"Es ist schon oft vorgekommen, dass ich morgens in die Privathäuser von Mandant:innen gefahren bin. Das sind ja Leute, die auch wohlhabend sind, die werden dann häufig auch zuhause durchsucht – und dann steht die Polizei oder die Steuerfahndung vor der Tür, die Familie hat noch einen Schlafanzug an. Und dann wird halt die Bude ausgeräumt. Das kann schon passieren. Und da ist es eben wichtig, dass du dann Ruhe bewahrst und dann Halt gibts in so einer Konstellation."

Wirtschaftsstrafrecht | Compliance | Durchsuchungen | Steuerstrafrecht

Folge 148 deines Jura-Podcasts zu Job, Karriere und Examensthemen.

Heute bei IMR: Der Frankfurter Wirtschaftsstrafrechtler Dr. Christian Rosinus. Christian berät in wirtschaftsstrafrechtlichen und Compliance-Fragen mit seinem anwaltlichen Team. Hört in dieser Folge, was das konkret bedeutet, welche neuen Felder sich im Rahmen der digitalen Tranformation auch in strafrechtlicher Hinsicht auftun und wie die Beratungspraxis in den Morgenstunden aussieht. Wieso wollte Christian bereits im Alter von 14 Jahren Anwalt werden? Wie sieht sein typischer Arbeitsalltag aus? Welche Aufgaben nimmt er im Rahmen von Durchsuchungen wahr? Welche Delikte werden typischerweise im Wirtschaftsstrafrecht begangen? Wie wird im Bereich der NFT-Schneeballsysteme strafrechtlich ermittelt? Welche internationalen Bezüge gibt es im Wirtschaftsstrafrecht? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt es in dieser spannenden Folge. Viel Spaß!

Inhalt:

  • 00:00 Sponsor: EBS Universität
  • 01:06 Intro
  • 01:16 Einleitung
  • 01:51 Werdegang Dr. Christian Rosinus
  • 04:51 Unterschied zwischen Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht
  • 11:08 Arbeitsalltag im Wirtschaftsstrafrecht in Frankfurt
  • 12:29 Wie läuft eine Durchsuchung ab?
  • 19:49 Delikte im Wirtschaftsstrafrecht
  • 21:18 Ermittlung bei NFT-Schneeballsystemen
  • 23:21 Internationaler Bezug im Wirtschaftsstrafrecht
  • 31:11 Criminal Compliance Podcast von Dr. Chrostian Rosinus

