Bärbel Kuhlmann, Partner | EY Law
Arbeitsrecht - Ernst & Young Law - Rechtsanwaltsgesellschaft - Interdisziplinäre Beratung - Restrukturierungsprojekte - Unternehmensuntersuchungen - Forensik - Kündigungsschutzverfahren - Schadensersatzansprüche - Karriereweg Juristin - Mauerfall Berlin - Auslandserfahrung Indien - Referendariat mit Kind - Berufseinstieg Juristen - Arbeitsmarkt Juristen
In Episode 249 von Irgendwas mit Recht spricht Marc mit Bärbel Kuhlmann, einer erfahrenen Fachanwältin für Arbeitsrecht bei EY Law in Düsseldorf. Sie erläutert, wie sie zur Rechtsberatung bei EY kam, nachdem sie zunächst in einer klassischen Anwaltskanzlei tätig war. Welche Unterschiede gibt es zwischen der Arbeit in einer Anwaltskanzlei und im Kontext der Unternehmensberatung? Wie verlief Bärbels Karriereweg und was hat sie dazu bewogen, sich auf Arbeitsrecht zu spezialisieren? Wie sehen typische Mandate in ihrer Beratungspraxis aus? Antworten auf diese Fragen hört ihr in dieser kurzweiligen Folge Eures Jurapodcasts - und on top gibt’s Einblicke in die Unternehmenskultur von EY, die Bedeutung guter Führungskräfte sowie einen Überblick über den aktuellen Arbeitsmarkt für Juristinnen und Juristen in 2024. Viel Spaß!
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EY Law ist die deutsche Rechtsberatungseinheit des Prüfungs- und Beratungsnetzwerks Ernst & Young und damit ein hybrides Beratungsunternehmen zwischen Kanzlei und Big-Four-Haus. Von Berlin, Hamburg und Düsseldorf bis München und Freiburg arbeiten hier bundesweit rund 250 Juristinnen und Juristen an wirtschaftsrechtlichen Mandaten in Bereichen wie M&A, Arbeits-, IT- und Steuerrecht.
Besonders kennzeichnend ist das nahtlose Zusammenspiel mit Steuerberatern und Consultants, was interdisziplinäre Karrierewege und internationale Projekte in mehr als 150 Ländern ermöglicht. Warum das für Berufseinsteigerinnen ebenso spannend ist wie für erfahrene Praktiker und wie sich der Arbeitsalltag in solch gemischten Teams anfühlt, erfahrt ihr in unserer Podcast-Episode – reinhören lohnt sich!
Der Arbeitsmarkt für Juristinnen und Juristen ist noch immer gut - wenngleich man im ersten Halbjahr 2024 eine leichte Abkühlung merkt.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen, noch leicht verschnupften Episode Irgendwas mit Recht. Ich hoffe, ihr seid gesund und es geht euch etwas besser als mir. Aber das soll uns nicht abhalten von diesem wunderschönen Podcast, an dem auch, naja, ich wollte gerade fast sagen, schönen Tag und drehte mich rum, verregneten Tag hier in Düsseldorf.
Ich sitze bei EY mitten in der Stadt und spreche mit Bärbel Kuhlmann. Hallo Bärbel.
Hallo Marc.
Bist du gesund? Geht's dir gut?
Bitte nicht beschwören, weil meist ist das der Punkt, wo man dann anschließend krank wird. Aber nein, mir geht es großartig.
Schön, dann lass uns direkt einsteigen. Was machst du hier bei EY?
In allererster Linie bin ich Rechtsanwältin und das seit vielen, vielen Jahren und bin Fachanwältin für Arbeitsrecht, habe hier jahrelang die Arbeitsrechtspraxis in Deutschland geleitet und das ist so meine inhaltliche Profession.
Wir haben hier im Podcast schon öfters was mit Unternehmensberatungen aufgenommen und trotzdem kriegen wir immer wieder die Frage, hä, ich kann als Juristin auch in der Unternehmensberatung arbeiten? Kannst du vielleicht mal so ein kleines bisschen den Kontext darstellen, wie das geht sozusagen, erstmal ganz grob?
Also interessant, dass du Unternehmensberatung sagst, weil das, was ich oft höre und was ich selber auch gedacht habe, bevor ich hierher kam, war die Steuerberatung. Also ich glaube, wir sind als EY am bekanntesten als Steuerberatung.
