Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln
Nichterfüllung, Unmöglichkeit der Leistung, der Verzug des Schuldners und des Gläubigers sowie Fälle der Schlechtleistung: Zum Einstieg in die schuldrechtlichen Folgen unseres zivilrechtlichen Examensspezials erklärt Prof. Dauner-Lieb das heutige zivilrechtliche Leistungsstörungsrecht vor dem Kontext der Schuldrechtsreform 2002, wie es nur wenige können. Hört diese Folge, um Gesamtzusammenhänge des Schuldrechts zu verstehen, Vernetzungen des BGB zu erkennen und fit für Eure Examensklausur zu §§ 241 bis 432 BGB zu sein. Wie kam es zur Schuldrechtsreform 2002? Warum lohnt es sich für euch, sich mit diesem Thema im Rahmen Eurer zivilrechtlichen Examensvorbereitung zu beschäftigen? Was versteht man unter der “großen Lösung”? Welche Spätwirkungen hat die Schuldrechtsreform noch heute? Welche Bedeutung kommt der Unmöglichkeit (vgl. § 275 BGB) praktisch sowie im Rahmen der Examensklausur – Stichwort: Nichterfüllbarkeit der Nacherfüllung – zu? Viel Spaß! PS: Sollten unsere Folgen hilfreich für Euch sein, freuen wir uns sehr über eine Bewertung bei Spotify, iTunes und Co. Danke!
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Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
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Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Prof. Dr. Matthias Kilian , Professor
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Die Schuldrechtsreform 2002 hat das Leistungsstörungsrecht komplett neu konzipiert. Es ist ein Abenteuerspielplatz für Professoren und geprägt von intensiven juristischen Diskussionen und einem spannenden Prozess.
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Mark hier, hi, noch mal kurz der Hinweis, am 11. Juli könnt ihr bei einer Live-Aufnahme von Irgendwas mit Recht dabei sein und zwar in Hamburg bei Heuking. Schaut mal vorbei auf www.irgendwasmitrecht.de slash live. Tickets sind natürlich kostenfrei und ich freue mich, viele von euch in Hamburg zu begrüßen. Bis dann. Ciao.
Herzlich willkommen zu einer weiteren Episode Irgendwas mit Examen, eurer, na ja, man könnte sagen, dauerhaften Sonderserie von Irgendwas mit Recht, wie immer mit Barbara Dauner-Lieb. Hallo, Barbara.
Hallo, Marc. Ich freue mich sehr, dich zu sehen.
Ich freue mich auch, dass wir hier wieder zusammensitzen, denn heute geht es um ein Thema, was fast schon so ein bisschen jüngere Rechtshistorie ist und auf den ersten Blick vielleicht gar nichts damit zu tun hat, sich auf das Examen vorzubereiten, weil man denkt, hä, ist doch über 20 Jahre her, nämlich die Schuldrechtsreform 2002. Lass uns zunächst mal kurz verorten, wo wir stehen in dieser Sonderserie.
Heißt für euch, die ihr das hier gerade hört, wenn ihr die anderen Folgen nicht gehört habt, geht mal auf irgendwasmitrecht.de, schaut euch dort um, hört die anderen Folgen und dann steigt hier wieder ein. Denn wir haben in den letzten Folgen uns unter anderem mit dem AGB-Recht befasst und jetzt kommen wir zum Schuldrecht.
Ein erster Schwerpunkt wird das Leistungsstörungsrecht sein. Worum geht es eigentlich dabei? Was ist eine Leistungsstörung?
Wir haben gehört, im allgemeinen Teil, durch Abschluss eines Vertrages werden Leistungspflichten begründet. Deswegen fängt ja auch jedes Gutachten mit der Frage nach dem Anspruch an und der Vertrag ist die statistisch häufige Anspruchsgrundlage. Wenn nun das, was im Vertrag vereinbart worden ist...
Gemacht wird. Wenn diese Leistungspflichten also ordentlich erfüllt worden ist, dann erlischt das Schuldverhältnis. Das steht in Paragraf 362 und dieses Erlöschen ist zum Glück statistisch auch der Normalfall. Alles, was alle versprochen haben, ist gemacht worden.
Alle sind zufrieden und juristische Fragen kommen gar nicht erst in den Blick. Ich darf übrigens darauf hinweisen, wenn Sie Paragraf 362 prüfen, bitte sprechen sie nicht davon, dass der Anspruch untergegangen sein könnte. Da steht erlöschen und der Gesetzgeber hat sich was dabei gedacht.
Schiffe gehen unter.
Hat denn der Gesetzgeber eigentlich wirklich an Schiffe gedacht, weil du sagst diesen Spruch immer? Oder warum muss das Erlöschen heißen und nicht Untergehen?
Warum der Gesetzgeber sich das gedacht hat, weiß ich nicht. Und der Spruch stammt aus meiner Studienzeit und nach meiner Erinnerung noch von Gerhard Kegel und der sprach immer von Schiffen, die untergehen, weil er uns erziehen wollte, wirklich mit dem Wortlaut des Gesetzes zu arbeiten und nicht irgendwelche kryptischen anderen Formulierungen, Aufbauschema oder sonst irgendeinen Quatsch drüber zu legen.
Also ich zitiere diesen Spruch vor allem deshalb, um immer wieder die Studierenden und Prüflingen darauf hinzuweisen, macht doch einfach was im Gesetz steht und baut nicht irgendetwas anderes drumherum, was eigentlich nicht besser ist, vielleicht sogar falsch. Jetzt sollen wir aber zur Leistungsstörung was sagen.
