Michael Fengler, Student | Fälser Rechtsanwälte
Zugrundeliegender Sachverhalt - Verfahrensbeginn vor dem VG Dresden - Beschwerde & Verfahren vor dem OVG Bautzen - Einstweiliger Rechtsschutz vor dem BVerfG - Medienarbeit - Take-Aways für's Studium
In Folge 4 des Examensspezials sprechen Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb und Euer Podcast-Host, RA Marc Ohrendorf, LL.M. über die gute Klausur im ersten Staatsexamen. Zunächst gehen wir darauf ein, wie Ihr eine verständliche Klausur schreibt, die bei der Korrektur positiv hervorsticht. Anschließend erfahrt Ihr, was Prüfende bei der Korrektur und der Erstellung einer Klausur im Hinterkopf haben. Schließlich erfahrt Ihr Insights zum Sinn und Unsinn von Probeklausuren: Wieviele Klausuren sollte man schreiben? Warum macht es wenig Sinn, über 100 Klausuren auszuformulieren? Wie kann man effizienter lernen? Sollte man Hilfsmittel benutzen oder eher im Nachhinein nachschlagen? Last but not least erfahrt Ihr, wie Ihr es schafft, dass eine Klausur in der vorgegebenen Zeit fertig wird und warum Euer bester "Spickzettel" der Gesetzeswortlaut ist.
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Fälser Rechtsanwälte ist eine kleine, hochspezialisierte Kanzlei mit Hauptsitz in Köln.
Rund zehn Berufsträgerinnen und Berufsträger vertreten Mandantinnen und Mandanten in verfassungs-, verwaltungs- und ausgewählten zivilrechtlichen Verfahren bis vor die höchsten Gerichte. Besonders zeichnet die Sozietät ihr strategischer Ansatz aus, juristische Präzision mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit zu verbinden – ideal für Mandate, bei denen Recht und gesellschaftliche Debatte Hand in Hand gehen.
Wie das in der Praxis aussieht, erfährst du in unserer aktuellen IMR-Folge – jetzt reinhören und inspirieren lassen!
Es ist schon ein geiles Gefühl, ein Schriftstück vom Bundesverfassungsgericht mit eigenem Namen und Bundesadler zu halten. Das hat mir sehr geholfen, die praktische Relevanz des öffentlichen Rechts zu verstehen.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Irgendwas mit Recht. Mich besucht heute Michael Fengler, der bereits als Student ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen hat und darüber möchten wir heute ein bisschen miteinander reden. Ich grüße dich, Michael.
Hallo Marc, vielen Dank, dass ich da sein darf.
Ja, danke dir, dass du gekommen bist. Ich habe es gerade schon angesprochen, du warst mal vor dem Bundesverfassungsgericht mit einem Verfahren. Worum ging es da?
Da ging es um ein Versammlungsverbot in der Stadt Heidenau. Heidenau ist eine Stadt in Sachsen, im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Und das war im August 2015.
Wer wollte sich denn dort versammeln, beziehungsweise wer durfte sich nicht versammeln?
Ja, das war ein bisschen das im Kopf hat der Weiß noch 2015. Das war das Jahr, in dem sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Syrien-Krise war damals auf ihrem Höhepunkt.
Und in Heidenau gab es eben eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge auf dem Gelände eines ehemaligen Baumarktes, Praktikerbaumarktes. Und in dieser Stadt war gewissermaßen eine Art einer Emergenzpunkt zwischen Flüchtlingsbefürwortern und Flüchtlingsgegnern. Beide haben regelmäßig Versammlungen abgehalten in der Stadt und das zum Teil täglich dann auch auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzung und haben eben dann ihrem jeweiligen Meinung für oder gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Versammlungen Ausdruck verliehen.
Und dann hat sich das derart zugespitzt, dass es mal wieder an einem Samstag eine Anti-Flüchtlingsversammlung gab, wenn ich das richtig in Erinnerung hatte. Und gleichzeitig wurde aber auch eine praktisch pro Einwanderungspolitik Versammlung angekündigt, die dann aber verboten wurde, richtig?
Nicht ganz. Also es war so, es hatte sich im Laufe einer Woche schon abgezeichnet, dass die polizeifische Polizei für sich zu dem Ergebnis gelangt war, sie hat die Sache nicht mehr so ganz im Griff. Es gab, wie gesagt, täglich, nicht nur am Wochenende, wirklich täglich diese Versammlungen, die dann auch wohl zum Teil mit Gewalt einhergegangen sind, obwohl es nur eine einzige vorläufige Festnahme gab in dieser ganzen Woche.
Und dann war eben klar, es sollte an einem Freitag, an einem Freitagnachmittag, ein Willkommensfest geben für Flüchtlinge. Und dieses Willkommensfest war deswegen sehr aufgeladen, weil es eben einerseits von den Flüchtlingsbefürwortern das Willkommensfest gab und andererseits eben diverse angemeldete Versammlungen von den Gegnern, die gesagt haben, nein, wir möchten nicht, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Und diese brisante, aufgeladene Stimmung hat dann eben dazu geführt, dass der Landrat als Versammlungsbehörde in diesem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für Heidenau zuständig gesagt hat, wir können den Polizeikräften eben nicht mehr sicherstellen, dass an dem Freitag die öffentliche Sicherheitsordnung gewahrt wird. Und hat dann schon an einem Mittwoch eben per Allgemeinverfügung gesagt, wir unterbinden jetzt hier die Versammlung.
Wobei man kurz festhalten muss, dass natürlich ein Willkommensfest letztlich auch einfach eine Versammlung ist. Also juristisch ist das auch eine Versammlung. Das ist nicht irgendwie ein Gewerbe auf der Straße oder ähnliches. Das unterfällt auch dem Versammlungsrecht, korrekt?