Natürlich haben wir auch eine Unternehmensberatung, wir haben eine Steuerberatung, wir haben eine Wirtschaftsprüfung, aber eben auch die Rechtsberatung als Teil eingegliedert in der Steuerberatung.
Wie hast du dich dann damals für diesen Kontext deiner Arbeit entschieden oder warum?
Also ich sage es auch ganz offen, man ist auf mich zugekommen und wie so oft im Leben müssen ja so zwei Dinge zusammentreffen. Irgendwie muss man wechselbereit sein und gleichzeitig muss dann auch ein Angebot da sein und das war eine Situation vor mittlerweile 13 Jahren und wie gesagt, meine erste Reaktion war, ey, nee, ich möchte im Kanzleiwesen bleiben und bin dann eines Besseren belehrt worden, dass es eben diese Rechtsanwaltsgesellschaft gibt Und insofern damals aber auch sehr, sehr spannend, weil EY damals die Rechtsanwaltsgesellschaft neu aufgebaut hat.
2009 ist sie gegründet worden und insofern 2010, als wir die Gespräche geführt haben, war da sehr viel Pionierstimmung und auch sehr viele Möglichkeiten, was mich dann sehr schnell dafür eingenommen hat, in einer solchen großen Gruppe trotzdem Kanzleialltag zu haben, eine Kanzlei aufzubauen, klassische Rechtsberatung zu machen, als Anwältin zu arbeiten, mit den Annehmlichkeiten, Kollegen aus all diesen angrenzenden Bereichen, unmittelbar in der Nähe zu haben und damit auch auf Projekten zu arbeiten, die klassischen Kanzleien doch auch eigentlich verschlossen bleiben.
Weil man diesen Gesamteinblick eben nicht hat als externe Kanzlei.
Nicht nur Gesamteinblick, sondern das sind ja auch viele Bereiche, die du als Anwaltskanzlei natürlich nicht abdeckst. Also jetzt mal in meinem Bereich, wenn wir als Arbeitsrechtler ein Restrukturierungsprojekt bekommen haben oder machen, Dann kommen wir manchmal ins Unternehmen, wenn die Pläne alle schon fertig sind.
Man weiß genau, was man tun will und in welchem Zeitraum. Das hat die Unternehmensberatung üblicherweise im Vorfeld schon gemacht. Die finanziellen Folgen sind schon durchgerechnet worden und so weiter.
Und dann kommst du als Anwalt und setzt dieses Projekt um. Das war mein, ich sag mal, tägliches Brot bis 2011, bis ich zur EY kam. Und hier ist es so, dass du teilweise, wenn die Unternehmensberatung ins Unternehmen geht und über solche Projekte schon spricht, können wir als gesamtes Team schon bei der Planung die rechtlichen Konsequenzen oder die finanziellen Konsequenzen mit reinbringen.
Und ich glaube, das ist ein Ansatz, der sich in den letzten Jahren am Markt auch sehr, sehr stark durchgesetzt hat, weil du hast keine Reibungsverluste und du hast auch nicht die Probleme oder die Themen, dass du später auf ein vorheriges Team zurückverweist und sagst, die haben einen Planungsfehler gemacht, sondern wenn du ein Team bist, dann bist du auch von Anfang bis Ende ein Team.
Und das macht es, glaube ich, wirklich sehr greifbar und das macht aber eben viel Spaß, weil du über deinen eigenen Tellerrand hinausschaust. Und als ich hierher kam, hatte ich nun schon 12, 13 Jahre Berufserfahrung, also vieles schon gemacht, vieles gesehen und das war eine super und ist es heute noch eine super Ergänzung, weil es einfach sehr viel spannender ist als nur klassische Rechtsberatung.
Ich glaube, dann haben wir erstmal unseren Zuhörenden ganz gut erklärt, wo da so die Unterschiede liegen, aus der reinen Kanzleisicht und dann eben auch aus deiner jetzigen Rolle. Jetzt würde mich als Hintergrund nochmal interessieren, wie du überhaupt zum Jurastudium und zu deiner Rolle als Anwältin gekommen bist. Kommst du her, wo hast du studiert?
Also ich habe so einige Stationen in Deutschland hinter mir. Ich bin, das war aber wohl eher ein Zufall, weil meine Eltern gerade dort waren, in Nürnberg geboren. Bin dann im Ruhrgebiet in Essen aufgewachsen, zur Schule gegangen und bin direkt mit dem Abiturzeugnis nach Berlin.