Gut, wenn nun das Schuldverhältnis nicht erloschen ist, weil irgendwas schief geht. Dann sprechen irgendwas schief der liefer service bringt tadelloses eine tadellose leistung tadelloses essen aber er kleckert im treckenhaus und beschädigt die tapete das fasse ich immer unter sonstiges und damit haben wir schon die vier Kategorien der Leistungsstörung, Unmöglichkeit, Verzögerung, Mangelhaftigkeit, Sonstiges.
Sonst gibt es nichts. Und diese Leistungsstörungen, die sind nun teilweise im allgemeinen Schuldrecht geregelt, das ist heute unser Thema. Sie sind teilweise aber auch im besonderen Schuldrecht geregelt, im Gewährleistungsrecht der besonderen Fraktarktypen.
Gut, ich fasse mal zusammen. Also, wenn alles glatt geht, haben wir kein Problem. Das heißt, meistens wird ja nicht alles glatt gehen, weil wir brauchen ja eine Juraklausur. Wir wollen ja hier gerade Examensvorbereitungen machen.
Also guter, für Juristen geht nicht alles glatt. In der Lebenswirklichkeit geht zum Glück fast immer alles glatt. Nur wir Juristen werden natürlich immer nur gebraucht, wenn es ein Problem gibt.
Deswegen sozusagen aus unserer sehr subjektiven Sicht geht fast nie alles glatt, aber das ist eben in der Realität die absolute Ausnahme. Wenn jetzt nicht alles glatt geht, haben wir Unmöglichkeit, Verzögerung, Mangelhaftigkeit oder Sonstiges. Das ist ganz einfach.
Wenn man sich das so, diesen ganzen Paragrafen-Dschungel und die ganzen verschiedenen vielleicht auch Meinungsstreits, die ihr jetzt in der Examenvorbereitung gerade schon im Kopf habt, mal auf das runterbrecht, dann lässt sich das sehr einfach merken. Um das jetzt solide bearbeiten zu können, muss man aber natürlich jetzt wieder ein bisschen mehr Gesetzessystematik mitbringen.
Diese Gesetzessystematik geht letztlich auf die Schuldrechtsreform 2002 zurück und deswegen wollen wir ja heute auch über selbige sprechen. Du hast mal gesagt, dass das ein Abenteuerspielplatz für Professoren und ein gigantischer Prozess juristischer Gruppendynamik sei. Was hast du damit gemeint?
Die zwei Jahre vor der Schuldrechtsreform waren gekennzeichnet durch eine intensive Diskussion, ich würde sagen, fast aller Juristen in der Bundesrepublik. Das hat es vorher so nicht gegeben und auch hinterher nicht gegeben. Und alles ging durcheinander.
Und das Produkt ist das, was wir heute im Gesetz vorfinden. Die Paragraphen, mit denen Sie sich ziemlich mühsam abquälen müssen, die Paragraphen 280 fortfolgende, die Paragraphen 323 fortfolgende, den den Paragrafen 275, den Paragrafen 284 und um zu verstehen... Wie diese Einzelregelungen zusammenwirken und wie man in einer Klausur zu einer halbwegs vernünftigen und im Ergebnis auch tragfähigen Lösung kommt, dazu muss man ein bisschen was über diese Diskussion der Schuldrechtsreform wissen, weil man sonst gar nicht versteht, wie es eigentlich zu diesem, ich sage immer noch Dschungel des allgemeinen Leistungsstörungsrechts gekommen ist und was dahinter steht und was es bedeutet.
Was war denn der Impuls, weswegen man gesagt hat, okay, wir brauchen eine Schuldrechtsreform?
Ja, die Schuldrechtsreform war von Anfang an kein normales Gesetzgebungsprojekt. In einem normalen Gesetzgebungsprojekt geht es so, der Gesetzgeber möchte bestimmte Dinge in der realen Welt gestalten und verändern und das schreibt man dann in ein Gesetz und die Technik, mit der man diese Gestaltung vornimmt, ist ganz, ganz untergeordnet. Da denkt man nicht lange über den Text oder die Dogmatik nach, sondern man denkt über die Rechtsfolgen nach.
Das war in der Schuldrechtsreform ganz anders. Da gab es eine Verbrauchsgüter-Kaufrichtlinie, die Sie übrigens alle sinnvollerweise nochmal anschauen sollten. 1999, 1944, EG vom 25. Mai 1999, die erste wichtige Richtlinie.
Sie wissen, es gibt inzwischen eine ganze Reihe neue, mit der man sich befassen muss. Und da gab es einen ursprünglich sehr überschaubaren Umsetzungsbedarf. Darüber reden wir gleich noch mal.
Es war ein ganz bestimmter Bereich, den man ohne weiteres auf zwei Seiten hinschreiben kann. Die Richtlinie ist auch ziemlich kurz. Der Gesetzgeber hat nun aber aus bestimmten Gründen, auf die wir gleich vielleicht noch zu sprechen kommen, diese...
Richtlinie zum Anlass genommen, die ersten drei Bücher des BGB, so wie sie seit 1900 bestanden, vollkommen umzuschreiben. Das ganze existierende Leistungsstörungsrecht systematisch neu zu konzipieren, das Verjährungsrecht grundlegend zu ändern, das AGB-Gesetz ins BGB zu reintegrieren Und auch das wird noch ein Thema sein, richterliche Entwicklungen wie die CIC und die positive Vertragsverletzung nun in das Gesetz hineinzuschreiben, also zu kodifizieren und im Zuge dieser Gesamtumstellung hat man an vielen Stellen die alte Terminologie des BGB verändert und das hatte ganz gravierende Auswirkungen, die ganzen Hausnummern geändert.
