IMR15918. Mai 23
IME003: Vertragsfreiheit, Die Willenserklärung, Dissens und Auslegung, Arglistige Täuschung

IME - Irgendwas mit Examen

IME003: Vertragsfreiheit, Die Willenserklärung, Dissens und Auslegung, Arglistige Täuschung

Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln

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Über diese Episode

Folge 159 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Vertrag - Willenserklärung - Vertragsfreiheit - Grenzen der Vertragsfreiheit - Auslegung Empfängerhorizont - Anfechtung - Erklärungsbewusstsein - Kaufmännisches Bestätigungsschreiben (KBS) - Rechtsprechung - Sittenwidrigkeit - Arglistige Täuschung - AGB-Recht - Produzentenhaftung - Persönlichkeitsrecht - § 433 BGB - §§ 145 ff BGB - § 134 BGB - § 138 BGB - § 241a BGB - § 15 HGB - § 123 BGB - § 444 BGB

Herzlich willkommen zu Folge 159 von "Irgendwas mit Recht" und zu Folge 3 unserer Spezialreihe "Irgendwas mit Examen" mit Prof. Dauner-Lieb. Wir steigen materiellrechtlich voll ein: Warum ist das BGB AT für deine Examensvorbereitung von so großer Bedeutung? Was genau ist ein Vertrag? Wo liegen die Grenzen der Vertragsfreiheit nach §§ 134,138 BGB? Warum sind Verträge als soziales Konstrukt so wichtig? Wann kann Schweigen tatsächlich als Willenserklärung gedeutet werden? Neben Antworten auf diese Fragen werfen wir einen Blick auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben und seine Verknüpfung mit § 15 HGB. Schließlich besprechen wir Klassiker der höchstrichterlichen Rechtsprechung (siehe Links in den Shownotes) und prüfen Dein Wissen zur arglistigen Täuschung nach § 123 BGB - kennst du die Details? Antworten auf all diese Fragen sowie wertvolle Tipps für deine eigene Karriere findest du in dieser aufschlussreichen Podcastfolge. Viel Spaß beim Zuhören!

Kapitel:

  • 00:28 - Zielstellung von Irgendwas mit Examen
  • 08:13 - Bedeutung des BGB AT für die Examensvorbereitung
  • 10:45 - Was ist ein Vertrag?
  • 12:39 - Grenzen der Vertragsfreiheit, §§ 134,138 BGB
  • 17:35 - Warum ist der Vertrag als soziales Konstrukt so wichtig?
  • 23:05 - Die Willenserklärung
  • 28:17 - Schweigen als Willenserklärung
  • 28:59 - Das kaufmännische Bestätigungsschreiben (KBS)
  • 33:53 - … in Kombination mit § 15 HGB
  • 36:13 - Falsa Demonstratio
  • 37:55 - Examensvorbereitung und höchstrichterliche Entscheidungen
  • 40:58 - Dissens und Auslegung, vgl. § 133 BGB
  • 45:18 - Das Erklärungsbewusstsein
  • 47:55 - Arglistige Täuschung, § 123 BGB

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Zu Gast

Barbara Dauner-Lieb

Barbara Dauner-Lieb

Kapitel

  • 00:00:28.178Zielstellung von Irgendwas mit Examen
  • 00:08:13.804Bedeutung des BGB AT für die Examensvorbereitung
  • 00:10:45.390Was ist ein Vertrag?
  • 00:12:39.373Grenzen der Vertragsfreiheit, §§ 134,138 BGB
  • 00:17:35.062Warum ist der Vertrag als soziales Konstrukt so wichtig?
  • 00:23:05.711Die Willenserklärung
  • 00:28:17.155Schweigen als Willenserklärung
  • 00:28:59.991Das kaufmännische Bestätigungsschreiben (KBS)
  • 00:33:53.195… in Kombination mit § 15 HGB
  • 00:36:13.161Falsa Demonstratio
  • 00:37:55.129Examensvorbereitung und höchstrichterliche Entscheidungen
  • 00:40:58.005Dissens und Auslegung, vgl. § 133 BGB
  • 00:45:18.276Das Erklärungsbewusstsein
  • 00:47:55.264Arglistige Täuschung, § 123 BGB

Über Universität zu Köln

Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.

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"
‚Der Vertrag ist das zentrale Instrument der sozialen Marktwirtschaft – Menschen einigen sich, dass sie Rechte und Pflichten übernehmen, die gerichtlich durchsetzbar sind, und das macht das Recht aus.‘

Sneak Peak – Q&A mit Barbara Dauner-Lieb

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

0:09 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich Willkommen zu irgendwas mit Recht bzw. irgendwas mit Examen Folge 3. Heute wieder mit Barbara Dauner-Lieb. Hallo Barbara.

0:19 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Hallo Marc. Ich freue mich sehr. Ich bin ziemlich aufgeregt, weil wir ja heute einen neuen Schritt machen. Ich freue mich. Es wird eine tolle Sendung.

0:27 Min
Marc Ohrendorf:

Du sagst schon, wir machen einen neuen Schritt, denn wir werden heute ein bisschen mehr einsteigen in das materielle Recht und so ein bisschen uns mit Verträgen und Vertragslehre beschäftigen. Aber bevor wir das tun, noch mal ein paar Worte zur Abgrenzung vielleicht von diesem Format, auch von anderen und ein bisschen Hintergrundinformationen, warum wir das Ganze eigentlich machen.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Diese irgendwas mit Examensreihe, die stammt ja so ein bisschen aus deinem Erfahrungsschatz hier in Köln im Examenskurs, wo du das gesamte Privatrecht übernommen hast. Warum hast du das damals gemacht?

1:02 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es sollte neu gestaltet werden und ich hatte Lust dazu, nämlich mich nochmal selbst damit zu erfreuen, das gesamte Privatrecht in seiner vollen Breite für mich selber durchzuarbeiten und, das ist jetzt der zweite Punkt, das Ganze auf didaktisch sinnvolle Füße zu stellen. Und das ist für mich persönlich voll aufgegangen.

1:24 Min
Marc Ohrendorf:

Was ist denn dein Konzept, wenn du sagst didaktisch sinnvolle Füße?

1:28 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Zunächst einmal, der Student steht im Mittelpunkt, nicht ich. Ich bin nicht der brillanteste Rhetoriker, sondern mir ist wichtig, dass der Student sein Potenzial hebt. Daraus folgen ganz viele Antworten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Übrigens, die moderne Didaktik nennt das from teaching to learning. Das ist ganz wichtig. In einem Mittelpunkt steht der oder die Lernende. So, was heißt das nun für Jura? Jura.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nicht so viel wie möglich, sondern möglichst wenig. Das ist ganz zentral bei der Examsvorbereitung. Man muss immer überlegen, was passt in meinem Kopf, was soll da hängen bleiben, was ist wirklich wichtig und was ist wichtig für den kommenden Juristen? Arbeit mit dem Gesetz.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Gesetzliche Systematik. Konzentration auf die Strukturen. Ein klein bisschen Wasser muss ich jetzt in den Wein oder ins Bier gießen. Das funktioniert natürlich nur für Menschen, schon, gründlich im Grundstudium gearbeitet haben. Also, das kann man nur machen, wenn ich auf gute Grundlagen aufsetzen kann.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber die setze ich mal voraus. Grundkenntnisse sind da und jetzt können wir das tun, was richtig Freude macht. Vernetzen, systematisch arbeiten, argumentieren und damit macht man auch bessere Examen und übrigens plötzlich wird das Klausurenschreiben viel einfacher.