Und ja, auch wenn es jetzt vielleicht ein bisschen schockierend wirkt, aber das war tatsächlich noch zu Mauerzeiten, bin ich nach West-Berlin und habe da an der Freien Universität studiert.
Fandst du das aufregend oder warum Berlin?
Ich glaube, ich habe damals einfach gar nicht viel nachgedacht. Ich wollte nach Berlin. Meine Schwester studierte dort Tiermedizin und wir hatten zu der Zeit auch ein sehr gutes oder immer auch heute noch ein enges Verhältnis und wir fanden das irgendwie cool, dachten, nehmen da zusammen eine Wohnung.
Okay, das war der Anknüpfungspunkt.
Genau, so von Jura war zu dem Zeitpunkt überhaupt gar keine Spur. Ich wusste nicht, was ich machen will. Ich wusste nur, dass ich nach Berlin will, also habe ich mich für VWL, damals noch bei der ZVS, beworben.
Da war es nämlich sicher, das wollte kaum jemand, deshalb kriegtest du den Platz in Berlin. Und dann habe ich angefangen mit dem damals ja gemischten oder heute auch noch BWL-VWL-Studium. Und da hat es irgendwann Klick gemacht, weil du musst in diesem Studium im Vordiplom auch einen Rechtsschein machen.
Und während mich so die anderen Fächer nicht so wirklich interessiert haben, fand ich die Rechtsvorlesungen und Tutorien super spannend und dachte, cool, irgendwie das interessiert mich und habe mich dann schon mal vorsorglich für Jura eingeschrieben und wollte aber jetzt erstmal mein Vordiplom schnell machen und so habe ich es dann auch gemacht und dann ein Jahr parallel noch studiert und dann bin ich ganz ungeschwenkt auf Jura.
Das heißt, du warst Überzeugungstäterin, du wusstest, worauf du dich einlässt.
Das weiß ich nicht, ob ich das wirklich wusste, aber es war aus einer Idee entsprungen, weil mir was Spaß gemacht hat aus einer Erfahrung heraus und das glaube ich ist ein riesen, riesen Glück, weil sonst stellt man sich das nur so aus der Theorie vor. Ich habe durch Zufall mal reingeschnuppert und ich habe es bis heute nie bereut.
Außer man hat natürlich ganz viele Podcast-Folgen gehört, dann weiß man ja schon ungefähr, was einen erwartet. Aber zugegebenermaßen gibt es auch laut Abrufstatistiken hier gar nicht so viele Menschen unter 18, die das schon in der Schule tun. Die sind wahrscheinlich eher durch die Ingo Lenzens dieser Welt geprägt.
Das stimmt.
Wie war denn dann der Mauerfall? Warst du da noch in Berlin?
Ja, das war sehr, sehr spannend. Wobei ich gestehen muss, ich glaube, die erste Nacht des Mauerfalls, die habe ich verschlafen. Es gab noch keine Smartphones, wo dir irgendjemand etwas hätte schicken können. Am nächsten Morgen ging natürlich die Nachrichten überall rum und dann hat sich auch erst alles in Bewegung gesetzt.
Also dann hat sich die ganze DDR auf den Weg gemacht. Und ich habe zu der Zeit im Studium mein Geld mit Promotion-Tätigkeit verdient und so auch genau in dieser Zeit für eine damals sehr etablierte Zigarettenmarke. Und ich glaube, das war schon ein sehr besonderes Ereignis, in schneeweißen, mondähnlichen Anzügen über den gesperrten Kurfürstendamm zu gehen.
Wer den kennt, zweimal drei Spuren, komplett gesperrt. Auf der einen Seite schoben sich zigtausende in die eine Richtung und auf der anderen runter. Und wir in unseren Kostümen verteilten, verschenkten Zigaretten.
Da sind Menschen stehen geblieben und haben uns angefasst, um zu gucken, ob wir echt sind. Also das war ein ganz, ganz besonderes Erlebnis, was dann endete in einer Bar, wo wir mit lauter Leuten in Kontakt kamen, uns kennengelernt haben und wir dann so von der Westseite, die teilweise aufgenommen haben, abends mit nach Hause genommen haben.
