IMR25326. Aug 24
IME015: Familienrecht Überblick, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs, Eigentumsvermutung, Jobchancen mit FamR (§§ 1353ff., 1357, 1626, 1629, 1664 BGB, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK)

IME - Irgendwas mit Examen

IME015: Familienrecht Überblick, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs, Eigentumsvermutung, Jobchancen mit FamR (§§ 1353ff., 1357, 1626, 1629, 1664 BGB, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK)

Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln

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Über diese Episode

Folge 253 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Familienrecht - Ehe - Unterhaltsrecht - Berufschancen - Mündliche Prüfung - Protokolle - Klausuren - Sachenrecht - Erbrecht - Zugewinngemeinschaft - Gütertrennung - Haftungsprivilegierung - Gestaltungsrechte - Bedarfsdeckungsgeschäfte - Bundesverfassungsgericht - § 11 JAG NRW - § 1353 Abs. 1 BGB - § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB - § 1356 BGB - § 1357 BGB - § 1359 BGB - § 1362 BGB - § 1626 BGB - § 1629 BGB - § 1664 BGB - Artikel 6 GG - Artikel 8 EMRK - § 280 BGB - § 433 Abs. 2 BGB - § 599 BGB - § 1006 BGB - § 276 BGB - § 1365 BGB - § 1374 BGB - § 1379 BGB

In Folge 253 Eures Jurapodcasts ist die hervorragende Prof. Dauner-Lieb zurück und bringt euch das Familienrecht näher. Ein Muss für alle Studierenden kurz vor dem Examen sowie alle am Familienrecht Interessierten. Teilt die Folge gerne mit Euren Kommilitonen oder unterstützt IMR mit einem Rating auf Spotify / Apple Podcasts. Vielen Dank & viel Spaß mit der Episode!

Kapitel:

  • 01:12 - Wo stehen wir?
  • 05:02 - Jobchancen im Familienrecht
  • 10:42 - Prüfungsprotokolle
  • 15:41 - Nicht auf Lücke lernen!
  • 22:40 - Was ist eine Familie?
  • 28:13 - 1353 ff.
  • 34:18 - Ehe ist ein Schuldverhältnis!
  • 37:18 - § 1357 BGB, Schlüsselgewalt
  • 42:15 - BGH, NJW 2018, 1313
  • 44:31 - Einerdienerfamilie als hist. Grundlage
  • 47:44 - Umfang der Sorgfaltspflicht, § 1359 BGB

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Barbara Dauner-Lieb

Barbara Dauner-Lieb

Kapitel

  • 00:01:12.419Wo stehen wir?
  • 00:05:02.755Jobchancen im Familienrecht
  • 00:10:42.538Prüfungsprotokolle
  • 00:15:41.377Nicht auf Lücke lernen!
  • 00:22:40.632Was ist eine Familie?
  • 00:28:13.6041353 ff.
  • 00:34:18.408Ehe ist ein Schuldverhältnis!
  • 00:37:18.341§ 1357 BGB, Schlüsselgewalt
  • 00:42:15.879BGH, NJW 2018, 1313
  • 00:44:31.043Einerdienerfamilie als hist. Grundlage
  • 00:47:44.917Umfang der Sorgfaltspflicht, § 1359 BGB

Über Universität zu Köln

Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.

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Familienrecht ist sexier als die Hypothek. Da kann man gut punktuell klausurrelevante Schwerpunkte auch mal nachlesen.

Sneak Peak – Q&A mit Barbara Dauner-Lieb

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:11 Min
Marc:

Willkommen. Ich kann gar nicht sagen zur weiteren Folge irgendwas mit Examen, denn zum einen haben wir ja in der Zwischenzeit irgendwas mit Examen Strafrecht aufgenommen und wahrscheinlich auch schon veröffentlicht und zum anderen geht es hier weiter sozusagen im allerpositivsten Sinne mit dem Urgestein von irgendwas mit Examen, nämlich mit Barbara Dauner-Lieb und ich freue mich sehr, dass wir es nach etwas Pause wieder schaffen, zusammenzusitzen.

1:11 Min
Marc:

Hallo Barbara.

0:33 Min
Lieb:

Hallo Marc, ich freue mich auch sehr.

0:35 Min
Marc:

Ja, heute beschäftigen wir uns zum ersten Mal mit dem Familienrecht. Passt also ganz gut. Ihr könnt die alten Folgen nochmal nachhören, wo es um viele schuldrechtliche Themen unter anderem ging, ein bisschen AT. Und insofern habt ihr jetzt hier ein ganz neues Thema vor der Brust, nämlich das Familienrecht.

1:11 Min
Marc:

Warum überhaupt sollte man sich damit beschäftigen? Wo stehen wir gerade im Gesamtkontext? Wir machen das ja hier immer der Art, dass wir sagen, naja, wir müssen wissen, wo wir uns sozusagen gerade aufhalten, denn nur dann können wir das ganz konkrete Objekt, was wir uns anschauen, auch verstehen, Barbara.

1:11 Min
Lieb:

Wir haben den AT abgearbeitet. Ich erinnere daran, das Vertretungsrecht ist besonders wichtig. Wir haben uns mit dem allgemeinen Schuldrecht befasst. Wir haben gesehen, dass die Schuldrechtsreform ganz große Veränderungen in der Dogmatik gebracht hat.

1:11 Min
Lieb:

Wir haben uns mit dem Kaufrecht befasst. Das ist sicherlich das wichtigste vertragliche Schuldverhältnis für Examenskandidaten. Man sagt, dass in 80 Prozent aller zivilrechtlichen Klausuren das Kaufrecht in irgendeiner Form vorkommt. Und jetzt wollen wir uns vor dem Recht der gesetzlichen Schuldverhältnisse, Deliktsrecht, Bereicherungsrecht, GOA und vor dem Sachenrecht, das natürlich auch ganz wichtig ist, erst einmal mit dem Familien- und dem Erbrecht beschäftigen, also mit dem vierten Buch und dem fünften Buch des BGB.

2:06 Min
Marc:

Naja gut, das sind alles wichtige Themen und man könnte auf die Idee kommen, dass die vielleicht sogar wichtiger sind als das Familienrecht. Muss ich mich denn in der Examensvorbereitung jetzt wirklich so ausgiebig mit dem Familienrecht beschäftigen?

2:18 Min
Lieb:

Unbedingt. Sie haben hoffentlich, liebe Hörer, das Familienrecht schon im Grundstudium gehört und wenn Sie es gehört haben, dann haben Sie einen guten systematischen Überblick über das vierte Buch bekommen und über das, was da geregelt ist. Sie haben wahrscheinlich und hoffentlich in der Grundvorlesung auch schon einen ersten Eindruck bekommen, wie gesellschaftspolitisch bedeutsam das Familienrecht ist.

1:11 Min
Lieb:

Das Familienrecht betrifft jeden Bürger, das liegt auf der Hand. Jeder von uns hat Familie, zumindest Eltern und Großeltern, meistens aber auch einen Partner und vielleicht in Zukunft auch Kinder. Und über Ehe und Familie und die Entwicklungen von Ehe und Familie wird im politischen Raum unentwegt ganz, ganz heftig diskutiert, während über Sachenrecht und Vertretungsrecht nun eher nicht gesprochen wird.

1:11 Min
Lieb:

Ich nenne jetzt mal ein paar aktuelle Themen, die Ihnen auch geläufig sind. Ehegattensplitting, Mehrenschaft, Verantwortungsgemeinschaft. Dann gibt es Dauerbrenner, die gleichgeschlechtliche Ehe, die gleichgeschlechtliche Elternschaft, die Patchwork-Familie, das Wechselmodell, das neue Unterhaltsrecht bei Eltern, die gemeinsam für ihre Kinder sorgen.

1:11 Min
Lieb:

Das ist gerade in der Mache im Bundesjustizministerium. Der Elternunterhalt, was muss man zahlen, wenn alte Eltern pflegebedürftig sind und die Rente nicht ausreicht für die Pflege. Sie zeigen alle diese Stichworte, wie vielfältig und spannend das Familienrecht ist und das zeigt auch etwas, was mir sehr wichtig ist.

