Prof. Dr. Anne Sanders, Professor | Universität Bielefeld
Aktiengesellschaft - ESG - Nachhaltigkeit - Unternehmensrecht - Gesellschaftsrecht - Beschränkte Haftung - Fremdorganschaft - GmbH - Vorstand - Aufsichtsrat - Historische Entwicklung - Unternehmensinteresse - Gemeinwohlbindung - Shareholder Value - Stakeholder - Lieferkettengesetz - § 76 Abs. 1 AktG - Grundgesetz
In der 270. IMR-Episode und 6. Teil von Irgendwas mit ESG begrüßt Marc erneut Prof. Dr. Anne Sanders und sowie Prof. Dr. Anne Mittwoch. Gemeinsam werfen sie einen detaillierten Blick auf die Frage, wofür es eigentlich Aktiengesellschaften gibt und warum diese speziell in der ESG-Debatte so relevant sind. Die Diskussion startet mit einer historischen Perspektive auf die Entstehung und den Zweck von AGs und beleuchtet, wie rechtliche Strukturen wie die beschränkte Haftung und die Fremdorganschaft bis heute ihre Rolle definieren. Was unterscheidet Aktiengesellschaften von anderen Gesellschaftsformen wie der GmbH? Warum stehen Nachhaltigkeitsthemen bei großen Playern wie der AG besonders im Fokus? Wie wird das Unternehmensinteresse rechtlich und praktisch interpretiert? Wie fließen ESG-Aspekte dabei ein? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet Ihr in dieser Folge eures Jurapodcasts. Viel Spaß!
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Warum das auch für deine juristische Karriere spannend ist, erfährst du im Podcast – hör doch gleich in unsere IMR-Folgen mit der Uni Bielefeld rein!
Prof. Dr. Anne Sanders | Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich | Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch
Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy , Professor
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KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit ESG und ich bin wieder mal natürlich nicht alleine, denn die beiden Annes sind da, einmal Anne Sanders und Anne Mittwoch und ich habe eine ganz einfache Frage, die über diesem Podcast steht, wofür gibt es eigentlich Aktiengesellschaften und bitte keine kurze Antwort, weil wir brauchen mehr als zwei Minuten, die wir
hier heute aufzeichnen.
Ja, also eine kurze Antwort auf diese Frage ist, glaube ich, auch gar nicht möglich. Wofür gibt es Aktiengesellschaften? Da müsste man ja eigentlich schon so einen historischen Unterbau formulieren. Vielleicht kurz einleiten noch, warum konzentrieren wir uns überhaupt auf Aktiengesellschaften? Wir haben ja schon jetzt viel über Nachhaltigkeit gesprochen und auch über Nachhaltigkeit und Unternehmensrecht.
Wir hatten schon eine Podcast-Folge mit Anne Sanders zum Say on Climate. Da ging es im Prinzip ja auch um Aktiengesellschaften. Dann hatten wir schon eine Folge mit Marc-Philipp Weller zum Gesellschaftsrecht und Klimawandel im weitesten Sinn.
Auch da waren Aktiengesellschaften Thema. Und wir haben uns gedacht, wir müssen einfach mal grundlegend darüber sprechen, warum die hier so wichtig sind. Das haben wir uns also erst mal dabei gedacht. Und die kurze Antwort oder kürzere Antwort ist vielleicht, dass wir über die großen Unternehmen sprechen, weil sie auch natürlich international den größten Impact haben.
Also wenn ich jetzt ein kleines Startup habe aus drei Personen, dann wird das jetzt noch keinen so großen Einfluss auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft haben wie ein sehr großes Unternehmen. nehmen.
Trotzdem sind natürlich alle wichtig und wir behandeln hier im Podcast auch alle. Aber heute geht es um die Großen, weil wir die Diskussion da anders führen. So.