Ich habe da eine sehr gute Freundin kennengelernt aus Frankfurt-Oder. Die hatten kein Bett, klar, die haben gehört, die Mauer ist auf, sind einfach nach Berlin, Ihn unterstanden sie jetzt nachts und wussten, sie kommen nicht mehr zurück, aber es war ihnen völlig egal. Also haben wir das so irgendwie aufgeteilt und meine damalige Freundin Petra habe ich quasi mitgenommen und war noch über Jahre mit ihr eng befreundet.
Das muss ja eine unfassbare Aufbruchsstimmung in der Stadt gewesen sein, die Monate und Jahre danach, oder?
Ja, Aufbruchsstimmung. Ich weiß nicht, ob es das trifft. Es war so ein Riesenwandel. Und es kam ja auch sehr schnell schon auch negative Aspekte. Ja, also die Bilder, die du im Kopf hast, die hast du eben nicht auf dem iPhone, die hast du noch nicht mal irgendwie im Fotoalbum, sondern die hast du wirklich nur in deinem Kopf und das ist so dieser Kurfürstendamm.
Das sind die ersten Besuche. Ich war zwar vorher schon in Ostberlin, aber mit Visum und weiß ich nicht, was anderes, als wenn du einfach frei mit dem Auto konntest du rüberfahren. Der Geruch, den habe ich noch in der Nase, von den Braunkohleheizungen.
Ich habe die Schlangen noch vor Augen, ich weiß noch genau, die blau-roten Taschen, wenn ich heute so eine sehe, kamen auch sehr viele Polen dann, die sind bei Aldi einkaufen gegangen und diese Bilder, die kriegst du nicht mehr aus dem Kopf und ich glaube, das war eher, das war so nicht unbedingt Aufbruch, das war totale Ausnahmesituation über längeren Zeitraum.
Gut, dann hast du dich irgendwann aber wieder auf dein Studium besonnen, hast das fertig gemacht und wie ging es dann weiter?
Wie ging es dann weiter? Dann haben mein Mann oder damals noch Freund nach dem ersten Examen uns überlegt, was wir jetzt tun und jetzt erstmal irgendwie viel auf Reisen gehen, weil das Studium ja so anstrengend war und was wir aber zu dem Zeitpunkt nicht wussten war, dass ich irgendwie schon schwanger war. Also kurzum habe ich dann die Pläne irgendwie etwas umgeworfen und bin vier Monate später als normal ins Referendariat oder ich habe eine viermonatige Pause gemacht so.
Ja und habe dann also mein erstes Kind bekommen, Referendariat gemacht und dann haben wir direkt nach dem zweiten Examen die Gelegenheit genutzt und sind für ein Jahr ins Ausland gegangen. Weil ich dachte, dass als Juristin….
Ist dein Mann auch Jurist?
Nee, eben nicht. Und er hatte die Chance, ins Ausland zu gehen und das habe ich gerne auch mit ausnutzen wollen und dachte, wenn dann jetzt und den Berufseinstieg ein Jahr nach hinten schieben, ist einfacher, als wenn man einmal drin ist. Ja, und insofern haben wir das dann gemacht, waren ein Jahr, ein gutes Jahr in Indien, in Neu-Delhi.
Und danach habe ich dann erst mittlerweile mit dem zweiten Kind erst angefangen zu arbeiten.
Cool. Also vor allem Neu-Delhi für ein Jahr. Ich war da nur mal für ein paar Wochen. Das stelle ich mir auch nach einer guten Zeit vor. Aber auch herausfordernd dann mit kleinem Kind.
Ja, wobei man sagen muss, also jetzt mal aus der Perspektive damals, ja, es war herausfordernd und in den 80er Jahren oder 90er Jahren, wahrscheinlich ist es heute gar nicht so viel anders in der Tat, aber du hattest eine sehr, sehr große deutsche Community. Und das ist für mich aus späterer Perspektive oft ein großer Widerspruch gewesen, was man nicht denkt.
Ich habe da eigentlich so ein bisschen dörfliches Leben kennengelernt. Ja, also klassische Expatriate-Welt der 90er Jahre. Die Frauen sind als Anhängsel mit den erfolgreichen, heute würde man sagen alten weißen Männern ins Ausland gereist, haben dort ihre Kinder versorgt und insofern war es für mich ziemlich schnell auch so, dass ich dachte, gut, dass es nur ein Jahr war.
Weil länger hätte ich mir das auch nicht vorstellen können. Also es war schön, mal ein Jahr nach dem ganzen Studium und so weiter, aber war schon ein Blick in eine Welt, den ich nicht missen möchte, aber wäre nicht meine gewesen.
