Clemens Hufeld, Referendar | Ludwig Maximilian Universität München
Klausurbewertung - Noten - Notenspannweite - Empirische Forschung - Quantitative Forschung - Linguistik - Informatik - Soziolinguistik - Rechtslinguistik - Prüfungsämter - Studiendesign - Lebenszeitkonto - Mündliche Prüfung - Softskills - Stilblatt
Die Klausur war gefühlt recht gut - aber der Korrektor hat sie dennoch nur mit 7 Punkten bewertet? In der Lösungsskizze steht auch nicht großartig etwas anders als Ihr geschrieben habt? Dann könnte das tatsächlich (auch) am Korrektor liegen: Clemens Hufeld zeigt in seiner Veröffentlichung in der ZDRW, dass die durchschnittliche Bandbreite bei der juristischen Benotung über 6 Punkte ist. Ja, Ihr habt richtig gelesen: Dieselbe Klausur, mehrere Korrekturen - durchschnittlich ca. 2 Notenstufen unterschied. Wie hat Clemens seine dahingehende Studie aufgebaut? Was wünscht er sich für die Zukunft des Prüfungswesens? Wie kann man trotz dieses Wissens in der Examensvorbereitung motiviert bleiben? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet Ihr in Folge 237 von Felix. Viel Spaß beim Anhören!
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist eine der traditionsreichsten und größten Universitäten Deutschlands. Mit rund 50.000 Studierenden und mehr als 7.000 Beschäftigten prägt sie das akademische Leben in der bayerischen Metropole und betreibt Spitzenforschung in nahezu allen Disziplinen, darunter eine renommierte Juristische Fakultät.
Lehre auf höchstem Niveau, exzellente internationale Vernetzung und ein lebendiger Campus mitten in der Stadt zeichnen die LMU besonders aus. Lust auf mehr Einblicke? Dann ab in die Irgendwas-mit-Recht-Folge zur LMU und hört rein!
Ich wäre dafür, man betrachtet seine Noten als Lebenszeitkonto in Klausurpunkten, das man erreichen will. So bringt jede Klausur - unabhängig von der Punktzahl - das Ziel etwas näher.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode irgendwas mit Recht. Mein heutiger Gast ist Clemens Hufeld und Clemens hat mir gerade gesagt, dass das Intro, was ihr jetzt gerade gehört habt und wir während der Aufnahme nicht hören, ein bisschen klingt wie Frankfurter Rap. Ich werde das im Nachgang zu dieser Folge mal verifizieren und wenn ihr auch glaubt, dass das schräge Intro von irgendwas mit Recht nach irgendwas klingt, dann schreibt uns gerne mal eine Mail.
Jetzt aber herzlich willkommen Clemens, hallo.
Hallo Marc, freut mich sehr hier zu sein.
Mich auch. Vielen Dank, dass du so spontan zugesagt hast. Du bist nämlich momentan ein viel gefragter Mann, weil du in ein Wespennest gestochen hast. Du hast eine Veröffentlichung, kann man erstmal einfach sagen, Studie slash Veröffentlichung zum Thema Ungerechtigkeit von Noten bei juristischen Klausuren geschrieben.
Jetzt packen wir diesen Teaser mal vorne ran an den Podcast und beginnen erstmal mit was ganz anderem. Warum bist du denn du Jurist geworden?
Klassischer Fall von Juristenfamilie.
Ja, es ist immer 50-50.
Meine Eltern, mehrere Onkels, zwei Cousins, eine Cousine, alle auch Juristen. Und für mich ist nach der Schule, habe ich mir ehrlich gesagt gar nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, was ich eigentlich studieren möchte. Dachte mir, hat den allen gut getan.
Sie haben es schon durchaus über das Jurastudium geflucht, aber hat mich nicht abgeschreckt. Und ich habe mir dann erst während meines ersten Semesters darüber Gedanken macht, dass es überhaupt andere Studiengänge gibt, die ich auch machen könnte und habe dann eben noch parallel andere Sachen angefangen zu studieren, um so ein bisschen einen Ausgleich zu schaffen.
Im zweiten Semester habe ich einen Bachelor in Anglistik dazu genommen. Das ist 50% Literatur und 50% Linguistik und noch so ein bisschen Kulturwissenschaften, aber das ist eher am Rande an der LMU München. Und dann habe ich darüber dann eine absolute Faszination für die Linguistik bekommen und habe dann das fertig gemacht.
Dann habe ich mit der Examsverbreitung angefangen, habe parallel noch Umweltstudien angefangen, dann Staatsexamen gemacht und dann nach meinem ersten Staatsexamen eben, weil ich so eine Faszination für Linguistik hatte auf der einen Seite und dadurch, dass ich im Studium sehr viele andere Sachen gemacht habe, die Examsverbreitung sehr intensiv und stressig für mich war, ich mir überlegt habe, ob ich überhaupt mit Jura weitermachen soll und habe mir dann zwei Jahre Zeit genommen, um eben noch ein Master in, Linguistik zu machen und wollte unbedingt, weil ich da in der linguistischen Forschung sehr wichtig ist, auch mehr über Programmieren und Coden wissen, und habe dadurch mich dann entschieden, auch noch einen Bachelor in Informatik zu machen.
Cool. Und den hast du auch schon?
Genau, ja. Also ich habe das dann, das war Anfang, ich habe das glaube glaube ich, Anfang 2020 angefangen. Also im Wintersemester 19, also 19, 20 habe ich das angefangen. Und mit dem Gedanken, ich muss das ja nicht fertig machen, sondern ich gucke mal, wie weit ich komme.
Und solange ich es mache, habe ich halt die Klausuren und den Rhythmus, um das Wissen auch wirklich aufzubauen. Dann kam Corona und dann konnte ich das Ganze brutal stauchen und auf wenige Semester reduzieren. Und weil ich saß in meinem WG-Zimmer, habe eh nichts verpasst und habe dann einfach von morgens bis abends mehr Vorlesungen angehört.
