Nadja Raiss, Partner | K&L Gates
Restrukturierung - Insolvenz - Insolvenzverwalter - Eigenverwaltung - Sachwalter - Sanierung - Unternehmenskrise - Gläubiger - Insolvenzgeld - Liquiditätsplanung - Zahlungsunfähigkeit - Insolvenzverschleppung - Mitarbeiterversammlung - Kommunikation im Krisenfall - Geschäftsbetrieb Fortführung - StaRUG (Sanierungs- und Restrukturierungsgesetz)
In der 287. Episode von IMR begrüßt Marc Nadja Raiß, Partnerin in der Praxisgruppe Restrukturierung und Insolvenz bei K&L Gates in Frankfurt. Die Folge thematisiert die Unterschiede zwischen traditioneller Anwaltspraxis und dem Bereich der Restruktu...,
K&L Gates LLP ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit Hauptsitz in Pittsburgh, Pennsylvania, die weltweit über 45 Büros unterhält. In Deutschland ist die Kanzlei mit Büros in Berlin, Frankfurt am Main und München vertreten, die eng zusammenarbeiten, um umfassende rechtliche Beratung in Bereichen wie Restrukturierung, Gesellschaftsrecht, M&A, Immobilienrecht und gewerblichem Rechtsschutz anzubieten.
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Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht. Heute sitze ich an einem relativ kühlen Morgen für euch in Frankfurt mit einem wunderschönen Blick runter auf die Frankfurter Oper bei K&L Gates und ich spreche mit Nadja Reis. Hallo Nadja.
Hallo.
Nadja, was machst du hier?
Ich bin hier Anwältin.
Partnerin.
Partnerin, natürlich Anwältin und Partnerin in der R&I Praxisgruppe Restrukturierung und Insolvenz.
Das ist ein bisschen, hast du mir im Vorgespräch erzählt, etwas anderes als das klassische Anwaltsgeschäft, weil man anders an Mandate rankommt, weil man ein bisschen anders abrechnet, weil man inhaltlich natürlich was anderes macht als im Arbeitsrecht oder einer M&A-Transaktion. Da gehen wir nachher mal ein bisschen näher drauf ein.
Ich glaube, es ist ein Gebiet, was wir hier im Podcast zwar schon mal hatten, aber nicht aus der Perspektive, wie du das bearbeitest, um mal hier den ultimativen Teaser vorne ranzustellen. Aber wer den Podcast kennt, weiß, was die nächste Frage sein wird, nämlich wie bist du zu Jura gekommen?
Wie bin ich zu Jura gekommen? Also wenn du meine Eltern fragen würdest, dann war das schon immer mal naturell zu diskutieren, Sachen durchzusetzen. Ich war natürlich Schülersprecherin in der Schule und es gibt tatsächlich diese Alben, diese Steckbriefalben, die man früher in der Schule ausgefüllt hat, was Berufswunsch ist und da steht Rechtsanwältin drin.
Also bei mir, seitdem ich schreiben kann tatsächlich. Wo das herkommt, warum das so ist, kann ich tatsächlich nicht beantworten.
Also keine familiäre Vorprägung?
Keinerlei familiäre Vorprägung. Niemandem in meinem familiären, engeren, weiteren Umfeld der Anwalt ist. Aber ich dachte immer schon, das ist genau mein Ding.
Hast du einen starken Gerechtigkeitssinn?
Ich meine ja.
Das ist glaube ich bei mir der ausschlaggebende Punkt gewesen, warum ich Jura studiert habe und Anwalt werden wollte, weil ich immer den Eindruck hatte, wenn was unfair ist beim Sport, wenn mal eine Fehlentscheidung gefallen ist oder so. Es hat mich immer über die Maßen aufgeregt.
Ja, das war schon, wenn man Schülersprecherin ist, schon so, dass man sich für Interessen einsetzt, dass man versucht, gute Dinge durchzusetzen und da gemeinschaftlich auch auf irgendwas hinarbeitet, was dann alle zufrieden stellt. Und natürlich, wenn man was sieht, wo man furchtbar Ungerechte findet, will man natürlich da irgendwas dagegen machen.
Ob man sich da jetzt nur einmischen sollte oder nicht, ist dann die andere Frage, aber ja, das ist so.
Wo hast du Jura studiert?
Hier in Frankfurt.
Ah, okay.
Ich habe tatsächlich hier in Frankfurt studiert. Ich komme aus der Nähe von Frankfurt und bin auch nicht weggezogen seinerzeit, sondern da geblieben. Das war dem Umstand geschuldet, dass ich damals Basketball gespielt habe, auch eine Zeit lang in der zweiten Bundesliga und dementsprechend nicht weg konnte.
Was ist das hier mit diesen Basketballspielern im Podcast? Wir hatten neulich Sebastian Köhler von Grünenthal, der hat auch bis ganz am Ende, er meinte, er hatte noch irgendwie ein wichtiges Spiel vor der mündlichen Prüfung im Ref, auch so ein Basketballer. Was ist das mit Basketball? Aber gut, Hockey ist hier in Frankfurt aber auch groß.
Habe ich gehört. Ja, Hockey ist hier ganz groß. Das ist jetzt der neueste Shit.
Okay, also Basketball und dann hast du weiter irgendwie das gemacht.
Ja, ich habe weiter gespielt tatsächlich, habe auch eine Mannschaft trainiert, eine Jugendmannschaft trainiert und habe auch damit aufgehört, kurz vorm ersten Examen, um mich dann aufs Examen vorzubereiten, ja.
Und das hat dich so gefesselt, dass dir klar war, das wird ein wichtiger Bestandteil bleiben, auch während des Studiums und deswegen gehst du nicht weg.
Ja, das war meine Mannschaft, das war mein Team, mit der ist man auch gewachsen. Man hat ja als Jugendspieler angefangen und auch sich da im Platz erarbeitet und sich hochgespielt, Wortspiel. Und dann war das mein Team und das hätte ich jetzt nicht, also wegziehen war damals für mich tatsächlich überhaupt keine Option.
Das heißt LLM und irgendwie Erasmus war wahrscheinlich auch erstmal nicht anzudenken. Okay. Gut, dann erst das Examen gemacht. Wusstest du da schon, dass du Anwältin dann werden willst? Ja. Oder hast du, das war immer klar?