Das macht erstmal Sinn. Wir fokussieren uns auf die großen Player und ich würde mal sozusagen vermuten, dass die ja auch eine gewisse Ausstrahlungswirkung haben, denn wenn, keine Ahnung, ich nehme jetzt irgendwie zufällig jemanden raus, BASF, irgendwas anders macht, was die Nutzung gewisser Chemikalien angeht, vielleicht sogar freiwillig, nicht reguliert durch die EU, weil sie einfach sagen, das finden wir jetzt besser, dann werden sich die anderen im Markt das ja ziemlich genau anschauen.
Genau, das hat auf jeden Fall einen sehr großen Impact. Das kann natürlich in beide Richtungen ausschlagen. Also in eine nachhaltige oder in eine unnachhaltige. Und dann ist die Frage, lässt man die Großen freiwillig machen oder setzt man ihnen eben Regeln? Also wird der Gesetzgeber tätig? Und gerade in Deutschland, wenn man ans Lieferkettengesetz denkt, hat sich die Bundesregierung genau das gedacht.
Es gab da auch Umfragen, damals 2017. Und man hat gesehen, na ja, freiwillig machen da noch nicht so viele Unternehmen wirklich viel. Und wir brauchen dann doch Regelungen. und wir haben sie jetzt zum Teil schon.
Also vernetzt ist das alles. Aber jetzt vielleicht mal rechtstechnisch, warum die Großen, was ist da anders als bei den Kleinen? Und das lernt man im Studium Gesellschaftsrecht ja ganz am Anfang. Da befasst man sich ja nicht gleich mit der Aktiengesellschaft, sondern erst mal mit der GbR.
Und da lernt man, hier sind die Gesellschafter verantwortlich, die haften alle persönlich. Und das ist ein ganz wichtiges Prinzip und das ist bei der Kapitalgesellschaft aber anders. GmbH weiß man auch schon, denke ich, also auch schon im Grundstudium, das ist eine gesellschaftlich beschränkte Haftung, da haften die Gesellschafter eben nicht persönlich.
Und das ist der erste große Unterschied. Wenn ich persönlich hafte, dann habe ich vielleicht ein höheres Interesse irgendwie im Sinne meines Unternehmens auch zu handeln. Bei den großen Unternehmen, also bei den Aktiengesellschaften und bei den GmbHs, fällt das auseinander.
Also die Gesellschaft darin haft nicht persönlich. Das heißt, vielleicht haben die nicht so sehr ein Interesse daran, dass es dem Unternehmen sehr gut geht. Das klingt jetzt erstmal nicht ganz einleuchtend, das muss man ein bisschen erklären.
Man hat die Aktien dann in seinem Depot und hofft dann, dass die eine schöne Rendite abwerfen. Aber nicht jeder Aktionär fährt dann jedes Jahr auf die Hauptversammlung und isst da seine Erbsensuppe mit Würstchen und heiligt sich da und ist ja auch zweifelhaft, was er dann dazu sagen hätte überhaupt.
Und ich glaube auch nochmal, man muss auch nochmal einwerfen sozusagen, dass wenn man das so vergleicht, wie wir das gerade skizziert haben, dann ist ja auch der Unternehmensinhaber, was bei der AG die Aktionäre sind, jedenfalls auf dem Papier, wer dann da operativ wirklich was entscheidet und so weiter, ist alles anders, aber der ist ja viel weiter weg vom Geschäft.
Wenn wir jetzt die GbR haben, dann wirst du seltenst einen stillen Gesellschafter in der GbR haben, haben, der persönlich haftet, aber operativ sich so gar nicht einmischt. Das ist einfach nicht besonders lebensnah.
Genau und da sind wir jetzt bei einem ganz wichtigen zweiten Prinzip. Also das erste war die beschränkte Haftung. Ich denke, das kann man ganz gut nachvollziehen. Das zweite ist das Prinzip der sogenannten Fremdorganschaft.
Also in der kleinen Personengesellschaft, da sind die Gesellschafterinnen selber zuständig für die Leitung der Gesellschaft. Das ist aber bei der GmbH und bei der AG anders. Da hole ich mir jemanden von außen rein.