Und dann die Zeit da ziemlich effizient genutzt und stand dann da, als ich mit dem Referendariat angefangen habe, mit noch einem Bachelor und einem Master mehr.
Cool, dann erklär mal so ein bisschen, also Coding haben wir hier schon viel zu gemacht, Legal Tech, großes Thema, klar, jeder hat so eine unterschiedliche Ansicht dazu, vielleicht ist der ein oder andere Hype auch schon vorbei, würde ich einfach nur mal gerade so hier mit über den Äther geben. Aber ich würde mal ein bisschen mehr gerne wissen über das Thema Linguistik, was macht ein Linguist?
Oder heißt man Linguistiker? Also Sprachwissenschaftler auf Deutsch. Linguist ist, glaube ich, die internationale Bezeichnung. Die Frage ist, wie lange du zuhören willst, weil da kann man wirklich, das ist ja ein gesamtes Studium, deswegen ist es ein bisschen schwierig, das jetzt spontan zu sagen.
Ja, vielleicht gibt es ein High-Level-Intro. Genau, also beruflich gibt es jetzt keine festen Berufsbilder für Linguisten. Das heißt, wenn ich da weitermachen würde, wäre das halt Forschung. Und ansonsten ist da auch viel zum Beispiel im Marketing-PR-Bereich und auch sowas wie Kommunikationsberatung.
Nur es gibt, würde ich sagen, eine starke Trennung zwischen der Linguistik als Forschungsfeld und dann Sprachlinguistik in irgendwelchen angewandten Berufen. Zum Beispiel, was jetzt sich Juristinnen und Juristen unter Linguistik vorstellen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es häufig nicht so wirklich viel von dem, was jetzt Linguistik in der wissenschaftlichen Disziplin ist.
Zum Beispiel so etwas wie Rechtschreibung interessiert Leute eigentlich in der Sprachwissenschaft nur, wenn sie explizit dazu forschen. Und also die Sprachwissenschaft an sich teilt sich auf in mehrere große Bereiche. Da gibt es die systematische Sprachwissenschaft, das ist die Untersuchung von Sprache als System.
Und das teilt sich dann auf in von klein zu groß, Phonetik, Phonologie, Morphologie, Lexikologie und Semantik, Pragmatik. Und das sind dann eben so die Grunddisziplinen, um Sprache als System zu begreifen. Dann kommt als großes Forschungsfeld und sehr aktives Forschungsfeld die Soziolinguistik, wo man Sprache nicht als reines Werkzeug begreift, sondern eben als soziales Werkzeug.
Und dann, da kann man dann sich Fragen stellen wie, ähnlich wie Kleider machen Leute, gibt's genauso die Aussage Sprache macht Leute. Wenn ich jetzt anders reden würde, würdest du mich anders wahrnehmen, würden die HörerInnen mich anders wahrnehmen? Zieh mir einen sozialen Hut auf, indem ich in der Art und Weise spreche, wie ich möchte, ob ich will oder nicht.
Und auch zum Beispiel Akzente, Dialekte, alles mögliche hat alles eine Auswirkung auf mein soziales Umfeld. Da gibt es starke Überschneidungen mit der Soziologie. Und dann gibt es noch als drittes großes Forschungsfeld Sprache als medizinisches Ereignis, wo man sagt, das ist ja was Körperliches und dann kann man zum Beispiel auch sehr viel in die Kognitionswissenschaften rübergehen oder in die Psychologie oder in die wirkliche Medizin.
Zum Beispiel Aphasien gibt es da, dass man bestimmte Wortfindungsschwierigkeiten hat und so weiter. Und das ist, also es ist ein unglaublich diverses Feld. Ich würde sogar sagen, dass es diverser als Jura ist.
Und nur dadurch, dass es, es ist ein relativ kleines Fach, weil nicht super viele Leute machen das. Und es ist halt sehr forschungsbasiert und es steckt jetzt auch nicht wirklich viel Geld drin, muss man sagen. Aber es gäbe extrem super interessante Sachen, die man da erforschen kann.
Und jetzt zum Beispiel mit den Large Language Models gibt es da einen gewissen Aufwind, weil das, was da, also das Natural Language Processing als Ursprung davon, gibt es einen Professor aus Stanford, der heißt Manning, der ist da schon seit mehreren Jahrzehnten ein absoluter Koryphäer. Und genau das fand ich halt spannend.
Ich habe in meiner Bachelorarbeit in der Linguistik so eine Untersuchung zur Sprache des Internationalen Gerichtshofs gemacht und habe dann versucht herauszufinden, ob ich bei verschiedenen Richtern, es waren drei verschiedene Richter, ob ich herausfinden kann, ob deren Dokumente wirklich von ihnen geschrieben wurden oder ob sie sich haben schreiben lassen. Und das ist, das nennt sich jetzt als Teilbereich die forensische Linguistik, die auch zum Beispiel in Wiederüberschneidung mit der Psychologie, zum Beispiel in der Glaubwürdigkeitsforschung, sorry, Glaubhaftigkeitsforschung zu Zeugenaussagen, das kann man auch da Überschneidung mit sehen.
Rechtslinguistik an sich ist ein komplett eigenes Feld. Ja, also ultraspannende Sachen, die man machen kann. Und durch die Large Language Models gibt es da jetzt gesteigertes Interesse und auch eine ganz erhebliche Menge an Geld, die da reinschwappt.
Und dann gibt es eben viele InformatikerInnen, die das machen. Und wie bei aller interdisziplinären Arbeit ist dann die Frage, kennt man sich in beiden Bereichen gut aus oder kennt man sich in noch mehr Bereichen gut aus oder kann man das im Team über Kommunikation lösen oder, naja, sag ich mal, wildert man da in einer fremden Disziplin in einer Art und Weise, die nicht das Beste rausholt.
