Ramona Leutschaft, Unternehmensjurist | RAin Ramona Leutschaft
Arbeitgeberverband - Arbeiterkind - Assessorexamen - Drittversuch - Karriereweg - Lerntyp - Mandantenkommunikation - Nebentätigkeit - Pro Bono - Rechtsanwältin - Rückschläge - Selbstvertretung - Sozialrecht - sozialgerichtliches Verfahren - Syndikusanwältin - Unfall - Unfallversicherungsrecht (§ 7 ff. SGB VII) - Unsicherheit - Unterstützung
In dieser spannenden Folge begrüßt Marc Ramona Leutschaft, die als Syndikusanwältin beim Arbeitgeberverband in Mecklenburg-Vorpommern tätig und im Nebenjob pro bono als niedergelassene Rechtsanwältin im Sozialrecht arbeitet. Die Episode gibt Einblicke in Ramonas außergewöhnlichen Werdegang: Geprägt durch familiäre Vorbehalte und anfängliche Zweifel, über herausfordernde Momente wie einen Fahrradunfall, der sie zwang, sowohl ihre körperliche als auch ihre juristische Belastbarkeit zu testen, bis hin zu ihrem mutigen Schritt, sich selbst in einem sozialgerichtlichen Verfahren zu vertreten. Ramona berichtet, wie sie trotz Rückschlägen und anfänglich chaotischer Studienerfahrungen Unterstützung von engagierten Mentorinnen erhielt und wie sie ihren eigenen Lernstil entdeckte, um sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Dabei beleuchtet sie auch ihre Doppelrolle als Syndikusanwältin und niedergelassene Rechtsanwältin, die es ihr ermöglicht, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen – ein ambitionierter Balanceakt neben einem Vollzeitjob. Welche persönlichen und beruflichen Herausforderungen prägen den Weg junger Juristinnen und Juristen? Wie kann man Rückschläge im Studium und im Referendariat als Chance begreifen? Und welche Bedeutung hat das Engagement im Sozialrecht für die Gemeinschaft? Antworten auf diese und viele weitere Fragen sowie ein tolles Vorbild für Eure Karriere erhaltet ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!
Viel Spaß 🎉 und vielen Dank für Euer Feedback! 🙏🏼
Ramona Leutschaft berät neben ihrer Tätigkeit als Inhouse-Juristin pro-bono Mandate im Sozialrecht. Ihr findet sie in Norddeutschland.
Ohne die Hilfe von einigen AG-Leitern hätte ich das Examen nicht bestanden. Es ist wichtig, dass man solche Leute während der Ausbildung hat. Danke!
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Mein Name ist noch immer Marc Ohrendorf und heute spreche ich mit Ramona Leutschaft. Hallo Ramona.
Hallo Marc, danke für die Einladung.
Danke, dass du der Einladung gefolgt bist. Ich habe dich angeschrieben, das passiert gar nicht so häufig, dass wir noch Leute anschreiben, weil du auf LinkedIn was gepostet hast und zwar, dass du Syndikusanwältin bist und in Nebentätigkeit als Rechtsanwältin tätig. Und da dachte ich mir, hör, das ist aber eine Konstellation, die ich so auch noch nicht gehört habe, lass uns das mal im Podcast beleuchten.
Und das machen wir heute, weil sich sozusagen zusätzlich herausgestellt hat, dass du auch ansonsten einen ganz coolen Werdegang hast und dass dir schon ziemlich viel passiert ist. Und ich glaube, du bist ein Vorbild oder ein Fall, eine Person, von der man sich ein bisschen was auch abgucken kann für die eigene Karriere und du fällst auch so ein kleines bisschen aus dem Muster heraus, was wir hier sonst häufig im Podcast schon mal beleuchten und deswegen lohnt sich das, glaube ich, dass wir mal zusammen ein halbes Stündchen miteinander sprechen.
Aber wir fangen ganz vorne an, Ramona, stell dich bitte einmal kurz vor, wo kommst du her?
Also ich bin Ramona, ich komme aus Süddeutschland. Man hört es auch ein bisschen an dem rollenden R. Ich bin in der Nähe von Heidelberg aufgewachsen und habe dann nach dem Abitur das erste Mal in den Osten geschnuppert und ein FSJ in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück gemacht.
Oh.