Also, die Paragrafen stehen nicht mehr an derselben Stelle, wo sie einmal gestanden haben. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Aber das bedeutete zunächst einmal, dass man überhaupt nichts mehr wiedergefunden hat.
Schon in den Entwürfen hatten die Paragrafen und Regelungsgegenstände andere Ziffern. Und eine ganze Community war ein Jahr lang überwiegend mit Suchen beschäftigt, was natürlich für die praktische Arbeit sehr schwierig war. Da darf ich noch einen Satz sagen.
Das Entscheidende war, dass man jenseits dieser Richtlinienvorgaben eigentlich gar nichts ändern wollte. Sondern man wollte ein modernes Gesetz schaffen, das man einfach lesen kann, das sozusagen den Stand der Entwicklung ohne weiteres wiedergab. Aber wie bei der Rechtschreibreform ging es eigentlich nicht um die Sache, sondern es ging überwiegend darum es schöner zu machen.
Modernisierung durch Vereinheitlichung und Vereinfachung hieß das und das unterschied natürlich die Schuldrechtsreform und das ist ein Teil der Erklärung dafür, warum das heute im Gesetz steht, was im Gesetz steht.
Gut, nochmal kurz zu dieser Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Du hast gesagt, da stand eigentlich gar nicht so viel drin. Was stand denn drin und wo findet man das heute dann auch entsprechend wieder?
In der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ging es zunächst einmal, und das ist ganz wichtig, natürlich nur um Kaufverträge B2C, um Verbrauchsgüterkaufverträge. Und zwar nur über Kaufverträge über bewegliche Sachen. Das ist eine Kompetenzthematik, die wir jetzt hier nicht aufrollen wollen und geregelt waren der Sachmangelbegriff und die Rechte des Verbrauchers bei Vertragswidrigkeit, aber mit Ausnahme des Schadensersatzes und besonders bedeutsam und alles verkomplizierend war die Forderung der Einführung eines Rechtes des Käufers auf Nacherfüllung in Form der Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache.
Jetzt wenn Sie sagen, meine Damen und Herren, ja, wie kann das kompliziert sein, ist doch klar, dass der Käufer ein Recht auf Nacherfüllung hat. Nein, das war vor der Schuldrechtsreform nicht klar. Der hatte natürlich Rechte.
Der konnte einfach Rückzahlung des Kaufpreises verlangen und Minderung. Aber er konnte nicht verlangen, dass er einen anderen Gegenstand bekommt oder der Gegenstand repariert wird, was übrigens der Reformgesetzgeber noch kombinierte mit diesem verrückten Recht zur zweiten Andeunung des Verkäufers, mit der Folge, dass der Käufer erst einmal eine Frist setzen muss, bevor er sein Geld zurückkommen kann.
Ich bringe im Hörsaal immer das Beispiel der Skistiefel, ich kaufe mir am 22. Dezember Skistiefel, entdecke, dass die nicht in Ordnung sind, gehe ins Geschäft und sage, ich will mein Geld zurück, ich kaufe mir in Kitzbühel neue Skistiefel, dann sagen die, nein, jetzt brauchen wir erstmal die Frist zur Nacherfüllung und vielleicht können wir Ihnen im Januar dann heile Skistiefel liefern.
Sie wissen natürlich, da kann es dann unter Umständen eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung geben und so weiter, aber das hat die Sache ungeheuer verkompliziert.
Eigentlich ist das doch ganz interessant, wenn man das unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sieht, oder? Das ist doch im Prinzip schon so ein bisschen nachhaltiger.
In der Tat. Ich bin seit der Nachhaltigkeitsdebatte in meiner sehr negativen Einschätzung der Nacherfüllung und des Rechts des Verkäufers zur zweiten Andienung gekommen, zu einer etwas positiveren Einschätzung gekommen. In der Tat könnte man nachdenken, dass das Recht Impulse setzt, dass man repariert vor, Bevor man etwas wegwirft.
Das ist aber damals überhaupt nicht in den Blick gekommen und man muss einfach sehen, dass es die gesamte Systematik des Gewährleistungsrechts und des Schuldrechts ungeheuer verkompliziert hat. So, was gab es noch in dieser Richtlinie? Es gab eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre und eine Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers.
Und was ganz wichtig ist, alles was in der Richtlinie vorgegeben war, musste zwingendes Recht werden. Das durfte also nicht durch Vertrag zulasten des Verbrauchers verändert werden. Die Privatautonomie wurde also durch diese Richtlinie massiv beschränkt.
Die Umsetzung der Richtlinie.
Gut, das ist recht viel, was man jetzt heute auch schon kennt. Das erkennt man wieder. 437 Nummer eins, 439, 477 für die gerade von dir angesprochene Beweislastumkehr bei B2C-Geschäften, also bei Verbrauchsgüterkäufen.
Jetzt hast du aber vorhin ja ganz schön viel mehr genannt als nur das sozusagen. Damals wurde das diskutiert auch unter dem Stichwort die große Lösung. Was hat denn dazu geführt, dass die Schuldrechtsreform eben über diese Reichweite der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hinausging, dass man sich für diese große Lösung entschieden hat und was ist darunter dann genau zu verstehen?
Das Bundesjustizministerium war tatsächlich von Anfang an entschlossen, nicht irgendwo ein paar Paragrafen an das Kaufrecht dran zu hängen und zu sagen, das ist die Umsetzung der Lösung, Sondern das war der Anlass, der Anstoß für den ganz großen... Umbau des BGB.