2:46 Min
Marc Ohrendorf:

Wenn ich mich in die Lage von jemandem zurückversetze oder vielleicht auch in meine eigene Erfahrung ein kleines bisschen denke, so fünftes, sechstes Semester, man ist gerade fertig mit den großen Übungen, man überlegt sich, mache ich jetzt den Schwerpunktbereich oder mache ich Examenvorbereitung, wenn man den Schwerpunkt nachher machen kann, das ging damals noch, das wird ja zunehmend zurückgefahren und dann höre ich, naja gut, wir fokussieren uns auf das Wesentliche und sehe dann aber, dass ich immer noch 12 bis 18 Monate fürs Examen lernen muss.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Wie passt das zusammen?

3:14 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Man muss nicht zwölf bis achtzehn Monate fürs Examen lernen und schon das Wort lernen ist sehr problematisch, weil es nämlich konnotiert, dass man etwas in den Kopf hineinstopfen muss, was hinterher eins zu eins als Wissen abgerufen wird. So funktioniert Examen aber nicht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich kann immer nur wiederholen und das steht schon im JAG. Verlangt werden in den Klausuren eine pragmatische Lösung rechtlich und tatsächlich einfach gelagerter Fälle. Wird jeder Prüfling sagen, das stimmt doch gar nicht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber meine Erfahrung ist, das stimmt. Die sind kurios, die sind schräg, aber wenn man hinkommt und wirklich sagt, was ist da passiert, dann reduziert sich der gesamte Examenstoff im BGB, ich behaupte mal, auf drei Dutzend Problemfelder, nicht mehr, nicht weniger. Und wenn man die Strukturen beherrscht und mit dem Gesetz arbeiten kann, dann kommt es nicht auf die Details an, ob der BGH dies so gesehen hat und ob es dann noch eine Mindermeinung 7b geht, sondern es kommt darauf an, dass man einen Sachverhalt erfassen und in fünf stunden einer brauchbaren.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Soliden Lösung zuführen kann. Und das ist ganz etwas anderes. Da wird ja nicht gefragt, schreiben Sie einen Aufsatz zur Kulpa in Contrahendo, sondern Sie müssen den Paragrafen 311 Absatz 2 Absatz 3, da werden wir uns sehr lange darüber unterhalten in einer Folge, müssen Sie sinnvoll auf einen Fall anwenden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und plötzlich wird alles viel einfacher. Also mein Konzept ist, es geht ums Gesetz, es geht um die Systematik. Natürlich muss man arbeiten, aber nicht 18 Monate. Und nicht 18 Monate Detailwissen immer wieder repetieren und dann hat man es wieder vergessen.

4:55 Min
Marc Ohrendorf:

Sondern Arbeitsweise, Methodik, Systematik, Gesetzesverständnis.

4:59 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Voilà. Damit kommt man besser hin. Nicht nur besser, sondern es ist der einzige erfolgversprechende Weg. Und die Studierenden, die sich mit mir zusammen auf diesen Weg gemacht haben, haben ganz überwiegend gesagt, plötzlich wird das nicht mehr so anstrengend.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Plötzlich macht das Spaß, natürlich bleibt noch Stress, aber plötzlich wird das machbar. Plötzlich ist das nicht mehr so dramatisch Angst erzeugen, wie wenn man sagt, und dann gibt es da noch ein kleines Problem und dann gibt es hier noch irgendwas, was man wissen soll. Es gibt immer Dinge, die man vielleicht wissen sollte, aber nicht weiß.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber 80 Prozent reichen völlig aus, wenn man das Handwerkszeug und die Struktur hat.

5:42 Min
Marc Ohrendorf:

Und dann vielleicht noch ein kurzer Hinweis, wie wir uns euch vorstellen, wenn wir diese Podcasts aufnehmen, denn das hier ist keine klassische Vorlesung, das kann es auch nicht ersetzen, sondern vielmehr nochmal einen Impuls, vielleicht auch für Situationen, in denen ihr gerade genug habt vom Lernen, aber sagt, Mist, ich muss mich mit der Materie ja noch irgendwie beschäftigen. Also es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn ihr das hier auf dem Heimweg hört oder auf dem Weg zur Uni oder zur Bib, wenn ihr das beim Putzen hört am Wochenende, wir kriegen viele Zuschriften, die immer sagen, reguläre irgendwas mit Recht folgen, wo wir eben Interviews führen.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Die werden natürlich bei solchen trivialen Tätigkeiten nebenbei gehört und ihr könnt selber entscheiden, wo ihr das hier konsumiert. Groovet euch da so ein bisschen rein, jetzt auch über die nächsten Folgen hinweg, wie das für euch entsprechend passt. Aber ich sag mal so, vielleicht ab und zu parallel ins Gesetz gucken, ist sicherlich ratsam.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Oder hinterher. Oder hinterher. Wir haben auch in den Shownotes hier immer so ein bisschen das verlinkt, also wenn ihr es auf dem Handy hört, könnt ihr kurz draufklicken und es entsprechend aufrufen. Aber ihr müsst jetzt nicht unbedingt wie bei einer klassischen Studie oder ich nenne es mal Lerneinheit, irgendwo sitzen, total konzentriert und jetzt 45 Minuten lang Folien angucken und entsprechend zuhören.

6:54 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und noch etwas anderes, unsere Zielstellung ist eine andere. Wir wollen euch anregen... Euch mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen. Das können wir nicht ersetzen, aber wir können euch Impulse geben, wo euer Fokus liegen sollte.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir probieren das heute mal aus mit dem ersten Teil und dann müsst ihr natürlich nachlesen und auch nochmal nachdenken, aber unsere Zielstellung ist nicht das Ersetzen eines Examenrepetitoriums, sondern Anregung und vielleicht ein kleines bisschen Spaß. Denn ich finde, dass das Privatrecht gerade in dieser Examenphase, wo man nochmal alles zusammen sehen darf, ist unfassbar interessant.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und mich erheitert das jeden Mittwoch immer wieder, wenn ich da in den Examenskurs gehe. Übrigens, ich weiß auch oft etwas nicht. Und ich bin irre dankbar, wenn sich irgendjemand meldet und sagt, Hallo, ich habe gerade auf dem Handy gesehen, da gibt es eine neue Entscheidung zu.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich sage, klasse, habe ich noch nicht gesehen, fügen wir bei uns ein in die Bibliothek, können alle nachlesen und dann lasst uns mal zusammen gucken, was bringt die eigentlich. Das ist juristische Arbeit und nicht da vorne sitzt einer, der alles weiß und alles kann und uns beschallt, sondern wir sind eine Gemeinschaft, die zusammen sich das Recht noch einmal auf einer höheren Ebene erarbeitet.