Und dieses Jahr auch schon so genutzt, um zu überlegen, was ich denn nach meinem Abi machen will. Und weil ich da aber noch sehr viel Angst hatte, mich dem Jurastudium zu committen, habe ich noch ein Gap-Year gemacht und mich danach erst für Jura in Bonn beworben.
Was waren die Überlegungen für und gegen Jura und wo hattest du da Angst? Wovor?
Auch dadurch, dass ich gar nicht vorher irgendwie einen Bezug dazu hatte, eher einen negativen. Meine Eltern hatten mal einen Autounfall und da nicht den besten Rechtsanwalt, der sich darum gekümmert hat, hatte ich eher negative Erwartungen. Und auch dieses Narrativ, das hat sich bis zu mir und ich bin Arbeiterkind, also gar nicht in dieser akademischen Bubble, bis zu mir ist das vorgedrungen, Jura ist ganz trocken, ganz schwer und es hat mir Angst gemacht und hat mich auch erstmal abgeschreckt.
Und ich habe mir das nicht wirklich zugedauert, ob ich das kann ohne diesen familiären Background, ohne dieses Netzwerk. Und das hat ein bisschen gedauert, bis ich mir der Sache sicher war, dass ich das schaffen kann.
Ich glaube, das ist hier wichtig zu betonen, weil wir haben häufig die andere Seite hier im Podcast. Ja, mein Vater ist Notar oder mein Onkel war schon Anwalt und da habe ich so ein bisschen gemerkt, dass Jura vielleicht ganz interessant sein könnte und eben nicht BWL.
Und wenn man… Nicht bei vielen Menschen hier im Podcast, aber bei manchen so in der öffentlichen Debatte, wenn man mit Menschen redet, dann heißt es immer, ich habe das doch auch keinen Vorteil. Nur weil dein Onkel irgendwie Anwalt war, dann da reingerutscht zu sein, ist ja nicht unbedingt ein Vorteil.
Mag sein, aber wenn jemand diese Exponiertheit oder diesen Erfahrungsschatz eben nicht hat, dann ist das eben eine größere Hürde, wie dein Fall, glaube ich, ganz gut zeigt. Und dann macht man sich vielleicht ein paar mehr Gedanken, als zu wissen, ja okay, das läuft schon, weil man das so vorgelebt bekommen hat.
Genau, also auf jeden Fall, weil ich hatte auch niemand in meinem Umfeld, der mich ermutigt hat oder mir irgendwie auch so Sachen erklärt hat wie, da muss man irgendwann ins Repetitorium gehen und wie ist das Studium genau aufgebaut. Ich bin da sehr naiv drangegangen.
Ich dachte, ich studiere Jura, damit ich anderen Menschen helfe. Und meine Motivation war auch insbesondere zunächst Strafrecht, weil ich wollte Frauen oder marginalisierten Gruppen grundsätzlich helfen und dachte, da ist so das juristische Werkzeug genau der Ansatz, um diese Mission zu erfüllen.
In einem Extremfall führt eine solche Geschichte dazu, dass man über die Jahre hinweg ein bisschen vom Geld gelockt wird und dann vielleicht in einer großen Wirtschaftskanzlei landet nach acht Jahren. Studium, Referendariat etc. Die Geschichte haben wir ja auch schon gehört. Wir greifen mal gerade vorne weg. Wo arbeitest du heute?
Heute arbeite ich beim Arbeitgeberverband in Mecklenburg-Vorpommern für die Baubranche und nebenher noch als niedergelassene Rechtsanwältin und da übernehme ich bis dato Sozialrechtsmandate und das wickele ich dann pro bono ab.
Da hast du dir also ziemlich viel von deinem ursprünglichen Ideal zumindest dahingehend behalten, könnte man sagen, oder?
Ja, und man könnte jetzt auch die Kritik entgegenhalten, ja, Arbeitgeberverband, das ist ja die böse Seite, aber das ist zu kurz gedacht, weil wir haben eben Tarifvertragsparteien, wir haben Sozialpartner, wir versuchen ja ein Gleichgewicht in der Debatte zu haben, das ist ein Geben und Nehmen. Und was man auch nicht ganz vergessen darf, das hat mir eine Ausbilderin in meinem Referenariat gesagt.