Dazu könnten wir eine ganz eigene Folge machen, denn gerade das interdisziplinäre Zusammenarbeiten von Juristinnen und Juristen heißt ja nicht, dass auch der Partner mit dem Associated können muss, sondern eben deutlich mehr. Ja, aber wir brauchen ja hier ein bisschen Leitplanken für unser Gespräch.
Ich würde gerne nochmal einen Punkt aufgreifen und zwar den Punkt der sozusagen Zurechenbarkeit über Sprache und das Ausdrücken des sozialen Hintergrundes und des sozialen Umfeldes. Manchmal überlappen sich ja so Podcast-Folgen. Wir haben gerade was aufgenommen, das erscheint nächste Woche mit arbeiterkind.de, wo wir unter anderem genau darüber sprechen, dass man vielleicht als Arbeiterkind zum ersten Mal ein Hochschulstudium in seiner Familie gemacht hat, dann auch noch Jura gewählt hat und in der Kanzlei landet.
Und was sich dann da für unterschiedliche Welten und auch, ich will nicht sagen Fronten, aber Herausforderungen auftun, einfach schon aufgrund dessen. Das wird nun mal auch ganz anders sein als bei dir, der du sagst, ja, ich komme aus einer Juristenfamilie.
Du wusstest ja zum Beispiel auch schon wahrscheinlich deutlich genauer vor deinem Studium, worauf du dich einlässt. Zumindest vor dem Jura-Studium, bei den anderen wahrscheinlich nicht.
Also genau zu der Sache Arbeiterkind kann ich wirklich wenig beitragen. Da freue ich mich sehr auf die Folge. Danke auch an dich erstmal. Aber an dieser Stelle auch mal danke an dich, dass du diesen Podcast machst.
Finde ich alles sehr spannend, die Folgen. Und ich wusste tatsächlich relativ wenig vom Studium, auf was ich mich da einlasse. Ich habe mich wirklich, wie gesagt, überhaupt nicht informiert. Ich habe mich einfach nur für eine Stadt entschieden und habe mich dann mal da reingeworfen.
Okay. Ja, vielen herzlichen Dank. Das ist immer ganz schön, das natürlich zu hören. Sag mal, der Vollständigkeit halber, du bist jetzt fertig, sowohl mit dem Studium, auch dem Referendariat, hast gerade eben im Vorgespräch erzählt, dass du jetzt promovierst, hast dein zweites Examen in der Tasche und hast irgendwie in diesem Gesamtzusammenhang dich jetzt, um mal auf die Quintessenz dieser Folge zu sprechen zu kommen oder um auf das Hauptthema dieser Folge sprechen zu kommen, mit der juristischen Notengebung beschäftigt.
Wie kam es dazu? Genau.
Ja, nach meinem ersten Examen, das habe ich Anfang 2020 fertig gemacht, da war meine mündliche. Da habe ich dann meine Promotion schon angefangen, parallel zum Bachelor und zum Master, was nicht super schlau war, aber ich habe es mal gemacht. Und dann habe ich mir in der Zeit Geld verdient, indem ich viel Lehre gemacht habe.
Ich promoviere extern und hatte dadurch keine Wissmitstelle und habe dann eben zum Beispiel unter anderem das Verwaltungsrechtstutorium mitgemacht. Und da habe ich ein paar Gruppen gehabt und habe dann auch die Klausur im Verwaltungsrechtstutorium mit korrigiert und habe da festgestellt, dass die verschiedenen KorrektorInnen mit mir sehr unterschiedliche Notendurchschnitte rauskriegen.
Und das fand ich dann schon ein bisschen interessant und habe dann mich an Anekdoten aus dem Studium erinnert, wo dann Leute sagen so, hey, wir haben fast das selber abgegeben, aber so wild unterschiedliche Noten bekommen. Und dann dachte ich mir, ja, ich war ja gerade nach dem ersten, kam quasi aus einem anderthalbjährigen Bootcamp, mich über das Examen aufzuregen und habe mich dann nochmal zurückerinnert daran und wollte dann wissen, wie ist das eigentlich? Gerade aus dem Blickwinkel der Linguistik oder aus der Informatik, wo viel mehr mit Zeilen gearbeitet wird.
Und das ist eine Sache, die mich an der juristischen Forschungswelt immer ein bisschen gestört hat. Das ist sehr argumentativ und unglaublich gute qualitative Argumentation. Aber die quantitative Arbeit findet in der Ausbildung nicht statt und findet auch in der Forschung quasi nicht statt.
Und dann war ich in so einem Sweet Spot aus, ich habe Zugriff auf die Klausuren, ich habe die Zeit dafür und ich habe vielleicht so ein bisschen statistischen Hintergrund, dass ich das umsetzen kann. Und ich kenne genug Leute, die ich fragen könnte für sowas, weil ich wollte jetzt auch nicht aus heiterem Himmel dafür Forschungsgelder erheben, weil das hätte das Ganze nochmal um ein halbes bis ein Jahr verlängert.
Und was hast du dann genau gemacht?
Ich habe mir, also der akademische Rat, der das leitet, Martin Heidebach von der LMU München, super Typ, setzt sich super für die Lehre ein, also Shoutout an ihn. Den habe ich dann gefragt, ob das irgendwie möglich wäre, dass ich mir dann ein paar Klausuren schnappe und das mache.
Und dann meinte er, ja klar, knock yourself out. Und dann habe ich mir die Klausuren genommen und ich hatte die ja alle selbst schon korrigiert, während sie liefen als Klausur. Und dann habe ich einfach angefangen mit ganz vielen Leuten zu kommunizieren und habe Leute angefragt, ob die bereit wären dafür zu, da mit zu korrigieren.