Ja, das war immer klar.
Und dann direkt Reif?
Direkt Reif.
Auch in Frankfurt?
Auch in Frankfurt, beziehungsweise Darmstadt ist ja dann der, das war das OLG Frankfurt, aber mit Außenstelle Darmstadt, ja.
Was hast du dir da so angeschaut im Reif?
Das war tatsächlich, was man halt so machen muss, seinerzeit waren das noch vier Monatsblöcke. Und ich war dann in, noch ohne Schwerpunkt, war dann in Aschaffenburg, da bin ich dann, da habe ich gelebt seinerzeit, dann in der klassischen mittelständischen Anwaltskanzlei.
Und bei Gericht und der Staatsanwaltschaft.
Genau, Gericht und der Verwaltung.
Das hast du wahrscheinlich aus deiner Sicht abgesessen.
Das hat man abgesessen, ja.
Und dann bist du irgendwann zum Thema Restrukturierung gekommen, relativ schnell?
Ziemlich direkt danach, aber es war keine wirkliche... Das war jetzt keine Absicht. Also ich hatte Restrukturierung Insolvenz noch nicht im Studium. Ich weiß, das ist mittlerweile, das erzählen die jüngeren Kollegen als Wahlfach, Insolvenzverwaltung, was auch immer das, wie das dann heißt, gibt.
Bei mir war das nicht der Fall, sondern das war eher tatsächlich ein Zufall, dass ich in einer Verwalterkanzlei gelandet bin. Habe dort auch angefangen mit Litigation, Litigation für Insolvenzverwalter. Da macht man dann, die Insolvenzmasse hat Ansprüche, sei es gegen den Geschäftsführer aus Haftung, sei es aus Insolvenzanfechtung, Forderungseinzug und habe Litigation dort gemacht.
Habe dann relativ schnell gemerkt, ach ich will eigentlich gar nicht für den Verwalter arbeiten, sondern selber Verwalter sein. Und dann habe ich das Litigation eine Zeit lang nebenher noch gemacht, aber dann schon angefangen für den Insolvenzverwalter klassisch Insolvenz-Sachbearbeitung zu machen.
Lass uns mal ein bisschen ausholen. Ich glaube, man muss ein bisschen was erklären, wenn man über das Insolvenzrecht spricht und sozusagen auch diese Sonderkonstellation hatte, dass es einen Insolvenzverwalter gibt etc. Etc. Früher war das der Konkurs, irgendwann wurde es die Insolvenz, um jetzt mal hier ganz olle Kamellen rauszuholen.
Sehr olle.
Was ist denn eine Insolvenz? Fangen wir mal da an.
Ein Insolvenzverfahren ist eine Art der Gesamtvollstreckung. Also es gibt die Einzelzwangsvollstreckung und es gibt die Samtszwangsvollstreckung. Das bedeutet, gibt es ja Insolvenzverfahren sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Also beides kann Insolvenz umgangssprachlich pleite gehen. Interessant, vielleicht nur kurz angeteasert, ich kann auch Insolvenz antragspflichtig sein, ohne umgangssprachlich wirklich pleite zu sein. Also das sind zwei verschiedene Sachen.
Lass uns das mal kurz parken, weil ich glaube, das ist ein größeres Thema, das müssen wir gleich nochmal ein bisschen näher drüber sprechen. Also sozusagen, erstmal kann ich irgendwas nicht bezahlen, ich formuliere es mal platt.
Dann habe ich die Möglichkeit in die Insolvenz zu gehen, ich muss gegebenenfalls auch in die Insolvenz gehen, ansonsten ist es eine Insolvenzversteppung, da gehen wir gleich nochmal drauf ein. Und dann ist es eine Art strukturiertes Verfahren, du hast gerade gesagt eine sozusagen konzentrierte Vollstreckung.
Das ist eine Gesamtvollstreckung.
Und das heißt auf gut Deutsch, ich muss mich nicht als das Unternehmen oder die Person, die nicht mehr zahlungsfähig ist, mit allen meinen Gläubigern wie so koordinieren, sondern das kommt in geordnetere Bahnen.
Exakt.
Deswegen gibt es das überhaupt als Rechtsgebiet.
Deswegen gibt es das. Es ist letztendlich auch ein staatlicher Auftrag, dass es Insolvenzverfahren gibt. Wenn man es auf Unternehmenssicht sieht, ein Unternehmen hat einen operativen Geschäftsbetrieb, hat Verbindlichkeiten und irgendwann hat es nicht mehr genug Liquidität, kann die alle nicht mehr bezahlen.
Dann gibt es, das kennt man, die ersten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, da kommt mal der Gerichtsvollzieher, dann wird man mal verklagt, dann gibt es daraus einen Titel, aus dem Titel kann vollstreckt werden, Geldforderung. Wenn man sehr viele Titel hat, geht man dann irgendwann ins Insolvenzverfahren oder man ist antragspflichtig und dann ist das Insolvenzverfahren dafür da, alle Gläubiger, die es gibt, gleichmäßig zu befriedigen.
Das ist dann die sogenannte Insolvenzquote. Also dann schaut sich der Insolvenzverwalter das Unternehmen an, was ist an Vermögenswerte da, verwertet die, verkauft ein Grundstück, verkauft Möbel, zieht die Forderung ein, macht Ansprüche gelten und das Geld sammelt er und das verteilt er dann gleichmäßig an die Quote. Also alle Gläubiger kriegen die gleiche Quote.
Ich mache das nochmal ein bisschen konkreter, aber ich glaube es ist relativ verständlich. Wir haben 10 Millionen Forderungen, wir haben 6 Millionen Wert im Unternehmen, die irgendwie verwertet werden können, Grundstücke, Maschinen. Das heißt, die Insolvenzquote wären 60 Prozent, minus noch ein paar Kosten wahrscheinlich.
Ein paar, genau.
Das ist ja ganz einfach bis dahin. Was ist dann in Abgrenzung dazu, darauf will ich hinaus mit dieser sozusagen Schleife zu beginnen, die Restrukturierung?
Restrukturierung ist sowohl operativ als auch finanzwirtschaftlich, dass ich versuche, das Unternehmen wieder auf Spur zu bekommen.