Ja, also in dem Fall schon. In dem Fall deswegen, weil es natürlich darum gerade geht, dass die Menschen zusammenkommen, um gemeinsam kollektiv ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen, um gemeinsam ein politisches Statement abzugeben. Ist ja ein klar politischer Inhalt die Frage, Flüchtlinge ja oder nein.
Nein, also es stand klar nicht die Unterhaltung im Vordergrund, wie auf einem Jahrmarkt, sondern es ging schon ganz klar auch darum, ein politisches Signal zu setzen. Und in dem Moment ist es dann auch eine Versammlung im Sinne des Artikel 8 des Grundgesetzes.
Gut, jetzt haben wir Anfang der Woche. Du wohnst in Westdeutschland, in Nordrhein-Westfalen und Heidenau ist ein ganzes Stück weg. Was ist jetzt bei dir passiert, dass du gesagt hast, naja, das ist eine Sache, für die man sich einsetzen muss und dass man da gegebenenfalls sogar klagt? Wie hat es angefangen für dich?
Ja, also Heidenau ist tatsächlich weit weg von dort, wo ich wohne. Ich weiß inzwischen sogar, es sind wohl 600 Kilometer. Das hat jedenfalls der Landrat behauptet vor Gericht.
Ich habe es nie nachgeguckt bei Google Maps. Es war so, es war ein Mittwochabend und ich hatte im Fernsehen geguckt und saß dann noch vor dem Fernseher. Es gibt dann, glaube ich, RTL-Nachtjournal.
Mittwochabend, Freitag, wurde dieses Willkommensfest untersagt für den Freitag derselben Woche.
Genau. Ich weiß nicht, ob es der Mittwoch war. Es kann auch der Donnerstag sein. Ich bin noch am Hadern mit mir. Nein, es war der Donnerstag tatsächlich.
Es war Donnerstagabend und es war Donnerstagabend das RTL-Nachtjournal. Und Freitag sollte dieses besagte Willkommensfest stattfinden. Und ich saß also vor dem Fernseher und guckte RTL-Nachtjournal. Und dann wurde eben in diesem Erd-der-Nacht-Journal berichtet über diese Allgemeinverfügung.
Also Allgemeinverfügung bedeutet ja nichts anderes, als dass es eben einen Verwaltungsabgift gibt, der gegenüber jedermann Wirkung entfaltet und der dann auch nicht jedem Einzelnen bekannt gegeben werden muss, sondern der dann eben in dem Fall zum Beispiel von dem Landrat über dessen Homepage der Allgemeinheit bekannt gegeben worden ist. Und dann...
War es eben so, dass man das an diesem Donnerstag, glaube ich, veröffentlicht hatte, als der Landrat. Und ich habe das dann im Nachtstall erfahren und habe dann gedacht, Moment, das erschien mir irgendwie komisch, dass man sagt, die Polizei in Sachsen, die hat wirklich viele, viele Beamte, ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass es in so einer relativ kleinen Stadt wie Heidenau friedlich bleibt und dass die Sicherheit und Ordnung der Öffentlichen nicht gefährdet wird.
Und das erschien mir dumm.
Waren denn eigentlich beide Demonstrationen verboten, also sowohl die Pro- als auch die Anti-Demo oder nur die Pro-Einwanderungs-Demo an diesem Tag?
Nein, das ist ja genau der Witz hinter der Allgemeinverfügung. Die Allgemeinverfügung hat jede Art von Versammlung unter freiem Himmel für die Dauer des gesamten Wochenendes, also Freitag, Samstag, Sonntag und Montag bis 6 Uhr morgens, untersagt. Und zwar jedermann.
Das heißt also, keine Art von politischer Versammlung, egal welchen Inhalt, hätte dort stattfinden dürfen. Das heißt, auch eine Versammlung, die gar nichts zu tun gehabt hätte mit dieser Flüchtlingsthematik, hätte auch nicht stattfinden dürfen.
Das ist die Ausgangssituation. Wir haben Donnerstagabend und dann hast du zum Computer gegriffen und hast was losgeschrieben oder wie kam es dazu, dass du dann praktisch vorm Gericht ja auch gelandet bist? Also du bist zwar Jurastudent zu dem damaligen Zeitpunkt gewesen, aber das ist ja trotzdem noch ein weiter Weg. Was hast du dann gemacht?
Also erstmal habe ich mit einem Freund geschrieben bei Facebook, mit dem ich so ein paar Lieder geschrieben habe, während ich Fernsehen guckte. Der Freund ist inzwischen auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bustier-Law-School in Hamburg. Und ich sagte dann zu ihm, hier, hast du das gehört mit Heidenau? Das erscheint mir irgendwie alles nicht so verhältnismäßig mit dem Versammlungsverbot.
Und dann habe ich dann im Spaß gesagt, naja, da müsste mal wohl jemand was gegen machen. Und dann hat er geschrieben, ja dann mach doch. Doch, und ich habe das, ich glaube, er hatte das eher gesagt, um das abzuwürgen, das Thema.
Er hatte da wirklich keinen Spaß dran. Und dann habe ich gesagt, ja, dann mache ich das jetzt auch. Und dann habe ich den Entschluss gefasst, dass ich eben diese Nacht, die dann folgende Nacht nutzen würde, um eben was dagegen zu tun.
Und habe mich dann an den Computer gesetzt, habe mir diese Allgemeinverfügung runtergeladen auf der Homepage des Landratsamtes. Das gab es als PDF, ein kurzes, knappes PDF, ohne weitere Begründung, nur was eben verfügt worden ist vom Landratsamt. Amt.
Habe mir das angeschaut, habe mir Presseberichte angeschaut, die öffentlich verfügbar waren zu den Polizeieinsätzen, die Berichte der sächsischen Polizei, also Polizei Sachsen zu den Vorfällen, was da passiert ist, die auch veröffentlicht sind, die entsprechende Medieninformation, Medienberichte besorgt online. Und dann habe ich mich kurz erkundigt, wie das so läuft im Versammlungsrecht mit einer Allgemeinverfügung, wie man dagegen vorgehen kann, welche juristischen Möglichkeiten es gibt und dann habe ich damit angefangen.