Man sitzt als Arbeitgeber irgendwo, man hat den längeren Hebel in der Hand, aber man hat auch die Möglichkeit, was Gutes für den Arbeitnehmer noch herauszuhandeln, eben weil man beide Seiten gut beraten muss und man denkt ja auch die Arbeitnehmerseite mit und insoweit. Sage ich, ziehe ich mir diesen Schuh nicht an, so der böse Arbeitgeber, sondern das ist, ja, ausgewogen.
Nochmal kurz zurück zu deinem Studienbeginn. Ich habe ja auch in Bonn studiert und ich weiß, wie das da so läuft. Wie ging es dir da in den ersten Semestern? Was waren so deine Eindrücke?
Ja, also wenn ich ganz ehrlich bin, das war schrecklich. Ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann, Aber ich habe sehr lange Zeit gebraucht, da klarzukommen. Also in meinem Werdegang muss man auch noch mit beachten, ich habe nebenher bei Rewe an der Kasse gearbeitet von 19 bis 21 Uhr.
Ich habe super oft so Abend-Tutorien verpasst, wie schreibe ich eine Hausarbeit. Ich bin da so durch Studium gestolpert, ein bisschen planlos. Dann hatte ich noch einen Unfall und habe sehr viel Vorlesung verpasst, weil ich Ergotherapie hatte und bin dann durch den Zweitversuch Strafrecht gefallen, bin im Drittversuch gelandet.
Und das war für mich auch so die Katastrophe und ich dachte so, okay, jetzt werde ich exmatrikuliert und habe dann aber, und da muss ich sagen, auf der Professoren- oder AG-Leiterebene sehr viel Zuspruch bekommen und da hat sich jemand einfach meiner angenommen und hat gesagt, das kann doch nicht sein, dass du hier irgendwie so rumstolperst und mir Gutachtenstil beigebracht, dann war ich auch noch mal wirklich im fünften Semester, in der Erstsemesterveranstaltung und habe alles schön brav durchgezogen.
Wer hat das gemacht? Wer hat sich da für dich eingesetzt?
Das war also Christine Rost. Das war die AG-Leiterin. Und die heißt Federa oder irgend so ein, das war ein griechischer Name. Und sie ist jetzt Richterin am Verwaltungsgericht.
Ich müsste das nochmal nachschauen, wie sie heißt, weil ich habe das vergessen. Ich habe ihr aber durch die Jahre hinweg immer wieder E-Mails geschrieben. Ich habe jetzt mein erstes Examen bestanden, ich habe das zweite bestanden.
Und die war damals auch AG-Leiterin?
Genau, die war am Lehrstuhl von Professor Zatschik und sie, also ich stand da halt und habe geweint und habe gesagt, jetzt bin ich im Drittversuch, Hilfe. Und sie meinte so, okay Mädchen, nicht weinen, wir finden da eine Lösung.
Und da habe ich unfassbar viel Unterstützung bekommen. Und... Und das war, also es hat mich tief berührt. Und ich hatte am Ende, das muss man auch sagen, und das darf ich auch voller Stolz sagen, in der Drittversuchsklausur 14 Punkte.
Wow, super.
Und habe mit zu den drei Besten gehört. Also das ist auch so ein Turn eben. Es ist so ein, ja, nicht ein stringent erfolgreiches Studium, sondern es hatte Höhlen und Tiefen. Und um es ja vorwegzunehmen, wie bin ich denn überhaupt beim Arbeitsrecht und Sozialrecht gelandet? Ich hatte kurz vor dem Examen, vor meinem Freischuss, bin ich mit dem Fahrrad ins Juridikum gefahren und wurde dort von einem Linienbus überholt an einer Stelle, wo man nicht überholen darf.
Und ich war auf dem Fahrrad unterwegs und der Bus hat mich halt volle Kanone, er hatte noch beschleunigt, wischt und vom Fahrrad geschleudert. Mein Fahrrad lag dann unterm Bus. Ich hatte Glück, dass ich da nicht zerquetscht wurde.
Ich lag neben dem Bus und war verletzt. Und meine größte Sorge in dem Moment war, wo ist mein Altmann-Schmidt-Ordner? Weil der ist natürlich auch vom Fahrrad geflogen und da waren meine wichtigen Unterlagen für Öffrecht drin. Und das war wirklich einschneidend.