Das heißt, es geht irgendwie weiter?
Es geht weiter. Das war früher so unter der sogenannten Konkursordnung. Da ist man davon ausgegangen, ab jetzt ist Ende. Man macht den Geschäftsbetrieb zu und das war's. Bei uns, wir führen alle Unternehmen, die wir haben, fort. Alle? Das ist alle.
Okay.
Man versucht, bestmögliche Gläubigerverwertung ist meistens Verkauf des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, ein strukturierter M&A-Prozess, um dann den besten Investor zu finden, der ins Unternehmen einsteigt, das kauft, in welcher rechtlichen Form dann auch immer und fortführt. Und im Rahmen und Restrukturierung bedeutet, dass ich im Vorfeld Maßnahmen ergreife, um wieder auf Spur zu kommen, weil...
Häufig hat die Liquiditätsthemen ja einen Ursprung. Das sind teilweise externe Faktoren wie Krieg, Inflation, Corona. Hat aber häufig auch interne Faktoren, dass ein Prozess nicht richtig läuft, dass vielleicht auch irgendwas komisches passiert ist, dass viele Mitarbeiter gewechselt haben, all diese Themen.
Und Restrukturierung ist, man versucht, das Unternehmen wieder profitabel zu gestalten.
Das finde ich extrem interessant, denn das stelle ich mir deutlich kreativer vor in der Arbeit, als sozusagen zu sagen, okay, wir haben hier einen technischen Vorgang, das Unternehmen geht pleite, wir gucken jetzt noch, wie viel Prozent der sozusagen Forderung aller Gläubiger befriedigt werden kann und das war's. Ist das richtig?
Ja.
Und wir machen es nochmal konkreter und dann können wir vielleicht über dieses Beispiel sprechen. Wir haben keine Beispiele vorgesprochen, das muss man hier immer als Disclaimer dazu sagen. Es mag sein, dass ich jetzt damit total richtig liege, aber ich weiß nicht, wer deine Mandanten sind.
Ich nehme das jetzt einfach, weil es in der Presse war. Kaufhof Karstadt, Galeria, dieser ganze Komplex, der hat ja über die letzten Jahre viele Wellen geschlagen und ich glaube, daran ist es relativ einfach zu erläutern. Ich bin in Siegen groß geworden und da gab es einen Karstadt.
Diesen Karstadt gibt es nicht mehr, denn im Laufe dieser Restrukturierung hat man festgestellt, wir haben sechs, acht, ich weiß nicht wie viele sehr gut laufende Filialen, die können wir irgendwie weiterführen und andere müssen wir eben schließen und einstellen, weil dann, das ist die Art der Restrukturierung, die wir hier vornehmen. Und die hat dann auch jemand irgendwie, glaube ich, auch gekauft oder halt auch nicht und wurden einfach so weitergeführt.
Das ist dann das Ergebnis deiner Arbeit zum Beispiel in solchen oder ähnlichen Fällen. So könnte man das sagen. Wie kommst du denn darauf, was sozusagen der beste Weg ist, das fortzuführen? Also du musst ins Unternehmen rein und dir das anschauen.
Schilder das mal praktisch.
Das ist tatsächlich vielleicht hier noch eine kurze Eingangsschleife. Wir haben mittlerweile die Unterscheidung zwischen einem Eigenverwaltungsverfahren und einem Regelinsolvenzverfahren. Karstadt, Galeria, Kaufhof, wie auch immer es jetzt heißt, war eine Eigenverwaltung.
Das bedeutet, die Geschäftsleitung, die alte, die bleibt handlungsfähig und meistens mit an Bord und kriegen einen Restrukturierungsberater an die Seite gestellt. In der Regel hat der eine Insolvenzverwalter-Ausbildung, muss er nicht zwingend haben, aber ist meistens besser, weil es ja doch auch ein Insolvenzverfahren ist, auch wenn man gerne mal über Schutzschirme oder was nicht alles spricht, ist das ein Insolvenzverfahren und am Ende gilt die Insolvenzordnung.
Es gibt dann keinen Insolvenzverwalter, sondern einen Sachwalter, der die Geschäftsführung und den Berater kontrolliert, ob sie alles richtig machen. Und in der Regel…, Sind wir vor Ort. Ich bin vor Ort.
Ich gehe auch mit als Organ in die Geschäftsführung dann als Berater und kümmere mich um den rechtlichen Part, der natürlich in dem Fall auch sehr betriebswirtschaftlich ist. Also zum einen schaut man sich das Unternehmen an.
Also ich habe jetzt kein BWL studiert, sondern da sind meistens in den Unternehmen Leute, die können das wirklich gut. Hin und wieder holt man sich auch einen externen Berater dazu, betriebswirtschaftlicher Hinsicht und dann wird das erarbeitet. Dann schaut man sich an, was muss man optimieren, was kann man optimieren? Die Zeit ist ja auch relativ kurz.
So ein Insolvenzverfahren in der Eigenverwaltung dauert sechs, acht Monate. Man kann Restrukturierungsmaßnahmen außerhalb eines Verfahrens dauern ja deutlich länger, weil sie auch mit Folgekosten etc. Zusammenhängen.
Man geht in das Unternehmen, man spricht mit den Leuten, man ist vor Ort und dann hat man im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Möglichkeiten, die man außerhalb nicht hat, sondern man kann, wenn das Verfahren eröffnet ist, längerfristige Verträge mit kurzen Fristen kündigen. Das ist so ein Klassiker bei der Galeria Kaufhof.
Das sind alles Mietverträge gewesen auf 20 Jahre. Jetzt hat man als Unternehmer das Problem, oh, ich habe hier 20 Mietverträge, zwei Filialen oder zehn Filialen laufen nicht mehr. Ich habe aber noch Mietverträge für 20 Jahre und ich komme aus denen nicht raus, weil ich die Verpflichtung eingegangen bin.
Aus solchen Verträgen komme ich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens mit drei Monaten Kündigungsfrist raus. Das ist ein Vorteil. Ich habe einen weiteren großen Vorteil, Das war auch bei Galeria Kaufhof.
Es gibt das Insolvenzgeld.
Was ist denn das?