Also bei der GmbH könnte ich auch einen eigenen nehmen, aber ich kann mir eben jemanden von außen reinholen. Der muss gar nicht Gesellschafter sein. Und jetzt ist es natürlich so, dass wenn der nicht Gesellschafter ist, er vielleicht auch eigene Interessen hat, die sich nicht immer decken mit den Interessen der Gesellschafterin.
Das heißt, die Fremdorganschaft ist der zweite zentrale Punkt, warum die Diskussion bei den Kapitalgesellschaften anders läuft als bei den kleinen Personengesellschaften. Und jetzt haben wir die Unterscheidung große und kleine oder Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften. Jetzt machen wir noch kurz eine dritte Unterscheidung auf, nämlich die GmbH.
Weil wenn man jetzt über die Kapitalgesellschaften redet, müsste man AG und GmbH ja in ein Boot werfen. Das können wir aber auch nicht in der Diskussion. Und das hat einfach den Grund, dass das Leitungsorgan bei der GmbH, das ist der Geschäftsführer, dem kann man richtig viel reinreden.
Den kann man an die Kandare nehmen, man kann den per Gesellschaftsvertrag richtig quasi zum Angestellten schon fast degradieren. Und das geht bei der AG nicht. Und da ist der Vorstand unabhängig.
Und deswegen müssen wir die AG extra anschauen. Und das tun wir heute.
Wenn man sich die GmbH anschaut, dann kann man fast sagen, sie ist eine Kapitalgesellschaft, die aber sehr nah an einer Personengesellschaft dran ist. Denn sie ist eigentlich darauf ausgelegt, dass die Gesellschafter sehr persönlich innoviert sind.
Die können halt ihrem Geschäftsführer sagen, was er machen soll. Und die haben das Heft viel, viel mehr in der Hand. als der kleine Aktionär, der irgendwann mal hin und wieder sich freut, ob er eine Rendite kriegt, aber im Übrigen eigentlich an was ganz anderes, wenn man denkt, sein sonstiges Leben lang.
Ja, absolut. Deswegen sieht man auch sehr gut daran, dass GmbH-Anteile auch nicht an der Börse gehandelt werden. Das sind keine fungiblen Kapitalmarktpapiere, wenn man es so will. Bei der AG geht es eben ganz schnell ein paar Klicks und ich habe was Neues im Depot oder eben wieder draußen.
Will ich einen GmbH-Anteil übertragen, muss ich zum Notar. Also das ist eben schon sehr unterschiedlich. Und deswegen geht es bei uns eben jetzt speziell um die AG. Das heißt aber jetzt nicht, dass wir die Nachhaltigkeitsdiskussion bei den anderen Gesellschaften nicht führen.
Wir führen sie aber anders. Deswegen haben wir ja auch hier die verschiedenen unterschiedlichen Folgen im Podcast.
Gut, jetzt haben wir sozusagen die unterschiedlichen Formen geklärt. Was heißt das denn jetzt unter ESG-Gesichtspunkten?
Ja, das ist eine spannende Frage. Was heißt das unter ESG-Gesichtspunkten? Wir müssen uns überlegen, wie können wir durch Recht Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit bewegen oder die Nachhaltigkeit fördern? Und jetzt schauen wir also auf die Aktiengesellschaft und haben schon gesehen, es gibt ein Leitungsorgan. Bei der Aktiengesellschaft ist es der Vorstand oder würde man es US-amerikanisch sagen, der CEO.
Er hat die Hosen an. Und wenn wir dann mal ins geltende Recht gucken, dann finden wir einen Paragrafen 76 Absatz 1 und der ist ganz kurz. Und da steht einfach drin, der Vorstand leitet die AG in eigener Verantwortung.
Und das ist sehr spannend, weil es ist sehr knapp und da steht nichts von Nachhaltigkeit, steht aber auch nichts von Unachhaltigkeit. Da könnte man erstmal alles reininterpretieren und da sind wir erstmal auf einem sehr offenen Feld. Ja, und wenn wir jetzt uns an die Folge erinnern oder an die Folgen, die wir schon gehört haben zur Nachhaltigkeit im Unternehmen, dann erinnern wir uns, dass Marc-Philipp Weller zum Beispiel ja sich ganz konkrete Maßnahmen ausgedacht hat, wie man Nachhaltigkeit im Aktienrecht fördern kann.
