Dr. Hariolf Wenzler, CEO | YPOG
Rechtsmarkt - Rechtsservice - Rechtsprodukt - Standardisierung - Produktivisierung - Kanzleien - Verbraucherrecht - B2C-Claims - Mandantenbedürfnisse - Individuelle Lösung - Prozessqualität - Know-how - Arbeitsteilung - Berufsrecht - Legal Tech
In Folge 3 Eures Rechtsmarkt-Spezials diskutieren wir mit Dr. Hariolf Wenzler die Frage, inwieweit der Rechtsmarkt statt Services - und billable hours - in Zukunft Produkte verkauft. Inwieweit ist Standardisierung möglich? Wo benötigen Mandanten weiterhin maßgeschneiderte Lösungen? Wie muss sich eine Kanzlei intern aufstellen und entwickeln, um (auch) Produkte anzubieten? In welchen Fällen ist dies überhaupt erstrebenswert? Antworten auf diese Fragen in kurzweiligen 15 Minuten findet Ihr hier. Viel Spaß!
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YPOG gehört als unabhängige Wirtschaftskanzlei zur Kategorie der großen deutschen Einheiten, die gleichermaßen in Berlin, Hamburg, Köln und neuerdings München präsent sind. Rund 350 Mitarbeitende, darunter über 130 Rechtsanwältinnen, Steuerberater und notarielle Fachleute, beraten Mandanten aus dem Tech-, Venture-Capital- und Private-Equity-Ökosystem in Fragen des Gesellschafts-, Steuer-, Finanz- und Aufsichtsrechts.
Besondere Bekanntheit genießt die Kanzlei für ihre Arbeit an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Unternehmertum – sei es bei der Strukturierung von VC-Runden, FinTech-Regulierung oder der Fondsauflegung – und für ihre moderne, interdisziplinäre Arbeitsweise mit einem eigenen, nicht-juristischen CEO.
Wenn du wissen willst, wie sich diese Kultur im Alltag anfühlt und was das für deine Karriere bedeuten kann, schnapp dir deine Kopfhörer und hör in unsere YPOG-Folgen von Irgendwas mit Recht rein!
Dr. Anika Patz , Partner
Dr. Hariolf Wenzler , CEO
Dr. Hariolf Wenzler , CEO
Dr. Hariolf Wenzler , CEO
Die Produktifizierung im Rechtsmarkt nimmt zu, auch in wirtschaftsberatenden Kanzleien. Mandanten erwarten dabei trotz standardisierter Abläufe weiterhin individuelle Lösungen und exzellenten Service.
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Herzlich willkommen zu Folge 3 von Im Rechtsmarkt, eurer kleinen Spezialserie zu den Fragen, die in 2024 den Rechtsmarkt bewegen. Wie immer basierend auf den Erkenntnissen der Bucerius Roadshow im Herbst 23. Und heute spreche ich sozusagen mit einem Bucerius-Urgestein, den ihr auch schon hier aus dem Podcast kennt, nämlich mit Hariolf Wenzler. Hallo Hariolf.
Hallo Marc, vielen Dank. Vielen Dank. Wahrscheinlich war es jedes Jahr schwierig, sich am Anfang des Jahres vorzustellen, was bis Ende des Jahres passiert. Nach meinem Gefühl ist es aber 2024 noch schwieriger, weil die Dynamik der Veränderungen einfach nochmal deutlich zugenommen hat im Rechtsmarkt, in der Welt sowieso, aber auch im Rechtsmarkt.
Und deswegen bin ich ganz gespannt, wenn jemand diese Folge sich nochmal anhört, Ende 2024, ob dann überhaupt noch irgendwas passt von dem, was wir gerade besprochen haben. Ist aber auch nicht so schlimm.
Wir können ja regelmäßige Updates machen. Zu dem Thema Produkte und Services. Ich glaube, wenn man das so ganz archetypisch unterscheidet, dann ist das, was wir Service nennen würden, das, was ganz ursprünglich so ganz herkömmliche anwaltliche Tätigkeit und Arbeit war, kommt jemand mit einem Problem, man setzt sich hin, nimmt ein weißes Blatt Papier, schreibt das Problem auf, macht sich Gedanken darüber, wie man das wahrscheinlich in ein Sachverhalt packen kann, Man sucht dann einschlägige Normen und daraus entwickelt sich ein Rechtsrat.