Ich habe, als ich die Studie geplant habe, habe ich auch ein paar mit ein paar Statistikern darüber geredet, wie man das sinnvollerweise veranstaltet. Weil das dann auch aus der Erfahrung aus den anderen Disziplinen weiß ich, dass man sowas schnell unseriös machen kann.
Und da muss man wirklich aufpassen und das war dann auch im Prozess, der im Review-Prozess, als es bei der Zeitschrift lag, deren großes Anliegen, dass es eben nicht so ist, dass es vielleicht ganz interessant klingt, aber einem dann um die Ohren geschlagen wird, sobald jemand mit halbwegs statistischer Ahnung da drauf guckt. Und das heißt, das habe ich im Vorfeld schon überprüft, habe dann die ganzen Leute angefragt und das war dann ein ziemlich langer Zeitraum, wo ich das an verschiedene Leute rausgeschickt habe, es von denen habe korrigieren lassen.
Es war immer wie so ein kleiner Geburtstag, wenn dann noch wieder ein Satz von Noten zurückkam und ich dann gemerkt habe, Also krass, ich dachte jetzt werden die Notenspannweiten ausgereizt, aber nee, es kam immer wieder nochmal eine neue Maximal- oder Minimalnote rein. Und das war dann auch so graduell spannend zu sehen.
Haben die das dann mit einer Lösungsskizze korrigiert oder komplett frei?
Genau, ich habe ihnen den Sachverhalt geschickt, die Lösungsskizze und dann eigentlich nur mit dem Kommentar korrigiert, so wie es sonst auch immer. Und es gibt ja auch Möglichkeiten, wie zum Beispiel Bewertungseinheiten oder klarere Schemata, wo dann gesagt wird, für diesen Punkt gibt es so und so viel grob Basispunkte oder sowas.
Das habe ich alles nicht gemacht, weil ich dachte mir, als Grundaussage ist das Interessanteste, gibt es wirklich, wenn man es absolut roh macht und also nicht so wenig beeinflusst wie möglich. Keine Beeinflussung gibt es nicht, gibt es generell bei, glaube ich, keiner Studie.
Aber so wenig Beeinflussung wie möglich, gibt es dann da Unterschiede. Und das war für mich die wichtige Grundaussage. Ich habe auch zum Beispiel absichtlich keine Informationen darüber erhoben, also jetzt zum Beispiel demografische Daten über die Leute, die Klausuren verfasst haben oder die KorrektorInnen, weil ich mir dachte, je mehr ich da jetzt noch versuche, da schon Gründe rauszuholen, desto mehr verwässert das die Grundaussage von, hey Leute, es gibt Unterschiede und das ist die Zahl dazu.
Und was war das Ergebnis? Ich glaube, das müssen wir für diejenigen, die die Studie nicht gelesen haben, einmal zwischendurch sagen.
Genau, also das Hauptergebnis ist, dass ich habe jede Klausur 15 oder 16 Mal korrigieren lassen. Das heißt, auf ein und dieselbe Klausur hat 16 Bewertungen bekommen und bei diesen Bewertungen gibt es natürlich eine Spannbreite. Ich glaube, kein Mensch hätte erwartet, dass es immer 16 Mal dieselbe Note gibt.
Und meine Erwartung war so ein bisschen, dass die Spannbreite vielleicht zwei, drei Noten sind. Aber im Durchschnitt war die Differenz zwischen der niedrigsten und der höchsten Punktzahl, die pro Klausur vergeben wurde, 6,47. Im Durchschnitt? Im Durchschnitt.
Also die größte Abweichung waren 10 Punkte. Da war die geringste Note 4 und die höchste Note 14.
Wo wäre es gerade? Durchschnitt oder Median? Muss ja Durchschnitt sein bei einer krummen Zahl. Durchschnitt, ja. Nur, dass hier nachher keine Missverständnisse auftauchen.
Median war dann pro Klausur unterschiedlich. Der Median war tatsächlich immer relativ nah am Durchschnitt dran. Das bedeutet, es gab ähnlich große Ausschläge nach oben und nach unten. Ja, genau.
Genau, das ist nochmal ganz gut zu sagen, ja.
Und insgesamt war es, also für wirklich sehr belastbare statistische Aussagen müsste man viel mehr Zahlen erheben. Ich habe insgesamt 230 Korrekturen erhalten. Über 15 Klausuren.
Das heißt, du hattest, genau, was ich gerade sagen wollte, 15 Klausuren, viel mehr Daumen.
Genau, 15 Klausuren, 23 KorrektorInnen und jede Person hat 10 Klausuren korrigiert. Ich habe das dann so gestaffelt in 10er-Gruppen, dass ich ein paar mehr Klausuren covern kann. Und ja, also ich habe da noch geguckt, wie groß die Verteilung ist, weil das Interessante ist ja, wie gesagt, es hätte ja keiner erwartet, dass es 16 Mal dieselbe Note ist.
Und das eigentlich Interessante ist ja statistisch gesehen nicht die Abweichung zwischen niedrigster und höchster Note, sondern sind die sehr eng um den Durchschnitt alle gelegt und dann gibt es ein paar krasse Ausreißer oder ist das breit verteilt? Und da habe ich dann errechnet, dass ungefähr nur 40 Prozent der Noten plus minus ein Punkt vom Durchschnitt waren. Das bedeutet, 60 Prozent der Noten waren mehr als ein Punkt vom Durchschnitt entfernt.
Das ist eine Katastrophe, wenn man sich eine Gauss-Schonormalverteilung anguckt.
Ja, du hast jetzt zum Einleitung gesagt, ich habe die Ungerechtigkeit der Klausurbewertung untersucht. Ich muss sagen, Gerechtigkeit ist ein großer Begriff. Und ich glaube, bevor man jetzt wirklich aktiv von Ungerechtigkeit sprechen kann, da muss noch ein bisschen Tinte, die empirische Tinte, die juristische Fachliteratur unterfließen.