Ich habe das auch sehr unterschätzt zu Beginn. Ich habe diese Verletzung durch das Adrenalin auch nicht ernst genommen, aber mein Knie war wirklich hinüber. Ich hatte Prellungen.
Und ja, da musste mal ein Examen verschoben werden. Das war auch hart, weil die Ärzte meinten, ja, dein Gehirn ist ja in Ordnung. Du kannst ja trotzdem ins Examen.
Und da sieht man wieder, wie in unserer juristischen Bubble, wenn ich das jemandem erzähle, der denkt sich nur so, oh mein Gott, das ist ganz schlimm. Und außerhalb unserer Bubble kriegen die Leute ja gar nicht so mit, was Examsvorbereitung heißt, was für ein psychischer Stress das auch einfach ist und dann erstmal mich darum zu kümmern, okay, ich brauche jetzt einen OP-Plan, ich brauche mehrere Eingriffe, da geht Lernzeit drauf, ich muss zur Physiotherapie, ich kann mich nicht frei bewegen, ich muss immer mit Krücken rumlaufen.
Das sind ja auch wieder Punkte, die Zeit fressen und Nerven kosten.
Wahnsinn.
Ja, aber jetzt kommt der Turn. Ich habe mich vor dem sozialgerichtlichen, im sozialgerichtlichen Verfahren habe ich mich selbst vertreten und musste halt in dem Widerspruchsverfahren auch fundiert argumentieren, warum ich anderer Auffassung bin als die Berufsgenossenschaft.
Worum ging es denn inhaltlich dann in dem Verfahren?
Es ging darum, ob man den Unfall als Arbeitsunfall ansehen kann nach dem Unfallversicherungsrecht, § 7 fortfolgende. Mit welchen Folgen? Mit den Folgen, dass ich dann natürlich berufsgenossenschaftlich komplett abgesichert bin und auch langfristig in 40 Jahren, wenn dann irgendwie noch Spätfolgen mit dem Knie sind, da einfach komplett abgesichert bin und da einen Ansprechpartner habe, einen Versicherer.
Und ja, Habe dann eben mich selber drum gekümmert. Bin dann mit meinen Klücken in die entsprechende Etage im Juridikum gehoppelt und habe dann meinen Widerspruch selber zusammengefasst. Habe dabei gemerkt, dass Sozialrecht ziemlich cool ist.
Wollte die Rücksprache haben mit jemandem, der Ahnung hat. Und der Weg war dann für mich, gut, da muss ich halt in die entsprechende Vorlesung gehen. Und die findet halt nun mal im Schwerpunkt Arbeitsrecht und Sozialrecht statt.
Und das war dann so mein Weg dorthin. Und ich habe gemerkt, Arbeitsrecht ist nicht nur Individualarbeitsrecht, sondern eben auch Kollektivarbeitsrecht, Gewerkschaften, Betriebsräte. Und das fand ich unfassbar spannend. Und ich hatte so tolle Professoren und so eine tolle Truppe.
Das hat so viel Spaß gemacht. Also hat der Unfall ja doch nochmal zu was getaugt.
Coole Geschichte auf jeden Fall. Das war dann Professor Waltermann, nehme ich an.
Ja, der hat sich meinen sozialrechtlichen Fragen dann konfrontiert gesehen in den Pausen, hat er dann zwischen den Vorlesungen, hat er mir dann auch Tipps gegeben. Und zum Beispiel, was ich nicht wusste und was kaum einer weiß, der Kausalitätsbegriff im Unfallversicherungsrecht ist ein anderer als der aus dem Strafrecht zum Beispiel.
Und dass da eben so Vorerkrankungen, sogenannte habituelle Veranlagungen der Extremitäten, wenn man da irgendwie schon mal Verletzungen hatte, dass das die Kausalität eben auch aufhebt. Und das war auch eine Erkenntnis, die ich machen musste in dem Verfahren.
Hast du es gewonnen am Ende?
Nein.
Ach, schade.
Ja, weil ich eben eine habituelle Veranlagung hatte, dass meine, ja, meine Kniescheibe, die am Ende gesplittert ist, die hatte ich davor irgendwann schon mal verletzt gehabt und ja, deswegen ist dann die BG auch raus.