Du warst aber jetzt nicht spezieller Versammlungsrechtsexperte, sondern du hast das praktisch in der Nacht mal angelesen.
Genau, also ich habe vorher das gar nicht gemacht. Also ich habe mich vorher mit Arbeitsrechtsschwerpunkt mäßig befasst, inzwischen mit Beamtenrecht, aber weder das eine noch das andere ist Versammlungsrecht, sondern es war mehr so, dass ich tatsächlich in der Nacht erst zum Experten geworden bin für das Thema und danach den Schriftstatz geschrieben.
Und den hast du dann wo eingereicht?
Beim Verwaltungsgericht. Also es war so, ich sag mal, für die, die es nicht wissen, es gibt dann eben ein Prinzip, also ein System, das ist so, bei so einer Allgemeinverfügung, damit die sofort Wirkung entfaltet, muss die Behörde die sogenannte sofortige Vollziehung anordnen. Und das ist wichtig deswegen, weil sonst jeder einzelne Widerspruch eines Bürgers dagegen eben die aufschiebende Wirkung zufolge hätte gegen diese Allgemeinverfügung.
Das heißt also, dass die nicht vollziehbar ist, sondern dass die Behörde eben warten muss, bis über den Widerspruch abschließend und rechtskräftig entschieden ist. Und um das zu verhindern, hat die Behörde eben hier die sofortige Vollziehung angeordnet.
Das hatte zufolge, dass mein Widerspruch, den ich ebenfalls am gleichen Morgen eingelegt habe beim Landratsamt, keine aufschiebende Wirkung hatte. Ich musste eben beim Gericht, in dem Fall beim zuständigen Verwaltungsgericht in Dresden, einen Antrag stellen nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Und das habe ich dann auch getan und habe den eben dort morgens hingefaxt. Da war ich übrigens auch sehr froh, dass ich ein Faxgerät hatte.
Dazu kommen wir vielleicht gleich nochmal zu der Geschichte mit dem Faxgerät. 80.5 sagtest du gerade, das ist ja was, was viele Studenten noch aus dem Studium auch kennen. Einzweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, hat man öfters ja auch mal in Bausachen oder ja auch im Beamtenrecht, wenn man mal eine Klausur dazu schreiben muss oder eben wie hier im Versammlungsrecht.
Gut, dann hat das Gericht wie entschieden?
Ja, ich habe das alles aufgesetzt, alle Tatsachen vorgetragen, habe dann noch was zur Rechtsausführung gemacht, habe dann darüber nachgedacht, was man alles reinschreiben könnte. Ich will nur kurz und knapp das sagen. So ein Verbot ist ja immer das Höchste der Gefühle.
Es gibt ja auch Dinge, die viel geringere Intensität haben in der Einwirkung. Also zum Beispiel, dass man die Örtlichkeit beschränkt, dass man Auflagen erteilt, dass man Polizeikräfte anfordert aus anderen Bundesländern oder vom Bund, dass man zum Beispiel gegen Störer erstmal Maßnahmen einsetzt, indem man zum Beispiel Wasserwerfer einsetzt oder Tränengas oder dergleichen, aber dass man jedenfalls nicht gegenüber Nichtstörern direkt ein Verbot verhängt.
Wenn ich dich richtig verstehe, war also eine wesentliche Argumentation von dir letztlich Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Genau, also das basierend darauf ist es so, Versammlungen sind ja grundsätzlich in Deutschland frei nach Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes. Und dann ist es aber so, wenn man eben Versammlungen einschränken möchte, was auf Grundeinsatzgesetzes möglich ist, muss das natürlich seinerseits auch verhältnismäßig sein.
Und das Versammlungsgesetz in Sachsen zum Beispiel sagt, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung muss eben konkret gefährdet sein. Und das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Polizei eben mit ihren Kräften nicht mehr in der Lage ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherzustellen.
Das setzt aber wiederum voraus, dass ein sogenannter polizeilicher Notstand vorliegt. Das ist ein von der Rechtsprechung entwickelter Begriff, der im Prinzip umschreibt, dass die Polizei mit ihren Kräften nicht mehr in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass eben die Sicherheit und Ordnung gewährleistet ist. Dafür muss die Polizei natürlich alles getan haben, um das abzuwenden.
Das heißt zum Beispiel, Polizeikräfte zusammenziehen aus dem ganzen Land. Polizeikräfte aus anderen Ländern anfordern. von der Bundespolizei anfordern. Das Problem hier war, dass das alles unterblieben war.
Also die haben sich einfach hingestellt und gesagt, wir haben einen polizeilichen Notstand, wir können das nicht sicherstellen. Wir haben nur 140 Beamte. Was natürlich abstrus ist, wenn man bedenkt, dass es so viel mehr Polizeibeamte in Deutschland gibt als 140.
Und die man sicherlich problemlos hätte dort zusammenziehen können, was aber einfach unterblieben ist. Und ich habe halt gesagt, wenn man das nicht gemacht hat, dann gibt es keinen Notstand. Und wenn es keinen polizeilichen Notstand gibt, dann ist es nicht verhältnismäßig, das zu verbieten.
Und das war die Kernargumentation eigentlich dann auch des Antrags.
Und der ist das Gericht dann gefolgt?
Genau, der ist das Gericht gefolgt, ich hab den morgens um, ich weiß gar nicht mehr, wann das war, ich glaube um sechs oder so, hab ich den aufs Faxgerät gelegt, hab den nach Dresden gefaxt und ähm, Bekamen dann um 9 Uhr morgens auch die Eingangsbestätigung, dass es angekommen sei, per Fax zurück und um 12 Uhr kam schon der Beschluss aus Dresden, das war also alles ziemlich eng getaktet, dass die aufstimmende Wirkung wiederhergestellt wird, die wurde angeordnet und dass eben ich vollumfänglich gewonnen hatte.