Du weißt ja, wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen diesen Podcast auch zu Ende hören.
Und also eine Sache, die mir sehr wichtig ist, ist erstens, meine Studie habe ich zu Anfängerklausuren gemacht. Das bedeutet, die Leute schreiben eine Zwei-Stunden-Klausur. Die haben die Klausur, die ich genommen habe, die haben die während Corona zu Hause geschrieben, also getippt.
Und ich glaube, was für eine Art von Klausur ist, ist da gar nicht so wichtig. Nur die Leute, die das korrigieren, das waren eben alles Leute, die hatten schon Korrekturerfahrungen oder also entweder relativ viel oder es waren auch ein paar dabei, die keine Korrekturerfahrung hatten, weil es eben realistisch ist bei dieser Art von Klausuren.
Also wenn man zum Beispiel 1000 Anfängerklausuren hat, da wird es immer auch Leute geben, die keine Korrekturerfahrung haben. Das bedeutet aber auch, dass wenn man diese Ergebnisse verallgemeinern möchte, man sehr, sehr vorsichtig sein muss. Denn im Staatsexamen werden andere Klausuren geschrieben, die sind länger, die sind besser konzipiert als so eine kleine Anfängerklausur.
Da geben sich hoffentlich die Leute, die das korrigieren, mehr Mühe. Da haben die Leute, die das korrigieren, mehr Erfahrung im Korrigieren. Und das heißt, da kommen mehrere Faktoren zusammen.
Wieso ich hoffnungsvoll bin, leise hoffnungsvoll, aber doch hoffnungsvoll, dass es, wenn man das auf Staatsexamensebene wiederholt, geringere Abweichungen geben wird.
Das sollte man aber vielleicht dann mal dringend tun, denn zumindest Anlass zu einer solchen Untersuchung gibt dein Ergebnis und deine Erkenntnisse ja allemal.
Genau, also ich bin dran. Ich versuche gerade das nochmal auf Examsniveau aufzubauen. Da gibt es dann ganz eigene Probleme im Studiendesign und idealerweise wäre es natürlich, wenn die Prüfungsämter da mitmachen. Deswegen hier Anfrage, wenn hier Leute von Prüfungsämtern in Deutschland zuhören, dann würde ich mich sehr freuen, wenn sie sich bei mir melden.
Ich komme aber auch auf sie zu, keine Angst. Aber auch die, das war auch mein großes Ziel, dass man eben, weil es bisher da überhaupt nichts gab, einfach mal einen Flock einzuschlagen und zu sagen, das habe ich rausgefunden. Wenn ihr glaubt, dass es weniger ist, geht hin und beweist es.
Und das also auch, ich verstehe meinen Aufsatz auch ziemlich als Arbeitsauftrag an die juristische Welt, weil es gibt aus meiner Sicht 500 Punkte oder 500 Bereiche, wo man sehr, sehr einfach low-hanging fruit in Sachen empirischer Forschung im Rechtsbereich machen könnte. Das ist wirklich in jedem einzelnen Bereich der rechtlichen Welt.
Also die Möglichkeiten sind da unendlich.
Nehmen wir mal an, wenn du du nicht drüber sprechen magst, ist okay, dann schneiden wir es raus. Nehmen wir mal an, die Studie zum Thema Examensklausuren hätte ähnliche Ergebnisse. Mhm. Was würdest du dir wünschen, was dann passiert?
Ja, nehmen wir an, die Studie zu den Examsergebnissen hätte ein identisches Ergebnis, also auch 6,47 Durchschnittsabweichungen zwischen niedrigster und höchster Klausur. Dann haben wir auf mehreren Ebenen ein Problem. Dann haben wir, also jetzt rechtlich gedacht, haben wir ein verfassungsrechtliches Problem, weil wir den Anspruch haben, durch das Verfassungsgericht bestätigt, dass die Klausur fair sein muss oder die Prüfung fair sein muss.
Und dann muss man sich da sehr gut Gedanken drüber machen, ob das überhaupt noch irgendwas mit Fairness zu tun hat. Weil man muss dazu sagen, die Examsnote ist leistungsabhängig. Da gibt es zum Beispiel in der Jura-Reform-Studie Zahlen zu, je länger die Leute lernen, desto höher wird die Examsnote.
Das heißt, da gibt es eine Korrelation. Es bedeutet dann aber, dass die Leistung, die man erbringt oder die Note, die man kriegt, nicht 100% leistungsbezogen ist. Sondern da gibt es andere Faktoren, die man nicht kontrollieren kann, die diese Note ausmachen.
Und dann gibt es da ein Verhältnis von wie viel der Punkte, die man kriegt, sind leistungsabhängig und wie viel Prozent der Punktzahl, die man kriegt, ist nicht leistungsabhängig. Und wenn das bei 6,4 wäre, dann wäre der nicht leistungsabhängige Faktor wahrscheinlich 50 Prozent oder mehr.
Und aus meiner Sicht kann das nicht Sinn der Sache sein. Und ich habe ein bisschen Bedenken davor, dass es dann sehr laute Reformrufe gibt, zu Recht, die dann aber zu irgendeiner überstürzten Reform führen, führt, die das System in irgendeiner, dieses Prüfungssystem in irgendeiner Form ändert, die nicht wirklich sinnvoll ist.