1:11 Min
Lieb:

Das Familienrecht hat unmittelbar Anschluss interdisziplinärer Art an die Arbeit von Soziologen, von Psychologen, von Erziehungswissenschaftlern, von Politikwissenschaftlern. Das heißt, es ist immer interdisziplinäre Arbeit gefragt. Und außerdem, das ist für Sie jetzt wieder wichtig, bietet es dem juristischen Nachwuchs ganz nachhaltig gute Berufschancen, sowohl etwa in der richterlichen Laufbahn, in Behörden, in Ministerien, aber auch als Anwalt oder Anwältin.

1:11 Min
Lieb:

Und wenn Sie nicht unbedingt in einer ganz großen Kanzlei arbeiten wollen, sondern in einer etwas kleineren Einheit und wenn Sie Spaß haben am prallen Leben und zwischenmenschlichen Themen. Ist das Nachdenken über eine Spezialisierung im Familienrecht eine gute Idee, dann sollte man noch das Erbrecht dazunehmen und das Steuerrecht und kann sich ein Berufsprofil schaffen, in dem man sehr, sehr interessant, sehr eigenständig und auch finanziell erfolgreich arbeiten kann.

5:03 Min
Marc:

Lass uns einen kleinen Schlenker machen dazu und hier, weil wir ja auch viel so auf Karriere-Themen hier im Podcast eingehen, nochmal eine Minute über die Berufschancen sprechen. Familienrichterinnen, Familienrichter ist sozusagen ein No-Brainer, da versteht glaube ich jeder sofort, was man da tut.

1:11 Min
Marc:

Anwalt sein in dem Bereich, du hast es gesagt, in der kleineren Kanzlei, weil man natürlich mehr mit Familien, mit Menschen zu tun hat, weniger zum Beispiel mit Unternehmen, die man berät, leuchtet mir auch ein. Wie sieht es in Unternehmen aus? Kann man da auch was mit Familienrecht machen? Wahrscheinlich eher weniger, aber vielleicht in Kombination mit Steuerrecht und so Nachfolgethemen.

5:41 Min
Lieb:

Das ist jetzt eine sehr, sehr spannende Frage. Im Mittelstand, in dem Bereich der Familienunternehmen brauchen sie als juristischer Berater sehr solide Kenntnisse im Familienrecht. Sie brauchen natürlich auch gesellschaftsrechtliche Kenntnisse, steuerrechtliche Kenntnisse, erbrechtliche Kenntnisse, aber schon die Beratung bei der Eheschließung eines Erben von unternehmerischem Vermögen.

1:11 Min
Lieb:

Sind familienrechtliche Kenntnisse gefragt. Eheverträge, wir werden da in einer späteren Folge drauf eingehen, machen nun natürlich überwiegend Notare, weil die auch notariell entsprechend beurkundet werden müssen. Aber ein Anwalt, der insgesamt sich mit Nachfolgethemen befasst, muss das Familienrecht im Blick haben und überlegen, was rät er seinen Mandanten bei der Vorsorge und Planung.

1:11 Min
Lieb:

Und manchmal, wenn es übel kommt, muss er auch im Streitfall dann überlegen, was kann er für seinen Mandanten oder seine Mandantin tun, um einen solchen Streit um den Zugewinnausgleich, um die Gütertrennung, die Grenzen der Gütertrennung auszufechten. Es ist nicht eine typisch unternehmensrechtliche Fragestellung, aber ich kann wiederum nur sagen, wer sich für ein Familienunternehmen interessiert, wird ohne grundlegende Kenntnisse des Güterrechts nicht sinnvoll arbeiten können.

1:11 Min
Lieb:

Das Kindschaftsrecht und das Unterhaltsrecht spielt aber auch eine Rolle, aber ist natürlich nicht so wichtig.

7:18 Min
Marc:

Gut, ich fasse nochmal zusammen. Also, wenn man im Unternehmen arbeiten will, kann es in seltenen Fällen vielleicht mal passieren, dass man ein bisschen was so mitbekommt. Macht das doch mal mit.

1:11 Min
Marc:

Aber eigentlich beschäftigt man sich Tag ein, Tag aus mit anderen Themen, weil man natürlich nicht jeden Tag heiratet oder irgendwie eine Trennungsfolgevereinbarung verhandeln muss. Erstes Takeaway. Zweites Takeaway finde ich auch ganz spannend, dass sozusagen das Familienrecht aber in diesem Gesamtkonstrukt, zum Beispiel Unternehmensnachfolge, auch eine große gestaltende Wirkung hat und man auch wirklich gestaltend tätig sein kann.

1:11 Min
Marc:

Anders als zum Beispiel so landläufig, wenn man an Familienrecht denkt, denkt man vielleicht an eine Scheidung oder so.

7:57 Min
Lieb:

Das ist das tägliche Brot. Scheidung, Erstes Takeaway. Das macht der Anwalt im Butter-und-Brot-Geschäft, wobei es Scheidungen gibt, die finanziell überschaubar sind, für die Menschen immer sehr schmerzlich und da sind sehr schwierige Rechtsfragen, aber auch menschliche Fragen zu bewältigen, das ist das eigentlich Spannende. Aber es gibt natürlich auch Scheidungen, wo es dann wirklich um sehr viel Geld geht und ich habe eine Reihe von großen Fällen begleiten dürfen, da werden wir vielleicht mal drüber reden, wo ganz erbittert darum gestritten wird, was jetzt eigentlich die Konsequenz dieser Trennung ist.

1:11 Min
Lieb:

Da war bei der vorsorgenden Gestaltung nicht ausreichend Augenmerk auf die Dimension einer möglichen Trennung gelegt worden, weil man gesagt hat, die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen und wir lieben uns so sehr, dass nie irgendetwas in Betracht kommt und wo hinterher dann der Unglücksfall sehr unglücklich verlief. Also die Scheidung ist der Normalfall, aber die vorsorgende Planung, und das ist wichtig, also ein Notar muss sowieso im Familienrecht absolut topfit sein.

1:11 Min
Lieb:

Ich sage immer Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht und dann Gesellschaftsrecht, das sind die Säulen des Notariates. So dass ich viele Berufe sehe, übrigens nochmal in Behörden, Sozialämtern und Ministerien, die Vorlagen machen, müssen Sie sich da auch mit beschäftigen. Das Bundesjustizministerium wird in wenigen Wochen, hat der Bundesjustizminister gestern in einem Vortrag berichtet, eine ziemlich umfassende neue Familienrechtsreform mit umwälzenden Inhalten auf den Weg bringen.

1:11 Min
Lieb:

Und da haben sehr, sehr viele Top-Juristen im Bundesjustizministerium mitgearbeitet und wir können sehr gespannt sein, was da kommt. Wird außerordentlich interessant in vieler Hinsicht, unter anderem wird das Unterhaltsrecht geändert.

9:57 Min
Marc:

Ja gut, zurück zu dem, was die Leute hier sozusagen unmittelbar vor der Brust haben, nämlich ihr Staatsexamen. Unmittelbar examensrelevant sind diese angesprochenen Themen jetzt aber doch nicht unbedingt, oder?

10:08 Min
Lieb:

Stimmt für die Klausuren. In der mündlichen Prüfung muss man mit Fragen zu aktuellen familienrechtlichen Themen unbedingt rechnen. Jedenfalls dann, wenn der Prüfer oder die Prüferin sich für Familienrecht interessieren. Und woher weiß man das? Das kann man in der Regel den Protokollen entnehmen, die Sie bei der Vorbereitung auf das Mündliche meines Erachtens wirklich sehr, sehr gründlich durcharbeiten sollten.

10:42 Min
Marc:

Warte mal gerade, ich glaube, das haben wir hier noch nicht angesprochen. Was sind eigentlich Protokolle? Können wir da ganz kurz was zu erklären?

10:47 Min
Lieb:

Also Protokolle sind eine entscheidende Säule der Vorbereitung auf das mündliche Examen. Was ist das? Kandidaten, die das Examen bestanden oder auch nicht bestanden haben, aber meistens bestanden, schreiben über ihre Prüfung Protokolle. Also die schreiben auf, wer hat mich geprüft, was hat der geprüft, wie hat der geprüft, manchmal sogar, was ist dabei rausgekommen und die geben diese Protokolle an bestimmten Stellen, von denen man weiß, dass es sie gibt, ab und dann können die nächste Generation Prüflinge diese Protokolle einsehen.

