IMR1127. Aug 18
IMR011: Organisierte Kriminalität, Ermittlungsverfahren und Kriminalstatistik | Interview Staatsanwalt

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IMR011: Organisierte Kriminalität, Ermittlungsverfahren und Kriminalstatistik | Interview Staatsanwalt

Andreas Mittelbach, Staatsanwalt | StA Berlin

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Über diese Episode

Folge 011 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Intro & Karrierebeginn - Aufgaben der StA - StA vs Beschuldigtenrechte - Der Ermittlungsalltag - StA in Berlin vs "plattes Land" - Kriminalstatistik - Amtsanwaltschaft - (Kein) typischer Täter - Der Fall Rottmann - Das richtige Strafmaß finden - Die frechste Lüge - Sitzungsdienst bei der StA

IMRechtsmarkt Episode 11: Erfahre mehr über die spannende Arbeit der Staatsanwaltschaft und die Herausforderungen im Strafrecht. Diese Folge gibt Einblicke in den Ermittlungsalltag und die Arbeit in verschiedenen Regionen.

Kapitel:

  • 00:10 - Intro & Karrierebeginn
  • 01:52 - Aufgaben der StA
  • 03:42 - StA vs Beschuldigtenrechte
  • 05:09 - Der Ermittlungsalltag
  • 09:25 - StA in Berlin vs "plattes Land"
  • 11:40 - Kriminalstatistik
  • 13:21 - Amtsanwaltschaft
  • 14:40 - (Kein) typischer Täter
  • 19:42 - Der Fall Rottmann
  • 24:30 - Das richtige Strafmaß finden
  • 27:18 - Die frechste Lüge
  • 30:45 - Sitzungsdienst bei der StA

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Andreas Mittelbach

Andreas Mittelbach

Kapitel

  • 00:00:10.000Intro & Karrierebeginn
  • 00:01:52.000Aufgaben der StA
  • 00:03:42.000StA vs Beschuldigtenrechte
  • 00:05:09.000Der Ermittlungsalltag
  • 00:09:25.000StA in Berlin vs "plattes Land"
  • 00:11:40.000Kriminalstatistik
  • 00:13:21.000Amtsanwaltschaft
  • 00:14:40.000(Kein) typischer Täter
  • 00:19:42.000Der Fall Rottmann
  • 00:24:30.000Das richtige Strafmaß finden
  • 00:27:18.000Die frechste Lüge
  • 00:30:45.000Sitzungsdienst bei der StA

Über StA Berlin

Die Staatsanwaltschaft Berlin ist die größte Strafverfolgungsbehörde Deutschlands und gehört zur Justiz des Landes Berlin. Am zentralen Standort in der Bundeshauptstadt arbeiten rund 1.000 Menschen, darunter gut 400 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Das Aufgabenspektrum reicht von Alltagskriminalität bis zu komplexen Wirtschafts-, Organisierte- und Cybercrime-Verfahren, womit sich gerade für junge Juristinnen und Juristen spannende Spezialisierungsmöglichkeiten eröffnen. Wer wissen will, wie sich Staatsanwältinnen den Herausforderungen einer pulsierenden Metropole stellen, sollte unbedingt in unsere Podcastfolge reinhören – dort gibt’s den Blick hinter die Kulissen!

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Betrüger sind oft sehr sympathisch und eloquent. Sie schaffen es, eine Gesprächsharmonie herzustellen, und genau deshalb sind sie erfolgreiche Betrüger – bis sie schließlich bei uns landen.

Sneak Peak – Q&A mit Andreas Mittelbach

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:09 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge Irgendwas mit Recht, heute aus Berlin und ich spreche mit Staatsanwalt Andreas Mittelbach.

0:16 Min
Andreas Mittelbach:

Guten Morgen. Ja, guten Morgen, Herr Ohrendorf.

0:19 Min
Marc Ohrendorf:

Ich grüße Sie. Sie sind Staatsanwalt hier in Berlin. Wie ist es denn dazu gekommen?

0:24 Min
Andreas Mittelbach:

Das ist leider in Anführungsstrichen mittlerweile schon 25 Jahre her. Im Jahre 1993, immer noch große Umbruchzeiten. Die Staatsanwaltschaft Berlin suchte Juristen und hatte auch eine Ausschreibung gemacht. Ich habe mich gemeldet und ganz schnell den Job hier auch bekommen und bin eben seit 1993 hier in Berlin bei der Staatsanwaltschaft tätig.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und wie der allgemeine Ablauf so ist, kam man natürlich damals erst in ein sogenanntes Buchstabendezernat.

0:57 Min
Marc Ohrendorf:

Was ist das?

0:58 Min
Andreas Mittelbach:

Das heißt, muss man sich so vorstellen wie bei Ärzten. Praktischer Arzt, der macht Blinddarm, Beinbruch, Armbruch, also alles Mögliche, was eben nicht speziell ist. Und demzufolge eben auch hier Buchstabendezernat heißt, alle Delikte, die nicht speziell einer Spezialeiner zugeordnet sind, wie Wirtschaft, Sexualdelikte, Raub und Mord und sowas.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also Buchstabendezernat ist das Grundgesetz, der Straftaten auch, Körperverletzungen und alles mögliche. Und da wird man als Anfänger dann auch eingesetzt in der ersten Zeit und in so einer Buchstabenabteilung habe ich damals hier begonnen.

1:40 Min
Marc Ohrendorf:

Können Sie vielleicht nochmals, auch für diejenigen Hörerinnen und Hörer, die sich vielleicht noch nicht so ausführlich in ihrem Studium mit der StPO beschäftigt haben, die typischen Aufgaben der Staatsanwaltschaft skizzieren?