Das ist quasi im besten Sinne Handwerk, weil jedes Mal jedes Problem ein neues darstellt und man jedes Mal ganz von vorne anfängt, sich zu überlegen, wie gehe ich mit diesem Thema um. Übrigens nicht nur in unserer Branche, dem Rechtsmarkt, eine lange Zeit ganz erfolgreiche Vorgehensweise, Sondern etwa auch bei den Unternehmensberatungen.
McKinsey, das hat zwar nie jemand geglaubt und wahrscheinlich hat es auch nicht gestimmt, ging aber immer damit an den Markt zu sagen, wir finden für jedes Problem eine individuelle Lösung und wir fangen immer wieder ganz neu und von vorne an. Das sollte den Kunden signalisieren, dass sie nichts von der Stange bekommen, was irgendwie, keine Ahnung, bei anderen vergleichbaren Wettbewerbern alles schon mal durchgenudelt wurde, sondern dass man für ihre Bedürfnisse eine ganz individuelle Lösung findet.
Am anderen Teil des Spektrums, das was man Produkt nennen würde, ist eben das, was dann eben auch von der Stange wäre, das heißt, da ist null Individualisierung, das nimmt man aus dem Regal packt das aus und da steht was drin oder was drauf, und der Rechtsmarkt bewegt sich, wenn man es sich genau anguckt natürlich von der einen in die andere Richtung und die spannende Frage ist, wie weit lässt sich diese Produktifizierung eigentlich treiben und wie weit.
Trifft sie auch auf eine Nachfrage, das ist ja wahrscheinlich ohnehin die wichtigste Frage, auf der Kunden-slash-Mandantenseite und nach meiner Beobachtung des Rechtsmarkts, je weiter wir in den Bereich des Verbraucherrechts gehen und auch da bei der Standardisierung von Fragen ankommen, Habe ich einen Anspruch gegen VW, weil mein alter Diesel möglicherweise in die Kategorie fällt, dass ich einen Anspruch auch geltend machen kann, weil der irgendwie von dann und dann gebaut wurde und Diesel manipuliert und was auch immer, dann ist das natürlich kein Service-Thema, das individuell bearbeitet wird, genauso wie meine Erstattung von Ansprüchen gegen die Fluggesellschaft, weil der Flug verspätet war, sondern das lässt sich ja in hohem Maße produktifizieren und wird auch auf der Angebotsseite.
Das heißt der Kanzleien oder der alternativen Service Provider, auf eine Art und Weise erstellt, dieser Rechtsrat, dass man das de facto Produkt nennen kann und nennen würde. Und wenn man sich die Websites anguckt, der entsprechenden Kanzleien oder Anbieter, dann sieht man auch, dass das hochproduktifiziert ist.
Da konfiguriert man sich sozusagen seinen Anspruch selber zusammen. Und der Teil anwaltlicher Leistungserbringung, der dann noch da drin steckt, der ist minimal und im Prinzip auch nicht individualisiert.
Da sind wir ja jetzt auch schon. Also du kannst das ja heute machen. Deine Fluggastrechte und diese ganzen B2C-Claims sind ja sehr stark produktivisiert. Wo geht das denn in der Kanzleiwelt jetzt mit Blick auf mittelständische und Großkanzleien aus deiner Sicht hin? Wie verhalten sich dort Produkte zu Services? bist es.
Denn, was sich ja gerade bei deinen Ausführungen bezüglich von der Stange oder nicht schon aufdrängt, ist die Frage, naja, will ich nicht vielleicht den Anzug haben, der dann doch nochmal ein bisschen angepasst werden muss?
Also das ist die Diskussion, die glaube ich in vollem Gang ist und da gibt es, Auch sozusagen mehrere Sichtweisen drauf. Die eine ist, ein Unternehmenskauf folgt einer gewissen Logik und hat standardisierbares Potenzial und standardisierbare Elemente. Gleichzeitig wird man feststellen, nie ist ein Fall genau wie der andere und vielleicht landet das dann genau in dem Bereich, den du auch gerade genannt hast.
Wir kennen die Situation von Mandanten, die kommen, Mandantinnen, die fragen, die sagen, ich habe hier so ein Problem, das müssen hunderttausende von mir auch schon gehabt haben oder hunderte von mir schon gehabt haben. Das kann ja nicht so kompliziert sein.
Und dann fängt man an mit so einer standardisierten Vorstellung, es handelt sich um das gleiche Thema, das wir schon mehrfach gemacht haben. Kanzleien, die sich spezialisieren, machen das ja genauso, um dann festzustellen, es ist eben doch nicht so einfach.