Dann lass mich noch eine Frage aber stellen und zwar zu dem Thema Referendariat mit Kind. Das haben wir hier so detailliert noch gar nicht beleuchtet. Also es ging ja offensichtlich, aber würdest du sagen, ist kein Problem, hat auch nichts geändert, ist eh eine anstrengende Zeit oder war das schon eine größere Herausforderung dann damals?
Ich glaube es, also ich würde es jederzeit wieder tun, fürs Lernen, für vielleicht auch so den Spaß, den man im Referendariat haben kann, von wegen heute macht man Referendarsreisen oder weiß ich nicht, auch öfter abends noch ein Trinken gehen. Also so dieses Kollegiale, das ist vielleicht ein bisschen weniger, wenn du ein Kind zu Hause hast, was ich aber aus heutiger Perspektive sehr, sehr positiv auch empfinde und deshalb sage, würde ich es immer wieder machen.
Es ist sehr einfach oder einfacher, wenn du quasi immer unter einer bestimmten Belastung stehst. Ja, und es hat auch einen finanziellen Aspekt. Wenn du erst mal fünf Jahre im Job bist, das ist die Situation, die ich heute sehe bei vielen jungen Frauen, dann ist es immer so dieses, ich mach mal noch, ich mach mal noch, ich mach mal noch und dann.
Du schiebst es immer weiter auf, gleichzeitig erarbeitest du dir natürlich auch einen Lebensstandard und so weiter und es wird vielfach dann als Rückschritt empfunden, wenn man dann zurückgeht und ein Kind bekommt. Weil dann kommen die üblichen Themen, bleibt man zu Hause, geht man in Teilzeit, wie kriegt man das hin? Also das sind ja dann die klassischen Themen.
Und wenn du das im Referendariat hast, du kommst von einem ganz anderen Niveau. Du denkst nicht darüber nach, dass du jetzt nichts verdienst. Du hast auch als Studentin vorher nichts verdient.
Und als ich dann anschließend angefangen habe zu arbeiten, habe ich nicht darüber nachgedacht, dass das, was ich verdiene, an Kinderbetreuung geht, weil ich habe den Status gehalten, wenn du verstehst, was ich meine. Und ich habe mich nicht jeden Monat geärgert, dass mich jetzt ein Kind viel Geld kostet oder so.
Und das sind Themen, die ich heute mitkriege, die es, glaube ich, schwieriger machen. Ich bin da, glaube ich, offener, leichter, positiver mit den Anforderungen gewachsen.
Das ist ein spannender Aspekt, denn dieses ganze Thema Lifestyle Inflation, das hast du ja nicht nur zum Beispiel, wenn dann deine Familie ein Kind erwartet, sondern das hast du ja auch, wenn du vielleicht von einem sehr, sehr belastenden, aber auch sehr gut bezahlenden Job in einen anderen wechselst und da gibt es ja auch manchmal die Geschichte, dass Leute sagen, ja, aber dann habe ich so viel weniger Geld und eigentlich habe ich mir jetzt alles gerade so eingerichtet, meine Miete ist relativ teuer, ähnliches Phänomen, was man da beobachtet, ja.
Okay, spannender Punkt, vielen Dank, dass du den hier mit den Zuhörenden und mir geteilt hast. Fast forward, Berufseinstieg in Deutschland, war dann klar, wird eine Kanzlei?
Nicht ganz, ich habe dann erstmal ein bisschen gestreut und ich habe bei Siemens angefangen im Contract Management, das fand ich damals, das klang irgendwie spannend, hat sich aber dann ziemlich schnell so herausgestellt, dass mir so das Ganze im Unternehmen und sich den ganzen Tag nur irgendwie mit dem Management von Verträgen und Aufsätzen, dass mir das irgendwie zu langweilig war.
Und habe dann parallel so die Fühler ausgestreckt und habe dann in der klassischen mitteldeutschen Kanzlei, mittelständischen Kanzlei in West-Berlin angefangen. Das war ein ganz toller Einstieg, sehr, sehr nette, erfahrene Anwälte, habe ich viel gelernt, das war sehr schön.
Und da bist du zum Arbeitsrecht gekommen?
Dann auch Sohn. sieben Jahre und da bin ich zum Arbeitsrecht gekommen.
Okay, durch Zufall? Ja. Ja, klang ein bisschen so.