1:11 Min
Lieb:

Das ist wichtig, man kriegt die Protokolle, aber nur wenn man verspricht, dass man selber wieder Protokolle schreibt. So, warum sind die jetzt so wichtig? Die gab es schon zu meiner Studienzeit. Erstmal steht da ziemlich viel drin über die Prüfer.

1:11 Min
Lieb:

Die meisten Kandidaten glauben nun, naja, man sieht, was der so prüft und vielleicht prüft er dasselbe nochmal. Das hat es immer mal gegeben, es gab immer mal Prüfer, die den identischen Fall statt mit ABC, mit XYZ über 30 Jahre, einmal kriegt die Lehrerin einen Blumenstrauß und einmal kriegt sie einen Pralinenkasten und immer ging es um dieselbe strafrechtliche Norm.

1:11 Min
Lieb:

Das kommt vor, immer seltener, so dumm sind die Prüfer nicht. Aber man kann natürlich aus den Prüfungsgegenständen, wenn man das intelligent auswertet, eine Menge entnehmen. Nämlich gibt es Gebiete, wo der klastert.

1:11 Min
Lieb:

Interessiert der sich immer für Kaufrecht? Interessiert der sich für Familienrecht? Hat der so Steckenpferde? Ganz wichtig, man entnimmt den Protokollen meistens auch eins, was ist der eigentlich für ein Beruf? Ist der Richter? Ist der Staatsanwalt? Ist der in einer Behörde? Ist der bei der Bundeswehr? Ich nenne bewusst zunächst mal die praktischen Berufe und nicht, was die Hörer vielleicht denken, Professoren.

1:11 Min
Lieb:

Professoren prüfen schockierend wenig. Also maximal 20 Prozent aller Prüfer sind Professoren. Das heißt, es ist wichtig zu verstehen, wer sitzt mir eigentlich gegenüber? Was ist dessen berufliches Umfeld? Wer sich gar nicht mit Gerichtsfällen befasst, wird vielleicht nicht so die Affinität haben, irgendwelche Fälle fallmäßig abzuarbeiten.

1:11 Min
Lieb:

So, da muss man einfach drüber nachdenken. Man kann sich auch sehr vorsichtig mal genauer informieren, wenn Sie einen Verwaltungsrichter beispielsweise haben, könnte man mal versuchen rauszukriegen, ist das eine Asylkammer? Machen die Schulrecht? So, bitte nicht bei der Geschäftsstelle anrufen und sagen, Herr Dr. Müller wird mich nächste Woche prüfen und ich möchte gerade mal hören, was der gerade für Akten macht.

1:11 Min
Lieb:

Ist auch schon vorgekommen, nicht gut. Aber man kann sich überlegen, was ist eigentlich das Berufsbild? So, jetzt sind wir immer noch nicht beim Kern. Der Kern ist aber, dass man sich damit befasst, wie prüft jemand? Prüft der schnell, prüft der langsam? Will der den Fall hintereinander weg abgearbeitet haben im Gutachtensstil? Benutzt jemand den Fall überhaupt nur als Aufhänger, um dann abstrakt generell zu fragen? Prüft jemand Fälle aus der Tagespresse oder allgemeinpolitische Fragen mit juristischem Bezug, die gerade aktuell sind? Ich bringe mal ein Beispiel, das ich selber erlebt habe, sehr schockierend.

1:11 Min
Lieb:

Wenn drei Tage nach der Wahl gefragt wird, wer wählt eigentlich den Bundeskanzler und die Antwort lautet das Volk, dann kann man auch, der Kandidat hatte eigentlich ziemlich gute Klausuren, das ist ganz schlecht. Das darf einfach nicht passieren.

1:11 Min
Lieb:

Also die Protokolle sind wirklich wichtig, nicht weil man da sieht, aha, das wird drankommen, aber weil man sich wirklich intelligent mit seinem Prüfer befassen kann und sich darauf vorbereiten kann und das kann dann schon mal passieren. Den einen Punkt bringen, der einen in die nächste Notenstufe.

1:11 Min
Lieb:

So, jetzt komme ich zurück zum Familienrecht. Sie können also den Protokollen meistens entnehmen, ob jemand überhaupt auf die Idee kommt, Familienrecht zu prüfen. Und wenn er das tut, müssen Sie auch damit rechnen, dass er oder sie sich mit aktuellen Themen beschäftigt.

1:11 Min
Lieb:

Klausurrelevant ist nur ein sehr überschaubarer Teil des Familienrechts. Das ist die gute Botschaft, die ich bringe. Also Pflegschaft und Vormundschaftsrecht. Praktisch außerordentlich bedeutend, die spielen aber im Examensgeschäft in der Klausur keine Rolle.

1:11 Min
Lieb:

Unterhalt der geschiedenen Ehegatten und äußerst schwierig der Versorgungsausgleich stehen absolut im Mittelpunkt jedes familienrechtlichen Büros, aber sind nach JAG eben nicht Gegenstand schon der Prüfung.

15:38 Min
Marc:

Mag übrigens im zweiten Examen auch ein kleines bisschen anders sein. Ich erinnere mich an die eine oder andere Klausur aus Anwaltssicht, wo dann hier doch mal ein Schwerpunkt liegen kann. Je nach Bundesland natürlich auch so ein kleines bisschen.

1:11 Min
Marc:

Also da es ohnehin so ein lebensnahes Thema ist, müsst ihr jetzt hier nicht den absoluten Schwerpunkt eurer Examsvorbereitung hinlegen, aber ein bisschen Zeit rein investieren, zahlt sich wahrscheinlich für die gesamte eigene Karriere und den eigenen Werdegang aus.

16:01 Min
Lieb:

Ja, vielleicht auch für das Leben. Eben. Viele von Ihnen werden schon in einer Partnerschaft leben und ich werde Ihnen in einer Folge erzählen, welche Fragen sich da alle übrigens mit hoher Klausurrelevanz, aber eben auch für das eigene Leben stellen. Und meine Studierenden im Examenskurs sind danach immer... Na, die finden das gruselig. So ein bisschen schockiert sind sie.

16:26 Min
Marc:

Gut, wir sind hier in NRW, deswegen sozusagen nehmen wir das mal anhand des NRW-Beispiels auf, was ich jetzt frage, nämlich was ist denn jetzt wirklich juristisch der Gegenstand der Prüfung? Was muss ich denn da wissen, wenn ich mich ins Staatsexamen begebe?

16:39 Min
Lieb:

Das steht in NRW im Paragraf 11 JAG. Ich kann mich immer nur wiederholen. Jeder Kandidat, jede Kandidatin sollten einmal schon bei Beginn der Examsvorbereitung bitte das einschlägige JAG von hinten bis vorne durchgelesen haben. Man sollte sich nicht in eine Prüfung begeben, ohne die Spielregeln für diese Prüfung zu kennen.

1:11 Min
Lieb:

Und im Paragraf 11 JAG NRW steht nun genau drin, was Gegenstand der Prüfung ist, die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen, das ist heute unser Schwerpunkt, das gesetzliche Güterrecht, das machen wir beim nächsten Mal, sowie die allgemeinen Vorschrift über die Verwandtschaft und die elterliche Sorge und da aber dann schon wieder begrenzt auf die Regeln der Vertretungsmacht und der beschränkten Elternhaftung.

1:11 Min
Lieb:

Das ist also überschaubar. Man kann im Grunde sagen, die allgemeinen Ehewirkungen und das gesetzliche Güterrecht und so ein bisschen die allgemeinen Säulen im Kindschaftsrecht und Verwandtschaftsrecht, aber Sie werden sehen, das ist deutlich überschaubar. Eins ist jetzt schon wichtig, in den Gebieten, die in Paragraf 11 angesprochen werden, gibt es ganz bestimmte immer wiederkehrende Klausurproblemschwerpunkte, es sind immer wieder dieselben Konstellationen und was jetzt wirklich wichtig ist, diese Klausurthemen sind immer vernetzt, entweder mit dem Sachenrecht oder mit dem allgemeinen Teil.

1:11 Min
Lieb:

Das heißt, dass man da an den Schnittstellen ein besonderes Augenmerk drauf richten muss. Verarbeitung dieser familienrechtlichen Themen bitte auch gleich guckt, kann ich das, was dazu im Sachenrecht und im AT erforderlich ist. Abstraktionsprinzip, der Besitz, der Mitbesitz, das Abhandenkommen, das alles kommt in etwas verschärfter Fassung dann auch in den klausurrelevanten Themen des Familienrechts vor.