1:51 Min
Andreas Mittelbach:

Typische Aufgaben der Staatsanwaltschaft? Staatsanwaltschaft... Nicht so wie meist in Funk und Fernsehen dargestellt, hat ein großes Büro und eine Sekretärin, sondern es ist viel praktische Arbeit und Ziel. Ziel der Staatsanwaltschaft ist natürlich, wie es so schön heißt, Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, das heißt Strafverfolgung, also Ermittlung der Tat und dann den entsprechenden Beschuldigten zur Anklage bringen und auch ein Urteil erwirken und letztendlich dann auch die Strafvollstreckung.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also sprich, Strafvollstreckung, Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und da muss man auch darauf achten, da bewegt man sich natürlich immer in einem Spannungsfeld, was natürlich die Studenten noch mehr präsent haben als später in der Praxis, ohne zu sagen, dass es vielleicht ganz verloren geht. Grundrechte.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Sehr wichtig, dass eben dieses Spannungsfeld zwischen dem Strafanspruch, der durchgesetzt werden soll und andererseits eben die Grundrechte und insbesondere Beschuldigtenrechte, die hier in einer gewissen Balance gesetzt werden müssen und insbesondere keine Strafdurchsetzung des Strafanspruchs, Strafvollstreckung um jeden Preis, ist eben begrenzt. Dass durch Grenzen, an die man stößt, die im Rahmen der StPO durch Beweisverwertungsverbote festgelegt sind, dass eben nicht mit allen Mitteln hier der Zweck heilig die Mittel, kann man da nicht sagen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Strafvollstreckung betrieben wird, sondern es endet immer da, wo eben Grundrechte und insbesondere Beschuldigtenrechte tangiert werden. Da muss man gucken, dass sich da die Balance hält und schlimmstenfalls lässt sich der Strafanspruch eben nicht durchsetzen. Die Strafverfolgung, wenn man an Beweisverwertungsverboten oder sonstigem scheitert, das ist dann halt manchmal so.

3:43 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist ja ganz spannend. Also zum einen, dass es jetzt nicht nur darum geht, ich sag mal, um jeden Preis Strafansprüche auch zu vollziehen, beziehungsweise zu urteilen zu gelangen, sondern eben auch, man hört es ja auch schon bei dem Studium, die Staatsanwaltschaft als objektivste Behörde der Welt, da entsprechende Beschuldigtenrechte zu wahren.

4:02 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, ganz wichtig bei der Gelegenheit, man mag es kaum glauben, steht auch ausdrücklich in der Strafprozessordnung, also wenn man da mal reinschaut, Paragraf 160 Absatz 2, die Staatsanwaltschaft hat nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu ermitteln. Was hier in der Praxis ziemlich, ja muss mich vorsichtig ausdrücken, ziemlich verloren gegangen ist.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Hauptziel ist eigentlich hier belastende Umstände zu ermitteln, um eben den Täter zu überführen. Aber in der Strafprozessordnung als solches und daher kommt eben auch... Der Ausdruck, die Staatsanwaltschaft als objektivste Behörde der Welt, auch objektive Umstände, natürlich entlastende Umstände, die für den Beschuldigten sprechen und eventuell dann eben zu einer Einstellung oder zu einem Freispruch führen, ist die Staatsanwaltschaft von Amts wegen quasi verpflichtet, auch das zu ermitteln.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und das kann man eigentlich gar nicht oft genug mal wieder in Erinnerung rufen, weil das in der Praxis doch manchmal verloren geht.

5:09 Min
Marc Ohrendorf:

Wie sieht denn so eine Ermittlung bzw. ein typischer Tag von Ihnen aus? Muss man sich das so vorstellen wie im Fernsehen? Sie hatten es eben schon angesprochen, wahrscheinlich ja nicht. Was machen Sie denn, wenn Sie ermitteln?

5:22 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, also der typische Tag, ich komme in mein Büro, habe da meistens schon halt Berge von Akten liegen. Also es ist viel Büroarbeit, Papierkram, dass man eben in den Akten arbeitet und Briefe diktiert oder sonstige Sachen, um das Verfahren voranzubringen aus den Akten.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also wie beim Anwalt eben auch anhand seiner Akten, dass Groh die Sache bearbeitet. Und daneben natürlich, und das ist natürlich auch spannender und interessant. Viele Besprechungen mit Polizeibeamten oder bei mir im speziellen Bereich in der Wirtschaftskriminalität eben auch mit Finanzbeamten, Steuerfahndern, dass die zu mir ins Büro kommen, wir uns zusammensetzen und ja, wie auch in so einer Krimiserie, dass wir ja so am Konferenztisch manchmal sitzen und die weitere Vorgehensweise in den Ermittlungen besprechen, ob man eventuell irgendwo durchsucht, ob man eine Telefonüberwachung startet, ob man Observationen startet, also quasi so eine Art Schlagplan für das Verfahren entwickelt im Gespräch.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also und auch ich selbst mache so manchen Außeneinsatz, dass ich eben auch zu den entsprechenden Ermittlern hinfahre ins LKA oder zur Steuerfahndung und dass man eben da bei den Kollegen vor Ort bespricht, wo eben auch das ganze Material, dann sitzt man dort im Büro und die haben im Hintergrund ungefähr 500 Leitsordner, die sie in der Sache schon sichergestellt haben und ausgewertet werden müssen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und in dieser Atmosphäre bespricht man dann das weitere Vorgehen, wie eben in dieser Sache gehandhabt werden soll.

7:05 Min
Marc Ohrendorf:

Wie oft kommen solche Außeneinsätze vor?