Damals, es war noch nicht so die Zeit dieser wahnsinnigen Spezialisierungen und als Berufseinsteiger warst du auch erstmal so, ich sag mal, wurdest du in viele Bereiche reingeworfen und es war aber dann, ich glaube 2003 irgendwann, da ging hier so die Krise in Deutschland auch los und die arbeitsrechtlichen Mandate gingen durch die Decke und da hatten mein alter Kollege Ich hatte inzwischen zeitlich das dritte Kind bekommen.
Willst du nicht irgendwie jetzt ins Arbeitsrecht wechseln? Wir brauchen da im Moment echt jeden Kopf, jede Hand. Und dann habe ich ihm gesagt, du, ich habe von Arbeitsrecht ehrlich gesagt bisher gar keine Ahnung. Hat er gesagt, kein Problem, bringe ich dir bei.
Und ja, und das hat er auch getan. Und von da an habe ich gefühlt, glaube ich, nichts anderes mehr als Arbeitsrecht gemacht.
Was ist das Schöne am Arbeitsrecht? Hast du da vielleicht irgendein Beispiel, sei es, dass jemand was besonders gut gemacht hat oder dass auch mal jemand übelst betrogen hat, was du da vielleicht in den letzten Jahren so erlebt hast?
Ja, vielleicht vorausgeschickt. Viele, die mit dem Arbeitsrecht nichts zu tun haben, denken ja immer, wir machen nur Kündigungsschutzverfahren. Vielleicht denkt man noch so an Verhandlungen mit Betriebsräten, aber dann hört es eigentlich auf, was so der arbeitsrechtliche Alltag ist.
Was ich also gerade sagte, solche unterischen Planungsprojekte, wie schließe ich ein Unternehmen, was gehört alles dazu, was muss ich bedenken, das sind so typischere Themen. Dazu gibt es aber dann, und das ist natürlich so das EY-Phänomen, was ich am Anfang angesprochen habe, Projekte, die eben gar nicht nur diesen juristischen Charakter haben, sondern wo du als Jurist, als Arbeitsrechtler noch dazukommst.
Und da haben wir natürlich so unsere Counterparts hier. Also wir machen viel mit der Unternehmensberatung. Wir machen aber zum Beispiel auch viel mit der Forensik. Und das ist ein Bereich, der nach meiner Wahrnehmung auch in den letzten Jahren sehr, sehr gewachsen ist.
Also das heißt Untersuchungen in den Unternehmen, Betrügereien in Unternehmen und wenn es dann zu sowas kommt, hat es natürlich auch arbeitsrechtliche Aspekte, nämlich was darf ich überhaupt, sprich welche Untersuchungen darf ich machen, wen darf ich befragen, muss ich den Betriebsrat einbinden, bis hin, wenn ein Arbeitnehmer sich hat was zu Schulden kommen lassen, was sind die arbeitsrechtlichen Sanktionen. Und das finde ich sehr, sehr spannend, wenn wir bei solchen Projekten mit den Forensikern zusammenarbeiten, um zu sehen, wie stecken die ihre Nase da rein, wie finden die das alles raus, was machen die für Untersuchungen.
Und ja, und da hatten wir eben einen Fall, der ganz klein anfing, wir sollten eigentlich nur ein Kündigungsschreiben machen eben für einen solchen Mitarbeiter. Der, wie man sagte, sich auch längst krank gemeldet hat und man munkelte, er sei irgendwo auch in einer psychiatrischen Klinik, Näheres wussten wir nicht und wir dachten, okay, die kriegen von uns ein kurzes Kündigungsschreiben, der Mitarbeiter wird sich nicht rühren, nicht wehren und alles ist erledigt.
Stattdessen haben wir dann drei Jahre, waren wir damit, glaube ich, ungefähr oder zweieinhalb Jahre beschäftigt, weil er hat sich gewährt und es wurden immer mehr Themen offenbar. Die Untersuchungen brachten immer neue Erkenntnisse, noch mehr Verfehlungen und wir haben also mehrere Kündigungen ausgesprochen, mehrere Verfahren geführt, am Ende noch eine Schadensersatzklage gemacht oder Schadensersatzansprüche geprüft in Millionenhöhe.
Und das geht weit über das hinaus, was man normalerweise als Arbeitsrechtler macht, wenn man vielleicht auch nur diesen Fall dann auf den Tisch bekommt. Aber hier waren wir schon so in dieser ganzen Entstehungsgeschichte drin.