Und dem ist das Gericht inhaltlich vollumfänglich gefolgt. Die haben gesagt, es ist ganz offensichtlich rechtswidrig hier das Versammlungsverbot und der polizeiliche Notstand liegt einfach nicht vor objektiv.
Zu dem Zeitpunkt gab es auch niemanden anderen, der sich irgendwie angeschlossen hätte oder was ähnliches versucht hätte. Du warst also praktisch, obwohl das so durch die Medien gegangen war, der einzige in Deutschland, der das gesehen hatte und dann sich auch aktiv dagegen gewehrt hatte, richtig? Richtig?
Traurigerweise ja. Also ich habe auch mit den Veranstaltern dieses Willkommensfestes in Austausch gestanden, hatte mich mit denen kurzgeschlossen, im Laufe des Tages. Die waren sehr froh darüber, dass das jemand macht, waren sehr konsterniert darüber, dass es eben nicht hätte stattfinden können.
Aber tatsächlich war ich erstmal traurig als Fakt anerkennen der Einzige in Deutschland, der gesagt hat, dagegen muss man jetzt was unternehmen. Und das kann man so nicht einfach im Raum bestehen lassen. Und es gab in der Tat keinen anderen Antragsteller beim Verwaltungsgericht in Dresden.
Gut, sehr erstmal muss man sagen, vielen Dank, dass du da praktisch die Versammlungsfreiheit aufrechterhalten hast. Das hat aber wahrscheinlich der entsprechende Landrat vor Ort ein bisschen anders gesehen und es gab dann noch Rechtsmittel. Ansonsten wären wir auch letztlich nicht in nächster Instanz und in letzter Konsequenz zum Bundesverfassungsgericht gekommen, oder? Wie ging es dann weiter? Genau.
Gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, die keine Urteile sind, steht eben der Rechtsbehelf der Beschwerde offen. Und davon hat der Landrat dann auch Gebrauch gemacht. Und das, ich glaube um 15 Uhr, hat er eine Beschwerdeschrift einreichen lassen beim Oberverwaltungsgericht in Bautzen.
Das ist die örtliche und sachliche zuständige nächste Instanz dort. Und hat also dort vorbringen lassen... Im Prinzip im Wesentlichen eigentlich sein Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt. Was er im Wesentlichen thematisiert hat, war dann noch oder neu thematisiert hat oder stärker thematisiert hat, war eben die Antragsbefugnisse meinerseits.
Daher weiß ich auch, dass ich 600 Kilometer entfernt wohne, weil er dort Vortragen liest. Ich könne ja gar nicht mich versammeln in Heidenau. Ich wohnte ja 600 Kilometer entfernt.
In der heutigen Zeit natürlich lächerlich als Argument, weil wir wissen, Demonstranten kommen gerne aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen man denke an G8-Gipfel und dergleichen die kommen von überall, die kommen aus Europa, die kommen aus der ganzen Welt also anzunehmen, die kämen jetzt nur aus Deutschland, ist glaube ich ziemlich weltfremd. Wir haben ja nicht mehr Kutschen vielleicht haben die das in Heiden auch noch aber ich glaube nicht, dass es so ist auf jeden Fall ist es so, dass, der Landrat also dort die Beschwerde einlegen ließ beim OVG in Bautzen Was mir dann deutlich später an dem Tag, ich glaube gegen 17 Uhr, dann mitgeteilt wurde per Telefax vom OVG mitsamt der Beschwerdeschrift.
Und mir wurde dann eine Frist aufgegeben bis 17.30 Uhr.
Eine halbe Stunde, ja.
Eine halbe Stunde. Doch bitte auf die Beschwerdeschrift zu reagieren und dazu Stellung zu nehmen. Was man beim OVG übersehen hat und auch vielleicht nicht für so beachtlich hielt, war, dass ich gar nicht präsentationsfähig bin beim OVG. Man muss dort Anwalts sagen, man braucht einen Rechtsanwalt.
Den hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht. Man hat mich auch darauf nicht hingewiesen. Man hat mich nur zur Stellungnahme aufgefordert, und zwar mich direkt. Und habe dann kurz angerufen und gesagt, Also Leute, eine halbe Stunde ist schon echt sportlich.
Könnte ein bisschen später werden. Bitte wartet noch mit einer Entscheidung. Habe mir dann auch zugesagt telefonisch. Dann habe ich meine Stellungnahme geschrieben, zwei Seiten. Habe die dann zurückgefaxt.
Und harter dann der Dinge, die da kamen. Ohne Rechtsanwalt? Zu dem Zeitpunkt ohne Rechtsanwalt. Ich war nicht im Bild, dass man einen braucht. Ich hatte auch zu dem Zeitpunkt keinen und habe dann selber eben eine Stellungnahme hingeschickt und darauf gehofft, dass vielleicht im Rahmen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, die Vorschrift über die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung vielleicht freundlich ausgelegt werden muss, dahingehend, dass es in dem Fall eben einfach nicht möglich ist und meine Stellungnahme trotzdem beachtlich ist.
Und so kam es? Oder was passierte als nächstes?
Es trudelte dann am Abend, ich will jetzt keine Uhrzeit mehr sagen, muss ich nachgucken, um 19.30 Uhr vielleicht, trudelte dann ein Telefax ein vom OVG Bautzen mit dem Beschluss in der Beschwerdeinstanz. In der bestehenden Instanz wurde der Beschluss des VG Dresden dahingehend abgeändert, dass die aufstehende Wirkung nur noch für das Willkommensfest angeordnet wurde, oder wiederhergestellt wurde, muss man in dem Fall sagen, wiederhergestellt wurde an diesem Freitag.
Und dass im Übrigen mein Antrag abgelehnt wurde und dass mir die Kosten zum Vierfünftel aufgelegt wurden und dem Landrat zu einem Fünftel. Es wurde im Wesentlichen damit begründet, dass ich für alles, was nicht das Willkommensfest sei, nicht antragsbefugt sei, weil ich nicht geltend gemacht hätte, dass ich auch noch an anderen Aktivitäten außer dem Willkommensfest hätte teilnehmen wollen.