Und dann wird es doch komplizierter. Und dann endet Produktifizierung, weil dann aus Sicht der Kanzlei, wenn man in Produkten denkt und dann mit Caps arbeitet oder mit fest vereinbarten Paketen, dass man dann merkt, jetzt funktioniert das nicht mehr. Und das ist das, was austariert werden muss, weil das für Mandantinnen und Mandanten dann oft schwer ist zu verstehen, ab wo das, was sie als plain vanilla product vermutet hatten, eben dann doch in der Umsetzung anders ist, weil es individuelle Herausforderungen mit sich bringt.
Das ändert aber nochmal nichts an der Richtigkeit quasi der Feststellung, dass Prozesse, Abläufe und auch die Art, wie bestimmte beispielsweise Verträge oder Dokumente generiert werden, innerhalb der Kanzleien durchaus standardisiert werden können, schneller, besser, einfacher gemacht werden können, mit Mustern besser gearbeitet werden kann. Und das Know-how insgesamt, das in Kanzleien gebündelt vorliegt, führt deren Beratungsleistung gerade im Bereich mittelständischer oder größerer wirtschaftsberatender Kanzleien.
Da ist noch ganz viel Potenzial, sowohl was diesen Workflow angeht, also zu verstehen, dass Projekte ähnlich sind und nach einem bestimmten Muster durchlaufen. Das ist jetzt noch gar keine inhaltliche Qualität. Das ist einfach nur die Prozessqualität.
Dass man sagt, das fangen wir nicht jedes Mal neu an zu erfinden, sondern wir haben einen bestimmten Qualitätsstandard, nachdem wir Beratung nacheinander ablaufen lassen. Und das zweite sind dann eben bei den Inhalten, das Nutzen aller vorhandenen, bereits bestehenden Dokumente, Datenbanken, auf die man zugreifen kann und damit einfach auch das weiter standardisieren, obwohl ein letztes Maß an Intelligenz, Kreativität und, Verständnis für den jeweiligen Mandanten ganz entscheidend ist, weil der Standard alleine eben nicht reichen würde.
Ich würde das mal in Connect setzen mit zwei Trends, die den Rechtsmarkt gerade bewegen. Der erste ist, wie nutzen wir unsere ganzen Daten? Wie können wir datengetriebene Services und oder Produkte mittelfristig dann auch als Kanzlei anbieten? Und der zweite Trend ist, dass wir ja auch neue Rollen sehen mit Legal Engineers und Konsorten.
Es gibt Kanzleien, die Die stellen mittlerweile auch absolut Fachfremde ein, weil die sagen, wir brauchen da eine entsprechende Kompetenz. Wir haben mehr Arbeitsteilung in Kanzleien. Aber das ist sozusagen auch eine schöne neue Welt, auf die manche hinarbeiten, wo viele vielleicht auch von träumen.
Woran scheitert oder wo hapert es? Scheitert es vielleicht zu hart ausgedrückt? Wo hapert es aus deiner Sicht in vielen Einheiten noch? Was ist der Schritt, der ganz hands-on 24 passieren kann, damit man noch ein kleines bisschen mehr zur Produktivisierung der eigenen Dienstleistungen und Angebote im weiteren Sinne kommt?
Also ich glaube, wenn man ganz auf den Kern versucht, dessen zurückzugehen, was da für Ursache sein kann, dann ist es, dass unser Berufsrecht, glaube ich, überhaupt erst anfängt, Kanzleien zu kennen. Und Kanzleien ja nach wie vor im rechtlichen Sinne freiwillige Zusammenschlüsse, Bürogemeinschaften, selbstständiger Anwältinnen und Anwälte sind, in großen Kanzleien die Equity-Partner, eingetragen im Partnerschaftsregister, die sich zum Zwecke der gemeinsamen Berufsausübung zusammentun.
Die Entity der Partnerschaftsgesellschaft wird aber konstituiert von den einzelnen Partnerinnen und Partnern. Damit haben wir schon diese Frage, die in den USA unter dem Label The Lawyer or The Firm diskutiert wird. Also was macht das eigentlich aus, die Kanzlei? Ist es der Anwalt, die Anwältin oder ist es die Kanzlei? Mit einem natürlich klar erkennbaren Shift Richtung Kanzleien.