Die Agentur für Arbeit zahlt drei Monate Löhne und Gehälter für die Mitarbeiter im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Das bedeutet, ich habe in einem vorläufigen Insolvenzverfahren, es gibt einmal ein vorläufiges Verfahren, dann wird eröffnet. In diesen drei Monaten übernimmt die Agentur für Arbeit die Löhne und Gehälter.
Das bedeutet, dann habe ich auch wirtschaftlich ein bisschen was dazu gewonnen. Das ist dafür gedacht, dass zum einen die Mitarbeiter bei der Stange bleiben, weil nur Mitarbeiter müssen bezahlt werden, man hat auch eine soziale Verantwortung. Mitarbeiter möchte man bei Laune halten, dass sie einfach jetzt in dieser durchaus schwierigen Situation weiter mitmachen.
Und man hat dadurch einen kleinen Puffer gebaut, sodass man sich das anschauen kann und eben auch einen neuen Investor finden, um die Möglichkeit der Erhaltung des Geschäftsbetriebes. Wir Restrukturierer-Insolvenzverwalter messen unseren Erfolg, also ich messe meinen Erfolg daran, wie viele Arbeitsplätze ich am Ende gerettet habe.
Man wird nicht immer alle retten können, aber es ist schon eigentlich das alles schönste Gefühl, Wenn man sich in diese eine Mitarbeiterversammlung stellt und sagt, okay, wir haben es geschafft, wir haben einen neuen Investor gefunden, es wird hier weitergehen und zwar für möglichst viele Arbeitsplätze.
Ich habe ganz viele Folgefragen. Wir müssen das jetzt ein bisschen strukturieren. Die erste Frage, wir gehen das nochmal so durch, dieses Verfahren. Das ist ja sozusagen auch wieder ein mögliches Ende, was du gerade beschrieben hast.
Meine erste Frage bezieht sich auf den Moment, wo du ins Unternehmen reinkommst. Du kommst in irgendeinen Konferenzraum rein, du siehst die Leute zum ersten Mal. Wie ist da die Stimmung?
Na, sag mal so, die Geschäftsführung sehe ich nicht zum ersten Mal.
Die kennst du virtuell oder kennst du die auch schon physisch?
Die kenne ich auch schon physisch in echt, weil man bereitet ja einen Insolvenzantrag vor.
Ja, okay.
Also wenn wir ihn stellen für das Unternehmen und das ist bei der Eigenverwaltung, muss man das Unternehmen ihn selber stellen, ist man schon ein paar Wochen vorher an Bord und bereitet das vor. Also die Geschäftsführung kennt man, das läuft meistens ein bisschen unterm Radar. Dann ist der Antrag gestellt und dann kommt tatsächlich die erste Mitarbeiterversammlung.
Also die Geschäftsführung ruft dich irgendwie an, sagt, wir laufen da gerade in ein Problem rein, wir brauchen mal Beratung. Da dauert das ein bisschen, man muss sich das detailliert irgendwie angucken und dann stellt man einen Antrag und dann kommt die Mitarbeiterversammlung.
Ich könnte mir vorstellen, wenn man sich jetzt mal so ein größeres Unternehmer oder Mittelständler vorstellt mit ein paar hundert, paar tausend Mitarbeitenden, die meisten Leute denken, das Unternehmen ist pleite, ich bin mein Job los. Kommunikativ, wie fängt man das auf? Das sind ja krasse Herausforderungen, die auch mit Jura gar nichts so direkt zu tun haben.
Tatsächlich. Also zum einen, je nachdem Größe des Unternehmens und Präsenz, hat man auch einen Medienberater an der Seite, der das im Vorfeld für die Presse, für Zeitungen, für Reporter, die dann plötzlich vom Bergstor stehen, tatsächlich mit vorbereitet. Auch die Geschäftsführung kriegt einen Leitfaden an die Hand, was jetzt zu sagen ist.
Und dann ist es letztendlich Geschäftsführung und auch meine Aufgabe, den Leuten zu erklären, dass das hier nicht das Ende ist, sondern eine Chance. Dass der Schritt nicht einfach gefallen ist für die Geschäftsleitung, dass man im Vorfeld alle anderen Möglichkeiten eruiert hat, es außergerichtlich zu lösen.
Dass das hier aber tatsächlich nicht schön wird, die nächsten drei, vier Monate, aber dass es eine Möglichkeit ist, wie das hier weitergehen kann. Dann informiert man darüber, dass, und das ist immer die erste Frage, was ist mit meinem Geld, dass eben Geld gesichert ist durch das Insolvenzgeld.
Da gibt es dann einen Haufen Sonderfragen, die wird man dann in der nächsten Mitarbeiterversammlung besprechen, aber in der ersten Mitarbeiterversammlung versucht man die Leute dahingehend zu motivieren, dass sie an Bord bleiben, dass sie das als Chance begreifen. Und manchmal sind die Mitarbeiter auch erleichtert, dass diese vielleicht Hängepartie oder Mitarbeiter merken Unruhe im Unternehmen.
Also Geschäftsleiter denken häufig, ja ich sag da nichts, die kriegen das alle nicht mit.
Das stimmt nicht.
Das stimmt nicht. Das ist wie in jedem anderen Haus auch, es wird getratscht. Der eine weiß das, der andere weiß das, dann spinnt man sich seine Sachen zusammen, dann hat man Angst, Existenzängste.
Und wenn der Lagerist irgendwie rum erzählt, dass er seit vier Monaten sich die Beine mehr oder weniger im Bauch steht, weil die Aufzeige fehlen, ist es ja auch nicht so schwer zu merken.
Genau, dann muss man einfach versuchen, diese Situation als Chance zu begreifen und dass man die Leute motiviert, gemeinsam jetzt nochmal alle Kräfte zu mobilisieren, um hier das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Und das gelingt? Oder ist das so ein, erzähl mal so ein bisschen, was sind deine Erfahrungswerte da?
Nein, das gelingt immer.
Das gelingt immer?
Das gelingt wirklich immer. Ach, das gelingt wirklich immer. Das ist tatsächlich, da ist jedes Unternehmen ein bisschen anders, aber das gelingt tatsächlich immer. Das dauert vielleicht einen Tag oder zwei, aber das gelingt immer.