7:08 Min
Andreas Mittelbach:

Ab und zu, vielleicht so alle zwei, drei Monate so ein Außeneinsatz. Es gibt allerdings auch spannendere Außeneinsätze beispielsweise und ich denke mal, das hätten Sie mich noch gefragt, aber dann antworte ich einfach mal Durchsuchungsaktionen. Also da...

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Kann man natürlich als Staatsanwalt mitgehen, Organisation macht die Polizei, man selber geht eigentlich nur mit, trägt die Verantwortung und guckt sich die Sache mehr oder weniger von oben an. Man ist also bei solchen Durchsuchungsaktionen auch ziemlich behütet, die eigentliche Arbeit in Anführungsstrichen macht die Polizei dann unter Umständen mit Uniformierten, wenn es ein bisschen heftiger wird, Aber ansonsten eben mit den Kriminalbeamten, die auch die entsprechenden Vorkehrungen da treffen, dass man eben morgens um sechs da klopft, privat oder eben auch in dem Büro, je nachdem, wann es aufmacht und sagt so, herzlichen guten Tag, hier ist die Staatsanwaltschaft, hier ist der Durchsuchungsbeschluss und jetzt arbeitet mal keiner weiter und wir werden hier Ihren Laden in Anführungsstrichen vorsichtig auseinandernehmen und auch bitte da hinten nicht mehr telefonieren.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das ist ganz spannend für einen Staatsanwalt, da kann man mitgehen, wenn man will und die Zeit hat und sich von den Akten freigeschaufelt hat und ich habe das also des Öfteren in Anspruch genommen und mir die Freiheit genommen, dass ich da eben mitgehe und vor Ort mitkriege, was eigentlich, wie das praktisch läuft. Und ganz wichtig, dass man auch mal sein Klientel, seine Beschuldigten, die Leute, gegen die man da ermittelt, dass man die mal persönlich sieht.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Die sehe ich ja sonst gar nicht. Oder viele meiner Kollegen, was ich anfangs sagte, man arbeitet aus den Akten, hat dann Namen vom Beschuldigten und schreibt dann noch irgendwann die Anklage, hat den nie gesehen. Aber umgekehrt, wenn ich bei einer Durchsuchungsaktion war oder so und weiß, schon mal um wen es da geht, weil ja meistens dann die Beschuldigten, wenn die Geschäftsführer sind, ich spreche jetzt immer gern vom Wirtschaftsbereich, auch anwesend sind, dann hat man die schon mal kennengelernt und geht dann vielleicht auch ganz anders an die Sache ran, wenn man weiß, in Anführungsstrichen, gegen wen man da gerade seine Ermittlungen führt.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das ist schon sehr wichtig und kann ich also eigentlich nur Kollegen empfehlen, wenn sich die Möglichkeit bietet, dass man bei den Durchsuchungsaktionen da mitgeht und so.

9:25 Min
Marc Ohrendorf:

Inwieweit sieht denn die Arbeit als Staatsanwalt hier in Berlin anders aus als, ich sag mal, auf dem platten Land?

9:31 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, äh. Ganz anders. Also ich habe das mitgekriegt bei verschiedenen Fortbildungen. Beispielsweise, ich weiß nicht, ob jetzt das richtige Beispiel ist. Ich meine, die Staatsanwaltschaft Landshut, ganz unten in Bayern, ich glaube, die ist so groß wie unsere halbe Wirtschaftsabteilung.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also ich glaube, da sind 20 oder lass es 30 Staatsanwälte sein, die sind schon eine ganze Staatsanwaltschaft. Hier ist unsere Hauptabteilung Wirtschaft besteht aus sechs verschiedenen Unterabteilungen und da in jeder Abteilung rund acht Leute. Also wir sind schon 50 Leute in der Wirtschaftsabteilung, Hauptabteilung Wirtschaft, quasi zweimal die Staatsanwaltschaft Landshut.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das macht quasi die Dimension klar. Berlin, größtes Kriminalgericht Europas, ist der Brennpunkt, ist der Schwerpunkt. Also die Fälle, verteilt auf die ganze Staatsanwaltschaft, haben wir hier natürlich mehrere tausend Fälle, die wir hier bearbeiten und eben auch die Möglichkeit, was vielleicht schon durchgekommen ist, dass wir uns hier spezialisieren können.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also wir haben Spezialabteilungen in der Wirtschaft, die sich nur mit Steuern befassen, nur mit Geldwäsche befassen oder dann wiederum nur mit Insolvenzrecht und auch sonstige diverse Spezialabteilungen, die sich also auf Kriminalitätsphänomene spezialisieren können. Und umgekehrt, Staatsanwaltschaft auf dem Plattenland oder im Gebirge oder in der Provinz, die müssen eben alles machen und dann wird dann auch Steuern und Wirtschaft von dem Kollegen gemacht, der dann auch danach gleichzeitig einen Raub oder sonstiges bearbeitet, ohne das jetzt irgendwie zu bewerten.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also die müssen alles machen und wir hier in unserem großen Laden können uns spezialisieren, haben natürlich auch viel mehr Fälle. Das ist also quasi der Unterschied, dass man hier wie eingangs dieses Beispiel in der Ärzteschaft, ich denke mal so diese Provinzstaatsanwaltschaften sind so Polykliniken, der Begriff aus der DDR, da gibt es alles und wir hier sind halt speziell.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und ich betrachte mich hier eher vielleicht wie so ein Röntgenarzt oder so, also so speziell.

11:43 Min
Marc Ohrendorf:

Sie haben gerade schon angesprochen, die Anzahl der Straftaten, die Sie hier in Berlin dann auch letztlich bewältigen. 520.437 Straftaten wurden im letzten Jahr in Berlin erfasst, was eine leicht rückläufige Quote übrigens darstellt. Hiervon sind übrigens nur 91 Tötungsverbrechen.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Vielleicht auch ganz interessant für unsere Zuhörerinnen. Da fragt man sich, wo liegt denn das Gros der Straftaten? Was ist denn so das Häufigste?