8:14 Min
Marc Ohrendorf:

Dann fangen wir genau damit jetzt an. Und zwar mit dem ersten Buch des BGB, dem A.T. logischerweise. Welche Bedeutung hat denn der A.T. für die Examensvorbereitung?

8:22 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn man ins BGB schaut und wenn man schaut, wie es früher gelesen wurde, A.T., erstes Semester, dann kommt man nicht dran vorbei, Personen, Sachen, Rechtsgeschäfte. Das hat bestimmte historische Gründe, warum das Bürgerliche Gesetzbuch so aufgebaut ist, wie es aufgebaut ist, einem sehr hohen Abstraktionslevel, warum beispielsweise die Definitionen für das Sachenrecht vorne im AT stehen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das machen wir jetzt gar nicht. Weil für das Examen müssen Sie natürlich Sachenrecht beherrschen und damit arbeiten können, aber es macht Sinn, alle Definitionen zu den Sachen dann mit dem Sachenrecht zusammen zu erklären und nicht jetzt vorweg. Und das gleiche gilt für die Personen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es gibt juristische und natürliche Personen, also Menschen und Fiktionen und eine richtige Rolle spielt die Person als Problem eigentlich im Gesellschaftsrecht. Also das schieben wir auch wieder weg. Sondern wir beschäftigen uns jetzt mit den Dingen, die unmittelbar für die Prüflinge, für die Vorbereitung aufs Examen eine Rolle spielen und da gibt es neben einer Reihe von Technizitäten drei Schwerpunkte, mit denen Sie sich ganz gründlich auseinandersetzen müssen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Übrigens von unterschiedlichem Gewicht nochmal. Die Geschäftslehre, das Vertretungsrecht und das Minderjährigenrecht. Das Minderjährigenrecht spielt in der Klausurpraxis keine ganz geringe Rolle. Das Vertretungsrecht spielt sowohl in der Praxis als auch in der Klausurpraxis eine große Rolle? Das ist übrigens immer so, wenn es viele Entscheidungen gibt und wenn die Praxis sehr interessiert an einem Bereich gibt, dann sickert das sofort ins Examen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das habe ich ja an anderer Stelle schon mal erklärt. Der Praktiker, der sie prüft, hat natürlich seine Aufgabenstellung vor Augen, wenn er die Aufgabenstellung für sie formuliert. So, deswegen Vertretungsrecht ist ganz wichtig, ganz spannend und am allerwichtigsten ist das, was ich jetzt mal bezeichne mit Rechtsgeschäftslehre.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich sag mal einfach, der Vertrag und alles drumherum, der ist sowohl für die Praxis dazu gleich das entscheidende Instrument, als auch klausurtechnisch gesehen, es gibt eine ganze Reihe von Anspruchsgrundlagen und ich meine mal, neben 823 ist die wichtigste, kann jemand Zahlung oder Erfüllung verlangen, 433 und dann sind wir beim Vertrag.

10:45 Min
Marc Ohrendorf:

Dann fangen wir ganz einfach an. Was ist ein Vertrag?

10:48 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Was ist ein Vertrag? In a nutshell. Wenn ich einen Prüfling frage, dann sagt er zwei übereinstimmende Willenserklärung, Angebot und Annahme gemäß 145 FF BGB. Ist nicht ganz richtig, ist auch nicht ganz falsch.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Über Angebot und Annahme könnte man schon sehr viel sprechen und es ist richtig, zwei übereinstimmende Willenserklärung. Wir gehen jetzt aber einen Schritt vorüber. Das ist die Einigung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Menschen, Rechtspersonen, einigen sich, dass sie gegenseitig Rechte und Pflichten übernehmen und zwar solche, die man gerichtlich durchsetzbar kann. Das ist ein Wunder und eine ungeheure kulturelle Errungenschaft, die man einfach auf sich wirken lassen kann, da erzeugen Menschen ... Recht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Durchsetzbares Recht. Wirkungen im Recht. Und zwar Pflichten und Rechte. Die Rechte nennt man Anspruch. Ich kann von dem anderen was verlangen und der andere muss es tun. Und der Witz, der wirklich das Entscheidende ist, das kann man dann auch, wenn es wirklich ein Vertrag ist, gerichtlich durchsetzbar machen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist was anderes als Gefährlichkeitsverhältnisse, über die wir bei anderer Gelegenheit mal reden können. Ich fasse es zusammen. Am Anfang steht der Anspruch und der wichtigste Anspruchstyp ergibt sich aus Vertrag und das setzt eben voraus, dass Menschen sich geeinigt haben und das sind dann eben die übereinstimmenden Willenserklärungen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber da gehen wir in die Technik. Also die bindende Einigung. Zwei Menschen sind sich einig. Ich kann was von dir verlangen und du musst es tun und wenn du es nicht tust, kann ich vor Gericht gehen und der Rechtsstaat wird mir helfen, dich zu zwingen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist für mich die Essenz des Vertrages.

12:39 Min
Marc Ohrendorf:

Welche Grenzen hat denn die Vertragsfreiheit?

12:41 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, die Vertragsfreiheit hat auch Grenzen. Also zunächst einmal, die Vertragsfreiheit ist ganz entscheidend. Da kommen wir vielleicht gleich noch mal drauf zurück. Die hat eine ganz, ganz große Bedeutung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Du hast jetzt zunächst mal schon nach den Grenzen gefragt. Wir müssen gleich noch mal darüber reden, warum die Vertragsfreiheit jenseits des juristischen Kontextes so wichtig ist. Aber die Grenzen sind erstmal klar.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Menschen dürfen nur Verträge schließen innerhalb der Gesetze. Wir leben in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat und der Paragraf 134 sagt etwas ganz Wichtiges. Verträge dürfen nichts sein.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Vereinbaren, was nicht erlaubt ist. Ein wunderbares Standardbeispiel ist immer die Schwerpunktarbeit. Wenn ich zu einem Menschen gehe, von dem ich der Meinung bin, er kann es und sage, möchtest du nicht für 5.000 Euro meine Schwerpunktarbeit schreiben? Dann brummelt das schon in ihrem Bauch, hoffentlich, wenn sie das hören.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ein solcher Vertrag ist eine Einigung, aber er ist nicht wirksam. Und das Gericht, der Rechtsstaat, wird sich verweigern, diesen Vertrag durchzusetzen, wenn dann jemand etwas abliefert und sagt, jetzt will ich mein Geld. Das wird er vor Gericht nicht kriegen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es hat noch eine ganze Reihe von anderen Folgen. Nur das ist eine Grenze und das ist nicht nur verboten, also 134, sondern das ist möglicherweise und da kommen wir auf die andere wichtige Grenze, ist möglicherweise der 138 sittenwidrig. Was gegen die guten Sitten verstößt, darf man auch nicht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir könnten jetzt schon sehr lange über die guten Sitten reden. Was ist das? Das Anstandsgefühl aller Billig- und Gerechtdenkenden. Niemand weiß, was das eigentlich ist. Ich mache hier nur für die Examenskandidaten schon einen ganz kleinen Punkt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der Bundesgerichtshof, vor ihm das Reichsgericht, haben Fallgruppen entwickelt. Und davon müssen sie eine ganze Reihe kennengelernt haben. Beispiel die Problematik der Sittenwidrigkeit von Familienbürgerschaften, die Problematik der Sittenwidrigkeit von bestimmten Eheverträgen, die Problematik der Sittenwidrigkeiten von bestimmten Wettbewerbsverboten und wie sie am allerwichtigsten Globalcession und verlängerter Eigentumsvorbehalt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also die Sittenwidrigkeit sagt uns, das dürfen Vertragspartner nicht vereinbaren, weil das nicht akzeptabel ist. So, das ist aber natürlich nur die Oberfläche. Es kommt noch viel mehr.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