Denn Alternativsysteme sind auch nicht erforscht. Und man müsste dann erstmal hingehen und sagen, wenn wir jetzt diese Prüfungsmodalitäten in der und der und der Art ändern. Führt es wirklich dazu, dass die punkte die man kriegt tatsächlich leistungsbezogene sind oder verlagert man einfach nur das auf ein anderes prüfungssystem fühlt sich gut war meine reform durchgebracht hat aber wirklich besser ist auch nicht geworden und das ist auch wieder glaube ich eine schwäche davon dass wir als juristen juristen zunft quantitativ schwach aufgestellt sind ich glaube wir sind als disziplin nicht gut darin bezahlen umzugehen und dann auch zu erkennen wenn wir jetzt irgendwie ihre vor also klar gesetzgeberische reformen haben wir jeden tag gehen wir machen wir viel.
Aber uns wirklich die Frage zu stellen, bringt es was, was wir gerade machen? Und das dann auf Zahlen zu gucken und sagen zu können, ja, das ist sinnvoll so oder hey, oder nee, das ist nicht sinnvoll. Und die allerwichtigste Variante, bevor wir jetzt weitermachen, brauchen wir noch mehr Zahlen.
Das fällt so ein bisschen unter den Teppich.
Das geht ja so ein bisschen in die Richtung Review von Gesetzen, dass man sagt, wir machen vielleicht mal etwas, lassen das mal ein Jahr lang laufen und evaluieren dann, ob wir die Maßnahme weiterlaufen lassen. Aber woher soll die Evaluierung kommen, wenn schon die Datengrundlage nicht gegeben ist?
Also ich wäre ein großer Freund von, ich weiß nicht, ob das ein Begriff ist, aber Legislative Sandboxing, also dass man da eine Möglichkeit gibt, in einem kleinen Rahmen Gesetzes zu schaffen und die dann eben so mal auf irgendwas, was abstrahierfähig ist, für ein Jahr lang erprobt und dann guckt, ob das gut läuft.
Wir schweifen ein bisschen ab, aber ich las gerade eben, ich glaube auch bei BBC, einen Artikel zu schwedischen Milliardären, die alle unisono gesagt haben, wir haben hier die höchste Steuerlast. Wir haben aber hier einen sehr gut funktionierenden Markt, dahingehend, dass zum Beispiel neue Regulatorik erprobt werden kann in Schweden, weil wir hier sehr agil, was die Politik angeht, unterwegs sind.
Und so können wir in diesem kleinen Land Schweden ausprobieren, ob etwas global auch funktionieren würde. Stichwort Spotify. Irgendwelche neuen Features, die irgendeine Regulatorik betreffen, die hauen das dann natürlich alle zuerst in Schweden raus.
Das ist die Regulatory Sandbox am Ende des Tages. Und machen dann den Rollout, wenn so ein Feature gut funktioniert, global. Geht so ein bisschen in die Richtung.
Möchtest du jetzt sagen, dass sich Deutschland regulatorisch an Schweden orientieren sollte?
Nö, weiß ich gar nicht. Ich finde es erstmal nur passend thematisch. Und für diejenigen, die da vielleicht ein bisschen mehr wissen wollen, können die mal gerade schnell googeln und so ein bisschen sehen, dass es jetzt zumindest keine total wilde Idee von dir ist, sondern da auch schon zumindest anekdotische Evidenz gibt, dass da vielleicht was dran ist.
Ja, sehr spannender Bereich. Also dann ist ja wieder eine politische Entscheidung, was man da Sandbox-mäßig ausprobieren möchte. Und das Gute an der richtigen Sandbox wäre ja, dass man ganz viele parallel laufen lassen kann Und auf so einem Makro-Level wie jetzt ein ganzes Land, dann kannst du halt immer nur eine Sache gleichzeitig machen, hast keine Vergleichsgruppe und dann, ja, weiß auch nicht, ob die Milliardäre das da für die Bevölkerung sprechen oder die Bevölkerung vielleicht auch eine andere Meinung hat.
Jaja, wir sind weit weg vom Thema, ich sehe das schon. Gehen wir nochmal zurück zu deiner Studie. Erstmal würde mich gerne interessieren, vielleicht so ein bisschen behind the scenes, was ist dir in den letzten Wochen so passiert? Weil das ist ja das Wespennest-Thema.
Jeder fühlt sich ja irgendwie leicht traumatisiert nach dem Staatsexamen. Manche in die gute, manche in die schlechte Richtung. Je besser es lief, desto schneller vergisst man vielleicht, wie das alles so war.
Da habe ich manchmal den Eindruck, wäre es so auf dich zugekommen, welche Geschichten hast du erfahren in den letzten Wochen nach der Veröffentlichung der Studien, was du vielleicht auch hier im Podcast teilen kannst?
Also ich habe extrem positives Feedback von ganz vielen Seiten bekommen. Tatsächlich von den juristischen Nachrichtenoutlets einiges. Also zum Beispiel Jurios, LTO. Und da war extrem großes Interesse da.
Und von auch relativ vielen Leuten aus dem akademischen Bereich. Da war gutes Feedback. Von staatlicher Seite außer ein paar LinkedIn-Kommentare nichts und auch von Studierendenseite auch nur im persönlichen Gespräch von Leuten, die ich halt kenne.
Was mir aber, was mich wirklich freut, ist, dass auch in meinem persönlichen Freundeskreis ich an ein paar Events war, wo dann irgendwie jemand aus heiterem Himmel meinte, so ja, da ist noch letztens diese Studie rausgekommen und so. Ich dann meinte, ja, das war ich.
Was für mich ein Zeichen ist, dass wenn mir das passiert, dass es in in ganz, ganz vielen juristischen Kreisen auch diskutiert wird. Und ich glaube auch, dass es schon immer den Bedarf gab, darüber zu reden. Und jetzt mit der Studie da ein Anlass ist, wirklich ein bisschen handfester darüber zu reden.
Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die Reformdiskussion in Jura so ein bisschen wie ein Gewitter ist, was halt alle paar Jahre mal wiederkommt und die Prüfungsämter es dann aussitzen und danach wieder rauskommen und dann ein auf schönes Wetter machen. Und vielleicht führt das jetzt dazu, dass wieder so eine Gewitterperiode kommt für die Prüfungsämter.