12:12 Min
Andreas Mittelbach:

Das Häufigste ist Feld, Wald und Wiesen. Diebstähle, besonders schwere Diebstähle, Einbrüche, sonstige Seiten, Körperverletzungen, Schwarzfahren, obwohl das nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern hier speziell von der Amtsanwaltschaft behandelt wird, ja hier und da mal ein Raub, Urkundenfälschung, also diese ganzen in Anführungsstrichen Allerweltsdelikte, die machen das grob aus. Und auch nochmal hier das Beispiel mit 91 Tötungsdelikten.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Auch wieder nicht so wie im Fernsehen. Hier passiert nicht jeden Tag ein Mord. Also es ist schon sehr selten. Und wenn Tötungsdelikte aufkommen und es ist natürlich dann auch durch die Presse oder so nach außen propagiert, das ist schon sehr selten.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und ich, meistens ist es dann irgendwie auch im Obdachlosenmilieu, dass der eine dem anderen vielleicht mal den Schädel eingeschlagen hat, weil die sich um eine Flasche Schnaps gestritten haben. Der klassische spannende Mordfall, wie man es aus dem Fernsehen kennt oder so, das ist ganz, ganz selten hier.

13:21 Min
Marc Ohrendorf:

Sie hatten gerade die Amtsanwaltschaft angesprochen. Das ist noch eine Besonderheit,

13:24 Min
Andreas Mittelbach:

Die es hier gibt? Ja, eine Besonderheit, die gibt es in Frankfurt, glaube ich, und in Berlin. Das sind quasi... Kleine Staatsanwälte, das sind fortgebildete Rechtspfleger, die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit ausüben können für bestimmte Delikte, Privatklagedelikte, Beleidigung, Nötigung und auch teilweise so Verkehrsdelikte und auch Betrugsdelikte bis zu einem gewissen Schadensrahmen von glaube ich 2000 oder bis 5000 Euro.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also die bearbeiten auch das Gros der Straftaten, aber eben hauptsächlich, wie gesagt, Privatklagedelikte oder sonstige Delikte, die eben nicht so eine große Relevanz haben, aber eben auch um uns den Rücken freizuhalten. Also die Amtsanwaltschaft in Berlin hat eben auch ein enormes Pensum und ich denke hier, was Sie gerade sagten, über 500.000 erfasste Straftaten, da sind bestimmt zwei, also die Hälfte dieser Straftaten ist im Bereich der Amtsanwaltschaft dann wohl angegliedert, weil es eben doch kleinere Sachen sind, die aber auch richtige staatsanwaltschaftliche Kompetenz haben und die Sachen auch dann vor Gericht vertreten.

14:39 Min
Marc Ohrendorf:

Könnten Sie vielleicht auch nur für Ihren Bereich sagen, dass es einen typischen Täter gibt? Also wenn Sie jemanden skizzieren müssten, wie sieht der aus?

14:47 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, schwierig. Also typischer Täter, jeder von uns kann Täter sein. Und mein Bereich, ich hatte es schon angedeutet, ich bin im Bereich Wirtschaft, hauptsächlich Steuerdelikte und Zollvergehen. Und im Bereich der Wirtschaft, also Steuerhinterziehung, Und ich will mal sagen, in jedem von uns steckt potenziell ein Steuerhinterzieher.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das sieht man den Leuten nicht an. Die sind meistens sympathisch. Das sind Leute, mit denen man sicher auch Kontakt hat. Oder ich habe mal früher gesagt, dass die Klientel, die ich hier habe, die Steuerhinterzieher, das könnten auch befreundete Bekannte meiner Eltern sein oder mit denen war man bestimmt schon mal essen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das sind quasi Leute wie du und ich, der Steuerhinterzieher als solches, das sieht man ihm ja nicht unbedingt an. Und gerade Steuerhinterziehung im Kleinen, wenn man ehrlich ist und hat vielleicht mal das ein oder andere Buch auf seiner Steuererklärung angegeben, was eigentlich gar nicht irgendwie dienstlich oder sonst wie veranlasst war, da fängt es dann schon an.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das muss sich immer im Bereich von Uli Wöhnis liegen, ja. Also kurz zusammengefasst, im Wirtschaftsbereich kann eigentlich jeder, der Geld braucht. Zum Straftäter werden.

16:00 Min
Marc Ohrendorf:

Vielleicht gehen wir aber noch mal kurz darauf ein, ob man mit dem einen Buch nicht, dass jetzt alle so viel Angst bei ihrer Steuererklärung haben, schon bei der Staatsanwaltschaft landet. Also wann ist das denn für Sie relevant?

16:12 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, also es kommt darauf an. Also das ist insofern relevant. Ich hatte auch schon mal einen Fall, wo der, Bademeister als Arbeitsmaterial den Bikini seiner Frau absetzen wollte. Ich hatte auch schon mal einen Fall, wo ein Lehrer die Studienbücher seiner Tochter für sich absetzen wollte, obwohl es ein ganz anderes Fach war und so.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das kam, weil eben die Finanzbeamten, je nachdem, wenn sie personal verstärkt sind, eben auch sich die Mühe machen, um mal genauer hinzugucken. Natürlich landet nicht jeder, der sein Arbeitspapier oder seine Kopierkosten, fiktiv hochgeschraubt hat in der Steuererklärung bei mir auf dem Tisch.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Ist nur mehr so ein moralischer Appell, dass man, wenn man über andere richtet und was eben auch in der Bevölkerung inzwischen viel passiert, erstmal vielleicht bei sich guckt und so, ob man da alles richtig macht. Aber ansonsten Steuerhinterziehung als solches landet bei mir nur auf dem Tisch, wenn es im größeren Bereich ist und da eben hauptsächlich, oder meistens im wirtschaftlichen Verkehr entweder der Unternehmer, der seine Einnahmen nicht richtig erklärt hat oder sonstige Scheinfirmen in Anführungsstrichen, also die Firmen, die es gar nicht gibt, erst recht nicht den Warenverkehr, den die angeblich haben Und schon gar nicht die Scheinrechnung, die dann steuerlich geltend gemacht werden.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also alles fiktive Luftschlösser, solche Geschichten, die habe ich auf dem Tisch.