Da muss man sich an die neue Situation gewöhnen, dass auch vielleicht nochmal jemand da ist. Ganz häufig ist tatsächlich wirklich Erleichterung auch, dass das jetzt ein neuer Abschnitt ist, ein bisschen geregelter in die Bahn läuft, dass das nicht... Dass man sich jetzt kümmert.
Das ist immer eine Frage, wo kommen die Mitarbeiter her? Wir hatten ein Thema, das vor zwei Jahren, das war eine Lungenklinik, die sollte integriert werden in ein anderes Klinikum. Die Geschäftsleitung aus dem Klinikum, die auch Gesellschafter war, die haben unfassbar schlecht kommuniziert.
Die haben die Leute nicht abgeholt. Die Leute waren unfassbar frustriert auf die Gesamtsituation. Die haben da auch gemerkt, immer weniger Patienten, immer weniger Behandlungen, all das runtergefahren und haben sich Sorgen gemacht. Dann sollte diese Integration stattfinden, die wurde nicht richtig kommuniziert, man war einfach frustriert.
Dann kam der Moment, wo die Mitarbeiter sich die erste halbe Stunde lang ihren Frust rausgelassen haben, das muss man dann abkönnen, da muss man dann durch. Man weiß ja, man ist dafür nicht verantwortlich, aber man hört sich das dann an und das muss dann auch raus.
Und dann waren die alle dankbar, dass jetzt irgendwie noch an der Lösung gearbeitet wird. Dass an der Lösung gearbeitet wird, dass man jetzt schaut, was sind die richtigen Optionen, welche Optionen haben wir überhaupt und wie geht es hier weiter. Und dann ist ganz wichtig, offen anzukündigen, wie die Kommunikation erfolgen wird mit regelmäßigen Mitarbeiterversammlungen, Die auch dann wirklich abhalten und dann ehrlich sagen, wie der Stand ist des Verfahrens und wie wir uns die nächsten Schritte vorstellen.
Weil das ist das, was Mitarbeiter ganz häufig vermissen, dass man einfach offen mit ihnen spricht. Weil häufig ist ja Geschäftsführung so ein bisschen unter sich, vielleicht noch mit der ersten Führungsebene. Die machen das unter sich aus und der Rest wird nicht richtig abgeholt.
Und es gelingt, ich habe es noch nicht erlebt, dass es nicht gelingt.
Interessant.
Ich habe es tatsächlich noch nicht erlebt, nee.
Wie viele Leute gehen so erfahrungsgemäß von Bord, weil du eben gesagt hast, man muss dann schon schauen, dass sie dabei bleiben, bis so ein Insolvenzverfahren dann durch ist über die Monate? Also ich habe das gerade im Bekanntenkreis, Automobilzulieferer, habe ich hier im Podcast schon ein paar Mal erzählt. Es hat gerade eine Branche, denen geht es nicht so gut.
Da sehe ich schon, dass die gut ausgebildet mit 30er, vor allem ohne Familie, natürlich sehr mobil sind und auch sagen, ich wechsle im Notfall auch nochmal die Stadt, wenn ich woanders einen guten Job finde. Also jeder wird da wahrscheinlich auch nicht dabei bleiben und vielleicht will man das ja auch gar nicht, denn wenn das Unternehmen entsprechend restrukturiert ist, meistens dann ja doch auch irgendwie ein bisschen geschrumpft ist, braucht man vielleicht auch nicht mehr alle Mitarbeiter aus Unternehmenssicht.
Das hängt sehr stark von der Branche ab und dem Ort, wo das letztendlich das Unternehmen ist. Also da sind Krankenhäuser, Pflegeheime, anders als Automobilzulieferer. Wir haben aktuell viele Immobilienthemen.
Wir hatten in den letzten Jahren viel Retail, also Mode. Ich glaube jeder, der sich das jetzt anhört, denkt sich, ja stimmt, wenn ich durch die Innenstadt laufe, waren die alle schon mal pleite oder ein Großteil von den Läden, die man kannte, sind gar nicht mehr da. Da hängt es sehr davon ab, wie der Markt ist drumherum und der Ort.
Und ja, man muss die Leute, die wichtig sind fürs Unternehmen, muss man halten. Mit denen muss man gesondert nochmal in die Bütt gehen, mit denen reden. Die muss man gesondert bei der Stange halten.
Und ja, man kann nicht alle halten. Also da gibt es auch tatsächlich den einen oder anderen, der steht dann da und sagt, sorry, aber ich schaffe das nicht. Ich schaffe das entweder emotional jetzt nicht mehr, weil der Weg schon zu lange war.
Oder auch, ich schaffe es privat einfach nicht. Es sind ja dann auch private Situationen, die Entscheidung zu treffen, mir jetzt einen neuen Job zu suchen oder nicht. Aber wir bitten schon darum oder wir hoffen immer, dass man die ersten drei Monate noch bei der Stange bleibt, um sich das anzuschauen, was wirklich passiert.
Und je nachdem, welches Unternehmen das ist, machen die Mitarbeiter das tatsächlich auch.
Aber meistens sitzen die Unternehmen ja auch nicht mitten in der Großstadt, sondern irgendwo auch eher im ländlichen Raum.
Ja, insbesondere Automobilzuliefer ist ja wirklich, da ist eine ganze Stadt häufig darauf ausgerichtet. Und dann umzuziehen, ich glaube, da guckt man sich das noch einen Moment lang an und meistens die erste ganz, ganz große Aufregung hat sich gelöst und ist nicht ganz vorüber, aber ein bisschen abgeschwächt, wenn das erste Mal pünktlich die Lohn- und Gehaltszahlung kommt.
Ah ja, weil dann wieder.
Vertrauen da ist und dann sehen die Leute, ja okay, man hat jetzt mit dem, was man gesagt hat, das war richtig so und das Geld kommt und dann sind alle erstmal wieder beruhigt und dann hat man noch zwei Monate, um das Ganze wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen.
Das heißt, diesen schönen Ausblick hier bei euch aus dem Büro, ich drehe mich gerade nochmal rum, den hast du gar nicht so häufig.
Nee, den habe ich tatsächlich gar nicht so häufig, ja. Ich bin häufig im Unternehmen unterwegs. Also bei einem, wenn ich Geschäftsführer bin in einem Unternehmen im Rahmen einer Eigenverwaltung, bin ich jede Woche vor Ort.