AGB-Recht markiert auch Grenzen der Vertragsfreiheit. Dafür werden wir eine ganze eigene Einheit machen, warum es AGB-Recht gibt und warum Parteien nicht per AGB einfach machen können, was sie wollen. Man könnte ja sagen, wenn das beide unterschreiben, ist das ihr Problem.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Trotzdem sagt das Recht, das ist nicht nur euer Problem, sondern bestimmte Dinge werden nicht toleriert. Die Frage nach den Grenzen der Vertragsfreiheit. Ist einerseits wissenschaftlich dramatisch interessant und das ändert sich auch immer ein bisschen und gleichzeitig ist es extrem klausurrelevant weil es immer wieder klausuren gibt in denen ihre methoden kompetenz eben dadurch abgeprüft wird dass man ihnen verträge vorlegt wo eigentlich ihr juristischer instinkt sagen muss das geht eigentlich nicht und dann müssen sie überlegen wie kriege ich das in das juristische instrumentarium Instrumentarium, also in Nordrhein-Westfalen, ist eine Klausur gelaufen über einen Maklervertrag über die Beschaffung einer Honorarprofessur.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da wollte jemand gerne eine Honorarprofessur haben, also den Titel führen. Da gab es jemanden, der eine Annonce in die Zeitung gesetzt hat, ich helfe Ihnen dabei, zum Honorarprofessor zu kommen. So, das war Gegenstand einer Klausur.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Erstens, Sie merken an dem Beispiel, das können Sie nicht gelernt haben. Das können Sie nicht wissen, das müssen Sie auch nicht wissen. Aber, Sie können überlegen, erstens, es gibt Vertragsfreiheit, zweitens, prinzipiell dürfen die alle, aber hier dürfen sie es möglicherweise nicht oder können es doch und dann wird der Sachverhalt durch.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn man den genau anguckt, dann kann man, wenn man genug nachgedacht und sich beschäftigt hat mit den Grenzen der Vertragsfreiheit diesen Fall ganz wunderbar lösen. Übrigens ist das eine riesen Chance, weil wenn Sie so einen Sachverhalt im Examen lesen, wissen Sie genau, niemand hier im Raum kann dazu irgendetwas sagen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das heißt, ich muss denken, die anderen müssen denken und ich kann denken, denn ich habe geübt, wie man mit dem Handwerkszeug und der Systematik zu vernünftigen Lösungen kommt.

17:16 Min
Marc Ohrendorf:

Was im Übrigen ja generell gilt. Also wenn man glaubt, irgendwas zu kennen und abspulen zu können, liegt man häufig falsch und selbst wenn dem so ist, weil ja auch immer relativ bewertet wird, hat man eigentlich gar nicht so große Chancen. Also diese grüne Wiese bei der Fallbearbeitung, die ist ja auch generell einiges wert, muss man ja auch mal sagen.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Absolut.

17:35 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn du erlaubst, Marc, würde ich nochmal einen kleinen Schritt zurückgehen und unsere Hörer... Ein bisschen Grundlagen belästigen, die noch vor der Reichweite der Vertragsfreiheit liegen, weil sie meines Erachtens wichtig sind für ganz, ganz viele Fragestellungen, die im Examen relevant sind und wo man gar nicht glauben kann, dass einem grundsätzliche Erkenntnisse helfen können.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Warum ist der Vertrag so wichtig? Da schalten manche meiner Hörer ab und dann sage ich immer, Leute, Öhrchenspitzen, das ist jetzt vielleicht viel wichtiger als die Rechtsprechung zu einem Detail. Der Vertrag ist ja gar nicht in erster Linie juristisch so wichtig, sondern so wichtig, weil er die zentrale Institution der sozialen Marktwirtschaft ist.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Menschen werden dezentral organisiert. Jeder darf seine Bedürfnisse im Rahmen seiner finanziellen Mittel durch Verträge selbst befriedigen, indem er sagt, ich möchte die Wohnung. Habe ich dafür das Geld? Wenn ja, schließe ich einen Mietvertrag.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Oder ich möchte dieses Buch kaufen. Habe ich das für das Geld, dann werde ich entscheiden, dass ich es kaufe. So, die einzelnen Verträge in der Summe, und jetzt kommt ein bisschen Theorie, führen dazu, dass wir Märkte haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und die Theorie lautet, und die ist im Kern auch richtig, lautet, wenn ganz viele Rechtsobjekte ihre Privatautonomie durch Verträge. Am Markt nutzen, dann führt das insgesamt zu einer bestmöglichen Ressourcenallokation, also dazu, ich mach's mal unjuristisch, dass die Güter vernünftig produziert und verteilt werden und insgesamt zu Gemeinwohl.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich mach's nochmal anders.

19:24 Min
Marc Ohrendorf:

Ausnahme natürlich beispielsweise Kartellrecht und entsprechende Verstöße.