17:31 Min
Marc Ohrendorf:

Weil Sie gerade auch schon die Bevölkerung ansprachen, ein Begriff, der auch immer wieder fällt im Zusammenhang mit der Staatsanwaltschaft, sind Intensivtäter, gerade auch in Berlin. Können wir vielleicht da nochmal ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, was das eigentlich genau meint?

17:45 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, Intensivtäter, das war so eine Idee, die ist inzwischen glaube ich auch schon 15 Jahre her, also Anfang der 2000er Jahre hat sich das entwickelt, um…. Naja, also steigender Kriminalität aus dem Bereich der Jugendlichen oder Heranwachsenden, weil sich da eben aus gewissen Kreisen, sage ich mal, Täter hervorgetan haben, die hier immer wieder aufgefallen sind.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Die waren teilweise eben auch bestimmten Familien zuzuordnen oder aus einem speziellen Klientel. Und um diese sich dort leider entwickelnden Täter und deren kriminelle Karriere möglichst unter Beobachtung zu halten oder versuchen dagegen zu wirken, hat man eine Intensivtäterabteilung eingerichtet mit Staatsanwälten, die quasi fast so eine Art Stammkundendatei hatten.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also im Prinzip immer dieselben Täter, die inzwischen vielleicht schon 15 bis 20 Mal verurteilt wurden, entsprechend da viele Eintragungen im Register haben. Ich glaube zum Intensivtäter steigt man erst auf, stieg man auf, wenn man so 10, mindestens 10 Eintragungen im Register hatte, dann wurde man in dieser speziellen Abteilung als beschuldigter Täter behandelt und hatte quasi seinen eigenen Staatsanwalt, der einen immer wieder begleitet und strafrechtlich verfolgt.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und diese Intensivtäterabteilung gibt es also heute teilweise auch noch und inzwischen sind, ist schon fast lustig, die Intensivtäter sind auch älter geworden, sind jetzt nicht mehr im jugendlichen oder heranwachsenden Bereich. Sondern auch noch in Anführungsstrichen als Intensivtäter im Erwachsenenbereich fleißig tätig und unzählige Male verurteilt und aber werden immer noch in der gleichen Abteilung behandelt, in der Intensivtäterabteilung.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Ja.

19:36 Min
Marc Ohrendorf:

Sie sprachen eben schon den Bademeister, der den Bikini von seiner Frau von der Steuer absetzen wollte, an. Können Sie vielleicht nochmal ein, zwei andere spektakuläre Verfahren, die Sie so hatten, in den Jahren skizzieren oder aufzeigen?

19:49 Min
Andreas Mittelbach:

Ähm, ja. In meiner Tätigkeit hier in der Wirtschaftsabteilung war ich vor, na, inzwischen schon zehn Jahre her auch noch eingesetzt als Abwickler für Strafverfahren aus der hier extra gegründeten Staatsanwaltschaft 2, Zwei, die sich mit den Straftaten, sogenannten Wände, nach der Wände befasst haben. Straftaten nach der Wände im Zusammenhang mit Immobilienschiebereien, mit Betrügereien, mit und ohne Treuhand, gegen die Treuhand.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also diese ganzen wirtschaftlichen Straftaten, die nach der Wiedervereinigung begangen wurden. Und da kann ich mich an einen spektakulären Fall erinnern, der auch durch die Presse geht. Und wenn man mag, kann man das auch googeln mit meinem Namen und dann fällt der Name Rottmann.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das war also ein Geschäftsmann aus Essen, ein Babcock-Manager, der sich zur Aufgabe macht, ach, ich will mal eine große Firma haben und hat hier dann zusammen mit Schweizer Kollegen, hat also so eine kleine Gruppe gebildet, eine Käuferinteressengemeinschaft, hat hier die WBB-Wärmeanlagenbau gekauft. 1992, also das größte Kraftwerksbauunternehmen, was die DDR noch zu bieten hatte, die Millionen von Grundstücken im Rücken hatten, von Leipzig angefangen, bis hier in Berlin in bester Lage.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und der Clou war einfach schon, am Anfang ging es damit los, dass diese Käufergemeinschaft den Kaufpreis als solches für diese Firma, die waren nur knapp zwei Millionen, mit wie auch immer die das hingekriegt haben. Mit Krediten, mit belasteten, die haben die Grundstücke dieser Firma belastet, um im Vorhinein, um den Kaufpreis davon zu finanzieren.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Haben also quasi gar nichts bezahlt für die Firma. Natürlich lief das alles kollosiv mit den ehemaligen Geschäftsführern auf der anderen Seite, auf der Verkäuferseite, die da alle miteinander mitgemischt haben. Und lange Rede kurzer Sinn, diese Firma wurde also gekauft von dem Beschuldigten und später Angeklagten Herrn Rottmann und nach kurzer Zeit, also nach zwei Jahren, kam dann die Insolvenz und die hatte den Hintergrund, dass quasi aus der Firma, was von vornherein die Absicht war, nicht die weiterzuführen, 500 Arbeitsplätze zu erhalten, sondern einfach nur das Geld rauszuziehen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und sämtliche Grundstücke, die ich gerade nannte, die im Besitz dieser Firma waren, waren auf einmal im Besitz einer Schweizer Hintergrundfirma, die von dem beschuldigten Rottmann hier geleitet und kontrolliert wurde. Das war ein sehr spektakulärer Fall, insbesondere weil man ihm nicht gleich auf die Schliche kam, sondern es hat gut zehn Jahre oder acht Jahre gedauert und er hat sich acht Jahre in England in Anführungsstrichen versteckt, bis man ihn dann mit einem Auslieferungsersuchen endlich herholen konnte.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Nach acht Jahren kam es zum Urteil und letztendlich hat er eine Freiheitsstrafe von knapp vier Jahren bekommen, Die allerdings dann in der Revision beim BGH aufgehoben wurde, die Verurteilung, weil irgendwo leider ein Formfehler war. Die ganze Sache sei nämlich verjährt, weil im Auslieferungsverfahren nicht ich, aber andere Stellen wohl einen Formfehler gemacht haben und mit der Folge, dass dann doch Verjährung eingetreten ist in diesen acht Jahren und man hätte ihn nicht mehr verurteilt, verurteilen können.

