von Leuten wirklich sehr gut kann und die werden inzwischen gelangweilt und haben auch gar keine Lust mehr, machen zum Teil nicht mehr mit.
Also meine Meinung ist, ich würde nicht alles aufgeben, was wir haben, im Gegenteil, aber ich würde viel mehr selektieren und ich würde maximal die Hälfte mit dem Stoff verbringen, so wie wir es im Moment machen. Also Vorlesung allgemeiner Teil, sondern ich würde überlegen wirklich, was müssen sie können.
Da gehört selbstverständlich das BGB dazu, da gehört das Staatsrecht dazu, da gehören die Grundrechte dazu, da gehört das allgemeine Verwaltungsrecht, was ständig unterschätzt wird dazu. Vielleicht etwas weniger Strafrecht, weil ich immer denke, das nimmt im Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung im Beruf vielleicht eine zu große Rolle ein.
Aber man müsste wirklich gucken, was. Und den Rest würde ich mit anderen Dingen auffüllen. Von Law Clinic über Rechtsphilosophie und Theorie, über Rechtsgeschichte, über Methodenlehre nochmal anders, über Politik, Volkswirtschaft. Man müsste sich Gedanken machen, aber über das, womit der Jurist nachher in der Realität zu tun hat.
Und außerdem würde ich eine Fülle von anderen Formaten einführen und meine Erfahrungen im Kölner Kompetenzzentrum zeigen, dass man da sehr viel machen kann, auch in der Massenuniversität. Die Leute müssen mehr sprechen, die Leute müssen mehr schreiben, nicht Klausuren, sondern schreiben, andere Texte schreiben und die Leute müssen mehr lernen im Team zu arbeiten, nämlich mit anderen zusammen.
Nicht einer macht die Arbeit und die anderen im Team gucken zu, sondern wirklich aufeinander bezogen, arbeitsteilig, vielleicht auch in einer anderen Sprache. Das alles ist meines Erachtens möglich. Aber dafür bedarf es einer Anstrengung, die bisher nicht mal am Horizont zu sehen ist.
Und ich glaube, dass sich da erst etwas bewegt, wenn man wirklich wach wird und sagt, erstens haben wir ohnehin zu wenig gute Juristen und zweitens, es studieren die, die wir haben wollen, nicht mehr Jura, weil ihnen das einfach zu langweilig ist. Ich habe ganz, ganz viele junge Leute, die mir nach dem vierten Semester sagen, passen wir mal auf, ich kann genauso gut was anderes und warum soll ich mir das antun? Und ich sage dann immer, doch, doch, das lohnt schon, weil es eine Fülle von Möglichkeiten nachher gibt, die sie vielleicht sonst so dann auch wieder nicht haben.
Aber wenn ich mir die verlorene Lebenszeit angucke, die damit verbracht wird, Dinge zu lernen, die im Beruf ganz sicher nie wieder selbst gemacht wird. Ich rede nur von Kostenrechnung im Referendardienst, von Zwangsvollstreckung. Grundzüge sollte man können, weil das sachenrechtliche Bezüge hat.
Aber bitte, alles, was später der Volljurist sowieso nie mehr machen wird, das kriegt man mal erklärt, aber man muss es nicht auswendig tun. Jedes Formular, was im zweiten Examen auswendig reproduziert werden muss, was du später jetzt schon aus dem Rechner ziehst, das brauchst du doch nicht zu lernen.
Dann musst du auf den richtigen Knopf drücken, um das Formular zu kriegen. Und da gibt es ganz viele Dinge, aber ich bin im Moment sehr, da bin ich sehr skeptisch, dass sich schnell was lernt, dass sich schnell was ändert und zwar einfach, weil da so viele Beharrungskräfte sind, dass ich im Moment noch keinen Weg sehe.
Es können eigentlich nur die Betroffenen selber, aber die haben ja auch die Freiheit des Exit, die können einfach sagen, da mache ich nicht mehr mit, ich mache was anderes.
Heißt, um es mal konkret zu machen, Open Book Examen jedenfalls im zweiten? Ja klar. Im ersten auch? Ja natürlich.
Ich habe Open-Book-Exams im ersten Semester schon gemacht und das Interessante war, unterm Radar, ich habe das mit dem Prüfungsamt immer so irgendwie abgesprochen und die haben gesagt, okay, was passiert mit dem Open-Book-Exam? Ich habe gesagt, die dürfen alles, alles, alles mitnehmen. Ich würde heute sogar sagen, und von mir aus, aber KI benutzen dürfen sie nicht, weil es ihnen nicht gut tut, das kann man auch kontrollieren.
Warum? Die intelligenten Leute, die schon kapiert haben, wie es geht, die überlegen sich ja, was kann ich eigentlich in zwei, drei, vier, fünf Stunden lesen. Das heißt, die nehmen schon mit, was ihr Gehirn stützt und die können davon profitieren, die werden noch einen Ticken besser.