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Transkript


Christian Rosinus 0:05:22
Ja, also ich kann es jetzt nur fürs Steuerrecht sagen oder die steuerliche Gestaltung. Ich habe da ein Praktikum mal gemacht im hohen Semester und später dann halt Referendariat, bei einer Großkanzlei. Und du bist da sehr stark auch tätig im Kontext mit Unternehmenstransaktionen oder Umstrukturierungen. Und dann geht es eben darum, wie kann ich welche Gesellschaft wohin verschieben, möglichst steuerneutral, dass ich ein optimales steuerliches Ergebnis erziele. Also guckst, dann gibt es da Doppelbesteuerungsabkommen, kannst du eine Muttergesellschaft auf eine Tochtergesellschaft verschieben, all diese Gestaltungsmöglichkeiten. Und das hat halt eine steuerrechtliche Grundlage häufig, eine Voraussetzung. Und da musst du schon ein dickes Brett bohren und musst dich auch sehr tief in die steuerrechtliche Rechtsprechung, Literatur einarbeiten. Und dann musst du quasi ein Konzept entwickeln, das dann später von den Gesellschaftsrechtlern zum Beispiel umgesetzt wird. Und das ist natürlich eine Tätigkeit. Da sitzt du halt jeden Tag acht, neun Stunden am Schreibtisch und denkst dir was aus und die Partner machen dann sozusagen den Außenkontakt, wenn überhaupt. Oft sind das auch sozusagen Supportfunktionen für andere Bereiche in der Kanzlei. Und ich persönlich, das ist eine tolle Beschäftigung für Leute, die sozusagen gerne so eine Art von Arbeit machen. Das finde ich auch gar nicht schlimm und da kann man auch tolle Erfolge erzielen. Aber für mich, ich bin eher der Litigator, sage ich mal, ich gehe halt gerne raus, ich mache halt gerne vielleicht auch mal einen Schriftatz oder so und gehe vielleicht auch ab und zu mal gerne zu Gericht oder in eine Verhandlung. Und das hat mich an der Stelle einfach nicht so begeistert. Muss ich klar sagen, ich dachte ursprünglich, ich will unbedingt Steuerrecht machen, aber das hat sich dann als Ruckschluss rausgestellt. Heute mache ich sehr, sehr viel Steuerstrafrecht, bin auch Fachanwalt für Steuerrecht, neben Fachanwalt für Strafrecht. Also ich bin im Steuerrecht treu geblieben. Ich verstehe auch, um was es da geht. Aber diese reine Gestaltungsberatung hat ich persönlich, nicht meine Welt. Also diese Gutachtenschreiberei, das ist nicht mehr.
Christian Rosinus 0:13:09
Also du kannst bei einer Durchsuchung eigentlich ein paar ganz banale Grundregeln beachten. Alles andere ergibt sich dann in dem Moment. Das erste, was du mal gucken musst, warum wird überhaupt durchsucht? Also eine Durchsuchung kann ja stattfinden bei einem Dritten, weil er Zeuge oder Zeugin ist oder auch bei einem Unternehmen, weil das Unternehmen sozusagen vielleicht Mitarbeiter hat oder in einem Kontext involviert ist, wo man eben Beweismittel sucht. Das heißt, das ist eine andere Konstellation, als wenn sozusagen jemand oder das Unternehmen selbst im Rahmen von einem Bußgeldverfahren beschuldigt ist. Das ist mal die erste Weichenstellung. Daran orientiert sich vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad. Das Verhalten hinter Durchsuchung. Wichtig ist ja, dass quasi wenn jetzt, wenn wir jetzt von einer blauen Versicherung reden, die ich jetzt persönlich nicht kenne, wenn jetzt die blaue Versicherung sozusagen nicht möchte, dass sowas öffentlichkeitswirksam auch nach außen gerät, ist es natürlich wirksam, sowas möglichst schnell und möglichst geräuschlos zu erledigen. Das heißt, es bietet sich häufig an, in so einer Konstellation auch zu kooperieren. Das empfehle ich sowieso Unternehmen in der Regel. Das heißt, das erste ist, du lässt dir den Durchsuchungsbeschluss zeigen, guckst erst mal an, was ist der Vorwurf? Das kann ein ganz vielfältiger Bereich sein. Das kann von Betriebsunfällen gehen, die untersucht werden, bis hin zu Steuerhinterziehung, Börsenthemen, Kartellthemen. Also das ist ein ganz großes Spektrum, was da sein kann. Und da geht es aber in dem konkreten Moment gar nicht drum, sondern es geht darum, da in den Durchsuchungsbeschluss steht hoffentlich drin, welche Orte durchsucht werden soll, was konkret gefunden werden soll. Und dann stellt man das eben zusammen. Und wichtig ist, dass eben in diesem Moment erst mal keine Aussagen zum Beispiel gemacht werden. Also was ein ganz großer Fehler ist, dass man dann so eine Rechtfertigungssituation gerät oder irgendwas ausräumen will und so weiter und so fort. Und das ist sozusagen auch eines, worauf ich achte, dass ich eben dann sofort in Kontakt mit den zum Beispiel der Staatsanwaltschaft oder den Behördenvertretern trete, sage hier, ich bin Rosinos, bin jetzt, beauftragt, kennen natürlich überhaupt nicht den Vorgang, den es hier geht.
Christian Rosinus 0:24:15
Das gebe ich dir jetzt einfach mal in Juristenantwort. Das kommt drauf an. Also manchmal gibt es zum Beispiel in einem Land ein Verfahren, wo du das Gefühl hast, das könnte auch auf ein anderes Land überschwappen, dann musst du gucken, dass du das irgendwie möglichst verhinderst. Oder dass du sagst, du gehst dir strategisch an und machst zum Beispiel in mehreren Ländern dann. Proaktiv eine Meldung an die Behörden zum Beispiel. Das sind zum Beispiel Themen, die es quasi international oder Rechtshilfe ersuchen. Das heißt, es gibt quasi eine Behörde, die in einem Land ermittelt und dann Rechtshilfeersuchungen stellt in andere Länder und da versucht, Beweismittel zu generieren. Aber auch interne Untersuchungen. Wenn du jetzt zum Beispiel ein Korruptionsthema hast, dann ist ja davon nicht nur ein Land betroffen, sondern es ist meistens dann bei einem internationalen Konzern auch, sind auch mehrere Tochtergesellschaften involviert. Das heißt, du musst dann