19:28 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber Wettbewerb und Vertragsfreiheit sind die Basis unserer Ökonomie und da gibt es jetzt ganz, ganz viele Dinge, die problematisch sind. Wir wissen natürlich alle, dass Nachhaltigkeit sich nicht allein durch Wettbewerb und Vertragsfreiheit einstellt. Wir wissen, dass es soziale Ungleichheit gibt, aber zunächst mal als Ausgangspunkt ist für den Juristen wichtig zu sehen, der Vertrag hat nicht nur eine Funktion in der Klausur, sondern der hat vor allen Dingen eine Funktion da, wo Juristen überhaupt nicht sind.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der ist wichtig für unser Zusammenleben. Wenn man jetzt sagt, dieses Modell, das habe ich ein kleines bisschen gespürt, welche Bedeutung das hat, dann folgen daraus eine Reihe von Dingen, die für Ihre Klausuren relevant sind. Erstmal, es gibt privates Eigentum, klar.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und es gibt auch Erbrecht. Das lassen wir jetzt mal beiseite. Zweitens, die Gegenseite von Vertragsfreiheit ist Paktas und Tawanda. Ist richtig hart. Ich muss erfüllen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und der Richter wird da auch nicht sagen, den Vertrag finde ich ungerecht, du musst jetzt nicht erfüllen. nur bei 134, 138 und bei der Inhaltskontrolle. So, das hat noch eine Konsequenz, die meist nicht bedacht wird.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das BGB, und jetzt sind wir doch mal beim Rechtssubjekt, kennt nur Personen, aber nicht reiche Personen, arme Personen, kluge Personen, Wäbchen, Männchen, sonstiges, sondern das Rechtssubjekt. Das erwachsene Rechtssubjekt hat alle Rechte und Flüchten.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Gesetz schützt den Einzelnen nicht, gibt ihm aber auch gleichermaßen die Freiheit. Das ist die Gleichheit aller volljährigen Rechtsobjekte. Und jetzt kommt etwas, was sie in der Klausur tatsächlich brauchen werden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und weil das alles so im Modell ist, weil man davon ausgehen kann, kann. Im Prinzip kann jeder für sich selber sorgen. Man auch, die Gerichte dürfen Verträge inhaltlich nicht antasten, die dürfen auch nicht sagen, der Vertrag war zu teuer.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist etwas, das nennt man in der Wissenschaft die sogenannte Richtigkeitsgewehr. Wir gehen mal davon aus, dass Verträge in Ordnung sind, wenn freie, erwachsene Rechtsobjekte sie geschlossen haben. So.

21:30 Min
Marc Ohrendorf:

Als Grundannahme. Und jetzt überlegen wir uns, inwieweit wir eventuell davon abweichen müssen.

21:34 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So und genau. Und zwar weicht man natürlich in ganz vielen Rechtsgebieten schon lange davon ab. Im Arbeitsrecht ist man immer davon ausgegangen, die stehen sich nicht paritätisch gegenüber. Der Arbeitnehmer ist immer schwächer.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Daher ist das Arbeitsrecht zwingendes Recht. Da gilt keine Vertragsfreiheit. Fast überhaupt nicht. Oder Wohnungsmietrecht. Wir gehen davon aus, der Wohnungsmieter kann in der normalen Situation eben nicht sagen, ist mir egal, dann suche ich mir eine neue Wohnung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der kann auch nicht dauernd umziehen. Deswegen ist das private Wohnungsrecht überwiegend zwingendes Recht. Beim Verbraucher, das deute ich jetzt nur an, da kommen wir später dazu, ist es noch schwieriger. Der Verbraucher, so das Modell, ist möglicherweise doch nicht auf Augenhöhe mit dem Unternehmer, mit dem er Verträge schließt und deswegen haben wir so viel zwingendes Verbraucherrecht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Von der EU übrigens auch noch aus anderen Gründen vorgegeben. Aber in a nutshell, wenn Sie mit Verträgen arbeiten und wissen, was eigentlich die große Dimension des Vertrags ist, werden Sie plötzlich alle Einzelprobleme viel einfacher verstehen und das einordnen können. Sie werden natürlich in der Klausur keinen Vortrag halten über die Richtigkeitsgewehr von autonom geschlossener Verträge, aber Sie werden schon an Grenzen kommen und ich weise noch mal auf das Beispiel von eben, Sie müssen ein Gespür dafür haben, dürfen die das, dürfen die das nicht? Muss man sagen, die sind frei oder sind sie es nicht?

23:05 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, so viel als grundsätzliche Ausführungen und auch ganz wichtigen Background, dass man auch noch mal entsprechend das große Ganze in diesem Kontext sieht. Lass uns noch mal ein kleines bisschen auf jetzt dann das eingehen, was vielleicht die Standardantwort wäre, zwei übereinstimmende Willenserklärung, Angebot, Annahme.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Wie kommt denn eine Einigung, die dann einfach auch vertragliche Ansprüche und Pflichten erzeugt eigentlich zustande.

23:32 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das einfache Modell für die einfachen Güter-Austauschverträge, wir nehmen jetzt mal Kaufvertrag über Tasse Kaffee, da brauchen sie zwei Willenserklärungen und ob man die nun Angebot und Annahme nennt, ist mir relativ gleichgültig. Das Gesetz definiert die Willenserklärung überhaupt nicht, aber da müssen zwei Willenserklärungen irgendwo da sein.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich möchte nur an dieser Stelle schon darauf hinweisen, dass bei allen Verträgen, die komplexer sind, natürlich eben nicht da ein Angebot kommt und eine Annahme. Ich habe einen Vertrag mitverhandelt, der hat über zwei Jahre gedauert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da können Sie das Angebot und die Annahme gar nicht mehr technisch finden. Aber wir beschäftigen uns jetzt zu Examenzzwecken erstmal schwerpunktmäßig mit zwei Willenserklärungen, die übereinstimmend sind. So, die ist, ganz wichtig, im Gesetz nicht definiert, weil das BGB die Willenserklärung für völlig selbstverständlich hielt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Gesetz, das BGB, hat weder die Willenserklärung definiert, noch den Vertrag.

24:34 Min
Marc Ohrendorf:

Was ist denn dann eine Willenserklärung?

24:36 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, wie der Same schon sagt, die Erklärung eines rechtlich relevanten Willens. Im Ausgangspunkt also eine Erklärung, die von einem Willen getragen wird, in der Wirklichkeit Rechtsfolgen zu erzeugen, nämlich Rechte und Pflichten. Also Erklärung und Wille.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist aber zunächst einmal natürlich nur die einfache Formulierung. Wie immer im Recht gibt es dazu eine ganze Menge von Problemen. Man kann diese Erklärung zum Beispiel ausdrücklich erklären, das kommt nicht so oft vor, dass ich sage, ich gehe in einen Kiosk und sage, ich möchte diesen Kölner Stadtderzeicher zum Preis, der da draufsteht, jetzt sofort, nebst Überechnung, alles Quark, ich lege das Geld hin und kriege die Zeitung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das heißt, viele Willenserklärungen werden konkludent oder durch Verhalten mit Verbalisierung gemischt erklärt. Und da kommen wir gleich dazu. Das ist natürlich…, Eine Aufgabe für den Juristen dann jeweils rauszufinden, was ist denn das? Was hat der denn für einen Willen erklärt? Das Thema Missverständnisse ist ein Kernbereich der juristischen Arbeit.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Auslegung von ganz großen Verträgen, Auslegung von kleinen Verträgen und in der Klausur Auslegung von Willenserklärungen. Wenn die sich geeinigt haben, ist das meistens kein großes Thema.

26:00 Min
Marc Ohrendorf:

Du hast es schon angedeutet, eine bestimmte Form braucht eine Willenserklärung logischerweise nicht.

26:05 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist wichtig, weil die Praxis, die kaufmännische Praxis, das nicht wissen will und vielleicht auch gar nicht weiß. Die Antwort in der Praxis lautet immer, wir haben keinen Vertrag. Die haben einen Vertrag, sie haben ihn nur nicht schriftlich gemacht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, für den Juristen, der auch als Jurist technisch arbeitet, insbesondere der Jurist, der noch Klausuren schreiben muss, ist es wichtig, wenn das Gesetz keine Form verlangt, Willenserklärungen zunächst einmal formlos möglich. Und wenn da eine Einigung ist, dann ist da ein Vertrag gleichgültig, ob der schriftlich fixiert worden ist oder nicht.