1:11 Min
Lieb:

Und entscheidend ist, dass man dieses Ineinandergreifen ausreichend verstanden hat. Furchtbar schwer ist das nämlich ehrlich gesagt nicht, aber man kann da, wenn man nicht in den Grundlagen sicher ist, nicht von fünf Minuten durch kluges Nachdenken in fünf Stunden dann eine gute Klausur schreiben, sondern man muss ungefähr wissen, ach so, so funktioniert das, so greift das ineinander und dann kriegt man eigentlich jeden Fall ganz gut hin.

1:11 Min
Lieb:

Also ich kann mich da nur wiederholen, es ist irre gefährlich bei diesen wenigen Problemen 1365, 1379, 1374 auf Lücke zu setzen. Das ist einfach unverzeihlich und man muss die Grundstrukturen verstanden haben und man sollte in der mündlichen Prüfung nun bitte nicht allzu lange blättern, bis man die einschlägigen Normen gefunden hat.

1:11 Min
Lieb:

Es macht einfach keinen furchtbar guten Eindruck, wenn gefragt wird nach der Regelung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder nach dem gesetzlichen Güterstand und das erstmal 20 Sekunden hektisches Blättern auslöst. Da sieht jeder Prüfer sofort, aha, das sieht der Kandidat oder die Kandidatin wahrscheinlich zum ersten Mal nicht so gut.

19:54 Min
Marc:

Wie sollte man dann am besten praktisch vorgehen in seiner Vorbereitung? Macht es Sinn, ein Skript zu lesen oder ein Buch zum Familienrecht von vorne bis hinten durchgehen oder irgendwie anders?

20:04 Min
Lieb:

Ganz sicher nicht. Dazu haben Sie, wenn Sie schon in der Examsvorbereitung sind, einfach keine Zeit mehr. Man kann da nicht nachholen, was man im Grundstudium nicht gemacht hat und das braucht man auch nicht. Nicht.

1:11 Min
Lieb:

Es macht übrigens Spaß, ein Familienrechtslehrbuch von vorn bis hinten zu lesen und nur mal so ein paar Teildinge zu überblättern, aber das dürfen Sie nicht tun, dafür haben Sie keine Zeit. Familienrecht ist viel, viel anschaulicher als etwa Sachenrecht, also das kann man auch abends nach der Tagesschau noch drei Kapitel lesen, weil man da sofort das Gefühl hat, boah, das geht mich ja selber auch persönlich an, also ich finde das immer sehr viel, das hat viel mehr, das ist sexier als etwa die Hypothek.

1:11 Min
Lieb:

So, aber dafür haben Sie als Examensvorbereitung keine Zeit, sondern was ich empfehle ist, Sie nehmen ein geeignetes Lehrbuch und lesen punktuell die Kapitel nach, die da sich finden zu den klausurrelevanten Schwerpunkten, die werden wir im Wesentlichen ansprechen und dann muss man dazu ein oder zwei passende Klausuren lösen, die man sich aus dem Klausurenkurs rausfischt. Ich empfehle.

1:11 Min
Lieb:

Immer das Lehrbuch von Marina Wellenhofer. Da kommen meine Studierenden immer ganz besonders gut mit zurecht. Warum? Es ist gut lesbar, es ist angemessen wissenschaftlich, alle examensrelevanten Themen kommen vor und das Allerwichtigste, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die examensrelevant ist, die kommt nicht nur in Fußnoten vor, sondern die wird wirklich berichtet und erklärt, sodass der Leser auch gleich weiß, Der Bundesgerichtshof hat sich mit diesem Fall befasst und was ich ganz toll finde, dass Frau Wellenhofer diese Fälle in ihrem Lehrbuch dann auch klausurmäßig selber löst, sodass sie da nicht nochmal selber blättern müssen.

1:11 Min
Lieb:

Also eine Empfehlung, aber von den vielen, vielen, vielen Seiten nicht mehr als 25 Prozent, weil sonst die Proportion nicht mehr stimmt. Wir müssen ja noch Deliktsrecht machen, Sachenrecht, Bereicherungsrecht. Dafür haben wir jetzt leider keine Zeit.

22:05 Min
Marc:

Kostet 32,90 Euro, erscheint bei den lieben Kollegen von Beck und findet ihr in den Shownotes zum Podcast.

22:11 Min
Lieb:

Ja, also das ist eins der Bücher, von denen, ich mache jetzt einen kleinen Werbeblock, von denen ich aus Erfahrung einfach sage, damit kommt man sehr gut zurecht. Es gibt dickere Bücher, die ganz, ganz toll sind, wo ich aber sage, naja, dann haben sie so einen Klotz da am Bein und sind noch unglücklicher, wie wenig sie davon lesen.

1:11 Min
Lieb:

Also das ist so ein, es gibt in jedem Bereich immer ein oder zwei Bücher, von denen ich sage, die funktionieren sehr gut, das ist ein Buch, was sehr gut funktioniert. Funktioniert im Erbrecht, werden Sie da auch noch was von mir hören.

22:37 Min
Marc:

Ist natürlich unbeauftragte Werbung und so, ihr wisst das.

22:40 Min
Lieb:

Ja, selbstverständlich.

22:40 Min
Marc:

Ist ja klar, logisch. So, bevor wir jetzt in die Einzelthemen einsteigen, wir befinden uns gerade ja immer noch so mehr oder weniger in der Einleitung zum Familienrecht. Was ist eigentlich Familie im Sinne des Familienrechts?

22:53 Min
Lieb:

Das ist eine ganz, ganz wichtige Frage, die aber in der juristischen Ausbildung und auch in den Büchern für die juristische Ausbildung selten thematisiert wird. Das ist für mich immer ein Schock. Wenn man in ein deutsches Familienrechtslehrbuch guckt, steht zur Familie ganz wenig drin.

1:11 Min
Lieb:

Wenn Sie ein englisches Lehrbuch nehmen, dann sind die ersten 120 Seiten der Frage gewidmet, was ist eine Familie. Wir haben da also einen völlig anderen Zugang. Und woran liegt das, dass darüber bei uns so wenig geschrieben und gelesen wird? Das BGB definiert die Familie nicht.

1:11 Min
Lieb:

Das ganze vierte Buch befasst sich mit Familienrecht, aber das BGB sagt nicht, was eine Familie ist, sondern setzt das voraus. Das BGB enthält interessanterweise auch kaum Regelungen, die sich mit der Familie als Einheit, also mehr als Kind und ein Elternteil befassen, sondern der Gegenstand unseres Familienrechts sind die bilateralen Beziehungen.

1:11 Min
Lieb:

Also einmal zwischen den Partnern, den Ehepartnern und andererseits zwischen den Elternteilen und ihren Abkömmlingen, beziehungsweise umgedreht den Abkömmlingen und den alten Elternteilen. Beide Eltern als Einheit werden gar nicht so oft angesprochen, etwa in § 1626, die Eltern haben die Pflicht und das Recht für das minderjährige Kind zu sorgen und diese gemeinsame Sorge umfasst nach § 1629, das wissen Sie hoffentlich schon, auch die Vertretung des Kindes und bei der Ausübung der elterlichen Sorge haben die Eltern nach § 1664 nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.

1:11 Min
Lieb:

Sie haben schon gemerkt, drei der wichtigsten Vorschriften, die man im Ernstfall bitte sofort findet und anwendet, haben wir jetzt hier schon mal genannt. Ich halte aber fest, da wird auch nicht von der Familie gesprochen, sondern von den Eltern.

1:11 Min
Lieb:

Jetzt zurück zu der Frage, was ist denn nun eine Familie? Das ursprüngliche BGB von 1900. Das ja immer noch dem jetzigen Familienrecht bei allen Änderungen zugrunde liegt, hatte mit Sicherheit ein ziemlich traditionelles Familienbild, nämlich Vater, Mutter, Kind und Vater und Mutter sind verheiratet.