international auch eine interne Untersuchung machen, musst dann da auch gucken, was gibt es da für jeweils Vorschriften? Gibt es da steuerliche Regime? Muss ich da möglicherweise Steuererklärungen machen? Muss ich mich da an Behörden melden? Und das ist quasi ein relativ hoher Koordinationsaufwand. Und was du ja unbedingt verhindern willst, wenn du jetzt jemand vertrittst, der quasi Beschuldigter ist oder ein Unternehmen, dass es zu einer Doppelbestrafung kommt. Das heißt, das Ziel ist ja immer, wenn sozusagen was vorgefallen ist, was sanktioniert wird, dass die Sanktion auch miteinander abgestimmt wird. Das heißt, in dem Moment musst du dann in Behördenkommunikation treten. Da gibt es dann auch Vorschriften, zum Beispiel in der Europäischen Union gibt es ein Nebis in IDEM. Das heißt, du kannst nur wegen einer Tat in einem Land verurteilt werden. dann bist du in allen anderen Ländern gesperrt. Dann musst du die Voraussetzungen prüfen. Und haben wir zum Beispiel gerade ein größeres Thema gehabt, mit Griechenland, wo wir quasi eine deutsche Einstellung eines Verfahrens in Griechenland vorbringen als Nibissin Idem. Oder umgekehrt haben wir kürzlich zum Beispiel eine Verurteilung aus Österreich, gehabt, die wir quasi in Deutschland damit das Strafverfahren beendet haben, indem wir diesen quasi diesen Grundsatz des Nibissin Idem genannt haben. Und es gibt halt nun mal die Welt wird internationaler, die Menschen sind mobiler. Und dann gibt es vielleicht für einen dieselbe Tat in fünf oder sechs Ländern einen Anknüpfungspunkt. Und mit diesem Thema musst du spielen auf der einen Seite und auf der anderen Seite musst du gucken, dass es nicht sich verfünffacht, das Problem. Und davon brauchst du halt gute internationale Beziehungen zu internationalen Kolleginnen und Kollegen, mit denen du gut abgestimmt dann so ein Verfahren noch führen kannst.
Marc Ohrendorf 0:26:42
Okay, verstehe. Das ist also der internationale Aspekt. Im Folgenden kommt mir so ein bisschen noch in den Sinn, wo ich gerade dir Zuhörer parallel so über Wirtschaftsstrafrecht nachdenke und auch über so Steuerstrafrecht, dass es ja auch auf der Sanktionsseite öfters mal zumindest politische und gesellschaftliche Diskussionen nach sich zieht. Was meine ich damit? Sagen wir mal, zum Winkel vor zig Jahren oder Uli Hoeneß die Steuern in Millionenhöhe hinterziehen und dann groß in der Zeitschrift mit vier Buchstaben irgendwie auftauchen, und dann kriegen die zwei Jahre auf Bewährung bzw. vielleicht sogar ein kleines bisschen mehr. Einer der beiden Beteiligten hat dann ja sogar ein bisschen Zeit abgesessen und das führt natürlich zu sehr, sehr vielen Diskussionen in der Gesellschaft, dass man sagt, guck mal, ich hab hier diese Kleinigkeit gemacht, bin 10 kmh zu schnell gefahren und krieg dafür schon irgendwie 100 Euro Bußgeld und die machen Millionen, hinterziehen da irgendwie Millionen und müssen nicht mal ins Gefängnis und so weiter. Ich persönlich, finde das läuft relativ gut in unserem Staat und es ist auch mit einer juristischen Brille häufig erklärbar wie diese Urteile zustande kommen. Aber dennoch ist es ja schwer vermittelbar, gerade auch für Nichtjuristen. Teilst du das, dass es da ein paar Probleme oder zumindest Klärungsbedarf gibt oder sagst du naja ach komm das sind irgendwie irgendwelche Einzelfälle, Die sind zwar prominent, aber am Ende des Tages, who cares?
Christian Rosinus 0:29:11
Das heißt, wir müssen, glaube ich, ganz, ganz deutlich darauf hinweisen in so einem Kontext, es gibt nun mal prozessuale Vorschriften und es gibt Kriterien, wie eine Strafe zu bemessen ist. Und es geht nicht darum, quasi für eine Zeitung oder für die Öffentlichkeit irgendeinen Straf festzusetzen. Sondern es geht immer um einen Menschen, der hat ein individuelles Schicksal, der hat individuelle Sorgen, Nöte und Beweggründe. Und das hat das Gericht in dem Fall zu würdigen. Und auch mir erscheinen manche Urteile aus der Fernsicht, wenn ich den Fall nicht kenne, seltsam. Also da frage ich mich, wie kommt man zu so einer Strafzumessung? Aber ich war nicht dabei und ich weiß gar nicht, was da gesprochen worden ist, welchen Eindruck die Angeklagten gemacht haben, wie sie sich verhalten haben, wo die herkommen, mit welchen Traumata sie sozusagen durchs Leben gehen. Und eine schuldangemessene Strafe ist immer eine persönliche Strafe. Und unser Prozessrecht, in der in der Stelle bin ich sehr zufrieden mit unserer Prozessordnung, sorgt eigentlich dafür, dass jedenfalls das Verfahren bis zum Urteil grundsätzlich ein Verfahren ist, das möglichst transparent und gerecht ist. Da gibt es Dinge, da kann man sich darüber streiten, dass man beim Landgericht zum Beispiel kein Wortprotokoll führt, aber beim Amtsgericht und so, da fragt, man sich immer, wie kommt man auf so eine Idee, oder was wir nur zwei Instanzen im Strafrecht haben häufig. Da lässt sich viel kritisieren, aber wir sind immer noch ein Rechtsstaat. Und meine Aufgabe als Strafverteidiger ist auch nicht, Gerechtigkeit herbeizuführen. Meine Aufgabe ist, einen verfahrensförmlichen Weg mit meinen Mandanten zu bestreiten, damit ein möglichst schuldangemessenes Ergebnis dabei rauskommt. Oder auch kein schuldangemessenes Ergebnis, sondern vielleicht auch einen Freispruch, weil es verfahrensrechtlich gar nicht anders geht. Das ist meine Aufgabe. Und an der Stelle sind wir Teil des Rechtsstaats. Und ich glaube, wir sind gut daran getan, diese Institutionen, die wir da haben, auch entsprechend zu respektieren.

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Dr. Christian Rosinus

Dr. Christian Rosinus Rechtsanwalt, Rosinus Partner

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