Über Say und Climate haben wir schon gesprochen. Aber wirklich so die Grundkompetenz des Vorstands, die blieb dabei erst mal unangetastet. Und das hat den Grund, dass das eine Frage ist, die sehr umstritten ist, schon seit die Aktiengesellschaft existiert.
Ich würde behaupten, das ist so die heilige Kuh des Aktienrechts. Jedes Rechtsgebiet hat ja so seine heilige Kuh, oder? Also Trennungs- und Abstraktionsprinzip im BGB und im Prozessrecht ist es wahrscheinlich die Rechtskraft und im Aktienrecht ist es eben die Frage, Formalziel, was muss der Vorstand machen? Er leitet in eigener Verantwortung.
Was heißt das dann konkret? Also heißt das, der kann machen, was er will? Wahrscheinlich ja auch nicht.
Genau. Und dazu, um das zu beantworten, da müsste man jetzt einfach mal kurz auf die Historie gucken. Weil wir könnten ja jetzt als Gesetzgeber alles Mögliche reinschreiben, oder? Warum hat sich der Gesetzgeber entschieden, das so offen zu lassen? Weil man das nicht lösen kann seit Dekaden und man kann schon fast Jahrhunderten sagen.
Und wenn wir mal zurückgehen an die Anfänge der Aktiengesellschaft, warum hat man diese Rechtsform überhaupt erfunden? Man musste halt viel Geld einsammeln, was so drei, vier, fünf Leute, die sich zusammengeschlossen haben, auch wenn sie sehr reich waren, einfach nicht liefern konnten. Man brauchte mehr Geld für beispielsweise große Expeditionen in die neue Welt.
Also die englischen, belgischen Seefahrtsgesellschaften, Niederlande brauchten diese Gesellschaftsform. In Deutschland war es vor allem das Eisenbahnwesen, das Schienennetz, was gebaut wurde, man musste Bergbau etc. Man musste viel Kapital einsammeln.
Und dafür hat man sich das ausgedacht. Und dann hat man aber auch gleichzeitig Angst gehabt. Der Gesetzgeber hat gesehen, hoppla, hier ist eine beschränkte Haftung. Das heißt, es kann sein, dass da viel Missbrauch passiert.
Und hat dann gesagt, wir müssen diese gefährliche Rechtsform irgendwie einhegen. Die AG wurde in Deutschland dann sehr mit dem Staat verbandelt. Das heißt, um eine AG zu gründen, musste man vorweisen, dass man einen gemeinnützigen Zweck verfolgt.
Und das ist doch interessant mit Blick auf Nachhaltigkeit, oder? Wir hätten jetzt alle nicht an die Gemeinnützigkeit gedacht bei Aktiengesellschaften.
Das wusste ich nicht.
Cool.
Es war ja auch so, dass man damals im Grunde gar nicht frei zum Register gehen konnte und sagen, hallo, ich will jetzt meine Aktiengesellschaft machen, sondern man musste im Grunde eine spezielle Erlaubnis bekommen vom Staat, dass man diese Gesellschaft gründen darf.
Und Gemeinnützigkeit hatte auch ein ähnliches, also der Begriff wurde ähnlich ausgefüllt wie heute. Das war jetzt nicht durch die Hintertür sozusagen dem Wohle der Wirtschaft dienen und damit schon gemeinnützig.
Genau, das ist natürlich die spannende Frage. Das können wir nicht auf die heutige Klimawandel-Diskussion übertragen. Ich habe mal nachgeforscht, was damals Gesellschaften so vorgebracht haben, um diese Konzession zu kriegen vom Kaiser. Also es gab da natürlich Gesellschaften, die gesagt haben, wir wollen gerade Eisenbahnsystem, da trägt man was zum Gemeinwesen bei, ist klar.