Okay, trotzdem ist deine Liebe fürs Sozialrecht immerhin dann geblieben.
Mhm, ja.
Und dann hast du Referendariat gemacht, in Rostock hast du mir im Vorgespräch erzählt.
Genau, das Oberlandesgericht Rostock. Die haben sehr gutes Marketing, sehr tolle Aufmachung mit Richtern in Robe, Richterinnen in Robe, vor allen Dingen auch am Strand und wir arbeiten, wo andere Urlaub machen. Und dadurch, dass ich Rostock auch schon kannte durch meinen FSJ, da war ich einige Male in Rostock gewesen, habe ich gedacht, okay gut, ich romantisiere das sowieso am Meer zu leben, das ist jetzt die Gelegenheit.
Und man hat hier auch eben durch die Verbeamtung mehr Geld gehabt am Ende des Mordes.
Ah ja, das ist ein großer Unterschied, wenn man da verbeamtet auf Widerruf wird im Referendariat.
Genau, mhm, mhm.
Gut, Reff durchgezogen. Du wusstest aber noch nicht so ganz genau, was du dann machen wirst, nehme ich an.
Ich muss sagen, so richtig durchgezogen habe ich es auch nicht. Ich bin einmal durchgefallen.
Okay.
Also ich habe es versucht durchzuziehen, aber ich habe mir sehr schwer getan, meinen Platz zu finden. Und so diese Begeisterung, die ich in meiner Gruppe hatte, Schwerpunkt, da hatte ich ehrlich gesagt gehofft, dass ich auf Gleichgesinnte treffe. Und dann bin ich nach Rostock gekommen.
Es war Corona. Man hatte Online-Veranstaltungen ganz viel und eben auch diese Frustration und Enttäuschung, die ich durch die Justizstationen erlebt habe.
Das war einfach mies, ja?
Ja, das hat nicht so wirklich Spaß gemacht. Es war nicht so ein kollegialer Austausch und mich hat es auch teilweise erschreckt, wie die Richter mit den Personen umgegangen sind. Also ich kann mich an eine Sache erinnern, da hat eine Dame angefangen zu weinen, sie war verklagt worden und wusste einfach vorher nicht, sie war Restaurantbesitzerin, dass sie einen Gitarristen, den sie engagiert, nicht GEMA-lizenzierte Lieder coveren lassen darf.
Und sie hatte einfach nur geweint und hatte sowieso schon eine plikete wirtschaftliche Situation wegen Corona und hat auch nicht verstanden, was ein Versäumnisurteil ist. Und der Richter wollte ihr das auch nicht erklären. Und ich habe ihn dann irgendwann unterbrochen und habe gesagt, können Sie nicht sagen, was ein Versäumnisurteil ist? Sie versteht das einfach nicht.
Und danach im Vier-Augen-Gespräch war er sehr wütend auf mich und meinte, sie können mich A, nicht unterbrechen und B, muss man das einfach wissen als Restaurantbetreiber, dass man sowas nicht machen darf. Und das fand ich irgendwie sehr hart.
Das hat mir irgendwie so wehgetan, weil das hat ja gewisse Gründe, wenn eine Person da ohne Anwalt sitzt oder irgendwie Hürden sieht, Angst hat. Und das fand ich irgendwie sehr erschreckend.
Okay, dann war das leider raus.
Ja, und ich war so grundsätzlich irgendwie unsicher, was soll ich mit meinem Leben anfangen, wo geht das hin. Ich wollte auch nicht ausschließlich juristisch arbeiten, das habe ich dann auch gemerkt, nur immer irgendwelche juristischen Gutachten anfertigen, würde mich irgendwie auch nicht erfüllen.
Und ja, dann kam das eine zum anderen und ich bin durch das Assessorexamen gefallen. Und das war irgendwo auch ein Schock, natürlich. Aber nach einer gewissen Bedenkzeit habe ich dann entschieden, ich ziehe das jetzt durch, ich mache das weiter, ich setze mich hin, ich gebe nochmal alles und dann ist es ja auch gut gelaufen.
Was hast du beim zweiten Mal anders gemacht als beim ersten Mal oder war es einfach beim ersten Mal vielleicht auch ein bisschen Pech mit Klausuren etc.?