Was aber erforderlich gewesen wäre, damit eine Rechtsverletzung überhaupt möglich ist, um überhaupt antragsbefugt zu sein für alle Zeiträume dieser Allgemeinverfügung, die eben nicht dieses Willkommens festbittet.
Du hattest jetzt also Kosten am Bein von immerhin 80 Prozent über zwei Instanzen im einstweiligen Rechtsschutz. Über was reden wir da? Wahrscheinlich niedrige vierstellige Summe. Kommt das hin?
Also davon gehe ich auch aus. Ich meine, Gott sei Dank hatte keine Seite Anwälte. Das hat es nochmal ein bisschen erträglicher gemacht. Ich glaube, der Streitwert war irgendwas um die, boah, ich weiß gar nicht mehr, 5000 Euro.
Ich bin mir nicht mehr sicher. Es war jedenfalls so, dass man davon ausgehen kann, dass es sicherlich um die 1000 Euro waren an Gerichtsgebühren oder Gerichtskosten, die da relevant geworden wären. Das hat natürlich erstmal mich schon mitgenommen und dann habe ich gedacht, okay, was machen wir jetzt? Weil es gibt immer diesen schönen kleinen letzten Satz im einstweiligen Rechtssturzverfahren, der unter jeder OVG oder jeder zweitinstanzlichen Entscheidung drunter steht, der lautet, diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Und ein Satz, der natürlich das Ende des Instanzenzugs bedeutet, der einem auch klar macht, okay, hier ist Schluss, hier geht es erstmal nicht weiter, der eine gewisse Endgültigkeit mit sich bringt. Aber in dem Fall, wie wir ja wissen, nicht wirklich.
Das wissen die in Bautzen inzwischen auch. Und dann habe ich mich mit meinem Chef zum ersten Mal zusammengesetzt. Ich war ja zum damaligen Zeitpunkt Mitarbeiter in einer Anwaltskanzlei und habe dann gesagt, sagt, Chef, pass auf, ich habe heute Folgendes gemacht.
Der wusste zu dem Zeitpunkt noch von gar nichts. Ich habe heute Folgendes gemacht. Ich brauche deine Hilfe. Wir müssen, glaube ich, nach Karlsruhe.
Dann hat er wahrscheinlich nicht gesagt, okay, dann fahren wir da jetzt hin, sondern hat erstmal gefragt, wahrscheinlich, wie nach Karlsruhe? Was schwebte dir denn da genau vor?
Sagen wir mal so, ich wollte auch nicht wirklich physisch nach Karlsruhe. Ich musste ja noch nach Heidenau, vergiss das nicht. Nein, also es ist so gewesen, dass ich ihm erstmal ausgiebig erzählen musste, was passiert ist.
Ich musste ihn erstmal auf den Sachstand bringen, die Anträge, die Stellungnahmen, die Erwiderungen. Es ist ja doch an dem Tag einiges gelaufen. Und dann habe ich gesagt, ja, was haben wir für eine Möglichkeit? Und dann haben wir gesagt, ja, § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ermöglicht, eine einstweilige Anordnung zu bekommen vom Bundesverfassungsgericht, wenn eben besondere Eile geboten ist, um eine Grundrechtsvereitelung zu verhindern.
Und das war dann auch unser Ziel. Und darauf haben wir dann hingehauen.
Was genau war dein Ziel? Wir hatten eben festgestellt, dass die aufschiebende Wirkung schon wieder hergestellt worden war hinsichtlich des Willkommensfestes. Aber du wolltest gerne was erreichen?
Ich wollte gerne, dass die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der gesamten allgemeinen Verfügung wiederhergestellt wird. Das heißt also auch für den restlichen Teil des Wochenendes, also Samstag, Sonntag und Montag bis sechs Uhr morgens. Und das war das Ziel, was ich noch erreichen wollte. Und deswegen habe ich gesagt, gehen wir nach Karlsruhe jetzt.
Gut, jetzt sind wir vom rein studentischen Stoff weit weg. 32 hast du gesagt, da steht es glaube ich Bundesverfassungsgerichtsgesetz, ist die einstweilige Anordnung. Darüber weiß man vielleicht aus einer der ersten Vorlesungen, wenn man aber auch wirklich besonders gut aufgepasst hat, dass es regelmäßig nicht erfolgreich ist vom Bundesverfassungsgericht, dass da viele Anträge nicht mal angenommen werden zur Entscheidung.
Wie ging es dir in dem Moment? Also worauf hast du besonders geachtet? Wie lief es dann ab, dass letztlich dann das Papier nach Karlsruhe kam?
Genau, also Verwaltungsprozessrecht ist jetzt ja eine von diesen Vorlesungen, die nicht jeder besucht und nicht jeder mal gehört hat, die man auch nicht unbedingt gehört haben muss, weil es auch nicht unbedingt relevant ist am Ende fürs Examen. Aber ich hatte von der Norm vorher auch noch nicht so richtig was gehört.
Ich habe das erst nachlesen müssen dann, wie das denn funktioniert. Es gibt einen Notdienst in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht. Bis 1 Uhr kann man dort immer jemanden erreichen in der Nacht.
Daraufhin hat mein Chef dort angerufen und gesagt, wir haben Folgendes vor, wir möchten gerne noch einen Eilantrag stellen, wir brauchen eine einstweilige Anordnung. Dann hat der wissenschaftliche Mitarbeiter des damaligen Berichterstatters für den Bereich Versammlungsrecht, der war dort auch gerade im Dienst, das war so ganz passend, hat dann gesagt, ja, okay, wir stehen bereit.