Sowas ist super spannend.
Okay, es ist klar, dass du da keine Details nennen kannst, deswegen lege ich dir mal was in den Mund, wenn das so ungefähr hinkommt. Es geht jetzt nur darum, dass man sich das vorstellen kann, was da vielleicht so in etwa passiert ist.
Also ich stelle mir das so vor, da ist jetzt irgendjemand, der hat, wenn er irgendwie mit Millionen was machen kann, Wird er jetzt nicht einen Bagger verschwinden lassen? Das ist deutlich schwerer, als irgendwelche Zahlen zu fälschen. Er hat also irgendwie Zahlen gefälscht oder irgendwelche Bücher, irgendwas falsch reportet.
Genau, das ist ja das, wo es heute stattfindet. So wie du vor deinem Rechner sitzt, du machst Vertragsschlüsse digital, du kannst manipulieren.
Ja, okay, also das hat er irgendwie gemacht. Millionen hoher Schaden. Was treibt so jemanden an, sich dann auch noch zu wehren? Weil das klingt ja ein bisschen so, als wäre er vielleicht sogar davon gekommen, wenn er nicht noch sozusagen diesen gesamten Prozess und damit auch die Energie, da nochmal tiefer reinzuschauen, fast schon herausgefordert hätte.
Kann man das so sagen?
Der fühlt sich völlig unschuldig.
Ach so, auch retrospektiv, der versteht das gar nicht. Ja, okay, gut, dann ist natürlich wenig zu machen. Also das ist nicht nur die Unverfrorenheit, das ist wirklich einfach eine ganz andere Sicht auf die Dinge, um es mal noch neutral zu formulieren.
Und vielleicht auch, ich will nicht sagen ungeklärte Umstände, aber auch dann musst du irgendwann sagen, du kriegst nicht alles mit.
Dann lass uns nochmal darauf eingehen, was du hier bei EY so machst. Denn das ist ja kein Geheimnis, dass wir hier tolle Menschen vorstellen, Role Models vorstellen und auch so ein bisschen Brücken bauen, damit ihr wohlmöglich mal irgendwann an die Gäste beziehungsweise die Institutionen, bei denen die Gäste hier im Podcast arbeiten, denkt, wenn es darum geht, euch zu bewerben, Praktikum zu machen, wissenschaftliche Mitarbeit, alles, was so in diese Richtung geht.
Du bist Standortleiterin und Regional Lead Partner in Frankfurt bei EY. Was muss man sich darunter vorstellen? Was macht man als Standortleiterin?
Was macht man als Standortleiterin? Also die Definitionen gehen von Managing Partner bis zum Hausmeister. Nein, was verbirgt sich dahinter? Unser Standort hat zweieinhalbtausend Mitarbeiter und natürlich verbergen sich ja darunter, was ich anfangs auch sagte, verschiedene Bereiche, verschiedene Gesellschaften, die alle zusammen EY bilden. Aber natürlich hast du immer diese Standortzusammengehörigkeit und die ist unabhängig davon, ob jetzt jemand bei uns in der Anwaltsgesellschaft, in der Steuerberatungsgesellschaft oder in der Unternehmensberatung ist.
Was sie verbindet, ist dann in dem Fall der Standort, dein Kollege, Kollegin im Büro nebenan, das gemeinsame Mittagessen und wirklich dieses Lokale. Aber das will natürlich auch organisiert und geregelt werden. Und natürlich haben wir einen sehr guten Office-Support, aber viele Entscheidungen, die den Standort betreffen, gehen über meinen Tisch.
Viele Fürsorge-Themen, Zertifizierungen, wie sollen die Arbeitsplätze heute aussehen müssen am Standort. Also es ist schon sehr, sehr vielschichtig bis hin zur Organisation der Weihnachtsfeier, Happy Hour zu organisieren und auch wirklich dabei zu sein, so ein bisschen auch ein Gesicht von EY am Standort zu sein für eben die vielen, vielen Mitarbeiter vor Ort.
Und daneben bist du für Talentfragen, nenne ich das mal, der EY Law zuständig.
Ne? Ja, das hat sich entwickelt. Ich habe ja gesagt, als ich Anfang 2011 zur EY kam, waren wir ungefähr, wenn es hochkommt, ich glaube ungefähr 40 Anwälte in Deutschland. Heute sind wir weit über 200.