1:11 Min
Lieb:

Anders ist das Ganze konstruktlich zu erklären. So, Sie wissen aus dem öffentlichen Recht, dass die Rechtsprechung zu Artikel 6 Grundgesetz darüber längst hinweggegangen ist, wenn man jetzt in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schaut, die man hier ein bisschen kennen sollte zu diesem Punkt, auch aus zivilrechtlicher Sicht. Familie ist primär, ich zitiere, die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, wobei es auf eine Verheiratung der Eltern nicht ankommt.

1:11 Min
Lieb:

Zur Familie gehören sowohl eheliche als auch nicht-eheliche Kinder, minderjährige, volljährige Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder, Pflegekinder. Wichtig jetzt, auch der einzelne Teil und sein Kind bilden eine Familie, immer noch Bundesverfassungsgericht. In jeweiligen Sachzusammenhängen können auch bestehende enge familiäre Bindungen zum Kind in der Großfamilie unter den Schutzbereich von Artikel 6 fallen.

1:11 Min
Lieb:

Das ist die berühmte Frage, welche Rechte haben Großeltern? Und dann muss man als Student noch mal gesehen haben, Artikel 8 EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, der gewährleistet das Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Und das Familienleben dieser Norm ist ganz weit zu verstehen.

1:11 Min
Lieb:

Da wird jede private Beziehung zwischen zwei Partnern geschützt, unabhängig ob sie verheiratet, verpartneter sind, gleichgeschlechtlich, verschiedengeschlechtlich und da wird wiederum auch die de facto Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern und mit oder ohne Blutsverbindung da wohnenden Familien vom Begriff des Familienlebens umverfasst. In der Politik macht man es ganz einfach, Familie ist da, wo Kinder sind.

1:11 Min
Lieb:

So, stimmt nicht ganz, weil Familie ist auch da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und in einer gewissen auf Dauer angelegten Verbindung leben. Ob wir jetzt noch eine neue Verantwortungsgemeinschaft brauchen, in der man also über das, was schon da ist, noch rechtliche Regelungen, da könnten wir uns ein andermal drüber unterhalten, das ist aber ganz bestimmt nicht für die Klausur relevant, so spannend das ist.

27:31 Min
Marc:

Eine Randbemerkung erlaube ich mir dazu, nämlich zum Ehegattensplitting, wenn man sich da sozusagen mal den Sinn und Zweck anschaut, dann dient es ja auch, ich glaube, so steht sogar irgendwo, der Entlastung der Ehegatten zur Gründung einer Familie, habe ich mal gelesen. Wenn man sich jetzt dann hier diesen weiten Familienbegriff anschaut, dann ist es wenig nachvollziehbar, dass das sozusagen nur für Verheiratete gilt, außer man argumentiert mit dem Wortlaut, es ist halt ein Ehegattensplitting und kein Familiensplitting.

1:11 Min
Marc:

Aber gut.

27:59 Min
Lieb:

Darüber könnten wir ganz lange sprechen, aber ich glaube, das ist eben nicht mehr irgendwas mit Examen.

28:05 Min
Marc:

Sondern das wäre dann ein anderes.

28:08 Min
Lieb:

Vielleicht auch noch ein Gesprächspartner, der sich damit schon noch tiefer befasst hat.

28:13 Min
Marc:

Ja, genau. Da wollte ich auch nur einen ganz, ganz kleinen Exkurs einbauen. Beginnen wir jetzt mal ganz konkret dann mit der Ehe, dann ist es nämlich wieder irgendwas mit Examen. Die Regelungen zum Verlöbnis, zur Eingehung der Ehe, zur Aufhebung der Ehe und zur Wiederverheiratung nach Todeserklärung kann man für die Klausur jedenfalls Ja.

28:31 Min
Lieb:

Das ist so. Kleine Bemerkung vorweg, das Verlöbnis wird ja im Moment gerade wieder modern und man denkt über eine gute Lokalität für den Antrag nach und über die Ereignung eines kleineren oder größeren Rings. Das hat aber so gut wie keine rechtlichen Folgen und ich kann Ihnen versichern, das kommt in der Klausur nicht dran.

1:11 Min
Lieb:

Habe ich noch nie gesehen. Was nun Gegenstand der Prüfung ist, steht wieder genau in §11 JAG drin, nämlich die allgemeinen Wirkungen der Ehe und die sind in §1353 FF geregelt. Da muss man reingucken.

1:11 Min
Lieb:

An der Spitze steht die Generalklausel, Paragraf 1351 Absatz 1. Das ist eine Regelung, die man wirklich sofort präsent haben sollte. Aus ihr ergibt sich erstmal, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird.

1:11 Min
Lieb:

Sie wissen natürlich, dass die Scheidungsraten außerordentlich hoch sind, Aber das BGB hält fest daran, dass die Partner jedenfalls bei Eheschließung davon ausgehen, dass das hält und dass erst der Tod sie scheidet.

29:46 Min
Marc:

Aber das ist ja auch ein relevanter Punkt. Also viele Leute sind so traurig über eine Scheidung. Wenn 40 Prozent der Ehen mit Scheidung enden, dann enden 60 Prozent mit dem Tod.

29:55 Min
Lieb:

Ja, irgendwann stirbt man. Ich darf da aber eine kleine Bemerkung zu machen. Mein hochverehrter akademischer Lehrer Horst Konzen, der sich in seiner Jugend auch mit Familienrecht beschäftigt hat, sagt immer, diese Fiktion, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen werden, stamme aus einer Zeit, wo die durchschnittliche Ehedauer zehn Jahre selten überschritt, weil nämlich die Frau entweder im Kindbett starb oder sonst Menschen viel früher starben.

1:11 Min
Lieb:

Deswegen spielten auch Stiefmütter und Stieftan früher eine viel, viel größere Rolle als heute. Also dass heute Ehen 50, 60, 70 Jahre dauern, meine Eltern waren über 65 Jahre verheiratet, ist sicherlich bei Schaffung des BGBs noch nicht so häufig gewesen, wie das heute vorkommt. Und vielleicht ist eben diese Vorstellung, dass eine Partnerschaft tatsächlich vom ersten Verliebtsein bis zur Beerdigung hält, ein wunderschönes Idealbild.

1:11 Min
Lieb:

Aber wie wir wissen, statistisch nicht so leicht zu erreichen. Okay, das ist aber natürlich wieder etwas, was Sie in der Klausur auch bitte nicht näher erörtern. Jetzt, was ist noch wichtig an 1353? Eine ganze Menge.

1:11 Min
Lieb:

Zum Ersten, seit 2017 ist in § 1353 geregelt, dass auch die Ehegatten das gleiche Geschlecht haben können. Also die gleichgeschlechtliche Ehe findet sich jetzt auch im § 1351 im BGB. Weiterhin, nach § 1351 Absatz 1 Satz 2, also Sie müssen bitte unbedingt die Normen nachlesen, sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung.

1:11 Min
Lieb:

Wie sie das nun konkret machen, ist heute völlig der privatautonomen Gestaltung der Ehegatten überlassen. Es gibt kein Eheleitbild mehr, wie das zu funktionieren hat. Man spricht heute vom Status to Contract.

1:11 Min
Lieb:

Das können die Ehegatten alles gegenseitig diskutieren und ausmachen. So, wichtig dabei jetzt der Paragraf 1356, der stellt nämlich heute ausdrücklich klar, dass die Ehegatten die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen regeln und beide Ehegatten berechtigt sind, erwerbstätig zu sein. So what, werden sie sagen, ist doch klar, ist überhaupt nicht klar.

1:11 Min
Lieb:

Das war etwa bei der Eheschließung meiner Eltern im Jahr 1953 überhaupt noch nicht so. Meine Mutter hätte eine Berufstätigkeit nicht ohne Einwilligung ihres Mannes aufnehmen können und die hätte auch kein Bankkonto ohne Einwilligung ihres Mannes eröffnen können.

32:51 Min
Marc:

Muss man sich mal überlegen. Wahnsinn.

32:54 Min
Lieb:

Das muss man sich total überlegen. Und das zeigt ja, wie ungeheuer sich das Familienrecht unter dem Einfluss gesellschaftlicher Umwälzung der letzten Jahrzehnte geändert hat. Meiner Meinung nach war der größte Einschnitt übrigens die allgemeine Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln und der Pille.