Wir hatten Telefaxnummern ausgetauscht und er hat gesagt, er informiert die Kammer schon mal darüber, dass ihm dieser Antrag eintrudelt. Man muss jetzt dazu wissen, über diesen Antrag nach § 32 BVFGG entscheidet eben nicht der ganze Senat, sondern das entscheidet die Kammer und zwar einstimmig.
Die Kammer besteht immer aus drei Richtern eines Senats des Bundesverfassungsgerichts und die müssen eben einstimmig zu dem Ergebnis kommen, dass für die begehrte Einzelne Anordnung die Voraussetzungen erfüllt sind, dass sie zulässig und begründet ist, der Antrag. Und wenn die einstimmig dazu kommen, können die den gemeinsam erlassen.
Das macht es natürlich eher schwierig, das tatsächlich durchzusetzen.
Das macht es mitunter natürlich schwierig, weil in der Tat eine Einstimmigkeit, weil wir wissen ja alle, es sind im Bundesverfassungsgericht sehr profilierte Richter, Richterinnen und Richter. Sicherlich muss man da gucken, dass man jeden mitnimmt.
Das war sicherlich nicht ganz leicht. Aber wir haben gesagt, wir stellen uns der Herausforderung und haben dann eben uns gemeinsam angesetzt, diesen Antrag zu formulieren an diesem Abend an das Bundesverfassungsgericht und haben den dann um 22.30 Uhr auch nach Karlsruhe gefaxt.
Freitagabend. Also wir fassen nochmal kurz zusammen. Donnerstagabend fing es bei dir mit dem RTL-Nachtjournal an, dass du den Gedanken gefasst hast.
Sehr hochwertiges Nachrichtenjournal.
Sehr, sehr hochwertiges. Und es gibt auch noch viele andere tolle RTL 2, Sat.1, ProSieben. Die sind alle mindestens genauso gut. Und 24 Stunden später hast du dann einen Eilantrag ans Bundesverfassungsgericht geschickt. Das ist ja schon mal sportlich.
Oh ja, das war auch echt anstrengend. Also ich war auch wirklich müde abends.
Dann hast du dich schlafen gelegt oder warst du zu aufgeregt?
Nein, ich bin dann tatsächlich irgendwann ins Bett gefallen, weil man muss dazu wissen, der Tag war anstrengend, weil ich habe ja bis sechs Uhr morgens durchgearbeitet, hatte dann ja ab neun Uhr schon wieder, also nach drei Stunden Schlaf schon wieder die Telefaxe aus Dresden bekommen, habe den Tag über dann wahlweise Schrifttätze geschrieben oder mit Gerichten telefoniert oder mit der Presse, weil es ging ja dann auch los.
Deutsche Presseagentur und so weiter, die PA, Die meldeten sich alle bei mir, weil ein Journalist des NDR hatte meinen Namen und meine Kontaktdaten durchgegeben an die großen Nachrichtenagenturen, sodass ich da so dann auch ins Fahnenkreuz der Presse geriet, sodass der ganze Tag wirklich anstrengend war und ich dann auch sehr, sehr, sehr, sehr froh war, als ich abends dann einfach ins Bett fallen konnte.
Mhm. Dann hast du also ein paar Stunden geschlafen und bist dann am Samstag früh zu einer freudigen Nachricht wach geworden oder wie lief das ab?
Ja, es war so, ich lag in meinem Bett und neben meinem Bett liegt auf dem Nachttisch immer mein Handy und es hat dann morgens um neun geklingelt, laut. Ich war auch dann erst mal aufgeschreckt davon, war wirklich eine anstrengende Nacht und vor allem ein anstrengender Tag vorher.
Und ich sehe irgendeine Handynummer, die mir nicht bekannt war und dachte, okay, komisch. Und dann ging ich ran. Er meldete mich ganz normal und am anderen Ende meldete er sich immer mit den Worten, ja, hallo, hier ist Sigmar Gabriel.
Und das war natürlich eine sehr große Überraschung. Man muss dazu wissen, Sigmar Gabriel war damals Vorsitzender der SPD und Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler. Und der rief also nun plötzlich bei mir an.
Wusstest du denn da schon überhaupt, dass du gewonnen hattest?
Das hatte ich ja noch gar nicht. Also er rief bei mir an und er wollte mir erstmal gratulieren zu dem Erfolg vor dem Verwaltungsgericht und auch zu dem Teilerfolg vor dem Oberverwaltungsgericht und dass ich ihm das Willkommensfest ermöglicht habe durch meine juristische Aktivität und hat mir dann gesagt, also er würde ein paar Worte kennen, die sich sehr freuen würden, wenn sie eben mir die Kosten des Verfahrens, die angefallen sind vom Oberverwaltungsgericht, die mir auferlegt worden sind, wenn sie mir die bezahlen könnten.
Weil die ja noch im Raum standen.
Weil diese Kosten noch im Raum standen. Ich hatte ja diese 80 Prozent auferlegt bekommen für das Verfahren. Erst, zweite Instanz. Und er wollte eben dann gerne gemeinsam mit seinen Bekannten eben das für mich übernehmen.
Was ich total nett fand, total freundlich fand. Und hab dann auch natürlich gesagt, super, klasse. Ja, vielen Dank schon mal. Und dann haben wir uns noch ein bisschen ausgetauscht und dann standen wir auch noch eine ganze Zeit lang noch in Kontakt.
Und in der Sache ging es dann wie weiter?
In der Sache ging es so weiter, dass dann um 12 Uhr das Bundesverfassungsgericht anrief und mitteilte, dass ich die Kammer getroffen habe an dem Morgen und einen Beschluss gefasst hatte. Und man brachte dann eine Faxnummer nochmal, weil die Faxnummer in der Kanzlei, da war ja samstags keiner, deswegen faxte man dann den Beschluss an meine private Faxnummer wieder.
Und dann bekam ich um 12 Uhr eben einen Telefax aus meinem Faxgerät raus, auf dem eben drauf stand, im Namen des Volkes Beschluss und dann stand dort eben, dass die aufschiebende Wirkung wieder hergestellt worden ist und zwar für die gesamte Allgemeinverfügung.