Aber es gab auch Gesellschaften tatsächlich, die gesagt haben, wir zahlen Steuern. Also sind wir gemeinnützig. Ja, Fun Fact, die haben ihre Konzession nicht gekriegt. Das hat nicht gereicht, aber das wurde nicht genauso verstanden wie heute.
Und hinzu kommt natürlich vielleicht kleiner Einschub hier, weil du am Anfang Gemeinnützigkeit gesagt hast. Heute ist natürlich Gemeinnützigkeit vor allem steuerrechtlicher Begriff und meint eben Dinge wie Kultur und arme Menschen und so weiter und so fort. Also im Grunde, das war eher sozusagen der Bezug zum gemeinen Wohl.
Also eben die Eisenbahn, die eben bringt die Leute von A nach B und transportiert Güter und das ist auf jeden Fall schon mal eine gute Sache für die Gesellschaft.
Ja, danke für die Bemerkung, ganz wichtig. Wir haben ja also für die Gemeinnützigkeit, es gibt eine GAG und eine GmbH, gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts, die dürfen halt keine Gewinne erwirtschaften, das ist natürlich was anderes. Es ging ums gemeine Wohl und das war einfach damals wichtig.
Ist aber nicht geblieben offensichtlich. Aber bis 1870 hatte man doch eine starke staatliche Anbindung der Aktiengesellschaft, die es so in der Form natürlich heute nicht mehr gibt. Dieses Konzessionssystem ist dann irgendwann entfallen und hat dann einem System Platz gemacht, das man System der Normativbestimmung genannt hat.
Ich würde jetzt mal sagen, es ist so ein Tick-the-Box-System, das wir heute auch noch haben im Prinzip. Man geht zum Notar und muss bestimmte Dinge erfüllen. Man braucht eine Satzung, Kapital muss eingezahlt sein, Die Organe müssen schon feststehen.
Und wenn man das alles erledigt hat, dann kann man auch gründen. Und das lief dann genauso. Und der Gemeinwohlbezug ist erstmal so entfallen. Der kam aber wieder.
Und das ist ganz spannend. Das ging so in Wellen. 1917 hat Rathenau eine ganz bekannte Schrift geschrieben und hat da festgestellt, und das finde ich auch immer spannend, weil es ist über 100 Jahre her. Und er hat aber damals gesagt, Aktiengesellschaften sind heute so groß und global vernetzt und so wichtig.
1917, global vernetzt.
Das Wording ist nicht ganz das Gleiche.
Nee, schon klar.
Das Zitat ist nicht ganz so schön, deswegen dring ich es nicht. Und die haben so einen großen wirtschaftlichen Impact, dass man eigentlich nicht mehr sagen kann, es sind reine Privatveranstaltungen. Man kann also hier nicht mehr das Ganze reduzieren auf die Interessen der Aktionärinnen und Aktionäre, sondern man muss das irgendwie staatlich einfangen, weil der Impact so groß ist.
Und das war eine Diskussion, die dann geführt wurde in den Folgejahren, die nicht unmittelbar ins Gesetz Eingang gefunden hat, aber 1937 dann schon. Dazu kommen wir gleich.
Ja, ich will vielleicht noch mal kurz sagen, dass als man sozusagen das freigegeben hat, man darf sich nicht vorstellen, dass Ideen wie Wirtschaftsförderung oder so erst heute angefangen haben. Aber natürlich war das damals auch eine Überlegung, geben wir diese Gründungen der Aktiengesellschaften frei, dann wird das die Wirtschaft fördern, das wird sozusagen gut für die Allgemeinheit sein.
Also diese Überlegung, wie fördert man die Wirtschaft, die gab es damals auch schon. Und das hat damals dann auch noch dazu geführt, dass es dann auch eine Reihe Krache gab, wo dann auch Investoren ziemlich baden gegangen sind, weil eben dann die staatliche Aufsicht gefehlt hat.
Also im Grunde gab es dann auch eine ganze Reihe von Sachen, wie, wie, strukturiert man auch die Unternehmensleitung, die heute sagen wir Governance im Grunde, damit Missbräuche dann verhindert werden. Also indem man einen Aufsichtsrat hat, der den Vorstand überwacht, indem man guckt, wie man dann die Aktionäre einbindet, welche Rolle spielen die Aktionäre, welche Rolle der Vorstand.