1:11 Min
Lieb:

Das hat alles geändert. Bis dahin war es immer so, dass die größte Angst junger, junger Pärchen war, wir müssen heiraten. Das ist eine Formulierung, die heute für junge Leute gar nicht mehr erklärbar ist. Wir müssen heiraten heißt, es ist ein Kind unterwegs, das hätte eigentlich nicht sein dürfen und weil das Kind unterwegs ist, müssen wir jetzt heiraten und ob wir dann später zusammenpassen, das wird sich weisen.

1:11 Min
Lieb:

Aber scheiden lassen war damals auch. Ganz unmöglich, wie ich jung war, erzählte mein Vater immer noch, ein geschiedenes Vorstandsmitglied einer deutschen Aktiengesellschaft geht eigentlich gar nicht. Alles völlig unvorstellbar, wie sich das geändert hat.

1:11 Min
Lieb:

Gut, das ist also die Ausgestaltung der Ehe. Theoretisch kann ein Ehegatte den anderen auf Erfüllung der jeweiligen ehelichen Pflichten verklagen, etwa auf Leben in einer gemeinschaftlichen Wohnung. Auch da sieht man, das funktioniert natürlich alles nur in der Theorie, wenn man sich darauf verklagen muss, dass man einen gemeinsamen Wohnsitz hat, wird man sich relativ schnell trennen.

1:11 Min
Lieb:

Zu den eheflüchen Pflichten möchte ich mich dann auch nicht näher äußern, obwohl es da Kurioses gegeben hat in den 50ern und in den 60er Jahren. Wichtig ist aber immer noch heute, dass man aus diesem 1353 Absatz 1 Satz 2 heute ganz klar ableitet, die Ehe ist ein Schuldverhältnis und als Schuldverhältnis kann es bei Verletzung Schadensersatzansprüche im Sinne von Paragraf 280 auslösen.

1:11 Min
Lieb:

Also wenn die ehelichen Pflichten verletzt sind, kann es theoretisch Schadensersatzansprüche geben.

35:08 Min
Marc:

Jetzt ist es ja ein sehr komplexes Feld, wie Menschen zusammenleben. Ich könnte mir vorstellen, dass das deswegen jetzt nicht besonders schnell bejaht wird. Haben wir da ein Beispiel, wo es sowas mal gab?

35:19 Min
Lieb:

Gibt es super Beispiele, die Sie aber bitte nicht alle nicht lernen, sondern einfach nur, um Ihnen eine Anschauung zu geben. Also, bejaht wurde von der Rechtsprechung eine Pflicht zur Aufklärung über eine Aids-Infektion. Eine Pflicht zur Mitwirkung an der günstigsten steuerlichen Veranlagung.

1:11 Min
Lieb:

Das hat mich immer sehr amüsiert, weil das so zwischen dramatischem und kommerziellem hin und her schwankt. Und umgekehrt sagt der BGH, es gibt keine Rechtspflichten im Bereich der Familienplanung. Es kann weder verlangt werden, die Zeugung von Kindern, noch kann verlangt werden, eine sichere Empfängnisverhütung.

1:11 Min
Lieb:

Das sind alles ziemlich wichtige Beispiele. Das abwidrige Absetzen von Empfängnisverhütungsmitteln hat keine Sanktion. Also derjenige, der dann sagt, wir hatten aber verabredet, wir kriegen kein Kind, kann nicht sagen, ich zahle für das Kind keinen Unterhalt. Vergiss es.

1:11 Min
Lieb:

Die Entscheidung über die eigene Sterilisation kann ohne die Beteiligung des Partners getroffen werden, löst auch keine Pflichtverletzung aus. Das muss man natürlich für das Examen bitte nicht alles wissen. Was wichtig ist, Sie kennen § 1353, Sie wissen, dass das eine Generalklausel ist, Sie wissen, dass das bei der Auslegung anderer Tatbestände möglicherweise wichtig ist und haben so ein gewisses Gefühl dafür, Tendenz eher nicht justiziabel.

1:11 Min
Lieb:

Der Bundesgerichtshof hält sich in allen Fragen des Familienrechts deutlich zurück, weil er eben zu Recht der Auffassung ist, dass das die Menschen selber regeln müssen und dass das Recht bei Konflikten nur begrenzt helfen kann, weil das eigentlich, wenn die Konflikte nicht lösbar sind, doch dann letztlich heute zur Scheidung führen muss.

37:17 Min
Marc:

Richtig, richtig klausurrelevant ist aber doch der 1357, wenn ich mich da an meine eigene Studienzeit zurückerinnere. Stichwort Schlüsselgewalt.

37:27 Min
Lieb:

Ja, gut. Also der § 1357 ist in der Tat immer wieder Gegenstand von Examsklausuren. Ich hoffe, Sie haben die Chance, ins Gesetz zu gucken, aber ich führe auch aus, was da drin steht. In dem Absatz 1 steht, dass jeder Ehegatte berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.

1:11 Min
Lieb:

So, die entscheidende Rechtsfolge dieses Satzes 1 ergibt sich nun aus Satz 2. Durch solche Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Durch ein solches Rechtsgeschäft, was ein Ehegatte tätigt, wird der andere verpflichtet.

1:11 Min
Lieb:

Das heißt, das ist keine eigene Anspruchsgrundlage. Das ist jetzt erstmal schon mal ganz wichtig. 1357 ist keine Vorschrift, mit der Sie einfach anfangen dürfen, ein Anspruch könnte sich ergeben, aus. Sondern um diese Norm anzuwenden, brauchen Sie immer eine andere Anspruchsgrundlage und dann kriegen Sie einen weiteren Schuldner.

1:11 Min
Lieb:

Also es kann im Grunde, ich bringe ein Beispiel immer nur lauten, ein Anspruch könnte sich ergeben aus § 1357,433 Absatz 2, vielleicht auch umgedreht. So, in den Klausuren wird meistens zu prüfen sein, dass irgendein Ehegatte im eigenen Namen gehandelt hat und nun die Frage sich stellt, ob der andere Ehegatte dafür in Anspruch genommen werden kann.

1:11 Min
Lieb:

Jetzt kommt noch etwas sehr wichtiges und Sie merken, warum das klausurrelevant ist, weil man sehr genau prüfen kann, ob Sie das verstanden haben. 1357 ist kein Fall der Stellvertretung. Ganz wichtig, denn der vertragsschließende Ehepartner tritt in eigenem Namen auf.

1:11 Min
Lieb:

Der sagt, ich möchte diese Spülmaschine kaufen. So, wenn er diesen Vertrag schließt, wird sein zu Hause weilender Ehepartner jetzt auch verpflichtet für die Kaufpreiszahlung. Das ist schon eine ziemlich interessante Geschichte.

1:11 Min
Lieb:

Aber das ist eben keine Stellvertretung, auch weil beide Ehegatten verpflichtet werden. Sie wissen ja, bei der Stellvertretung ist der Vertreter eigentlich grundsätzlich raus. Wenn alles gut läuft, kommt der Vertrag zustande zwischen dem Vertretenden und dem anderen Teil und der Vertreter, ja, der war eben nur ein Mittelsmann.

1:11 Min
Lieb:

Bei 1357 bekommt der Gläubiger zwei Schuldner, nämlich den, der aktiv ist und den, der dahinter steht.

40:11 Min
Marc:

In welcher Konstellation kommt denn der 1357 in der Klausur konkret vor?

40:15 Min
Lieb:

Ja, da haben wir jetzt schon mit angefangen. Also die eine Ausgangsfrage in der Klausur lautet häufig, ob der Gläubiger einen Anspruch auch gegen den Ehegatten des Vertragspartners hat. Gut, man würde hier dann sinnvollerweise feststellen, das ist auch wieder ganz wichtig, dass zwischen demjenigen, der in Anspruch genommen werden soll, kein Vertrag geschlossen ist.

1:11 Min
Lieb:

Das ist immer der erste Satz. Der sowieso und der sowieso haben keinen Vertrag geschlossen, denn der Vertrag ist mit dem Ehepartner geschlossen worden. Dann würde man noch kurz fragen, ob hier ein Fall der Vertretung vorliegt und würde wiederum sagen, nein, denn der Handelnde hat ja in eigenem Namen gehandelt.

1:11 Min
Lieb:

Der hat möglicherweise nicht mal gesagt, dass er verheiratet ist. Wahrscheinlich hat er das nicht gesagt. Und dann würde man tatsächlich sagen, ein Anspruch könnte sich aber aus diesem Vertrag, § 433 Absatz 2, in Verbindung mit § 1357 ergeben und dann prüft man den § 1357 durch.