Wie lautete nun die politische Argumentationskette? Man sagte, die Einführung eines besonderen Verbraucherrechts, Verbraucherkaufrechts, ist gar nicht sinnvoll. Das Kaufrecht würde dann zweispurig, völlig unübersichtlich und unsystematisch. Der nächste Gedankenschritt war dann, das Kaufrecht sei aber so eng mit dem allgemeinen Schuldrecht und dem Verjährungsrecht verwoben, dass man es nicht isoliert überarbeiten könnte, sondern es dann zusammen mit Schuldrecht, allgemeinem Schuldrecht und Verjährungsrecht überarbeiten müsse.
Und als Folge dieser Argumentation hat man zunächst einmal alle Vorgaben der Richtlinien auf alle Kaufverträge erstreckt. B2C, C2C und auch B2B. Und dann hat man auch die unbeweglichen Sachen einbezogen.
Also was heute in den 433 fortfolgende, insbesondere 434 fortfolgende drin steht, ist für alle Kaufverträge gleichermaßen anwendbar. Okay, allerdings mit unterschiedlichen Optionen für die Privatautonomie. Ich erinnere, wir haben eben gesagt, die Verbrauchsgüterkauflinie sagt in B2C Verträgen ist das zwingend.
Das ist aber nicht zwingend nun für die anderen kaufverträge das sieht man ganz genau nachgezeichnet in dem paragrafen 476 der von studierenden und prüfling immer leicht unterschätzt wird da wird nämlich gesagt, was überhaupt noch ... Offen ist für privatautonome Gestaltung und was nicht.
Übrigens auch in B2C-Verträgen gibt es noch Gestaltungsmöglichkeiten, nämlich beim Schadensersatz. Das sieht man in der Norm. Das heißt, weil die Richtlinie sich mit Schadensersatz nicht beschäftigt, kann theoretisch auch in B2C-Verträgen Schadensersatz anders geregelt werden, als das heute im BGB steht.
Allerdings muss dann wieder, jetzt wird es ganz kompliziert, die AGB-Kontrolle beachtet werden. Also das, was nach BGB-Gewährleistungsrecht möglicherweise noch geht, wird dann meist im Rahmen der Kontrolle nach den Paragrafen 305 fortfolgende kassiert. Darüber haben wir ja schon gesprochen.
Okay, bei unbeweglichen Sachen kann man einen Gewährleistungsausschuss vereinbaren. Da ist die Grenze der Paragraf 444. Deswegen ist der auch so wahnsinnig wichtig. Insgesamt hat aber diese große Lösung, nämlich die Anwendbarkeit der Richtlinienvorgaben auf alle Kaufverträge, dazu geführt, dass nun immer wenn eine Richtlinie im Bereich des Kaufrechts geändert wird, bei uns auch sich das gesamte Kaufrecht und das gesamte Leistungsstörungsrecht ändert und daher kommt die frühe Prophezeiung von Roth, das BGB wird zur Dauerbaustelle und das ist ja auch passiert.
In welcher Weise wurde denn nun das Leistungsstörungsrecht umgestaltet, wie du gerade angedeutet hast?
Dazu muss man noch mal gucken, was eigentlich der Sinn... Das Motiv für diese Umgestaltung war. Man hat schon lange Jahre vorher über die Umgestaltung des Leistungsstörungsrechts, übrigens des ganzen BGB, diskutiert und geschrieben und es gab einen Bericht aus dem Jahr 1992 einer älteren Schuldrechtskommission.
Und diese Schuldrechtskommission hatte damals gesagt, das alte Leistungsstörungsrecht ist einfach nicht gelungen, da spielt die Unmöglichkeit eine Rolle, die spielt ja in der Wirklichkeit überhaupt keine Rolle, die Rechtsprechung hat die Mängel nicht beheben können, die positive Vertragsverletzung, die nicht im Gesetz steht, die ist wichtiger als alles andere, die CIC steht nicht drin und so weiter und so weiter.
So, auf diese Argumentation hat sich das BMJ im August 2000 gestützt und den so genannten Disk E, den Diskussionsentwurf vorgelegt. Dieser Diskussionsentwurf hatte ein ganz, ganz einfaches Modell. Ich mach's jetzt natürlich noch einfacher als es war.
Dieser Diskussionsentwurf hat sämtliche Leistungsstörungen, Unmöglichkeit, Verzug, Mangelhaftigkeit und Sonstiges einfach beseitigt und hat gesagt, wenn immer es hakt, ist das eine Pflichtverletzung. Wenn was schief läuft, wenn der Schuldner nicht tut, was er soll, ist das eine Pflichtverletzung.
Egal aus welchem Grund im Prinzip.
Egal aus welchem Grund und dann kann der Gläubiger zurücktreten. Wenn da eine Pflichtverletzung ist, sagt er, ich will den Vertrag nicht mehr. Und wenn diese Pflichtverletzung dem Schuldner auch noch vorwerfbar ist, Pflichtverletzung plus Verschuldung, dann gibt das Schadensersatz. So, das war eigentlich super simpel.
Klingt einfach, ja.
Klingt einfach. Das kann man übrigens heute, und das ist jetzt die erste Annäherung an den Normenbestand, wie wir ihn heute haben, im Gesetz durchaus noch wiederfinden. Im Paragraf 280 steht die Pflichtverletzung als übergeordneter Zentralbegriff noch an der Spitze.