Und da muss ich sagen, finde ich auch schwierig, wo dann die gesamte Kritik endet. Weil ich habe jetzt sehr positives Feedback bekommen. Nur Leute, die sich davon angesprochen fühlen, die haben ja einen Kritikbedarf, also einen Bedarf, Kritik abzugeben.
Auch zu Recht, würde ich sagen. Und ich glaube, die Kritik landet dann bei den Prüfungsämtern, die häufig dieses ganze System planen und das durchführen. die aber nicht unbedingt an dem Hebel sitzen, dass sie es sofort ändern könnten.
Und aus meiner Sicht würde ich sagen, die Prüfungsämter haben eine Verantwortung, da mehr drüber rauszufinden, weil für mich gute Arbeit bedeutet, dass man auch weiß, ob man überhaupt mit der Arbeit, die man macht, das Label gut erreichen kann. Gleichzeitig sind die Leute, die an die Prüfungsämter kommen, sind halt ausgebildete JuristInnen und sind auch wieder in quantitativer die für Forschung nicht gut aufgestellt.
Und mich würde es freuen, wenn Prüfungsämter da selbst eine Kooperation starten würden mit Universitäten oder Ähnlichem und mit Statistikern und dann da selbst das mal in die Hand nehmen und sagen, wir geben jetzt pro Durchgang irgendwie zwei Klausuren an alle KorrektorInnen raus und machen dann da über zwei Jahre mal einen Testlauf, ob das wirklich so ist. Und das dann auch veröffentlichen.
Weil ich habe auch gehört im Nachgang zur Studie, dass es an dem Prüfungsamt mit einer Klausur schon mal gemacht wurde, mit haarschreibenden Ergebnissen und dass es bei Repetitorien das gemacht wurde mit haarschreibenden Ergebnissen und an verschiedenen Lehrstühlen und es wurde halt alles nicht veröffentlicht.
Das Ergebnis war immer das gleiche, ja. Ich kenne diese Geschichten natürlich auch.
Ja, und das, also mich überrascht es nicht, aber mich macht es ein bisschen traurig, weil ich glaube auch, das ist ja ein System, das systemisch ist ja auch die juristische Welt nicht für die Veröffentlichung von so quantitativen Sachen gut geeignet. Die Arten von Aufsätzen, die in der juristischen Welt veröffentlicht werden, sind sehr meinungsgetrieben, sind sehr präskriptiv und man argumentiert dann seine Ansicht von, sagen wir mal so ein klassischer Aufsatz, ich finde der und der Paragraf so und so auszulegen, dann argumentiert man da seine Meinung.
Und dann so ein rein datengetriebener Aufsatz habe ich, ich wüsste jetzt nicht, wann ich in irgendeiner sagen wir mal in der NJW das zuletzt mal einen rein quantitativen Aufsatz gesehen habe. Also vielleicht weißt du da was, vielleicht habe ich da was übersehen.
Aber ich schätze das ganz ähnlich ein, also quantitative Forschung und Jura ist kein besonders großes Feld. Ja, kann ich dir glaube ich erstmal so in deiner Einschätzung nur recht geben. Ich hänge gerade ein bisschen an einem anderen Punkt noch Oder an zwei anderen Punkten.
Der erste Punkt ist diese Fixierung auf Noten. Auch wenn wir jetzt natürlich hier viel gerade darüber sprechen, aber das ist ja auch ein empirisches Finding am Ende des Tages. Und wir haben ja auch diese Brille gerade aufgesetzt.
Aber ich möchte auch gar nicht darüber reden, ob Noten jetzt noch so wichtig sind oder unwichtig sind. Das sollen andere machen. Ich möchte da gar nicht so viel Licht drauf werfen.
Aber nur nochmal betonen, da es allein schon diese Diskussion so gibt und wir deutlich notenfixierter als Branche sind als andere Branchen, zumindest was die Fixierung auf das Thema angeht, ob das jetzt wirklich wichtig ist oder unwichtig, lassen wir mal außen vor. Aber das kann man glaube ich festhalten, als Branche sind wir da fixierter als andere Branchen.
Ist es ein umso wichtigeres Thema, was du da gerade angestoßen hast, auch für die psychische Gesundheit von vielen Beteiligten hier in der Branche?
Total.
Und damit der zweite Punkt sozusagen, deswegen bin ich gerade etwas Gedanken verloren. Was sagen wir denn jetzt den Leuten in der Ausbildung? Wird alles nicht so schlimm? Kann man ja nicht ernsthaft sagen, oder? Also das erste Bauchgefühl ist doch mies.
Hast du da vielleicht auch etwas Positiveres? Ja, habe ich. Also ich würde sagen, weitermachen. Ich sehe inzwischen das Prüfungssystem als, also es ist eben nicht komplett leistungsbezogen. Und das bedeutet, die Leistung, die man reinsteckt, die schlägt sich am Ende nieder, aber nicht komplett.
Und man darf sich nicht so vorstellen, dass man irgendwie viel lernt und dann schreibt man zehn Punkte, sondern man hat eine Notenrange und dadurch, dass es viel gibt in der Bewertung, was nicht leistungsbezogen ist, hat man da diese Range, die man nicht reduzieren kann, egal wie viel man lernt. Und das sagen wir mal jetzt nach meinen Ergebnissen ist diese Range 6,5 Punkte.
Und das heißt, wenn ich anfange mit dem Studium, dann habe ich eine Range von 0 bis 3. Und wenn ich dann sehr, sehr viel lerne, dann ist meine Range irgendwann 0 bis 6. Und wenn ich noch mehr lerne, dann ist meine Range irgendwann 4 bis 10.