Das musste sich erstmal austarieren, auch durch den Gesetzgeber, wer da eigentlich wen auch wie überwachen kann.
Ja, das ist super spannend. Danke, dass du nochmal den Aufsichtsrat erwähnst. Also nachdem man dieses Konzessionssystem aufgegeben hat, gab es tatsächlich erstmal viel Missbrauch. Also es ist angestiegen.
Dann hat man dieses Tick-the-Box-System dann auch nochmal verschärft. Und der Aufsichtsrat, das ist sehr spannend, den haben wir eigentlich vor allem deswegen, weil die staatliche Aufsicht ja gerade entfallen ist. Da hat man gesagt, na gut, dann aber wenigstens zwingender Aufsichtsrat.
Also eigentlich ist der Aufsichtsrat der Kaiser.
Wenn man so will, das kann man schon so ein Stück weit sagen. Also eigentlich braucht man den Aufsichtsrat deswegen. Gucken wir uns nochmal kurz die GmbH an.
Also das ist jetzt anachronistisch, weil die erst 1892 entstanden ist. Aber in der GmbH haben wir die ganzen Gesellschaften, die total persönlich involviert sind. Die gucken genau hin, was ihr Geschäftsführer macht.
Während, wenn man jetzt, sagen wir mal, 2000 Investoren hat, die alle sich eine Aktie kaufen in einer Bahnaktiengesellschaft, um ein Bahnnetz zu finanzieren, dann werden die nicht alle kommen und gucken, was macht denn der Vorstand heute Morgen mal. Das heißt, wir brauchen ein Organ, was im Grunde die Interessen dieser Aktionäre vertritt.
Sich angucken kann, was der Vorstand macht, aber näher an ihm dran ist.
Ja, genau, so hat man sich das gedacht. Und es ist so spannend, wenn man zum Beispiel in die USA guckt, da gibt es den Aufsichtsrat als Organ ja nicht. Also wir haben diese duale Struktur.
Aber der Aufsichtsgedanke ist natürlich auch dort da. Da macht man das eben über verschiedene Direktorenpositionen. Aber so hat man sich das damals eben ausgedacht. Das ist einfach der historischen Entwicklung auch ein Stück weit geschuldet.
Und jetzt kommen wir zu 1937.
Jetzt kommen wir zu 1937. Genau, also wie gesagt, die Gedanken von Rathenau sehr spannend. der dann sich da schon überlegt hat, dass man doch das Ganze irgendwie wieder einfangen muss. 1937 ist natürlich, wenn man jetzt auf die deutsche Geschichte guckt, kein neutrales Jahr.
Also natürlich belastet durch Ideologie des Dritten Reichs. Man hat tatsächlich dann auch im Aktiengesetz ein sogenanntes Führerprinzip implementiert. Man hat gesagt, der Vorstand leitet ab jetzt eben in eigener Verantwortung. Der hat die Hosen an und wir schirmen ihn mal ab von den Aktionärinnen und Aktionären.
Das heißt, hier ganz stark, also das Ganze hat sich auf den Vorstand konzentriert.
Dahinter steht natürlich im Grunde die Idee, diese ganzen kleinen Investoren, die können ihn nicht nur angemessen überwachen, sondern die haben auch gar keine Ahnung. Die sind viel zu wenig informiert, die sind eigentlich viel zu doof, ist vielleicht ein bisschen unfreundlich gesagt, aber sie können es eben nicht und deswegen soll jetzt der Vorstand der starke Mann sein.
Genau, das einerseits und vielleicht sind sie auch einfach divers, weil du hast jetzt gesagt, manche haben kein Interesse, manche vielleicht ein bisschen, manche viel Ahnung, manche wenig und Rathenau hat ja gesehen oder gesagt, wir wollen nicht mehr diese Privatinteressen, dieses Gewinnstreben nach vorne stellen und das ist auch mit ein Grund, warum man so ein Stück weit gesagt hat, der Vorstand leitet jetzt in eigener Verantwortung abgeschafft.