Also als Juristin kann man auch Geschäftsführer werden, habe ich mal gehört, aber das ist ja dann doch ein etwas anderer Zusammenhang.
Das ist tatsächlich anders. Das macht es aber spannend. Das macht diesen Job so wahnsinnig spannend. Ich würde schätzen, dass 80 Prozent meiner Tätigkeit ist das, was man immer macht in einem Insolvenzverfahren.
Das sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die spielt man runter salopp. Und 20 Prozent ist branchenspezifisch, ist unternehmenspezifisch, ist das, was es dann wieder interessant macht und abwechslungsreich, dass man einfach Chemieunternehmen kennenlernt, dass man eine Zeit lang sind ein Haufen Druckereien in die Insolvenz gegangen. Dann gab es Solarfirmen, dann gab es mal eine Zeit lang irgendwie auch in, das ist eher ein norddeutsches Thema, irgendwelche Werften.
Also es sind ja immer so, das kriegt man ja mit in den Medien, so Branchenthemen und jede Branche hat seine Eigenheit und das ist tatsächlich, das ist interessant und macht den Job aus, dieses Abwechslungsreiche.
Wirst du noch oft überrascht?
Nein.
Nee, würdest du sagen jetzt sozusagen nach wie viel Berufserfahrung, 20 Jahre, hast du eigentlich alles gesehen? Ja, alles hat man glaube ich nicht gesehen.
Aber ja, man hat schon einiges gesehen.
Also ich würde vermuten, du erkennst dann häufig auch Muster in einem anderen Gewand wieder, ne? Ja, ja. Und beschreib mal so zwei, drei Konstellationen irgendwie, dass man sich das noch ein bisschen konkreter vorstellen kann. Also was sind so typische Herausforderungen, Probleme, wo du vielleicht für dich auch sagst, ah, aus den und den Gründen ist das Unternehmen gegen die Wand gefahren.
Ist es immer einfach sozusagen die Branche, der es gerade schlecht geht aufgrund externer Faktoren? Oder siehst du zum Beispiel auch, wo du dann für dich schon mal denkst, Management-Themen, wo du sagst, ja okay, klar, dass das nicht funktioniert hat?
Ja, das ist häufig immer eine Kombination aus beiden. Es ist tatsächlich, da werden auch Managemententscheidungen getroffen, die vielleicht in dem Moment auch richtig waren. Dann hat sich aber der Markt oder die Welt verändert und man hat nicht schnell genug darauf reagiert.
Schnell genug darauf reagieren ist auch relativ bei größeren Unternehmen. Man kann nicht, ich habe seinerzeit, das ist hier im Frankfurt-Aschaffenburger-Raum, Modehaus Basler, seinerzeit noch einen Begriff, hat meine Oma eingekauft. Jetzt sind wir alle etwas älter und unsere Großeltern leider nicht mal da.
Aber meine Eltern, die jetzt in dem Alter sind, kaufen da nicht mehr, weil die einfach den Trend verschlafen haben. Die war nicht hip, die war nicht stylisch.
Also das Modehaus, nicht deine Eltern.
Meine Eltern sind fürchterlich stylisch. Insbesondere die Mama. Die haben einfach klassisch, was in den letzten 20 Jahren halt so passiert. Das Internet, keinen ordentlichen Online-Shop. Dann auch das Problem, was Galeria Kaufhof hatte früher wahnsinnig fachkundiges Personal, wirkliche Verkäufertypen, die gibt es heutzutage kaum noch.
Das sind alles, das sind 450 Euro Kräfte oder was auch immer das im Moment ist und Aushilfskräfte, die haben nicht mehr diese Leidenschaft, die man in diesem Job auch braucht, um ein guter Verkäufer zu sein. Dann fühlt man sich als Kunde nicht mehr aufgehoben, dann denkt man sich, auch wenn mich hier keiner berät, kann ich es auch im Internet bestellen und dann passiert, was halt passieren muss.
Und du kriegst da vielleicht auch als Kunde die Beratung vom coolen YouTube-Review, wie das halt heutzutage so ist.
Genau.
Das klingt alles extrem wirtschaftlich geprägt und gar nicht so juristisch.
Das ist so. Es ist tatsächlich, es ist wirtschaftlich geprägt. Es hilft schon, wenn man Bilanzen lesen kann, wenn man eine Liquiditätsbahnung lesen kann und anhand derer auch erkennt, wo die Probleme liegen. Das ist tatsächlich, das ist, ja, der Beruf ist nicht klassisch juristisch.
Du hast juristisches Wissen, was die Insolvenzordnung betrifft. Das sind, wie man Gläubiger befriedigt, was mit Absonderungsrechten passiert, wann man Mietverträge kündigen kann. Wie mache ich in einem Personalaubbau in der Insolvenz? Das ist anders als außerhalb der Insolvenz.
Aber es ist ganz häufig auch, Es ist unternehmerischer. Es ist kein klassischer Juristenberuf, sondern es ist tatsächlich etwas unternehmerischer.
Und wie grenzt sich das ab, dann auch Insolvenzverwalterin zu sein zu sonstiger Beratung im Insolvenzrecht? Weil da gibt es ja auch nochmal so verschiedene Stellschrauben.
Ja, wenn man Insolvenzverwalter ist, hat man den Gerichtsbeschluss und ist dann quasi verfügungsbefugt über das Vermögen des Unternehmens. Wenn man in der Eigenverwaltung Geschäftsführer wird, ist man auch verfügungsbefugt über das Vermögen. Wenn man Berater ist, also man ist schuldnerseits tätig, glaube ich, das ist der Hauptunterschied.
Wir sind für das Unternehmen tätig, die Unternehmen holen uns zu Hilfe, zur Beratung und wir sind für das Unternehmen tätig. Wenn man Beratung in Insolvenzsachen macht, kann das genauso gut sein, dass ich einen Gläubiger berate, dass ich den Vermieter berate, der anruft und sagt, oh mein Mieter, der hat jetzt einen Insolvenzantrag gestellt, was mache ich? Und dann hat das auch Insolvenzberatung, aber halt nicht auf Unternehmensseite, sondern auf Gläubigerseite.