Beim Rücktritt ist die verloren gegangen. Wäre jetzt eine lange Geschichte, wenn ich erzählen wollte, warum die verloren gegangen ist. Aber Paragraf 323 fortfolgende und 280 fortfolgende laufen systematisch fast völlig parallel, weil das die Idee war.
Pflichtverletzung, Rücktritt, Pflichtverletzung plus Verschulden, Schadensersatz.
Jetzt machen wir hier ja einen Podcast, sprich ein Audio-Medium. Ich würde euch an dieser Stelle raten, schaut nochmal kurz 280 an, schaut nochmal kurz 323 an, scrollt nochmal drei bis vier Minuten zurück, hört die drei bis vier Minuten nochmal, weil das stärkt ganz sicher nochmal das Systemverständnis. Das ist ja auch der Vorteil dieses Mediums.
In der Vorlesung könntet ihr jetzt auch nicht unbedingt zurückspulen, aber nutzt doch die Gelegenheit an dieser Stelle. Wenn ihr jetzt weitermacht in dieser Podcast-Folge, dann fragt ihr euch ganz bestimmt, Mensch, das hätte doch so einfach werden können. Ist es aber nicht geworden.
Woran ist denn der Diskussionsentwurf gescheitert und wie ging es dann anschließend weiter? Was hat man dann stattdessen gemacht?
Ja, es kam eine ganz, ganz, ganz turbulente Entwicklung, es gab eine erste Tagung in Regensburg und da gab es nur Widerstand. Da waren praktisch alle wirklich bedeutenden Professoren des Zivilrechts der bestimmenden Generation damals vertreten und auch das BMJ und alle sagten nein, nein, nein, nein, das geht nicht so, das funktioniert so nicht, das ist gegen jede Tradition, das ist viel zu undifferenziert, das wird so nicht funktionieren.
Und das Ministerium sah sich nach dieser Tagung vor einem Scherbenhaufen, weil im Grunde klar war, das wird so nicht laufen. Das Ministerium war dann sehr klug. Was macht man, wenn man nicht mehr weiter weiß? Gründet man einen Arbeitskreis.
Das gilt in der Politik, das gilt auch in Ministerien, manchmal gilt das auch in der Hochschule. Und es setzte eine weitere Expertenkommission, die Kommission Leistungsstörungsrecht ein. Und zwar unter Leitung von Klaus-Wilhelm Canaris.
Das war ein äußerst kluger Schachzug, denn Klaus-Wilhelm Canaris, der einer der entschiedenen Gegner des DISC-E und der ganzen Reform war, wurde plötzlich zum entschiedenen Betreiber der Schuldrechtsreform in seiner Kommission Und hat letztlich auch... Es geschafft, dass diese Schuldrechtsreform, die übrigens am Schluss nicht mehr sehr viel mit dem DISC-E zu tun hatte, sondern eine ganz andere wurde, tatsächlich realisiert wurde.
So, auf der Grundlage der Arbeiten dieser Kommission Leistungsstörung kam es dann im Frühjahr 2001 zu einem sogenannten Neuenentwurf, die konsolidierte Fassung. Da man nun im Verjährungsrecht wieder alles geändert. Und das Leistungsstörungsrecht, was man da vorschlug, war eine Rückkehr nicht zum alten BGB, aber auf halben Weg zum alten BGB.
Das kann man heute auch wieder in den Normen tatsächlich sehen. Zum Allererst war plötzlich die Unmöglichkeit wieder da. Im Diske hatte man die Unmöglichkeit tatsächlich getötet und das Das war ja einer der Hauptschlachtrufe, die Unmöglichkeit ist völlig unwichtig, die müssen wir jetzt endlich aufgeben.
Weil es einfach auch nur eine Pflichtverletzung war und deswegen brauchte man da keine Sonderregel.
So ist es, aber sie kam als eigene Störung nicht mehr vor und in der konsolidierten Fassung war sie plötzlich wieder da, in dem Paragrafen 275 und auch noch weiteren Paragrafen, mit denen wir uns noch zu befassen haben. Aber interessanter und auch für Sie als künftige Prüflinge und Klausurenschreiber ist, dass die alten Leistungsstörungen, die ja eigentlich durch die Pflichtverletzung überflüssig erschienen, plötzlich unter die Pflichtverletzung wieder reingehängt werden.
Wenn Sie den 282-283 durchlesen, merken Sie, da sind Sie wieder. Die heißen jetzt anders. Aber Unmöglichkeit, Verzug, Mangelhaftigkeit und sonstiges sind alle wieder drin und in 3.23, fortfolgende ist das ganz ganz ähnlich, nur dass da die übergeordnete Pflichtverletzung nicht mal mehr äußerlich sichtbar ist.
Insgesamt kann man aber sagen, das System was wir jetzt haben ist eine Kombination von alten BGB und DISC-E, also sozusagen ein großer Anlauf und dann eine halbe Kehrtwendung, Nämlich, über allem schwebt die Pflichtverletzung. Dann kommt das Verschulden und dann werden die einzelnen Leistungsstörungen doch wieder aufgegriffen und unter die Pflichtverletzung zur Konkretisierung drunter gehängt und das ist für sie in der Klausur immer so schwierig.
Sie wissen ja gar nicht, wann prüfen sie denn nun eigentlich die eigentliche Leistungsstörung. Machen sie das schon oben bei der Pflichtverletzung oder machen sie das erst bei 281 und da kommen unendliche Aufbaudiskussionen, die letztlich überhaupt keine inhaltliche Bedeutung haben, die aber das Ganze so wahnsinnig schwierig machen.