Alles was wir mit Marketing, Branding und so weiter kennen und je größer die Kanzlei und je internationaler, desto stärker tritt der Begriff der Firmen in den Vordergrund. Unser deutsches Berufsrecht kommt da ganz langsam erst hinterher und das führt jedenfalls nach meiner Kenntnis vielen Kanzleien auch noch dazu, dass die interne Arbeitsteilung unteraus geprägt ist.
Also die Frage zum Beispiel, wem gehören welche Dokumente? Gibt es einen gemeinsamen Dokumenten-Datenbestand, auf den man überhaupt zugreifen kann? Wie liegen die vor? Wie wird arbeitsteilig gearbeitet? Das ist dann selbstverständlich, also was den Zugriff auf Wissen angeht, selbstverständlich, dass jeder alles auch sehen kann, darauf zugreifen kann, damit arbeiten kann, was ja aus Sicht von Mandantinnen und Mandanten ganz zentral ist.
Dass die Erwartung, dass ich natürlich, wenn ich eine Kanzlei XY mandatiere, auf deren gesamten Daten- und Know-how-Bestand zugreifen kann und dass darauf zugegriffen wird, dass ich beraten werde mit all dem, was die auch tatsächlich in ihren Wissens- und Know-how-Schätzen haben. Und andersrum die Frage, wenn wir sozusagen Datenbestände haben, die im Partnerbüro oder Partnerinnenbüro rechts oder links liegen.
Dann will ich auf die ja im Prinzip auch zugreifen können, weil ja meine Beratungsleistung dadurch besser wird, dass ich auf ein größeres Reservoir zugreifen kann. Also das sind glaube ich, wenn man richtig auf den Kern guckt, die Dinge, die es noch schwierig machen, je stärker wir dahin kommen, dass logischerweise das als Kanzleischatz begriffen und bearbeitet werden kann, umso interessanter ist es nicht nur für Mandantinnen und Mandanten daraus eine einheitliche Rechtssitzung und Service zu bekommen, Sondern auch beispielsweise jüngere Assos jetzt logischerweise stärker arbeitsteilig mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Praxisgruppen, aus anderen Dezernaten, je nachdem wie man sich aufgestellt hat, so zusammenzuarbeiten, dass man dieses Wissen auch gemeinsam teilt und den Schatz gemeinsam hebt.
Jetzt haben wir vorausgesetzt, dass sozusagen die Branche tatsächlich dahin geht. Wird es denn auch, vielleicht als abschließende Frage, dann haben wir unsere 15 Minuten nämlich voll, Einheiten geben, die einfach komplett beim Service bleiben aus deiner Sicht?
Also ich glaube, das wird es auf jeden Fall geben. Ich glaube, dass die Bandbreite sehr groß werden wird und die Frage eben sein wird, welche Art von Mandaten will ich betreuen? Vielleicht gar nicht so sehr von Mandanten, weil auch Mandanten unterschiedliche Bedürfnisse haben werden. Aber ich glaube schon, dass es, also nehmen wir mal ganz high-end steuerrechtliche Fragen, da geht es, das ist so ein Bereich, wo ich jedenfalls, Den Eindruck habe, dass da sehr, sehr vieles noch wirklich reiner Service ist und wenig produktifiziert werden kann.
Je abstrakter die Frage, je komplexer, je schwieriger, je einzelfallbezogener, desto mehr sind wir natürlich beim Service. Ist, aber die Produktifizierung in der Breite wird ganz sicher zunehmen, auch in den wirtschaftsberatenden Kanzleien mittlerer und auch kleinerer Größenordnung. Ich glaube, was uns schon treiben wird, ist die B2C-Erfahrung, die wir alle machen im Alltag.
Was mich sehr beeindruckt hat, war, war, dass Amazons Services, die ja im Grunde produktifiziert sind, also One-Click-Shopping und alles, was Amazon so an Kundenfreundlichkeit entwickelt hat, dazu führt, dass der Service von Amazon als besonders herausragend beurteilt wird. Und das gilt sowohl für alles, was die an Technologie drunter haben, was wir gar nicht als Service bezeichnen würden, bis hin zu der Chatbot-Logik, bei der kein Mensch mit jemandem, mit Kundinnen oder Kunden kommuniziert, sondern das alles über digitale Tools, über KI abgewickelt wird, bei den Nutzern aber diesen Eindruck erweckt, das sei Superservice.
Dann sind wir gespannt, wann der Rechtsmarkt da auch noch annähernd ankommt. Danke Hariolf.
Vielen Dank Marc. Ciao.