26:40 Min
Marc Ohrendorf:

Im Übrigen geht das so weit, dass ich hands-on schon mehrfach Situationen auch erlebt habe, insofern kurze Abweichung oder kurze Abbiegung in die Praxis wieder, die nicht-juristische Praxis an der Stelle, Dass Menschen, die hier sagen, nein, wir haben keinen Vertrag, wir haben da nur eine Vereinbarung geschlossen, die meinen natürlich einen schriftlichen Vertrag, also ein Dokument, wo oben irgendwie Vertrag drüber steht und nicht das, was der Jurist dann damit meint.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Bis hin zu Menschen, die wirklich viel Berufserfahrung haben und man muss sich das trotzdem anhören. Also das ist tatsächlich die Realität.

27:12 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich muss dazu auch noch etwas sagen, da gibt es natürlich Detailprobleme, mit denen man zur Not in der Klausur zurechtkommen muss. Wenn nämlich die beiden Vertragspartner davon ausgegangen sind, dass etwas schriftlich vereinbart werden muss, das können sie ja auch machen, dann gelten wieder etwas andere Regeln.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich kann hier jetzt nur sagen, wenn sie in diesem Bereich etwas bearbeiten müssen, gilt wieder die allgemeine Regel, ich lese mir die dazugehörigen Normen richtig gut durch. 154. Können wir jetzt nicht weiter darauf eingehen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich darf an dieser Stelle wieder ein kurzes Predigt-Element unterbringen. In der Klausur schauen Sie sich immer die einschlägige Norm an. Sie schauen sie sich ganz an. Sie schauen sie sich mehrfach an.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dann lesen sie alle Absätze und dann gucken sie drum herum, was ist da noch geregelt. Das Allermeiste, was man braucht, steht im Gesetz und das Allermeiste wird übersehen, weil man gar nicht erst systematisch und gründlich genug ins Gesetz hineinguckt.

28:17 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt haben wir über ausdrückliche Erklärungen und konkludentes Verhalten in diesem Kontext gesprochen. Bleibt das Schweigen? Kann denn auch Schweigen, ja in Ausnahmen, eine Willenserklärung sein?

28:31 Min
Prof. Dauner-Lieb:

In aller Regel nicht. Wenn ich einfach nichts tue, erkläre ich nichts. Wenn mir was geschickt wird, ist heute in 241a BGB geregelt, wenn mir jemand was zuschickt und schreibt, wenn sie es nicht zurückschicken, dann haben wir einen Vertrag geschlossen, geht das nicht. Ich kann nicht von jemandem gezwungen werden, einen Vertrag zu schließen, wenn der mir sagt, und wenn du nichts tust, bist du selber schuld.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber es gibt eine ganz wichtige, ja, ob das eine Ausnahme ist, bin ich mir nicht ganz sicher, aber es gibt einen Komplex, der in Klausuren sehr oft vorkommt, drei, viermal im Jahr immer wieder, das ist das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Ich mache das jetzt mal ganz einfach.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Übrigens, das kommt immer mit 15 HGB, mit der kaufmännischen Rügepflicht. Das ist sehr dankbar. Das sind die gefürchteten handelsrechtlichen Klausuren, die aber so einfach sind, weil die Themen sind an einer Hand abzuzählen und da muss man nur argumentieren.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also, was ist das kaufmännische Bestätigungsschreiben? Das betrifft, ich mache es jetzt sehr sehr simpel, eine Konstellation, die gerade nicht, die ist das Angebot und Annahme abgegeben werden und man dann sagt, da ist ein Vertrag, sondern Menschen haben verhandelt. Das ist die kaufmännische Praxis für komplette Verträge.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dann sagen sie am Freitagabend, wie schön, Schön, dass wir uns jetzt geeinigt haben. Alle sind müde, gehen eintrinken. Und was man so ganz genau vereinbart hat, weiß man vielleicht doch nicht.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Sie werden jetzt schockiert sein, Sie sind noch nicht in der Praxis gewesen. Aber größere Verträge haben viele, viele Details. Da sind auf beiden Seiten Verhandlungsdelegationen. Also man kennt den Preis, man kennt die Hauptleistung, aber da ist noch eine ganze Menge, was man nicht weiß.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, und nun kommt die Praxis, die da lautet, einer schreibt das auf. Der sagt am Montag, und dann kommt ein Brief, ich schicke Ihnen noch mal zusammenfassend mit großem Dank für die wunderbaren Verhandlungen, die konstruktive Zusammenarbeit und das schöne Abendessen, das Ergebnis unserer Gespräche. Und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, jetzt hat der Bundesgerichtshof eine Regel entwickelt und das sind halt die Regeln zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben, die da lautet. Man muss das gleich lesen, sofort. Und wenn da etwas drinsteht, was man anders in Erinnerung hat, muss man sofort widersprechen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Juristisch formuliert, wer auf ein korsidimensionales Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich reagiert und widerspricht, muss den Inhalt gegen sich gelten lassen. Es sei denn, das was da drinsteht, weicht so weit von den Gesprächen ab, dass beide Seiten gar nicht mit Genehmigung rechnen müssen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben, liebe Hörerinnen und Hörer, ist nun etwas, damit sollten Sie sich nochmal gründlicher beschäftigen. Da sollten Sie sich irgendein gutes Buch nehmen oder mal gucken, vielleicht haben Sie noch Folien aus dem Grundstudium, HGB-Studium, weil das kaufmännische Bestätigungsschreiben eben als Thema außerordentlich relevant ist, immer wieder vorkommt und da muss man auch ein bisschen was das Wissen, nämlich, dass es das gibt und wie es funktioniert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Hat man, wenn man es verstanden hat, sofort kapiert. Aber das zum Beispiel, würde ich sagen, lohnt eine gewisse Investition von einer halben Stunde, vielleicht auch ein kleines bisschen mehr. Warum? Weil es statistisch sehr häufig kommt und weil man da argumentieren kann.

31:52 Min
Marc Ohrendorf:

Also nochmal zusammengefasst, um so ein bisschen, so ein kleines Recap auch mal zu machen. Bleiben wir kurz bei dem Beispiel. Freitagabend gibt es im juristischen Sinne eben keinen Vertrag, Partei A in einem Punkt vielleicht von X noch aus.

32:06 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, man weiß es nicht.

32:08 Min
Marc Ohrendorf:

Genau, das ist nämlich die Frage, auf die ich hinaus will. Sagen wir, grundsätzlich sind vielleicht Produkt und Preis klar, wie du gerade gesagt hast.

32:15 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die Denkmann haben sich geeinigt. Das ist entscheidend. Wenn die wissen, wir haben uns noch gar nicht geeinigt, dann greift das kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht.

32:21 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist nämlich der Punkt, auf den ich hinaus wollte.