Was geht einem in dem Moment durch den Kopf?
Ja, ist schon eine tolle Sache. Also ich weiß nicht, man fühlt sich erstmal unheimlich geil. Ich will das gar nicht verhehlen. Also es ist schon ein sehr, sehr geiles Gefühl, so ein Schriftstück in den Händen zu halten, wo der eigene Name draufsteht und oben Bundesverfassungsgericht und dieser Bundesadler drauf ist.
Und da steht da eben, die drei Richter haben eben einstimmig beschlossen. Also es ist schon eine sehr, sehr tolle Geschichte. Also dieses Deck, also diese erste Seite, das Rubrum, dieses Beschlusses hängt heute auch gerahmt in meinem Zimmer.
Ich gebe das offen zu. Ich glaube nicht, dass ich noch so oft an solche Beschlüsse kommen werde, deswegen dachte ich, das kann man mal einrahmen.
Ganz bestimmt.
Und dann erst war ich platt und dann habe ich meinen Chef angerufen und dann habe ich jeden anderen angerufen und ich weiß nicht, man möchte es am liebsten der ganzen Welt auf einmal erzählen und ich musste ihm mitteilen. Es ist auch deswegen wichtig, weil ja viele Versammlungen angemeldet waren für das Mal.
die alle stattfinden sollen und jeder muss ja wissen, pass auf, ihr dürft ja doch, ihr dürft jetzt doch wieder. Bis dahin dachte jeder, es wäre verboten. Und sicherlich waren auch viele Planungen, organisatorische Sachen für die Versammlung schon wieder eingestampft oder eingestellt oder Leute waren abgesagt worden, Busse waren vielleicht schon wieder storniert worden.
Das muss ja alles wieder zurückgedreht werden und so muss man eben alle wieder informieren und man denkt erstmal, okay, womit fange ich jetzt an? Also das ist echt schwer dann zu sagen, womit beginnt man.
Und womit hast du begonnen?
Ich habe meinen Chef angerufen erst mal und dann bin ich, glaube ich, irgendwann unter die Dusche gegangen, weil ich gesagt habe, ich glaube, ich muss erst mal duschen, weil ich glaube, ich fahre gleich noch irgendwo hin.
Könnte noch was passieren.
Es könnte noch was passieren heute. Und es war dann aber tatsächlich so, dass der Tag sich recht schwer gestaltete, weil tatsächlich es eine dermaßige Flut an Nachfragen gab, dass ich nicht mal dazu kam, da in die Wohnung zu verlassen, weil permanent dann die Medien angerufen haben. Ich habe dann irgendwann angefangen, im Stundenrhythmus mit Medien telefonieren zu müssen, die alle im wahnsinnigsten Formationsbedürfnis hatten.
Okay, machen wir einen kleinen Cut. Das ist ja auch nochmal praktisch die letzte Phase dieses Verfahrens. Du hattest also jetzt vom Bundesverfassungsgericht gewonnen, hattest vorher überschaubare Ahnung von Versammlungsrecht, überschaubare Ahnung vom Verfassungsprozessrecht, hast es aber trotzdem geschafft. Erstmal herzlichen Glückwunsch.
Vielen Dank.
Jetzt kommt ja vielleicht der Teil, der weniger was mit Jura zu tun hat, aber der natürlich trotzdem sehr, sehr spannend ist, weil du ja auch gerade schon mit Sigmar Gabriel, wie du es angesprochen hattest, ja auch so ein bisschen vielleicht hinter die Kulissen des Politikbetriebes und der Medienbetriebe auch schauen konntest. Ich erinnere mich noch, dass ich damals eine Tagesschau-Push-Nachricht bekommen habe, dass das entsprechend entschieden wurde vom Bundesverfassungsgericht und da kurz danach Facebook aufmachte und du diesen entsprechenden Beschluss dort gepostet hattest.
Und ich dachte, oh je, der Michael hat das tatsächlich gemacht und war ziemlich baff. Insofern, klar, viele Leute haben daran Interesse. Du hast gerade schon gesagt, du hast letztlich im Stundentakt mit Medien gesprochen.
Wie muss man sich das so vorstellen? Wie läuft das ab? Klingelt einfach die ganze Zeit das Handy oder hast du auch Sachen abgesagt? Wie hast du das dann entsprechend geordnet? Wie lief das?
Ja, zunächst hatte ich am Freitag noch der Presse und auch der DPA gesagt, ich möchte gerne anonym bleiben am liebsten, ich möchte gerne nicht in die Medien in den Mittelpunkt gerückt werden. Das war am Freitag mir noch sehr unangenehm.
Ich hatte auch Bedenken vielleicht über Menschen, die vielleicht nicht einverstanden sind mit meinem Vorgehen. Hab dann gedacht, okay, vielleicht halte ich das erstmal low profile, mach kein großes Ding draus. Ich hab dann aber recht schnell gemerkt, nachdem mein Name und mein Foto an der ersten Seite im Internet erschienen war, dass das nicht durchzuhalten ist.
Also die Tagesschau hat sich zunächst noch dran gehalten, hat noch immer von einem Juristen aus dem Rheinland gesprochen und andere haben auch noch sich ominös gehalten. Aber an irgendeinem Punkt war mein Name einfach an so vielen Stellen raus, dass es quasi nicht mehr geheim zu halten war.
Und dann hab ich dann den Medien auch gesagt, Ich habe gesagt, pass auf, hier ist ein Foto von mir, weil die wollten auch alle Fotos immer haben unbedingt und schickt noch welche Fotografen vorbei und so. Und ich habe gesagt, pass auf, hier sind Fotos und jetzt gebe ich auch Interviews und dann kann auch mein Name dazu veröffentlicht werden.