1:11 Min
Lieb:

Das ist die eine einfache Konstellation. Viel schwieriger und extrem klausurrelevant sind die Fälle, in denen es bei der Abwicklung eines unter § 1357 BGB fallenden Rechtsgeschäfts zur Ausübung von Gestaltungsrechten kommt. Also da ist ein Vertrag, der für beide Ehegatten wirkt nach 1357 und einer will anfechten wegen Irrtum, widerrufen, kündigen.

1:11 Min
Lieb:

Beispiel Stromlieferungsvertrag ist mehrfach vorgekommen. Und dann stellt sich immer die Frage, ob es reicht, dass einer von den beiden Ehegatten mit Wirkung auch wiederum für und gegen den anderen nun wirksam dieses Gestaltungsrecht ausüben kann. So, nach herrschender Meinung ja, es reicht, wenn einer das Gestaltungsrecht ausübt.

1:11 Min
Lieb:

Dazu sollten Sie, dafür haben wir jetzt nicht die Zeit, bitte lesen, BGH NJW 2018 1313, steht bei Beck Online, da haben die meisten von Ihnen Zugang und dort ging es um die Kündigung einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug, da hat einer gekündigt und die Frage war, ist diese Kündigung wirksam für und gegen auch gegen den anderen Ehegatten, sodass der auch nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.

1:11 Min
Lieb:

Also Gestaltungsrechte und 1357 sind ein Dauerbrenner, muss man immer wieder mit rechnen.

42:50 Min
Marc:

Jetzt muss ich natürlich bei 1357 auch die Geschäfte zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs kennen. Was gibt es dazu zu sagen?

42:58 Min
Lieb:

Man geht wie immer vom Wortlaut aus. Was braucht man zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs? Futter. Also Lebensmittel, dann Bekleidung, Haushaltsgegenstände, Haushaltsreparaturen, Strom, Heizung, Internet, kleinere Möbel. Nicht Hauskauf, nicht Vermögensbildung.

1:11 Min
Lieb:

Das ist nicht der tägliche Lebensbedarf. Die Rechtsprechung muss man im Einzelnen nicht kennen, die ist auch nicht immer vollständig konsistent. Also es gibt da so Fälle, wo man sich darüber streiten kann, ob eine kostspielige Zahnarztbehandlung nun unbedingt zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs ist, aber da muss man dann halt argumentieren.

1:11 Min
Lieb:

Und wenn man dann ein solches Geschäft, ein Bedarfsdeckungsgeschäft bejaht hat, dann muss man auch noch prüfen, ist das angemessen, subjektiv angemessen und dafür muss man fragen, ob dieses Geschäft nun den wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten der konkreten Familie entspricht. Ich bringe nochmal ein Beispiel.

1:11 Min
Lieb:

Die leben bisher ziemlich studentisch auf Kisten von, also alles noch selbst gestrickt und nun kommt jemand mit dem ersten Gehalt und kauft sich jetzt ein teures Designer-Sofa. Frage, muss da die Ehepartnerin nun auch für einstehen und die sagt, nö, angemessener Lebensbedarf, wir haben bisher relativ simpel gelebt.

1:11 Min
Lieb:

Kann man argumentieren, man wird wahrscheinlich trotzdem sagen, ein ordentliches Sofa gehört dazu.

44:31 Min
Marc:

Welchen Sinn hat denn der 1357? Der stammt doch auch so ein kleines bisschen aus einer anderen Zeit, oder? Genau.

44:36 Min
Lieb:

Der hat die traditionelle Einverdiener-Ehefamilie im Blick, wo einer das Geld ranschafft und der andere den Haushalt führt. Und die Norm hat den Ehegatten im Blick, der die Care-Familie, die Familienarbeit leistet, der soll in der Lage sein, die anfallenden Aufgaben zu erfüllen, ohne auf den anderen Ehegatten angewiesen zu sein und offen als Vertreter aufzutreten.

1:11 Min
Lieb:

Denn der hat ja kein Geld. Der kriegt ein Taschengeld und im Übrigen natürlich schon Unterhalt, um diese Geschäfte abzuschließen. Aber genau diese Diskussionen will man nicht nach außen tragen. Derjenige, der den Haushalt führt, soll das mit Wirkung auch für den anderen, der schließlich für die finanzielle Ausstattung der Familie zuständig ist, die Rechtsgeschäfte tätigen können.

1:11 Min
Lieb:

Der Witz ist natürlich heute, das greift auch bei der Doppelverdiener-Ehe. Die Vorschrift gilt so wie sie ist, die ist nie abgeschafft worden. Und die gilt eben auch, wenn der Geschäftspartner von der Ehe seines Vertragspartners gar nichts weiß.

1:11 Min
Lieb:

Das ist nett. Der hat einen Gläubiger geschenkt. Der hat plötzlich zwei Schuldner, die er in Anspruch nehmen kann. Aber das ist eben so. Und 1357, ich kann es nur wiederholen, gehört eben zu dem Standardrepertoire, Repertoire, das man beherrschen muss.

46:08 Min
Marc:

Wie erklärt sich denn dieser Begriff der Schlüsselgewalt?

46:11 Min
Lieb:

Jetzt kommen wir nochmal zum Anfang, genau. Zur Einstehung des BGB und auch noch ziemlich bis weit in die 70er Jahre hinein, vielleicht bis heute, pflegte man eine etwas romantische Vorstellung, dass in der guten alten Zeit, die wahrscheinlich gar nicht so schrecklich gut war, der Mann hinaus ins feindliche Leben geht und die Frau im Innendienst dem Haushalt vorstand und dann hatte sie eben so große Schlüssel am Schlüsselbund, die Schlüssel zu Speisekammer, Weinkeller und Wäschetruhen.

1:11 Min
Lieb:

Und man muss sich dann so einen gebauschten Rock wie auf den Bildern von Ludwig Richter, also 19. Jahrhundert, vorstellen. Und wir mussten etwa in meiner Schulzeit noch die Glocke von Friedrich Schiller auswendig lernen.

1:11 Min
Lieb:

Ich zitiere nur ganz paar Zeilen. Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau und regt ohne Ende die fleißigen Hände und sammelt im reinlich geglätteten Schrein die schimmernde Wolle den schneeichten Laien. Also das ist so die Vorstellung.

1:11 Min
Lieb:

Ich glaube übrigens Schiller hat das durchaus ein bisschen ironisch gemeint und man muss sich das dann noch vorstellen, dass er selber ja immer Schwäbisch sprach, das Ganze dann noch in breitem Schwäbisch vorgetragen. Also mein Vater konnte das noch auswendig, ich konnte das noch auswendig, aber das ist heute ganz, ganz weit weg.

47:33 Min
Marc:

Das ist auf jeden Fall eine sehr tiefgreifende Befassung mit 1357 bis zu Schiller. Gibt es zu 1359 Umfang der Sorgfaltspflicht denn genauso viel zu sagen?

47:47 Min
Lieb:

Nein, nein. Aber kennen muss man ihn. Nach 1359 haben die Ehegatten bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Das ist die sogenannte Diligenziaquam in Suis.

1:11 Min
Lieb:

Ich mahne immer, man verwendet lateinische Formeln nur, wenn man wirklich weiß, was sie heißen. Das ist heute nicht mehr modern, zu meiner Studienzeit war das noch modern, sehr viel Latein einzustreuen. So, was ist der Zweck dieses Haftungsprivilegs? Da geht es um die Erhaltung des Familienfriedens, weil jeder Ehegatte ja typischerweise permanent in Kontakt mit den Rechten und Rechtsgütern des anderen kommt, soll verhindert werden, dass aus jeder Fahrlässigkeit gleich ein riesen Streit entsteht.

1:11 Min
Lieb:

Das ist, glaube ich, ganz einleuchtend und außerdem wird immer die Begründung gebracht, jeder hat seinen Partner sich so ausgesucht, wie er eben ist, schlampig, genau, pingelig, whatever. So, wichtig jetzt für Sie, dieser Paragraf 1359 ist nach ganz zutreffender Auffassung und allgemeiner Auffassung keine Anspruchsgrundlage.