32:22 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, super. Danke für die Präzision. Der Witz ist, die denken natürlich, wir sind durch, aber es saß kein Jurist dabei, den meistens nicht dabei haben wollen, der genau Protokoll geführt hat und genau gesagt hat, hier da fehlt noch was. So, die denken sie sind durch und können jetzt jetzt in Ruhe ins Wochenende gehen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und dann stellt sich aber bei der Zusammenfassung heraus, möglicherweise waren da doch noch Dinge, die nicht so klar sind. Man darf das nicht nutzen, um dem anderen Vertragspartner eins unterzujubeln. Denn dann gilt ja, es sei denn, er durfte nicht mit Genehmigung rechnen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber das Entscheidende ist, und man könnte das jetzt auch dogmatisch noch vertiefen, das ist aber meines Erachtens nicht ertragreich, weil das jetzt seit Jahrzehnten vom Bundesgerichtshof so praktiziert wird, Es ist einfach praktisch wichtig, dass die nicht anfangen, nach vier Wochen wieder zu diskutieren, weil man sagt, was sie da drin geschrieben haben, da habe ich aber ganz anders verstanden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs, die einen ganz großen Wert hat und die sie auch im Handelsrecht immer als Argumentationsfigur verwenden dürfen, erfordert einfach, dass dann die Sache geklärt ist. Und das ist der Hintergrund dieser Rechtsprechung, die sagt, wenn man nicht sofort liest und widerspricht, dann muss man den Inhalt gegen sich gelten lassen, es sei denn, das ist derartiger Bullshit, dass niemand mit der Genehmigung rechnen musste.

33:53 Min
Marc Ohrendorf:

Zweite kurze Klarstellung oder Erläuterung, weitere Ausführung. Du hast eben gesagt, ja und dann kommt da immer 15 HGB mit. Natürlich steht das kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht in 15 HGB, sondern das ist immer mit Problematiken des 15 HGB oder häufig in Klausuren kombiniert.

34:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich bin sehr dankbar, dass du das noch mal sagst, dass es gehört mit zu meinem Konzept der Examensvorbereitung, dass man allmählich eine Landkarte bekommt, welche Probleme in Klausuren gemeinsam auftreten. Okay, warum taucht nun der 15 HGB sehr häufig mit dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben zusammen mit der kaufmännischen Rügepflicht auf, die zunächst einmal gar nichts miteinander zu tun haben, weil Kaufleute beteiligt sind? Also ein Aufgabensteller, der ohnehin schon mal eine Geschichte ausdenkt mit einem Kaufmann, ist dann ja schon auf dem Weg zu anderen Problemen, die sich rund um den Kaufmann entwickelt haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also in solchen Klausuren ist es dann häufig so, dass da ein Kaufmann noch eine Prokura erteilt hat und sie nicht ins Handelsregister eingetragen hat und dann widerruft er die Prokura und lässt das auch nicht ins Handelsregister einträgen. Also selbstverständlich hat das nichts mit 15 HGB zu tun.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aber klausurtaktisch können sie davon ausgehen, wo ein kaufmännisches Problem lauern auch noch andere. Deswegen macht es auch Sinn zu sagen, alles was im kaufmännischen Verkehr als Probleme auftauchen, das gucke ich mir auf einer Karteikarte oder mit einem anderen Medium mal zusammen an, dann sind sie übrigens schon sehr nah dran, was dann tatsächlich in der Klausur vorkommt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also meine Erfahrung ist, wo ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist, auch noch ein anderes Problem, was sich am Kaufmann festmacht. Und natürlich, meine Damen und Herren, das ist heute nicht mehr so schwer wie zu meiner Studienzeit, Paragraf 1 HGB und die fortfolgende, das müssen Sie sich mal angeguckt haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das entwickelt man leider nicht in fünf Stunden. Man kann das, aber das schaffen sie nicht, dafür haben sie nicht die Zeit. Also das gehört mit auf ihre Liste der zu betrachtenden Dinge.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, ich weiß nicht Problem, sondern nur ich weiß, was ein Kaufmann ist und was nicht.

36:05 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, dann verlassen wir das kaufmännische Bestätigungsschreiben und das Handelsrecht für den Moment und kehren zurück zum Vertrag. Wenn beide dasselbe wollen, kommt dann der Vertrag dann auch genau mit diesem Inhalt zustande, wenn sie es denn unterschiedlich bezeichnen.

36:20 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja. Uralte Entscheidung. Fall seit Demonstration nur Notze, die falsche Bezeichnung schadet nichts, das ist der berühmte Fall Haag-Jöringsköth.

36:32 Min
Marc Ohrendorf:

Wahl- und Haifischfleisch, wenn ich mich recht entsinne.

36:35 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da standen im ersten Weltkrieg Kaufleute vor einem Schiff. Jessica hieß das. Und beide dachten, da ist Walfischfleisch drin. Da war aber Haifischfleisch drin.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und dann schließen sie einen Vertrag über Hark-Jörings-Köth, was Haifischfleisch heißt. Die wollten aber die ganze Zeit nur einen Vertrag schließen über Walfischfleisch. Da hat schon das Reichsgericht gesagt, wie die das nennen, ist völlig gleichgültig.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn ich einen Tisch verkaufe, und das ist ein Stuhl, Aber beide wissen, die wollen den Stuhl verkaufen, dann ist das gleichgültig, ob die das Tisch nennen. Also, solange die Vertragspartner völlig einig sind, was sie wollen, ist die Verbalisierung völlig gleichgültig.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dann können die machen, was sie wollen, mit den komischsten Bezeichnungen umgehen, es kommt nur auf den Inhalt an. Das war eigentlich schon klar vor dieser Entscheidung, aber seit dieser berühmten Entscheidung ist das völlig klar.

37:36 Min
Marc Ohrendorf:

In Abgrenzung zu der Situation, dass eine Partei eine Falschbezeichnung verwendet.

37:40 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, selbstverständlich. Dann kommen wir gleich zum Thema Missverständnisse. Aber solange beide Parteien wissen, was sie wollen und dasselbe wollen, haben wir vertragsrechtlich kein Problem gleichgültig, welche Bezeichnung sie benutzen.

37:55 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt haben wir diese schöne alte Entscheidung gerade besprochen. Lass uns bei dieser Gelegenheit nochmal kurz auf die Frage eingehen, Inwieweit man eigentlich in seiner Examensvorbereitung höchstrichterliche Entscheidungen lesen und auch im Gedächtnis behalten sollte und was das alles bringt. Denn klar ist ja, alles kann man eh nicht lesen und alles behalten erst recht nicht.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Aber man muss sich ja dennoch mal mit einer entsprechenden oder mehreren oder vielen höchstrichterlichen Entscheidungen beschäftigen. Warum?