Und dann war es eben so, dass mein Handy klingelte und unterbrochen. Es war dann so, dass die Medien anriefen und ich dann mit denen gesagt, vereinbart habe, eben zu welcher Uhrzeit sie dann eben ihren Termin für ihr Interview bekommen. Die Interviews waren meistens nicht lang, die haben nur 20 Minuten gedauert oder so, aber man musste schon gucken, dass man eben sich dann einen Zeitplan machte und dass im Stundenrhythmus quasi die Interviews begannen, damit man nicht mit allen gleichzeitig sprach.
Das geht ja nicht. Ich habe unterschiedliche Fragen, die Journalisten. Und um das eben zu koordinieren, musste ich eben ein Stück weit dann tatsächlich meine Termine in den Folgetagen absagen und gucken, dass ich irgendwie diese Termine alle unterbrachte für Interviews, für Fotoshootings. Das war schon mit einem gewissen Aufwand verbunden, aber hat auch natürlich viel Spaß gemacht.
Wie lange hielt dieser ganze Buzz dann ungefähr an?
Also der ganz große hielt nur wenige Tage an. Also dann waren auch alle Medien versorgt und waren ausreichend interessiert. Man weiß ja, sobald die Öffentlichkeit sich nicht mehr dafür interessiert, interessieren sich auch die Medien nicht mehr dafür.
Das geht dann einher. Ich sag mal, in welchem Bereich meines Lebens hielt das nicht noch länger an. Also ich bin ja auch Stipendiater an der Stiftung im Studium gewesen und die zum Beispiel hat dann auch noch in ihrem hausinternen Magazin was dazu gemacht.
Springen auch heute noch darüber, also das ist auch bei denen noch ein großes Thema bis heute. Also es kommt ein bisschen immer darauf an tatsächlich, in welchem Kreis man sich bewegt, ob es ein Thema ist oder nicht. Interessant war auch, dass dann in der Folge, Folgemandate im Versammlungsrecht daraus entstanden sind über die Kanzlei, weil natürlich man dann erstmal schon mal sich einen Namen gemacht hat in der Thematik, und ich sag mal, da ist es schon so, dass es auf jeden Fall in Fachkreisen auch noch ein Thema war.
Bis heute zum Teil. Nicht mal so stark, aber bis heute zum Teil.
Mhm, schön. Auf eine Sache würde ich zum Abschluss gerne noch eingehen und zwar die Frage, weil ja auch viele, die hier zuhören, noch im Studium sind. Was hat dir das fürs Studium gebracht? Also hat dich das motiviert? Hast du nochmal andere Seiten der Juristerei gesehen, die vielleicht dann auch den Studienalltag erträglicher gemacht haben? Was hat das dahingehend mit dir gemacht?
Ich sag mal, an der Uni war es natürlich auch ein Thema. Auch da wurde es beleuchtet. Man hat schon, sag ich mal, durch die praktische Anwendung natürlich nochmal einen deutlich besseren Zugang zum öffentlichen Recht bekommen.
Also es hat mein Interesse fürs öffentliche Recht gestärkt. Ich war vorher im Arbeitsrecht unterwegs mehr. Man hat vor allem auch mal einen Zugang zu diesem ganzen trockenen Materie des Verfassungsprozessrechts, was man sonst vielleicht nicht unbedingt hat.
Da kann man mal ganz praktisch miterleben, welche Auswirkungen das eigentlich haben kann. Ich hatte im Examen später tatsächlich ein 80-5er im öffentlichen Recht. Insofern war das ganz passend.
Und es hat ganz konkrete, spürbare Auswirkungen. Man unterschätzt das, glaube ich, gerne, was es dann tatsächlich der sich einem bringt, so eine vielleicht erstmal sehr fernliegende Materie wie das Versammlungsrecht ganz praktisch durch eine Rechtsanwendung und durch einen eigenen Fall sozusagen zu betrachten und auch zu behandeln. Also ich fand es jedenfalls sehr, sehr sinnvoll, so wie ich auch die Tätigkeiten der Kanzlei bis heute sehr, sehr sinnvoll finde, weil es mir sehr stark geholfen hat, eben auch die praktische Relevanz dessen, was man lernt, nachzuvollziehen.
Würdest du Studierenden raten, während des Studiums schon in der Kanzlei zu arbeiten, wenn wir gerade darüber sprechen?
Ja, definitiv. Ich halte das für sehr sinnvoll. Also ich glaube, dass der Mehrwert davon sehr, sehr groß ist. Es kommt natürlich auch darauf an, was man macht. Es ist natürlich nicht sinnvoll, wenn man in der Kanzlei sitzt und die Bibliothek betreut.
Das ist, glaube ich, nicht sehr mehrwerthaltig. Genauso wenig wie kopieren oder Kaffee kochen. Wenn man aber natürlich, sage ich mal, wirklich an Fällen mitarbeiten kann, konkret in der Sache, dann ist es, glaube ich, eine sinnvolle Geschichte. Wobei man immer nicht vergessen darf, das erste Examen hat mit der Anwaltstätigkeit nichts zu tun, oder sehr, sehr wenig.
Man darf also nicht den Blick aus den Augen verlieren für die wissenschaftliche Seite des ersten Exams, für die Frage von, Meinungen, von Dingen diskutieren, dafür, dass es Literaturmeinungen gibt, die eben in der anwaltlichen Tätigkeit keine Rolle spielen, aber die man eben nicht vergessen darf, wenn man bedenkt, dass Jura eben nur eine Wissenschaft ist.
Gut. Herzlichen Dank für diesen sehr, sehr interessanten Einblick aus deiner Sicht, jetzt mit ein paar Jahren Abstand von diesem ja doch sehr spannenden Verfahren. Ich fand es toll, davon zu hören. Bin mir sicher, dass es auch für den einen oder anderen, für die ein oder andere ganz bestimmt interessant ist, was man alles schon auch als Jurastudent machen kann.
Und danke dir vielmals, dass du dir heute die Zeit genommen hast für unseren kleinen Plausch.
Vielen Dank, dass ich da sein durfte.