Okay, was passierte? Es kamen dann noch eine Reihe von sonstigen Änderungen, also das ging noch das ganze Jahr 2001, aber das Gesetz ist dann letztlich im Oktober verabschiedet worden und ist Gesetz geworden und 2002 haben wir jetzt also diese Schuldrechtsreform, dieses neue Gesetz, so wie es da ist.
Wir werden uns gleich noch mal kurz damit befassen, was das eigentlich für Auswirkungen auf Studierende heute hat, weil wir machen das ja hier nicht im luftleeren Raum, wir sind ja immer hier möglichst Adressaten adressiert und wollen euch gerne viel für eure Examensprüfung mitgeben.
Ja, wobei man danach vielleicht auch mal, also weil man vielleicht zur Geschichte der Schuldrechtsreform im Examen im Mündlichen auch mal gefragt wird Und wenn ich das einmal sagen darf, Marc, ich ja der festen Überzeugung bin, dass man das vorhandene Recht besser anwenden kann, wenn man versteht, was dahinter steht. Also die Überlegung, wo kommt das eigentlich her, wo war das Problem, was wollte man regeln, ist keineswegs nur l0027art pour l0027art, sondern ist sehr oft der Schlüssel dafür, dass man mit einer Norm gut umgehen kann.
Absolut. Das folgende ist vielleicht ein kleines bisschen ein Exkurs, denn was waren denn eigentlich die treibenden Kräfte bei dieser Schuldrechtsreform damals? Also ein bisschen in personeller Hinsicht. Das war ja ein absolutes Großprojekt. Wie musste man sich das vorstellen von der kommunikativen Dynamik her und auch so ein bisschen von der Diskussionsführung in der entsprechenden Szene?
Am Anfang, nach meiner Erinnerung, standen tatsächlich einzelne Menschen, die sich höchstpersönlich den Umbau des BGB auf die Fahnen geschrieben hatten. Echte Überzeugungstäter. Da würde ich nennen Frau Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin und ihre rechte Hand Dr.
Schmidt-Rentsch. Die wollten das. Aus unterschiedlichen Motiven. Frau Döbler-Mellin hat schon in ihrer Studienzeit... Immer wieder mal verlautet, dass das alte konservative BGB ihr ein Dorn im Auge ist. Als nun die gesamte Rechtswissenschaft gegen den DISC-E in Stellung gegangen war, war es dieser kluge Schachzucht eine Kommission zu bilden, führende Rechtswissenschaftler auf die Seiten des Ministeriums zu ziehen.
Ich habe schon gesagt, Canaris, H.P. Westermann, aber etwa auch mein verehrter Lehrer Horst Conson. Wie immer ihr das gelungen ist, da werden wir vielleicht auch nochmal später drauf kommen. Da gibt es heitere Anekdoten, da gibt es seriöse Anekdoten.
Jedenfalls gab es die Kommissionsmitglieder, sehr kluge Leute, sehr einflussreiche Leute, die das dann, anders als sie bisher gesagt hatten, tatsächlich zu ihrem Programm gemacht hatten. Die Einbeziehung individualarbeitsrechtlicher Verträge in die AGB-Kontrolle über § 310 Absatz 4, Satz 2 geht ganz sicherlich auf das beharrliche Drängen bestimmter, sehr an der Sache engagierter Personen zurück.
Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass im Namen Doibler-Gmelin auch der Name Doibler, nämlich ihres Mannes, auftauchte, der ein sehr eindeutig positionierter Arbeitsrechtler war, damals mit bestimmten Vorstellungen. Kann sein, kann auch nicht sein.
So, dann kam aber etwas interessantes, nämlich weite Teile der Praxis entdeckten plötzlich das Gesetzgebungsprojekt als hoch profitables Business-Modell. Inwiefern?
Das klingt ja ein kleines bisschen, naja, manche würden vielleicht sagen skandalös. Ich habe eine Vermutung, was dahinter steckt, aber ich glaube, da muss man noch ein paar Takte zu verlieren.
Ja, also, ich habe im Jahr 2001…, Als ich wieder mal rumgemeckert habe an dem ganzen Projekt, zum ersten Mal von einem sehr einflussreichen Anwalt folgende Bemerkung gehört. Also liebe Frau Dauner, das verstehe ich gar nicht, was Sie dagegen haben können.
Gesetzesänderungen generieren Beratungsbedarf, Beratungsbedarf generiert Umsatz. Wir können gar nichts gegen Gesetzesänderungen haben, je umfangreicher, desto besser. Ich lasse das mal so stehen. Aber eins ist jedenfalls klar, die Schuldrechtsreform führte dazu, dass sämtliche Gesetzessammlungen, die in irgendeiner Weise Berührung mit dem BGB hatten, neu gedruckt und neu gekauft werden mussten.
Und es war klar, das war für alle Verlage eine Bonanza. Alle Kommentare mussten neu geschrieben werden oder zumindest überarbeitet werden. Es gab neue Kommentare. Ich hatte die Freude und die Ehre, eine der Herausgeberinnen des großen NOMOS-Kommentars zu sein, der nur zum Schuldrecht, nur zur Reform, der tatsächlich pünktlich zum Inkrafttreten des Gesetzes auf den Markt kam, man kann sich gar nicht mehr vorstellen, was das für ein Kraftakt war, über 100 Autoren dazu zu kriegen, erstmal zu schreiben und dann auch noch pünktlich zu liefern.