Die anderen bleiben eigentlich in der Note gleich, wobei das Entscheidende ist ja, dass man das Gedächtnis etwas von dieser dummen Paukerei entlastet und nicht mehr so viel aus dem Gedächtnis verlangt. Es ist einfach Quatsch, dass man den fünften Aufguss eines Streites zur Anfechtung der Innenvollmacht, die es überhaupt nie jemals als praktisches Problem gegeben hat, dass man das immer noch als Hausarbeit stellt, so in einer nordrhein-westfälischen Fakultät.
Was ist mit der doppelten Blindkorrektur von Klausuren?
Es ist gefährlich, weil etwas rauskommen wird, was nicht sein darf. Es wird rauskommen, dass es sehr unerfreuliche Abweichungen gibt. Ich schätze mal zwei Noten, manchmal mehr. So, jetzt würde man sagen, naja, dann sieht man doch, wie ungerecht das ist.
Aber meines Erachtens wird das einen anderen Effekt haben. Die Korrektoren vor lauter Sorge, dass der andere ganz was anderes rauskriegt, werden sich alle im Befriedigend ausreichend finden. Ja, die werden nicht zu guten Noten geben vor lauter Sorge.
Der andere sagt, so ein Quatsch und dem gibst du 13 Punkte oder 14. Und der, der sagt, der ist schlecht, sagt, naja, aber vielleicht weiß ich es doch nicht so genau. Also für meine Begriffe führt das nur zur Verbreihung.
Auf den ersten Blick ist es fairer und auf den zweiten Blick wird es keine guten Effekte haben.
Naja, was du beschreibst, ist ja eine Art spieltheoretisches Problem. Ja, genau. Und das lässt sich aber ja über mehrere Runden und Erfahrungswissen dann doch lösen. Irgendwann, so meine fromme Hoffnung.
Also ich meine, die Doppelkorrektur blind oder nicht ist eigentlich nicht das entscheidende Problem, sondern das Problem ist, dass die Erstkorrektur qualitativ verbessert wird. Und das setzt voraus, dass der Erstkorrektor davon versteht, was er korrigiert, was er häufig nicht tut.
Das ist nicht mehr sein Rechtsgebiet. Theoretisch kann ja jeder Volljurist im ersten Examen alles korrigieren. Ich erlebe auch, dass Staatsanwälte BGB korrigieren und Öffentlich-Rechtler Strafrecht und so. Das ist ja schon der blanke Quatsch.
Und zweitens, dass da eine Sicherheit qua Musterskizze vermittelt wird, die es gar nicht gibt. Wenn da immer drüber steht, ist es selbstverständlich nicht vollständig, ist ja alles Quatsch. Wenn da 20 Seiten steht, dann wird der schnell arbeitende Praktiker ein Häkchen machen.
Das heißt, die eigentliche Reform muss in der Erstkorrektur ansetzen. Und jetzt sage ich was, was gar nicht populär ist, weil es auch schwierig umzusetzen ist, dafür muss die Erstkorrektur besser bezahlt werden. Die muss besser bezahlt werden und zweitens muss bei der Erstkorrektur irgendwie gewährleistet sein, dass derjenige, der korrigiert, sich wirklich geistig mit dem Fall beschäftigt und nicht nur einfach sagt, wie komme ich da am schnellsten durch.
Für meine Begriffe sind in vielen Fällen Erst- und Zweitkorrektur völlig unterkomplex, weil sie einfach nur gucken, gesehen, gesehen, gesehen, gesehen und nicht die Zeit und nicht die Intensität der Auseinandersetzung mitbringen können. Und dann kommt eins hinzu, das Allerwichtigste sind, die Fälle müssen anders werden.
Das sind Fälle, die insbesondere die sogenannten Musterskizzen, also ich habe einen Vorschlag, den ich immer wieder bringe, es müsste Best Practice sein, dass ein Mitglied des Prüfungsamtes ohne Kommentar fünf Stunden in ein Zimmer geht und unvorbereitet die Klausur selber schreibt. Und das, was da rauskommt, ist der Standard für acht Punkte.
Und ich garantiere, dass die Damen und Herren Richter, die da in den Prüfungsämtern sitzen, sehr häufig es nicht können.
Nach nicht ganz anderthalb Stunden, muss ich sagen, ist das ein phänomenal schönes Schlusswort. Deswegen hören wir jetzt hier einfach auf. Vielen, vielen herzlichen Dank, Barbara, für alles und für das offene Wort, für deine Vorbildfunktion, für deine guten Vorschläge und weiterhin alles Gute.
Herzlichen Dank.
Tschüss. So und jetzt gibt es einen kleinen Nachklapp, den sozusagen nur ihr noch mitbekommt. Wir haben ein kleines logistisches Problem und zwar, die Folge erscheint jetzt ja am 22.04. Und in einer Woche ist die Festschriftübergabe und danach gibt es noch etwas, über das ich jetzt noch nicht sprechen kann.
Guckt mal in die Shownotes des Podcasts, wenn ihr das später hört und wenn ihr das jetzt direkt bei Veröffentlichung des Podcasts hört, dann schaut in einer Woche nochmal vorbei, könnt uns auch gerne auf Social Media followen, da werden wir das auch nochmal posten. Ich kann es leider jetzt gerade noch nicht konkreter verraten.
Bis dann, tschüss.