Beim zweiten Mal war ich besser vorbereitet. Ich hatte mehr Klausuren geschrieben, ich hatte mehr gelernt und ich muss auch ehrlich zugeben, beim zweiten Mal war ich bei einem kommerziellen Rap nochmal. Das war auch online, wöchentlich und ich war in NRW quasi hybrid dabei und das war irgendwie sehr schön und ich hatte mehr Klausuren geschrieben.
Und ich bin einfach ein visueller Typ. Ich musste mir anklagen, diese ganzen Sachen für die Staatsanwaltschaftsklausur. Ich habe mir das alles wirklich in mein Badezimmer gehängt. Und beim Zähneputzen bin ich jedes Mal dieses Schema da durchgegangen.
Ich konnte das irgendwann auswendig und habe dadurch super viel Zeit gespart. Und ich war einfach besser vorbereitet. Ich habe einfach meinem Lerntyp entsprechend gelernt und habe meine ganze Wohnung mit Lernkarten tapeziert und das hat sich dann ausgezahlt.
Cool, sehr schön. Also dein Lebenslauf, du hast ja auch wirklich den ein oder anderen Rückschlag hinnehmen müssen, der ist wirklich ein tolles Beispiel dafür, wie man trotz dieser Rückschläge zum einen es schaffen kann mit dem Volljurist werden und zum anderen glaube ich auch ganz zufrieden sein Leben leben kann. Also du machst auf mich einen sehr zufriedenen Eindruck, wenn ich das so sagen darf.
Und du hast noch Zeit für Pro-Burno-Arbeit. Also lass uns mal gar nicht so sehr auf deinen Hauptjob eingehen. Bist Syndikusanwältin beim Arbeitgeberverband, alles klar, wir haben ein bisschen was dazu gesagt, was du dort tust.
Spannend finde ich eigentlich wirklich, dass du in Nebentätigkeit Rechtsanwältin bist. War dir die ganze Zeit klar, dass das geht? Erste Frage. Zweite Frage. Was machst du da eigentlich jetzt genau im Sozialrecht pro bono?
Tatsächlich ist es ja so, dass es eine Besonderheit ist, Syndikusrechtsanwaltszulassung zu haben und noch die niedergelassene Stätigkeit. Und da gab es ja auch super lange eine ganz andere Rechtsprechung. Und wie ist das überhaupt mit Inhouse-Juristinnen und Juristen? Und das war ja auch irgendwie eine Entwicklung, die da zugunsten der Syndikusanwälte gelaufen ist.
Jetzt ist es aber so gewesen, dass mein Chef mir tatsächlich diesen Tipp gegeben hat, ja, mach das noch nebenher mit der niedergelassenen Tätigkeit. A, hat es einfach steuerliche Vorteile und B, du kannst dir nebenher einfach was dazu verdienen.
Und mir nebenher was dazu verdienen, mache ich aktuell durch Lehraufträge, sodass ich das mit dem niedergelassenen Rechtsanwalt nicht so die Dringlichkeit gesehen habe. Aber ich habe es einfach mal gemacht, weil man einfach nie weiß und es ist, wie sagt man so schön, besser haben als brauchen.
Und dann habe ich schon in meinem Ref gemerkt, dass es gar nicht so leicht ist, gute Sozialrechtsanwälte zu finden. Das ist einfach so. Und die sind a, rar und b, dass die auch wirklich den Nerv haben, sich hinter dieses einzelne Mandat mit Herzblut zu klemmen und sehr viel, ja, so Detailarbeit.
Das ist nicht möglich, wenn man super viel arbeiten muss und super viel auf dem Tisch hat. Und ich weiß ja, wie es in meinem Fall war und als ich mich selber verteidigen musste und dass da eben auch so eine Hürde ist, suche ich mir Rechtsbeistand, wie ist das mit dem Bezahlen und auch einfach so eine.
Das muss man sich auch bewusst machen, wie in unserer Bubble, für uns so völlig normal ins Gericht reinzugehen. Wir kennen uns aus, wir wissen, dass uns keiner den Kopf abreißt, dass es da auch Fangnetze gibt und dass man auch weich fallen kann, wenn irgendwas schief geht in der Verhandlung, im Prozess, wie auch immer, dass es da Möglichkeiten gibt, das noch zu korrigieren, aber das weiß ja jemand außenstehendes nicht.