1:11 Min
Lieb:

Also damit kann man nicht anfangen, sondern der gibt nur den Grad der Fahrlässigkeit an, für den... Im Innenverhältnis gehaftet wird. Also Sie müssen erstmal bei Paragraf 276 gelandet sein, bevor Sie dann sagen, es könnte sich aber aus Paragraf 1359 ergeben, dass derjenige eben doch hier nicht haftet, weil für leichte Fahrlässigkeit, die er in eigenen Angelegenheiten auch walten lässt, nicht gehaftet wird.

1:11 Min
Lieb:

So, das muss man dann vernünftig subsumieren. Sie wissen hoffentlich, es gibt Haftungsprivilegierungen an ganz verschiedenen Stellen des BGBs, an § 1664 für die Haftung der Eltern, aber etwa auch in § 599 für die Haftung des Verleihers. Das ist auch ganz wichtig, kommt relativ oft vor.

1:11 Min
Lieb:

Jetzt kommt wieder etwas, was in Klausuren Standardthema ist, nämlich diese ganzen Haftungsprivilegierungen gelten nicht bei einem Verstoß gegen die Regeln des Straßenverkehrs. So, dafür gibt es mehrere Begründungen. Die erste ist, wenn da keine Haftung wäre, wäre da kein Haftpflichtfall und ohne Haftpflichtfall keine Versicherung.

1:11 Min
Lieb:

Das wäre ja völlig systemwidrig, dass ausgerechnet der Ehegatte dann nicht in den Genuss des Versicherungsschutzes kommt. Und außerdem, wieder eine Zusatzbegründung, meint man, und ich finde das richtig, dass im Straßenverkehr einheitlich objektive Sorgfaltsmaßstäbe gelten müssen und alle Verkehrsteilnehmer gleich behandelt werden. Das gilt als Szenario für alle Haftungsprivilegierungen.

1:11 Min
Lieb:

Das muss man also bei allen immer diskutieren, wenn eine Haftungsprivilegierung auch nach § 1664 Eltern-Kind-Verhältnis zur Diskussion steht. Achtung, bei Verletzungen im Straßenverkehr gilt das nach BGH-Rechtsprechung nicht. Das wird aber auch ausgedehnt.

1:11 Min
Lieb:

Der Bundesgerichtshof hat etwa im Fall eines Motorbootunfalls entschieden und gesagt, ja, auch hier gilt die Haftungsprivilegierung nicht. Da ging es wieder um die Versicherungsfrage und deswegen kann man wahrscheinlich sagen, dass § 1359 nicht im Straßenverkehr gilt und generell nicht, wenn da eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht, damit man dem Geschädigten nicht den Versicherungsschutz abschneidet.

1:11 Min
Lieb:

So, sehr wichtig, dass alles, was ich jetzt gesagt habe, gilt auch für die anderen Haftungsprivilegierungen. Im Übrigen, jetzt kann ich hier nur andeuten, diese ganzen Haftungsprivilegierungen kommen in der Klausur sehr häufig mit einem gestörten Gesamtschuldausgleich vor. Warum? Der Schädiger ist nicht allein, sondern das ist ein Schädiger und der andere hat eine Haftungsprivilegierung und dann kriegt man das Gesamtschuldkarussell.

1:11 Min
Lieb:

Die gestörte Gesamtschuld, wissen Sie, kommt, ich behaupte, einmal im Quartal mindestens. Das ist so ein Dauerbrenner, den Sie da mit berücksichtigen.

52:08 Min
Marc:

Werfen wir zum Abschluss des Familienrechts nochmal einen Blick auf den 1362, die Eigentumsvermutung. Ich glaube, die muss man noch kennen und dann haben wir für diese erste Überblicksfolge schon eine ganze Menge geschafft.

52:19 Min
Lieb:

Ja, der 1362 ist einzuordnen in den großen Komplex Eigentums- und Besitzverhältnisse in der ehelichen Lebensgemeinschaft. Das gehört überwiegend ins Sachenrecht, weil die Grundregel lautet, es gelten die allgemeinen sachenrechtlichen Regeln. Über Eichnung, Besitzkonstitut, es gibt eine Menge Fragen, über die wir uns später unterhalten werden.

1:11 Min
Lieb:

Damit man versteht, warum das so schwierig ist, muss man jetzt schon etwas anreißen, was wir in der nächsten Folge sehr gründlich machen werden, nämlich den gesetzlichen Güterstand. Ganz überwiegend leben Menschen in der sogenannten Zugewinngemeinschaft.

1:11 Min
Lieb:

Die Zugewinngemeinschaft ist während der Ehe überhaupt keine Gemeinschaft, denn die Zugewinngemeinschaft ist während der Ehe Gütertrennung. Das ist immer der aller, aller, aller wichtigste Satz. Bevor nicht einer stirbt oder nicht eine Scheidung erfolgt, gilt Gütertrennung.

1:11 Min
Lieb:

Es hat eine Reihe von Konsequenzen. Alles, was man selber in die Ehe mitbringt, bleibt im Eigentum des Ehegatten. Es gibt kein Gemeinschaftseigentum in der Zugewinngemeinschaft. Zweitens, alles, was man selber erwirbt, wird erstmal Eigentum eines Ehegatten.

1:11 Min
Lieb:

Jetzt wird es aber kompliziert. Beide erwerben was, einer bezahlt, die gehen zusammen ins Geschäft. Was entstehen da für Eigentumsverhältnisse? Kompliziert. Manchmal kommt es eben doch zu was anderem als Alleineigentum.

1:11 Min
Lieb:

Nächster Punkt, wie übereignet ein Ehegatte an den anderen etwas und vollzieht die Übergabe? Die nutzen das ja weiter und weiter. Machen wir im Sachenrecht. Es gibt also 39 Besitzkonstitutes, alles hochinteressant.

1:11 Min
Lieb:

Noch eins, was heute schon wichtig ist für den 1362, nämlich alles, was im Haushalt ist, steht im Mitbesitz, so jedenfalls die herrschende Meinung, beider Ehegatten. Und da möchte ich eine klausurrelevante Konstellation schon erwähnen.

1:11 Min
Lieb:

Das heißt, wenn ein Ehegatte was aus dem Haushalt verkauft, ist das ein Abhandenkommen. Das ist immer ein Abhandenkommen. Da, wo beide Ehegatten Mitbesitz haben, ist die Verfügung über einen solchen Gegenstand Abhandenkommen.

1:11 Min
Lieb:

Das ist etwas, was man schon ganz fest im Gedächtnis verankern kann. Mit all dem hat 1362 insoweit zu tun, als 1362 sagt, wer Besitzer ist, ist auch Eigentümer. Das ist eine Vermutung.

1:11 Min
Lieb:

Wir haben gerade gesehen, das ist im Regelfall sehr zweifelhaft, ob das so ist und häufig wissen die Ehegatten selber gar nicht, wem was gehört. Darüber werden wir noch sprechen. Aber der 1362 erlaubt dem Gläubiger oder gibt ihm da ein Privileg, zunächst einmal davon auszugehen, dass das, was da ist, auch dem Ehegatten, der sein Schuldner ist, gehört.

1:11 Min
Lieb:

Das heißt, der Gerichtsvollzieher kann das mitnehmen. Wenn der andere nun sagt, nein, das war meins, dann muss der Drittwiderspruchsklage erheben. Also das verändert sozusagen die Ausgangsposition des Kampfes. Der 1362 verdrängt also zunächst mal den 1006 und der andere Ehegatte muss dann darlegen und beweisen, das gehört aber mir.

1:11 Min
Lieb:

Also eine gewisse Privilegierung des Gläubigers, die kann wieder aufgeholt werden durch den anderen, aber der Gerichtsvollzieher, der für den Gläubiger da steht und sagt, das ist überhaupt nicht klar, wer gehört was, kann erstmal zugreifen. So, dieser 1362, der kommt vor und zum Mitbesitz und Abhanden kommen und Verfügung innerhalb der Ehe werden wir uns dann noch mit den sachenrechtlichen Konstellationen beim nächsten Mal unterhalten.

56:15 Min
Marc:

Vielen herzlichen Dank, Barbara. Das war eine sehr, sehr schöne und umfassende Einführung, die sicherlich vielen unserer Studierenden, die hier zuhören, sehr viel hilft. Danke.

56:24 Min
Lieb:

Freue mich sehr. Danke. Tschüss. Tschüss.

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