So, man hat aber diesen Satz, den ich jetzt schon oft zitiert habe, nicht einfach so ins Gesetz geschrieben, sondern man hat Leitlinien an die Hand gegeben, die heute fehlen. Man hat also gesagt, der Vorstand leitet nicht nur in eigener Verantwortung, sondern er leitet so, wie es eben der gemeine Nutzen von Volk und Reich es erfordern.
Die Formulierung Volk und Reich stößt uns noch heute total auf. Aber letztlich sind die Ideen, die dahinter stehen, du sprachst eben schon von Rathenau, Die sind natürlich auch schon älter als die Nazi-Herrschaft. Das war eine Entwicklung, die schon vorher angefangen hat.
Natürlich kam dann das Führerprinzip, passte dann da sehr gut dazu, aber es waren im Grunde auch schon ältere Ideen.
Genau, es waren ältere Ideen und wir haben ja jetzt, dadurch, dass wir uns das historisch einmal angeguckt haben, haben wir auch gesehen, es war vorher auch schon da. Dann mal wieder weniger stark, dann kam es wieder.
Diesmal natürlich in dieser nazi-ideologischen Einkleidung, aber das ist was Älteres. Und dann sehr spannend, 1965, als dann das Aktiengesetz reformiert wurde, also die letzte sehr große Reform, wir hatten ja auch weiter viele kleine noch, da hat man dann gesagt, man überlegt, soll man jetzt diesen Satz verändern, hat man ja dann augenscheinlich, jetzt ist der ja kurz und knapp, und tatsächlich hat man damals gesagt, dass der Vorstand Gemeinwohlbelange berücksichtigt, ist so klar, dass wir es gar nicht reinschreiben müssen.
Oh, das ist immer gefährlich.
Das ist immer gefährlich. Und genau diese Risiko hat sich realisiert. Denn die Gemeinwohlbindung des Vorstands ist absolut verblasst heute. Man hat damals gesagt, die ergibt sich schon aus dem Grundgesetz.
Heute hat sich eben viel stärker eine Denkweise durchgesetzt, die sagt, the business of business is business. Um mal so dieses Milton Friedman zugeschriebene Zitat zu bemühen. Und von der Gemeinwohlbindung sehen wir nicht mehr viel.
Aber jetzt sind wir eben an dem Punkt angelangt, also am heutigen Tage, dass wir sehen, die ganze Nachhaltigkeitsdiskussion kann man über diese Diskussion des Gemeinwohls, die schon viel älter ist, ins Aktienrecht reinbringen. Und wenn wir jetzt diesen einzelnen Satz auslegen müssen, der Vorstand handelt in eigener Verantwortung und Gerichte machen das, dann nutzt man heute eine Rechtsfigur, nämlich die des Unternehmensinteresses, dass man sagt, was ist denn im Interesse des Unternehmens? Und darüber kann man jetzt wieder genauso trefflich streiten.
Sind das nur die Interessen der Anteilseigner? Ja, augenscheinlich nicht, weil wir haben jetzt gesehen, in der Historie waren da eine Vielzahl anderer Interessen auch wichtig. Wer spielt da noch eine Rolle? Arbeitnehmendenbelange, lokale Gemeinden, Zulieferer, Kundengläubiger.
Das kann man also sehr pluralistisch sehen und an dem Punkt können wir dann natürlich noch sehr viel weiter reden, schauen wir mal, wie weit wir das heute noch machen, über diese Auslegung von der eigenen Verantwortung des Vorstands. Aber wir wissen jetzt, es gibt mehr als nur die aktuelle Diskussion.
Okay, ich versuche mich mal an einem Zwischenfazit. Das bedeutet zum einen ... Wenn wir über ESG-Themen in Aktiengesellschaften sprechen, dann haben wir jedenfalls nicht eine Situation, dass man sagt, okay, bislang konnte die AG ja völlig frei agieren und jetzt kommt die ganze Regulierung on top und wir schränken jetzt hier die Wirtschaft ein und übermorgen wird alles in den Bach runtergehen.