Und wenn ich unglaublich viel lerne, dann ist meine Range 10 bis 16. Aber ich kann diese Range aus eigener Kraft heraus nicht reduzieren. Also es bedeutet schon, dass der Input im Lernen was bringt und ich glaube auch, dass das System, wie wir es jetzt haben extrem gut ausgebildete JuristInnen hervorbringt, nur ich glaube, dass die.
Der erste wichtige Schritt ist, erkennen, dass eben ein großer Teil der Bewertung nicht leistungsbezogen ist. Der zweite Schritt ist, glaube ich, wichtig zu sehen, es bringt doch was zu lernen, weil unabhängig von der Note, wenn man, aus meiner Sicht sollte man die Note jetzt für sich privat komplett vergessen.
Ich glaube, dass es tatsächlich das Sinnvollste ist, also jetzt Tipp für Leute in der Examsvorbereitung, dass man nicht auf die Note der einzelnen Klausur guckt, sondern sich ein Lebenszeitkonto an Punkten gibt. Und dass man sagt, ich möchte, bevor ich ins Examen gehe, ein Lebenszeitkonto von 600 Punkten in Examsklausuren aufgebaut haben.
Und wenn man dann besonders gute Klausuren schreibt, schafft man das in 60 Klausuren. Wenn man mittelmäßige Klausuren schreibt, schafft man das in 100 Klausuren. Aber das ist ein viel versöhnlicherer Weg, drauf zu gucken, als dann zu sagen, diese Woche nur drei Punkte, ich bin unglaublich schlecht.
So ist es doch nicht. Sondern es gibt viel mehr Faktoren, die da reinspielen, die so eine Note quasi willkürlich mal in die eine oder die andere Richtung ziehen können. Und jede Klausur, die man schreibt, bringt einem was, weil man da immer ein bisschen mehr aufgebaut hat.
Und deswegen dieser Blick des Lebenszeitkontos. Ich glaube, der ist sehr viel sinnvoller und hilft einem vielleicht auch so ein bisschen in dieser langen Zeit der Examsvorbereitung nicht so zu schwimmen und das Gefühl zu haben, man geht nicht in die richtige Richtung.
Finde ich einen sehr guten Tipp. Vielen herzlichen Dank. Und ich würde hinzufügen, wenn man sich in einer Range bewegt, gerade mit Blick auf die mündliche Prüfung, diejenigen, die mal bei mir irgendwo an der Uni in der Vorlesung waren, wissen, was jetzt kommt. Heißt das ja nicht notwendigerweise im Umkehrschluss, das wäre falsch, aber es gibt zumindest eine Möglichkeit, dass das bedeutet, dass man eben doch auch durch Softskills, Präsentationfähigkeiten, wie man auftritt, wie man sich vielleicht auch auf sein Gegenüber einstellt, da ziemlich viel gerade in mündlichen Prüfungen rausholen kann, was nicht nur die reine materielle Leistung ist.
Absolut. Also da würde ich dir zu 100% Recht geben. Bei mündlichen ist es, glaube ich, sehr klar, dass es so ist. Ich glaube, bei schriftlichen Klausuren ist es auch genauso.
Und ich würde auch sagen, dass das, also ich würde sagen, da liegt ein eigenes Problem nochmal, dass es für Leute, für die Korrekturseite nicht so klar ist, dass diese Formalia, die nichts mit dem Rechtlichen zu tun haben, genauso wichtig sind. Zum Beispiel würde ich auch gerne in der Folgestudie Sachen, also es gibt ja bei der Klausurbewertung die rechtliche Seite, also ich bewerte den rechtlichen Inhalt, aber ich bin ja auch ein Mensch und wenn ich da was hingekrackelt sehe und ich kann es kaum lesen, dann habe ich nach drei Seiten keine Lust mehr auf die Klausur, dann gebe ich halt eine schlechtere Note am Ende.
Und also Handschrift würde ich sagen, ist hinfällig zu untersuchen, weil das wird alles jetzt zum sogenannten E-Examen. Ich habe Probleme mit dem Begriff, aber es wird halt getippt und dann gibt es aber ja immer noch darüber hinaus ganz viele andere Sachen.
Zum Beispiel, wie formatiere ich die Klausur? Wie ist meine Rechtschreibung? Habe ich irgendwie viel Widespace in der Klausur? Schreibe ich meine Zwischenüberschriften aus oder mache ich da nur irgendwie einen kleinen Bullet? Das sind alles Sachen, die manche Leute mal so oder mal so haben wollen. Und je nachdem, an wen man da gerät, hat man ja auch vorher keine Möglichkeit, sich auf diese Person einzustellen.
Und ich finde, es wäre sehr sinnvoll, wenn die Prüfungsämter ein Stilblatt rausgeben würden. Sowohl an die ExamenskandidatInnen, dass sie dann denen sagen, hey Leute, bitte schreibt eure Überschriften so, bitte macht so viel Whitespace, bitte formatiert das so und so. Aber dann auch an die KorrektorInnen rauszugeben und zu sagen, hey, ihr dürft schlechte Rechtschreibung maximal mit so viel bewerten.
Ihr dürft irgendwie schlechte Handschrift maximal mit, also nach dem Prüfungsamt, dann darf die Handschrift sowieso nie negativ gewertet werden. Aber das ist auch lächerlich. Und da dann eben klarere Vorgaben für den ganzen nichtrechtlichen Bereich, der natürlich auch eine Rolle spielt in der Bewertung.
Das wäre, glaube ich, aus meiner Sicht eine Möglichkeit, wo man sehr schnell und sehr effektiv diese nicht leistungsbezogenen Faktoren reduzieren könnte, wenn man sich einmal dazu einigt und das dann als klare Vorgabe rausgibt.
Das ist ein ganz klares und schönes Schlusswort. Vielen herzlichen Dank, Clemens.
Danke dir.
Tschüss.
Ciao.