Es gab ganz neue Ideen, wir haben zum Beispiel im Lehrstuhl ein äußerst erfolgreiches Buch aufgelegt, Fälle und Lösungen. Wir haben die Standardfälle, die der BGH in den letzten 100 Jahren gelöst hatte, einmal nach neuem Recht gelöst und einmal nach altem Recht.
Damit man vergleichen kann, was kommt jeweils raus. Übrigens stellte sich raus, dass die Begründungen wirklich anders wurden, dass aber es sich inhaltlich relativ wenig änderte. Das alles war ein ganz, ganz großer Spaß, ein ganz, ganz großer Abenteuerspielplatz.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das nicht der Sinn der Sache war, aber man fühlte sich als Jurist plötzlich wichtig und wahrgenommen. Kam bis rauf in die Tagespresse, in die FAZ, in die Süddeutsche und dann kam, Für die Spezialisten das allerbeste der Anfang 2002.
Ganz viele Anwälte, die eigentlich sich auf neuen Beratungsbedarf gefreut hatten, stellten fest, sie verstehen kein Wort. Ja, man muss einfach sehen, in der Endphase des Gesetzgebungsverfahrens gab es nach meiner Beobachtung bestenfalls noch zwei Handvoll Juristen, die halbwegs den Durchblick hatten, die diese ganzen Änderungsentwürfe nachverfolgt hatten, die das dogmatisch durchdrungen hatten.
Diejenigen Praktiker, die sagten, na prima, unsere sämtlichen Mandanten werden jetzt ihre Verträge durchchecken lassen müssen und von uns Beratungsbedarf haben, haben nicht gedacht, dass sie da ins Gesetz gucken und feststellen, um Himmels willen, was ist das? Und das war nun die Stunde der ganz, ganz wenigen Professoralenexperten, ich sag mal etwas frech, nie wieder konnte man mit so wenig Zeit, mit Schulung so schnell so viel Geld verdienen.
Ich erwähne noch eins, weil ich das besonders wichtig finde, diese Änderung des Paragrafen 310 Absatz 4 im Hinblick auf das Arbeitsrecht, die Einbeziehung der arbeitsvertraglichen Gestaltung in die AGB-Kontrolle, die hat dem Arbeitsrecht, den Arbeitsrechtsanwälten ein völlig neues Beratungsfeld geschaffen und da sind völlig neue Teams entstanden und Verdienstmöglichkeiten, die es vorher gar nicht gab. Ich will nicht unbedingt sagen, dass man das im Blick hatte, wie man das befürwortet hatte.
Dafür waren die Befürworter eigentlich viel zu in der Sache engagiert. Aber gut, das Ergebnis ist ja auch schön. Das Arbeitsrecht, das Individualarbeitsrecht hat in der anwaltlichen Praxis und auch in der universitären Lehre eine Bedeutung gewonnen, die es vorher einfach nicht hatte.
Inzwischen ist die Diskussion ja etwas beruhigt. Wir sind jetzt gut 20 Jahre später, Normen werden subsummiert, Studierende lernen viel fürs Staatsexamen und viele wissen vielleicht gar nicht mehr genau, was dahinter steht, wenngleich wir jetzt hier mit dem Podcast natürlich versucht haben so ein bisschen den Background zu beleuchten. Gibt es denn auch abseits dessen aus deiner Sicht Spätwirkungen der Schuldrechtsreform?
Also im Ergebnis weiß der jüngere Praktiker, wie er mit den normen umgeht und was aus bestimmten problemen rauskommt es gibt ganz ganz wenige, Noch offene inhaltliche Fragestellungen, da würden Sie dann sagen, wo es vielleicht so einen kleinen Meinungsstreit gibt. Aber die meisten praktisch inhaltlichen Probleme sind gelöst und der Praktiker weiß, was rauskommt.
Auch wenn er das dogmatisch nicht immer so ganz präzise festmachen kann. Schmidt-Rentsch, einer der großen Befürworter der Schuldrechtsreform, hat zehn Jahre später auf einer Tagung mal gesagt, inzwischen war Schmidt-Rentsch ja Bundesrichter, ja, es wäre gar nicht zu verstehen, dass in den Schriftsätzen inzwischen gar nicht mehr so mit dem Wortlaut gearbeitet wurde.
Man hätte eine Antwort geben können, ja, weil das eben nicht mehr so einfach war, weil das eben kein System mehr war, wo der Wortlaut self-explaining ist. Vielleicht war es das alte BGB auch nicht, da hatte man sich ja dran gewöhnt.
Es hatte eine Folge. Viele Praktiker, die 2002 über 50 waren, haben das neue Schuldrecht überhaupt nicht mehr gelernt. Die wollten es nicht lernen, die konnten es nicht lernen. Ich hatte eine wunderbare Anekdote.
Fünf Jahre nach der Schuldrechtsreform wurde ich vom Managing Partner einer ganz großen, bekannten Anwaltskanzlei gebeten, ob ich mal bei einem Kamingespräch abends den älteren Partnern das neue Schuldrecht so ganz einfach noch mal erklären würde, die seien so frustriert, wenn die Jüngeren drüber reden, dann wüssten sie immer mit den Normen nichts anzufangen und sie könnten ja nicht sagen, wir haben keine Ahnung, wir haben uns da nie mit beschäftigen wollen.
Also für die Praxis würde ich sagen, ist das kein Drama mehr, die kommen schon zurecht, zumal ja viele Praktiker heute sehr, sehr spezialisiert sind und im allgemeinen Schuldrecht gar nicht so wahnsinnig oft ankommen. Wenn sie Gesellschaftsrechtler sind, brauchen sie nicht dauernd mit dem allgemeinen Schuldrecht arbeiten.