Und du hast natürlich, wenn du sowas neu aufbaust, wir haben den EY-Hintergrund und wir haben natürlich den großen Support aus der ganzen EY-Gruppe. Aber du hast immer so diese spezifischen Anwaltsthemen. Allein der Bewerbermarkt ist ein ganz anderer.
Der Berufseinstieg ist ein anderer, ein Volljurist, der Referendariat hinter sich hat. Und die haben andere Anforderungen, andere Erwartungshaltungen. Anwälte arbeiten oder haben auch immer vielleicht ein bisschen anders gearbeitet als in der Unternehmensberatung.
Die sind immer schon viel bei ihren Kunden vor Ort gewesen. Ein Anwalt hat tendenziell eher im Büro gearbeitet. Also du hast schon bestimmte Unterschiede und die galt es so im Entstehen dieser Rechtsanwaltsgesellschaft bei uns auch irgendwie denen Rechnung zu tragen und der Sache habe ich mich irgendwann angenommen, um einfach zu gucken, wie ist unser Bild nach außen, das fängt an mit Stellenanzeigen, aber auch was wollen wir für Veranstaltungen machen, wie wollen wir in Kontakt treten mit jungen Leuten, aber natürlich auch zu den Mitarbeitern, die wir haben.
Wie können wir, wie wollen wir sie zufriedenstellen, was sind deren Erwartungen, welche Fortbildungsangebote müssen wir machen, wo müssen wir vielleicht Gruppen zusammenbringen, damit die Netzwerke bilden können. Also diese Themen in dem Entstehen von EY Law, da bin ich reingewachsen und es macht mir einfach sehr, sehr viel Spaß.
Ich würde dich jetzt eigentlich gerne fragen, was gute Führung ausmacht, aber das wird den Rahmen unseres Podcasts hier heute sprengen. Deswegen halte ich den Radius mal etwas kleiner. Wie sieht denn der Arbeitsmarkt aktuell aus? Also wir nehmen auf Anfang 24, wenn ihr das, oder Mitte 24, wenn ihr das jetzt ein bisschen später vielleicht hört, in zwei, drei Jahren, dass ihr das einordnen könnt.
Wie würdest du es gerade beschreiben? Wie ist die Stimmung?
Auf dem Bewerbermarkt? Ich glaube, die Stimmung ist ein bisschen eingetrübt. Also noch vor, ich sag mal, zwei Jahren war ein totales Überangebot. Also wen du an jungen Leuten auch bei Veranstaltungen getroffen hast, jeder hat ein unglaubliches Selbstbewusstsein, Leichtigkeit ausgestrahlt in dem Vertrauen darauf, ich habe jetzt mein Examen oder ich habe jetzt bald mein Examen und mir steht die ganze Welt offen.
Und die jungen Leute wurden von einer Veranstaltung zur anderen eingeladen, hofiert und dass ich schon dachte, wenn du aus einer ganz anderen Zeit kommst, ist vielleicht auch nicht ganz gesund. Und da habe ich den Eindruck, das hat sich ein bisschen eingetrübt.
Überhaupt nicht dramatisch, es ist immer noch für junge Juristen ein sehr, sehr guter Markt. Aber die Entwicklung in der Wirtschaft insgesamt zeigt sich auch dort. Wir bekommen mehr Bewerbungen als noch vor einiger Zeit und wir hören auch aus Bewerbungsgesprächen raus, dass die Kandidaten ein bisschen besonnener sind, weil sie vielleicht auch den ersten Praxisschock aus der Ferne miterleben.
Es ist nicht alles mehr so wahnsinnig einfach, sondern man hört auf einmal von Kanzleien, die Anwälte entlassen. Wir haben es in der Corona-Zeit zum ersten Mal gehabt, dass auf einmal reihenweise Praktikanten, junge Anwälte entlassen wurden. Ich glaube, das hat so ein bisschen Ernüchterung gebracht, aber wirklich nur ganz bisschen.
Und wenn dann eher, würde ich sagen, auf ein gesundes Maß. Also ein gewisser Respekt und eine gewisse, wie soll ich sagen, gesunde Selbsteinschätzung und Dankbarkeit, finde ich, ist nach meiner Auffassung auch nicht schädlich.
Das würde ich so unterschreiben. Vielen herzlichen Dank, Bärbel, dass du dir heute die Zeit genommen hast.
Sehr gerne.
Tschüss.