Und das bedeutet für dich auch sozusagen, du kriegst gar nicht unbedingt dein Business aus der Kanzlei, weil das wie, ich sag mal, wenn du Arbeitsrechtler bist und jemand macht eine Transaktion, dann müssen halt arbeitsrechtliche Themen mitberaten werden, sondern idealerweise beraten deine Kolleginnen und Kollegen ja nicht so, dass Unternehmen pleite gehen und dich dann anrufen. Im Gegenteil, das funktioniert alles ein bisschen anders.
Der Hauptunterschied ist tatsächlich, ist es Projektarbeit bei uns. Also mein Mandant ist das schuldnerische Unternehmen, das kommt mit finanziellen Problemen. Man versucht diese Probleme außergerichtlich zu lösen. Wenn es nicht klappt, ist ein Insolvenzverfahren eine Option, nicht immer die richtige, aber eine Option, die man jetzt wählen kann.
Die kann Sinn machen, muss aber nicht immer Sinn machen. Kann auch manchmal nicht die richtige Lösung sein. Und dann ... In die Mandate rein komme ich durch Empfehlungen, häufig durch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, andere Kollegen, die das nicht machen, die vielleicht das Unternehmen auch beraten, aber halt dieses insolvenzrechtliche Expertise nicht haben, die sagen, oh da muss aber jetzt mal einer drauf gucken, der das wirklich jeden Tag macht.
Ich sehe zwar hier, könnte ein Problem sein, aber ruf besser mal da an. Und wenn das Insolvenzverfahren fertig ist, ist das für mich das Mandat auch zu Ende. Also das Schuldnerliche Unternehmen ist bei uns kein Dauermandant.
Die hoffen nie wiederkommen zu müssen.
Auch immer wieder gerne. Beim letzten Mandat habe ich gesagt bekommen, es war jetzt nicht so schlimm mit ihnen wie befürchtet, aber ich will sie eigentlich trotzdem nicht wiedersehen. Ich will sie auch nicht wiedersehen, weil wenn ich sie wiedersehe, habe ich meinen Job nicht richtig gemacht.
Wenn die in einem Jahr wiederkommen und sagen, ich habe wieder Probleme, dann war die Restrukturierung, die Maßnahmen, die man angriffen hat oder der neue Investor einfach nicht der richtige.
War nicht nachhaltig.
Das war nicht nachhaltig und dann habe ich meinen Job nicht gut gemacht.
Jetzt haben wir am Anfang die Klammer geöffnet, wann eigentlich eine Insolvenzverschleppung vorliegt. Die müssen wir gerade nochmal schließen, glaube ich. Sonst sind hier die Leute zu neugierig und gleich ist der Podcast zu Ende.
Also, ich bin Geschäftsführerin im Unternehmen. Es läuft vielleicht nicht ganz so gut. Ich denke aber, man kriegt das schon hin, weil bald kommt ja wieder eine Zahlung und dann können wir auch wieder irgendwo was bedienen. Und dann ruft mich der Anwalt an und sagt, hör mal, pass mal auf, das könnte eine Insolvenzverschleppung werden.
Das hört man ja schon mal häufiger. Und die meisten agieren vielleicht auch tatsächlich etwas spät. Ich erinnere mich da an meine Zeit im Referendariat bei der Staatsanwaltschaft, da habe ich das aus der Perspektive gesehen. Aber da habe ich natürlich auch nur diese Fälle gesehen und noch viel subjektive Wahrnehmung.
Kannst du unseren Zuhörenden da bitte nochmal so einen kleinen Abriss geben, was das Gesetz vorsieht und was dann da auch so die Hürden in der Praxis sind?
Also das Gesetz sieht vor, dass ich insolvenzantragspflichtig bin, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Der ist Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Zahlungsunfähigkeit, glaube ich, da kann sich jetzt jeder was darunter vorstellen. Ich habe kein Geld auf dem Konto.
Um irgendwas zu bezahlen.
Genau, ich habe aber einen Haufen Verbindlichkeiten, die ich jetzt zahlen müsste und es reicht halt einfach nicht mehr. Überschuldung ist ein bilanzielles Thema, dass ich nicht mehr genug Vermögen habe für meine Verbindlichkeiten. Überschuldung kann ich runterbrechen auch darauf, dass ich sage, in den nächsten zwölf Monaten bin ich vielleicht nicht mehr in der Lage, ab einem gewissen Zeitpunkt, Monat zehn, meine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen.
Und das führt direkt zum nächsten Punkt. Als Geschäftsführer bin ich verpflichtet, jederzeit über die wirtschaftlichen Kennzahlen in meinem Unternehmen Informationen zu haben und zu wissen, in welche Reise sie hingeht. Man macht eine Liquiditätsplanung.
Diese sollte man auch nicht nur einmal im Jahr machen und nach einem Jahr gucken, ob das tatsächlich auch so eingetreten ist, sondern je nach Grad der vermeintlichen Krise, das Stadium, sollte ich sie etwas häufiger tracken. Also idealerweise, was ja auch jedes Unternehmen macht, also ich sehe ja auch nur die, die es nicht hingekriegt haben.
90% kriegen es tatsächlich hin, dass man eine Liquiditätsplanung macht, dass man auch sich die anschaut, wöchentlich, monatlich, schaut, passt das denn, habe ich auch richtig geplant. Also Liquiditätsplanung machen und anpassen sind zwei ganz unterschiedliche Sachen.
Ich muss schon auch, wenn ich nach drei Monaten merke, oh, das hat nicht geklappt, muss ich die aktualisieren. Und damit monitore ich mein Unternehmen. Und wenn ich merke, das könnte irgendwann in den nächsten 24 Monaten irgendwie knapp werden, dann ist eigentlich schon der Zeitpunkt, wo ich den Anwalt anrufen sollte.
Und das ist deutlich länger, als der eine oder andere da draußen glaubt.
Ja, hätte ich jetzt auch gerade gefragt, ist das realistisch?
Also es ist so.
Wie es ist, aber… Nein.