Ein Baurechtspraktiker sieht das vielleicht schon wieder anders.
Was heißt das für Studierende?
Genau, darauf wollte ich jetzt kommen. Für Probierende ist das neue Schuldrecht meines Erachtens nach wie vor eine Herausforderung, weil von ihnen an sich ja, so die Lesart immer, so die Forderung, eine präzise Arbeit mit dem Gesetz erwartet wird, zunächst mal mit dem Gesetzeswortlaut und mit der Systematik. Und ich halte fest, das Gesetz ist an vielen Stellen einfach unübersichtlich und inkonsistent.
Eben durch diese... Überlagerung verschiedener Modelle und das führt dazu, dass die Versuche hier nun wirklich überzeugende dogmatische und Erklärungsmodelle und Definitionen zu entwickeln, eigentlich eher Verwirrung als Erleuchtung bringt. Es gibt immer wieder junge Assistenten, die nun versuchen, Definitionen und Konstruktionen und Theorien zu entwickeln, um nun zu sagen, es ist doch alles ganz klar.
Man muss nur lange genug darüber nachdenken, dann zeigt sich ein völlig klares, transparentes System. Ich glaube nicht, dass das weiterführt, also ich halte es zum Beispiel eine Zeitvergeudung darüber nachzudenken, ob der Paragraf 283 zur Unmöglichkeit nur eine eigene Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz für Unmöglichkeit ist.
Also im Gesetzgebungsverfahren war völlig klar, das ist es nicht, weil die einzige Anspruchsgrundlage sollte ja Paragraf 280 Absatz 1 sein. Das ist ja gerade die Zielstellung gewesen, es so zu vereinbaren, dass wir nicht mehr für jede Leistungsstörung eigene Anspruchsgrundlagen haben.
So, diese Entscheidung des Gesetzgebers wurde dann schon wieder relativiert, weil man für die anfängliche Unmöglichkeit in § 311 a Absatz 2 schon wieder eine weitere Anspruchsgrundlage schaffen musste. Also, Ergebnis. Man wird das ...
Nicht so, man wird mit diesen Normen nicht so sauber umgehen können, wie eigentlich der Anspruch formuliert ist. Herr Gregoleit hat mal gesagt, wir brauchen jetzt einen Mut zu robusterem Umgang mit dem Gesetz. Also man muss ein bisschen zaubern und man muss in der Tat im allgemeinen Schuldrecht genau verstanden haben, Was die Systematik eigentlich will, dann kommt man auch zu den richtigen Ergebnissen und dann verheddert man sich nicht im Detail.
Eine winzige Bemerkung noch, Dr. Schmidt-Rentsch hielt im Sommer 2001, in der Kölner Aula vor Studierenden und Examenskandidaten einen flammenden Vortrag für die anstehende Schuldrechtsreform und sagte, meine Damen und Herren, alles wird einfacher. Es wird gar keine Klausuren mehr im Schuldrecht geben, weil das so einfach ist, dass man danach im Examen nicht fragen wird.
Man wird ins Sachenrecht ausweichen in andere Gebiete. Sie werden sich freuen. Das Schuldrecht werden Sie nicht dann mehr als volle Vorlesung brauchen. Im Grunde werden Sie dafür wenige Stunden brauchen und alles ist gut.
Wir erleichtern Ihnen das Leben.
Ich kann eins sagen, das konnte jedenfalls Dennoch schön, dass wir uns mal mit diesen Hintergründen beschäftigt haben und ich finde, es gibt auch eine gewisse, wie soll man sagen, vielleicht Zufriedenheit oder Beruhigung, ist wahrscheinlich der bessere Begriff, zu wissen, naja gut, da ist vielleicht auch etwas hier und da missglückt. Es hat aber seine Gründe, warum es auch kompliziert zu verstehen ist, aber die dahinterstehenden Ziele, die dahinterstehenden Systematiken sind ja jetzt in der guten letzten halben Stunde sehr deutlich geworden.
Abschließend noch eine Frage unter dem Stichwort totgesagte Leben länger. Wir haben das jetzt gerade so ein bisschen aus den Augen verloren, deswegen kehren wir dahin nochmal zurück. Was ist denn jetzt aus der Unmöglichkeit geworden?
Sie ist munterer, als sie je war. Sie hat endgültig wirklich Bedeutung bekommen. Vor der Schuldrechtsreform waren das Schulfälle. Da soll ein verlorener Ring aus dem Rhein gesucht worden.
Und die Frage war, ob der Schuldner das muss oder nicht. Heute hat sie richtig Bedeutung, weil der Gesetzgeber in seinem Bemühen um dogmatische Überhöhung die Nicht-Erfüllbarkeit der Nacherfüllung systematisch zur Unmöglichkeit geschlagen hat. Sie können also nicht wie früher einfach sagen, Mangel, Gewährleistung, aus, sondern wenn der Mangel nicht behebbar ist, muss der wirklich sauber arbeitende Studierende einmal durchs ganze Unmöglichkeitsrecht tonen, um dann übrigens zum selben Ergebnis zu kommen.
Der einzige Unterschied besteht, er muss natürlich keine Frist setzen, weil was nicht reparierbar ist, bedarf auch keiner Frist zur Reparatur. Aber mit Dr. Meier Reimer, Partner von Oppenhof, der diesen Titel formuliert hat, Todgesagte leben länger, die Unmöglichkeit lebt und ist wirklich ganz munter.
Ich fand es auch sehr munter. Vielen herzlichen Dank, Barbara.
Danke dir.
Tschüss!