Ich fahre einfach extrem stark und ein bisschen natürlich auch polemisch, sondern wir haben sozusagen im Grunde schon diesen Gedanken an verschiedenen Punkten angelegt in der Historie. Das ist erstmal nichts Neues, das heißt die Überforderung ist vielleicht auch jedenfalls zumindest nicht aus Prinzip gegeben.
Im Detail mag die natürlich gegeben sein, weil jetzt so viel neue Regulierung on top kommt. Die Themen werden komplexer, die Themen werden andere. Aber jeder, der sich sozusagen mit Aktiengesellschaften beschäftigt und mit ESG-Themen, kann das als Hintergrundwissen ganz gut mitnehmen, dass er sagt, naja, man kann der AG vielleicht auch was zutrauen.
Ist das ein Zwischenfazit, was man erstmal ziehen kann?
Kann man sicher machen und was man glaube ich ganz wichtig ist, ist zu sagen, dass dieses, das Unternehmensinteresse in Deutschland jedenfalls auch jetzt noch von der herrschenden Meinung, die die Studierenden ja immer gerne sich abspeichern wollen, jedenfalls als sogenannte Interessen pluralistisch gesehen wird. Also das heißt, dass eben der Vorstand jedenfalls verschiedene Interessen berücksichtigen darf und nicht nur die Interessen seiner Anteilseigner berücksichtigen muss im Sinne einer Rechtspflicht.
Und dass er darüber hinaus, man kann wohl wahrscheinlich sagen, jedenfalls sagt das die herrschende Meinung so, dass er wohl eine Pflicht hat zur Rentabilität des Unternehmens dafür zu sorgen, aber dass er darüber hinaus jedenfalls andere Belange immer berücksichtigen darf. Ja.
Richtig, absolut. Ich denke, die Figur des Unternehmensinteresses, die verdient nochmal eine eigene Folge. Aber ich denke, das Zwischenfazit ist auf jeden Fall ein wichtiges und ein richtiges, dass man sieht, die Debatte, die wir heute führen, die ist nicht völlig neu. Wir haben Anknüpfungspunkte und wir sollten uns vielleicht auch daran erinnern, dass wir sie haben.
Und wie wir dann vorgehen, ob wir kosmetische Veränderungen hier und da vornehmen im Aktiengesetz oder ob wir tatsächlich mal an den Kern rangehen, den wir gerade besprochen haben, nämlich an die Frage, in welchem Interesse leitet der Vorstand. Das ist eine Frage, die letztlich der Gesetzgeber entscheiden muss, aber sie schwingt eben immer mit.
Und deswegen ist es so wichtig, dass man sie einmal gesehen hat.
Und natürlich springt dabei natürlich, wenn man dann vielleicht in einer anderen Folge nochmal da tiefer einsteigt, müssen wir natürlich auch uns immer die Frage stellen, was sind denn sozusagen neben diesen rechtlichen Vorgaben die sogenannten Anreizsysteme? Also selbst wenn der Vorstand bestimmte Dinge berücksichtigen darf, tut er es denn, wenn er weiß, dass seine Aktionäre eine bestimmte Rendite eben haben wollen und so weiter.
Aber das führt jetzt vielleicht ein bisschen weit gerade. gerade.
Ganz entscheidend. Ja, also man sieht, es hängt da sehr viel mit dran. Aber ich glaube, wir haben heute mal schön hier die Grundlagen aufgerollt.
Glaube ich auch. Vielen lieben Dank.
Danke dir.
Danke dir. Ciao.
Ciao. Wir machen kurz was Neues, nämlich einen kleinen Teaser auf die nächste Episode. Hört euch direkt auch die nächste Folge irgendwas mit ESG an, denn dann werdet ihr erfahren, was eigentlich Ford, also der Henry Ford und sein Unternehmen mit dem heute allgegenwärtigen Begriff des Unternehmensinteresses zu tun hat. Bis dann. Ciao.