23:20 Min
Marc Ohrendorf:

Wurde einem das persönlich?

23:22 Min
Andreas Mittelbach:

Nicht wirklich. Nicht wirklich. Ich habe getan, was ich konnte. Es war nicht letztendlich mein Verschulden. Der Mann hat seine Strafe bekommen, weil er hatte ein unruhiges Leben, hatte auch kein Geld mehr.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Wir hatten quasi ein Urteil und ich bin heute auch noch gar nicht davon überzeugt, dass das alles so richtig war mit dem Formfehler. Da konnte man sich drüber streiten, weil irgendwas am Auslieferungsersuchen teilweise mal zurückgenommen und dann nicht wieder neu gestellt war.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das wurmt mich insofern nicht. Das ist auch eine gute Frage, die Sie da stellen, Herr Ohrendorf, ob mich überhaupt als solches. Natürlich bin ich hier persönlich engagiert, aber nicht dermaßen, dass ich nicht schlafen kann.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Wenn ein von mir Angeklagter nicht so verurteilt wird, wie ich mir das vorgestellt habe. Es ärgert mich vielleicht ein bisschen, aber ich kann das gut trennen und nehme das dann nicht so persönlich, dass ich dann monatelang schlecht gelaunt bin, weil ein, zwei Verfahren nicht so geendet haben, wie ich mir das gedacht habe.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das muss man schon trennen.

24:28 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, gehen wir vielleicht nochmal auf das Strafmaß generell ein, denn das ist ja oftmals das, was die Bevölkerung auch mitnimmt von so einem Verfahren. Die haben keinen Einblick in die Akte, waren auch nicht während des Hauptverfahrens dabei, sondern hören nur, ja, okay, dann gab es für Delikt X Strafe Y.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Manchmal erscheint es schwierig oder schwer vermittelbar zu erklären, wo denn der Bewertungsunterschied von einer zweijährigen Bewährungsstrafe zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe liegt, die dann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird. Können Sie hier vielleicht noch Licht ins Dunkel bringen zu dieser Thematik?

25:04 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, also dass das schwer nachvollziehbar ist, kann ich mir gut vorstellen. Es ist eben die Gesetzessystematik und die eben auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung immer wieder so auch in Erinnerung gerufen wird, dass eben wenn man hier mit Straftaten auffällt, es ein gewisses Steigerungsverhältnis gibt. Wenn man Glück hat, zu Beginn vielleicht beim ersten Mal eine Einstellung bekommt, dann vielleicht beim nächsten Mal ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe und wenn man also schon zwei, drei, vier Mal hier aufgefallen ist, ist eine Freiheitsstrafe angesagt, die allerdings, wenn es um Freiheitsstrafe geht, immer als erste Frage sich stellt, bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das ist dann quasi fast ein Automatismus. Wenn es die erste Freiheitsstrafe ist, wird die zur Bewährung ausgesetzt. Und wenn es allerdings dann schon fünf, sechs Mal eine Freiheitsstrafe gab mit Bewährung, also man kann auch zwei bis drei Mal hintereinander Bewährung bekommen, dann bekommt man eine unbedingte Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das heißt, wenn ich also eine Freiheitsstrafe zwei Jahre bekomme, die zur Bewährung ausgesetzt ist, ist das immer noch in Anführungsstrichen ein weniger, als wenn ich dann beim fünften, sechsten Mal eine Freiheitsstrafe bekomme. Ein Jahr und fünf Monate oder ein Jahr ohne kriege.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das ist natürlich härter, obwohl es von der Summe her weniger erscheint, aber ist es härter. Und es ist eben dieses Steigerungsverhältnis, dass man zunächst, bevor man eine unbedingte Freiheitsstrafe, bevor man hier richtig in den Knast kommt, muss man schon ganz schön was gemacht haben.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also das ist so der Unterschied. Und wie gesagt, Bewährung gibt es auch nur bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Wenn man eine Freiheitsstrafe von drei Jahren bekommt, stellt sich ja die Frage der Bewährung gar nicht.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Aber ansonsten, Bewährung wird gewährt, wenn man eben, nach Geldstrafe gibt es Bewährung, dieses Steigerungsverhältnis. Also wenn da nicht irgendwelche besonderen Umstände dahin zukommen, dass es eine ganz brutale Tat war oder sonstige Sachen, die eine Bewährung verbieten, bekommt eigentlich jeder erstmal Bewährung, bevor er wirklich in den Knast kommt.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und wenn er die durchsteht, ist das dann auch erledigt und wenn er Glück hat, bekommt er bei seiner nächsten Straftat wieder Bewährung.