Das ist auch realistisch in den Unternehmen, wo es funktioniert. Das ist aber bei den Fällen, die wir sehen, wir sehen auch mittlerweile viele, die kommen rechtzeitig, die sehen das, dass das passieren wird und versuchen dagegen zu steuern. Es gibt aber auch immer noch den einen oder anderen, der versucht bis zum Schluss irgendwas zu retten und da ist es auch, meine Erfahrung zeigt, es macht einen wahnsinnigen Unterschied zwischen Eigengeschäftsführer und Fremdgeschäftsführer.
Die Eigengeschäftsführer bleiben viel länger dabei.
Wenn du auch Gesellschafter bist vom Unternehmen, wenn du das vielleicht auch in der dritten Generation von deinem Vater, Großvater, was auch immer, bleibst du sehr viel länger an Bord, versuchst sehr viel mehr, bevor du salopp formulierst, den Stecker ziehst. Also in Deutschland haben wir immer noch eine Kultur, dass ein Insolvenzverfahren das Schlimmes ist.
Da sind wir, also Amerikaner, Engländer, für die ist das Standard. Da ist man nur ein guter Unternehmer, wenn man mal zwei Insolvenzen hingelegt hat und daraus auch gelernt hat. Das ist ja auch ein Prozess.
Das ist hier in Deutschland nicht so. Und gerade mittelständige Unternehmen, die seit langer Zeit im Gesellschafterbesitz sind, Geschäftsführer aus der Familie kommt, man im Ort verbunden ist, die Darlehen bei der Sparkasse gemacht hat, wo man mit dem Sparkassenberater in der Schule war, die tun sich erfahrungsgemäß sehr, sehr schwer rechtzeitig. Und Fremdgeschäftsführer haben ein bisschen mehr Bewusstsein für ihre eigene Haftung, die steht dann auch deutlich im Vordergrund zu irgendeinem Unternehmen retten.
Dieser kulturelle Aspekt ist ganz interessant. Also ich kenne das auch so ein bisschen aus dem persönlichen Umfeld, wo es dann vielleicht auch irgendwie heißt, jetzt haben die da die Insolvenz hingelegt, wohnen aber immer noch in einem großen Haus. Und du sagst, ja natürlich, das eine ist die GmbH, das andere ist, das Privat über Jahrzehnte erwirtschaftete.
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Aber natürlich wird das hier oft sehr vermischt und anders gesehen, weil dann doch es eben nicht eine Person ist mit zwei Hüten.
Das ist so und das steht vielen auch im Wege, das tatsächlich als Option zu sehen, dass ich auch ein Insolvenzverfahren als Option sehe, mich von überflüssigem Personal zu trennen, auch von Mieträumen mich zu entledigen und das Ganze ein bisschen strukturierter und neu durchstarte. Das wird hier in Deutschland nicht so gesehen, sondern es ist immer noch der Makel.
Man hat viel versucht. Wir haben ja jetzt auch ein neues Gesetz seit drei Jahren, das Starook. Das ist auch, viele sagen, eine Art vorgeschaltetes Insolvenzverfahren. Das stimmt aber nicht.
Das ist letztendlich ein außergerichtliches Verfahren, um die Passivseite zu restrukturieren. Also letztendlich kann ich nur Finanzverbindlichkeiten damit neu ordnen. Meine Erfahrung ist, Finanzverbindlichkeiten ordnen alleine hilft meist nicht, um das Unternehmen wieder auf Spur zu bekommen.
Weil wenn ich meine Finanzverbindlichkeiten nicht bedienen kann, habe ich vermutlich auch ein operatives Thema. Und das muss nach meinem Verständnis Hand in Hand gehen. Ich habe aber mit dem Starok das Beispielsfälle aktuell, Leonie war ein ganz, ganz großes Fall aktuell, wo auch ein größerer Automobilzulieferer sich die Aktionärsstruktur neu verwendet.
Neu gemacht hat.
Wenn ich das spannend finde und möchte mir das mal näher anschauen, du hast eben schon gesagt, du selber hattest gar kein Vorwissen im Bereich Insolvenzrecht. Was sollte ich denn da mitbringen, zum Beispiel mal im Rahmen eines Referendariats bei euch?
Interesse. Tatsächlich Interesse an dem, dass das ein unfassbar spannender Beruf ist, dass ich auch gerne mit Menschen zusammenarbeite, dass ich auch auf Menschen zugehen kann, dass ich bereit bin, auch vielleicht den einen oder anderen Tag unter der Woche nicht im Büro zu sitzen.
Und zwar nicht im Homeoffice, sondern im Unternehmen.
Genau, nicht im Homeoffice, sondern im Unternehmen. Und dass ich daran tatsächlich ein gewisses Interesse habe. Insolvenzrecht wird meiner Meinung nach immer noch etwas stiefmütterlich behandelt an der Uni. Also ich glaube, das sollte man etwas besser anpreisen, weil es wirklich ein sehr spannendes Rechtsgebiet ist.
Und dann meine Ausbildung, ich bin dann wie gesagt in einem klassischen Insolvenzverwalterbüro gelandet. Wo das ganze Büro drei Insolvenzverwaltern zugearbeitet hat und man diese Insolvenzverfahren bearbeitet hat. Da wächst man relativ schnell rein, man bearbeitet es, man hat ja auch ganz im Unternehmen dann in den ersten Wochen ganz praktische Themen.
Darf ich diese Rechnung noch bezahlen oder ist das eine Insolvenzforderung? Was mache ich denn mit neuen Aufträgen? Dann ruft der Lieferant an und sagt, ihr seid da beim Insolvenzverfahren, was machen wir denn jetzt? Und dann versucht man ihn zu beruhigen, das vielleicht auf Vorkasse etc. Etc.
Lauter solche Themen, die Mitarbeiter müssen. Dann wird gefragt, was ist mit meinen Überstunden? Was ist mit meinem Urlaub? Darf ich den noch nehmen? All diese Themen sind zum Teil juristische Themen, weil ich muss wissen, was darf ich, was darf ich nicht im Insolvenzverfahren. Aber es ist viel Kommunikation mit draußen.
Also lange, lange Schriftsätze in einem Büro mit viel, viel Recherche mache ich tatsächlich nicht.
Das sind doch wunderbare Schlussworte. Vielen herzlichen Dank, Nadja, dass du heute hier dabei warst.
Vielen, vielen Dank, dass ich dabei sein durfte.
Tschüss.
Tschüss.