Und ich bin tatsächlich durch Mundpropaganda an mein erstes Mandat rangekommen. Jemand kannte jemanden, der jemanden kannte, der Hilfe brauchte und hat gesagt, du bist doch Rechtsanwältin. Und dann war das halt ausgerechnet auch noch Sozialrecht und dachte ich so, hey, bingo, das ist genau das, was mir Spaß macht.
Und natürlich auch, dass der Fall, der dahinter steht, in diesem Fall ging es um Rentner, die aufgrund von ihrer körperlichen Einschränkung nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben konnten und ausziehen mussten. Und es ist so, dass die Krankenkassen das subventionieren müssen, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und man eben dann in ein altersgerechtes, betreutes Wohnen zieht, dass diese Umzugskosten übernommen werden.
Und hier hat sich die Krankenkasse einfach geweigert und das total verschleppt. Und dann haben wir uns der Sache angenommen, also die Kinder dieser Rentner und ich gemeinsam und jetzt plötzlich kommt da Bewegung rein und das ist irgendwie ganz schön zu sehen.
Klar, und da geht es um Umzugskosten von ein paar tausend Euro wahrscheinlich.
Genau, also 4.000 Euro sind das Maximal vom Gesetzgeber her und es geht um fast 4.000 Euro.
Wie viel Zeit kostet dich das? Ich meine, das will ja auch, wie du gerade sagst, gut betreut sein, mehr als mal gerade so nebenbei das zu machen. Wie viel Investment steckst du da rein? Und jetzt mal so, ja vielleicht ein bisschen plump gefragt, was ziehst du da raus, sodass sich das für dich lohnt?
Also es ist tatsächlich schon anstrengend, das alles zu jonglieren neben einem Vollzeitjob. Aber ich nehme mir wirklich die Zeit, da mit den Leuten zu sprechen, mit denen zu telefonieren, ihnen auch Dinge zu erklären. Und ich versuche es auch immer so adressatengerecht zu machen, dass ich da nicht die typische judistische Terminologie benutze, sondern es unterbreche, was jetzt genau passiert, was der nächste Schritt ist, dass wir auch warten müssen, dass...
Hallo! Dass ich das auch wirklich erkläre und deutlich mache, so, wir kriegen das hin, wir sind zusammen im Boot, die einzelnen Schritte, die Abläufe, dass man das so deutlich macht und da nehme ich mir diese Zeit und das ist, die nehme ich mir dann auch einfach gerne und die nehme ich mir auch wirklich, also so, das ist dann auch am Wochenende und abends und ich sage, hey, ruft mich nochmal an und sagt Bescheid, was ihr wollt und dann, ja, mache ich das und Warum? Warum ich das mache? Weil ich A weiß, wie das war, als ich Hilfe gebraucht habe und sie nicht hatte und B, ja auch diese Erfahrungen mit den Hürden, denen man als, ich nenne es jetzt einfach mal, normalo begegnet.
Und man hat ja nicht diese Erfahrung, man ist nicht so abgebrüht, man ist nicht so geübt, man hatte einfach so diesen Respekt oder die Angst und die will ich einfach Menschen nehmen, weil es ist alles gar nicht so schlimm oder auch so hochtrabend, wie immer getan wird. Und das ist ja auch ein gutes Recht, dass ich mein Recht bekomme und dass mir jemand hilft und dass mir das jemand erklärt.
Und warum soll ich denn dann von oben herab so, ach, ich bin jetzt die Rechtsanwältin und so, das ist ungerecht und das will ich nicht. Das gehört sich einfach.
Ramona, ich glaube, du hast gerade vielen Menschen Lust darauf gemacht, als Anwältin oder Anwalt tätig zu sein. Und ich finde, man sieht ganz schön, wie sich dieses ursprüngliche Motiv, warum du Juristin geworden bist, da auch heute noch niederschlägt. Und ich danke dir ganz herzlich, dass du deine Geschichte hier geteilt hast, weil das wirklich eine außergewöhnliche Geschichte ist.
Und ich glaube, viele Menschen, die gerade im Studium oder im Referendariat noch stecken, auch etwas hoffentlich beruhigen wird und ein bisschen inspirieren wird. Dankeschön.
Gerne. Sehr, sehr gerne.
Tschüss.
Tschüssi.