27:17 Min
Marc Ohrendorf:

Angeklagte tun natürlich einiges, um sowohl die Freiheitsstrafe als auch die nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe, aber vielleicht auch die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe zu vermeiden. Was war denn die dreisteste Lüge, die Ihnen in so einem Verfahren jemals begegnet ist?

27:35 Min
Andreas Mittelbach:

Ach, ich kann mich an die vielen Lügen gar nicht mehr erinnern. Nur, naja, eine oder die man auch öfter hörte damals, als ich noch in meinem, muss ich nochmal jetzt kurz ein bisschen zurückspringen, ihr hattet ja erzählt, Anfangsbuchstabendezernat, allgemeine Straftaten, das habe ich drei, vier Jahre gemacht, danach war ich fünf Jahre im, Drogendezernat, sehr spannende Zeit, wo man allerdings auch ein sehr begrenztes Klientel, beziehungsweise immer dieselben, meistens Täter hatte und da unter anderem einen Drogenhändler, sehr gut anwaltlich vertreten und es sah allerdings auch nicht gut aus im Prozess und, Im Richtergespräch, beziehungsweise im Gespräch in der Pause auch mit dem Anwalt, meinte dann der Angeklagte auch die ganze Zeit, ich schwöre, ich bin unschuldig und ich schwöre bei meiner toten Mutter, ob die überhaupt schon tot war, war eine andere Frage, dass ich wirklich unschuldig bin, ich war das nicht.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und dann im weiteren Gespräch ging es dann dazu, der Richter hatte sich auch eingeschaltet, dass hier vielleicht aber auch eine Bewährungsstrafe noch im Bereich des Möglichen liegt. Und dann machen der gleiche Angeklagte, naja gut, ach Bewährung ist möglich, na gut, bei Bewährung, na gut, dann war ich es doch.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Ist ja verständlich, ich habe ja so viel Verständnis für alles.

28:47 Min
Marc Ohrendorf:

Schön. Sie erzählten in unserem Vorgespräch heute auch mal von jemandem, der dem Richter noch Fernseher verkaufen wollte am Ende der Verhandlung.

28:55 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, das passt nochmal mit dem typischen Straftäter. Da muss man ja ganz vorsichtig sein, also vielleicht hier für unsere Studierenden, wenn die noch Feuerbach oder wie er hieß richtig. Im Kopf haben, irgendwie mit den Segelohren und mit den eng stehenden Augen alles Blödsinn.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Was ich festgestellt habe, und das kann man sich auch vielleicht mal fürs Leben merken oder im allgemeinen Lebensbereich, Betrüger. Betrüger sind sehr sympathisch, sind fast immer sehr sympathisch und sehr eloquent. Das heißt, können sich wunderbar ausdrücken.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Betrüger schaffen das auch gleich, eine gewisse Gesprächsharmonie herzustellen. Also im Prinzip, Betrüger sind meist sehr nette Menschen. Also deshalb sind sie ja eben Betrüger und Erfolgreiche. Betrüger, bis sie dann letztendlich hier landen und hatte auch schon viele Betrüger, beziehungsweise ich kann von mir behaupten, ich höre die ersten Sätze in mir, ich weiß gar nicht, um was es geht oder ich komme in den Gerichtssaal, in die Verhandlung, ich sehe den Angeklagten, also wenn ich zu früh komme, mein Prozess beginnt noch nicht, ich gucke mir was an, sehe, höre den Angeklagten, denke ich, ach, hier geht es bestimmt um Betrug, ja und dann gucke ich nach und ja, ist ein Betrüger, den wir da haben.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also Betrüger sind, wie gesagt, sehr eloquent und sehr sympathisch. Ja, und in einer Verhandlung eben ein solcher Betrüger, gerade mit einem milden Urteil, mit einem milden Urteil davongekommen wegen seiner Betrügereien, meinte dann noch, während er sich aus dem Saal vom Richter verabschiedet, ach, ich hätte da noch einen Posten, super tolle Flachbild, Flachbild hier, Fernseher, top Angebot, also Herr Vorsitzender Richter, falls Sie Interesse haben, melden Sie sich.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Ich mache Ihnen einen günstigen Preis. Da haben wir nur alle zusammengerufen, jetzt ist aber gut, raus.

30:43 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, gut.

30:45 Min
Andreas Mittelbach:

Zu Recht. Ja.

30:47 Min
Marc Ohrendorf:

Da Sie gerade schon es auch indirekt angesprochen haben, Sitzungsdienst bei der Staatsanwaltschaft.

30:52 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, haben wir alle Angst vor.

30:54 Min
Marc Ohrendorf:

Die Staatsanwaltschaft zu vertreten, in ja meistens dann doch eher aus Referendar-Sicht jetzt mal gesprochen, kleineren Verfahren, ist Teil eben der Referendarausbildung. Vielleicht können wir damit mal überleiten, zu dem Themenblock, was kann man als Studierende, beziehungsweise als Referendarin denn eigentlich machen, um sich die Staatsanwaltschaft mal ein bisschen näher und auch von innen anzuschauen?

31:17 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, also da gibt es Möglichkeiten, fangen wir mal an mit den Studierenden. Ich meine, es ist sogar, Das gehört ja mit zum Studium, zum Plan, zum vorgeschriebenen Plan, dass man ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft machen kann, also bei der Staatsanwaltschaft Berlin insbesondere. Ich hatte auch schon den einen oder anderen hier Praktikanten, Studierenden.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und dann ist für den Studierenden ganz interessant, dass er sich mal hier, das ist glaube ich für einen Monat oder für sechs Wochen, einen Einblick verschaffen kann, richtig arbeiten. Aber das erwarte ich auch gar nicht.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Kann man mit ihm natürlich nicht, aber man kann ihm alles Mögliche zeigen. Also da gibt es die Möglichkeit, dass man eben das sogenannte Pflichtpraktikum hier nach entsprechender Voranmeldung über unsere Verwaltung bei der Staatsanwaltschaft machen kann, um überhaupt hier mal reinzuschnuppern und vielleicht hinterher auch zu sagen, ui, also da will ich bestimmt nicht hin.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Oder umgekehrt, das ist das, was ich immer machen wollte. Für Referendare als solches, die dann hier hinkommen, insbesondere eben die Frage, ich habe halt mein Referendariat, also meine Station bei der Staatsanwaltschaft, Vorbereitung ist alles und da eben auch Initiative zeigen, kann ich nur sagen. Und nicht wie die Lämmchen, mal gucken, wo ich da hinkomme und wo der liebe Gott mein Schiffchen hinfährt.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Also erlebe ich auch manchmal, wenn ich die Referendare frage und in meinen Arbeitsgemeinschaften wissen sie schon, wo sie hinkommen. Nö, weiß ich noch gar nicht, mal gucken und sowas, die mir da geben. Nein, also wenn man wirklich da nicht negativ überrascht werden will, kann man sich hier vorher informieren, welcher Staatsanwalt bildet gut aus oder welcher Staatsanwalt hat ein interessantes Metier oder welcher Staatsanwalt ist bekannt dafür, dass er Referendare gut ausbildet.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und wo kann man sich das besorgen, diese Informationen? Insbesondere beim Personalrat der Referendare, hier bei der Senatsverwaltung bzw. Im Haus vom GJPA in Berlin. Da gibt es also Ordner mit Listen und Protokollen, wie für die mündliche Prüfung, wo die Stationsausbildenden, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte da bewertet werden.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und wie gesagt, das kostet meistens nur einen Anruf. Hier bei uns bei Frau Keppler, eine sehr nette Dame, die sich mit dem ganzen Referendariat und mit der Einteilung befasst. Da ruft man an und fragt, ob sie einen empfehlen kann oder man hat sich vorher schon erkundigt und sagt, ich möchte gern zu Staatsanwalt XY und ruft den an und sagt, ich habe gehört, Sie sind ein Guter und ich wollte gerne bei Ihnen in den nächsten Monaten, wenn es losgeht, die Ausbildung machen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Passt Ihnen das ja oder nein? Also, lange Rede, kurzer Sinn, sich vorher informieren, Kontakt aufnehmen und dann dahin kommen, wo man eben auch hin will. Also wie gesagt, Initiative zeigen, das ist sehr gern gesehen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Und nochmal Sitzungsdienst, wenn man dann hier als Referendar anfängt. Einfach ran, keine Angst haben vor nix und nirgends, ist leicht gesagt, aber ich weiß, wovon ich rede. Sitzungsdienst, wenn man einen guten Ausbilder hat, wird er mit einem die Sachen, die man dazu vertreten hat, natürlich vorher so ein bisschen bereden, was da passieren kann, welche Strafen rauskommen sollen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Man bekommt seine Handakten, man bekommt die Anklageschrift vor dem Termin rechtzeitig, das liest man sich alles durch, dass man Aktenkenntnis hat und je nachdem kann man Glück oder Pech haben, netten oder nicht so netten Richter oder Richterin. Aber davor soll man keine Angst haben.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Da muss man einfach durch und es kann für viele sogar Spaß machen. Und es ist eine gute Übung fürs, später sowieso fürs Mündliche oder fürs Leben, wenn man da die Anlage vertreten muss. Da reißt einem keiner den Kopf ab.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das Schlimmste, was passieren kann, dass derselbe rot wird, aber das kriegt eh keiner mit. Also einfach ran, Sitzungsdienst, gute Vorbereitung, dann passiert auch nichts. Und einfach da normal sein, nicht übertreiben, nicht gehemmt.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Andererseits muss man da auch keine Vorträge oder eine Hausarbeit abliefern. Kurz und knapp, wie die Sache ist, rechtlich darstellen. Nicht zu viel sagen, nicht zu wenig. Und sich da so gut wie möglich selbstbewusst darstellen.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Das kann ich nur empfehlen.

35:34 Min
Marc Ohrendorf:

Das sind auch schöne Worte zum Abschluss. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. War sehr interessant und hat hoffentlich dem einen oder anderen, der einen oder anderen auch Mut und Lust auf die Staatsanwaltschaft gemacht.

35:45 Min
Andreas Mittelbach:

Ja, das hoffe ich auch. Hat mir auch sehr viel Viel Spaß gemacht, Herr Ohrendorf, und ich hoffe, dass meine Ausführungen hier vielleicht wirklich den einen oder anderen motiviert haben. Also, wie gesagt, kommt zur Staatsanwaltschaft, muss jeder selber wissen, ob es was für einen ist oder nicht, aber wenn man hier mal reinschnuppert oder hat es im Referendariat gemacht, dann kann man ja feststellen, das will ich machen oder man sagt, alles nur das nicht.

1:09 Min
Andreas Mittelbach:

Aber das muss jeder selber wissen. Und wir freuen uns immer auf neue Kollegen und Kolleginnen.

36:19 Min
Marc Ohrendorf:

Danke, ciao.

36:20 Min
Andreas Mittelbach:

Danke, Herr Ohrendorf.

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