38:21 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich bin sehr dankbar für die Frage. Wir sind ein Kodifikationsrecht. Für uns ist zunächst einmal das BGB maßgebend und deswegen müssen Sie auch immer anfangen mit dem Gesetz. Das Gesetz ist alt und viele, Passagen des Gesetzes wird man heute durch die Entwicklung der Rechtsprechung nicht mehr verstehen können.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Deliktsrecht. Da gibt es ganz, ganz, ganz viele Entscheidungen und wenn man das gar nicht, oder wenn man nicht einmal ein Gespür dafür hat, was die Rechtsprechung in Anwendung und Weiterentwicklung des Rechtes da getan hat, dann wird man auch aus dem Gesetz keine Lösung finden. Was folgt daraus? Nein, Sie sollten nicht die Leitsätze aus der RÜ lernen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, nicht jede Entscheidung irgendwie und schon gar nicht nur die Leitsätze, weil die Leitsätze zeigen wenig Verständnis und sagen auch nicht, wie der Fall wirklich gelagert hat. Es gibt aber eine ganze Reihe von Entscheidungen, das können 25 oder 30 sein, die das Recht tatsächlich geprägt und vielleicht auch verändert haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da gehört vielleicht diese Hagyörings-Köth-Entscheidung dazu. Ich bringe mal ein anderes Beispiel, auf das wir später zu sprechen kommen. Hühnerpest. Wenn ich im Examen frage, was verbindet sie mit Hühnerpest und niemand kann dazu was sagen, ist mir klar, dass diese Prüflinge, die vor mir sitzen, sich mit Produzentenhaftung, und zwar mit der deliktischen Produzentenhaftung, nie beschäftigt haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Denn Hühnerpest ist die maßgebliche Entscheidung zur Entwicklung einer deliktischen Produzentenhaftung. Oder Herrenreiter, ist auch Deliktsrecht. Herrenreiter und das Persönlichkeitsrecht. Wer mit Herrenreiter nichts anfangen kann, hat sich eigentlich gründlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als sonstigem Recht im Sinne von 823 nicht wirklich beschäftigt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das sind nicht sehr viele, aber die sind einfach wichtig, weil sie das Gesetz verändert haben. Da könnte man jetzt eine eigene Folge darüber machen. Darf die Rechtsprechung überhaupt das Gesetz verändern? Sie tut es aber.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Richterliche Rechtsfortbildung ist Realität und wir kommen auch ohne gar nicht aus. Ich würde in der Folgezeit, wenn wir miteinander hier arbeiten und Podcasts macht, immer mal wieder sagen, die Entscheidung ist wichtig. Höchstens eine pro Einheit, mehr ist es auch nicht, aber die sollte man dann auch gelesen haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wirklich inhaltlich gelesen und nicht nur, was ist da rausgekommen.

40:46 Min
Marc Ohrendorf:

Packen wir euch auch entweder in der Zusammenfassung oder direkt im Volltext, je nachdem welcher Link da online gerade frei zugänglich ist, in die Shownotes von der entsprechenden Podcastfolge. Jetzt müssen wir auf den Dissens zu sprechen kommen, der eben schon das ein oder andere Mal angeklungen ist.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Was ist denn, wenn die Parteien nicht dasselbe gewollt haben? Kann man dann ganz einfach sagen, dass kein Vertrag geschlossen wurde? Nein.

41:10 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist eine der ... Fehlannahmen der Praxis und einer der zentralen Fehler im Examen. Weil Parteien nicht dasselbe gewollt haben, liegt noch lange kein Dissens vor. Ist ein bisschen schwierig zu verstehen, als Anfänger jedenfalls, weil man ja sagt, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich sind, Wille und Erklärung, dann müssen die sich doch verstanden haben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn die sich nicht verstanden haben, liegen keine Willenserklärungen. Stimmt nicht. Warum? Jetzt kommt etwas ganz Entscheidendes. Die Willenserklärungen werden nicht eins zu eins so Rechtswirklichkeit, wie sie gemeint gewesen sind, sondern die werden ausgelegt, die werden normativ durchleuchtet.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nicht alles, was ich erkläre, muss ja unbedingt meinem Willen entsprechen. Das, was ich erkläre, kann ja für den, der es hört oder sieht, anders sein als das, was ich will. Ich habe mich einfach nicht klar ausgedrückt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und jetzt kommt etwas, was ganz entscheidend ist und in Klausuren eine Riesenrolle spielt, die Auslegung vom Empfängerhorizont. Jede Willenserklärung hat den Inhalt, den der andere bei vernünftiger Betrachtung der Erklärung zumessen durfte. Also die wird nicht so ausgelegt sein.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

In dem Sinne, was wollte der Erklärend? Die wird auch nicht so ausgelegt, was hat der Andere verstanden, sondern das Recht geht einen Mittelweg. Eine Willenserklärung ist so auszulegen, wie ein vernünftiger Empfänger sie verstehen durfte. Meine Damen und Herren, hier kommt der Jurist ins Spiel.

42:48 Min
Marc Ohrendorf:

Und dieser vernünftige Empfänger, hat der denn entsprechendes... Also ist das ein normativer Empfänger, der einfach ein allgemeiner Empfänger ist, Oder hat der entsprechende Rahmen- und Hintergrundkenntnisse desjenigen, der in dieser Situation auch tätig war?

43:03 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da kommt es tatsächlich auf alle Umstände des Einzelfalls an. Das spielt in unzähligen Klausuren und übrigens natürlich auch in vielen Prozessen und in der Praxis dauernd eine Rolle. Nicht, was hat der Empfänger verstanden, sondern was konnte er verstehen, wenn er vernünftigerweise den Kontext als vernünftiger Mensch, nicht als Jurist, hätte Deuten, ja auch Juristen sind natürlich vernünftige Menschen, aber wir haben natürlich juristische Vorkenntnisse, abgestellt wird auf den Normalbürger, nicht auf den Juristen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wie durfte der das empfangen? Ich bringe ein Beispiel, was er durch alle Klausuren geistert. Wenn in einer Bäckerei steht, belegte Brötchen 3,50 Euro und ich gehe rein und sage, ich möchte ein belegtes Brötchen, dann habe ich die Willenserklärung abgegeben, ich möchte ein belegtes zu 3,50 Euro, weil der Empfänger, der Verkäufer, davon ausgehen kann, dass ich das Schild gesehen habe und eine Erklärung abgeben will, ich will ein Brötchen zu diesem Preis.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn ich das Schild jetzt aber nicht gesehen habe, ist das gleichgültig. Das ist nicht sein Problem, das ist mein Problem. Sonst könnte ich ja fragen, was kostet hier ein Brötchen? Also ich kann mich umgucken, Ich muss mich umgucken.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und das ist diese Auslegung vom Empfängerhorizont. Und da kann es dazu kommen, dass zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, ich mich aber trotzdem nicht glücklich fühle, weil ich nämlich nicht meinem Willen entspreche. Übrigens, was lässt das Gesetz dann zu, Marc? Jetzt darfst du es sagen.

44:37 Min
Marc Ohrendorf:

Anfechtung. Genau.

44:39 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dafür haben wir die Anfechtung, die Sie im Grundstudium erarbeitet haben. Wenn nicht, mehr so präsent. Bitte nachlesen. Keine Details.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Was ein Inhaltsirrtum, was ein Erklärungsirrtum, was ein Eigenschaftsirrtum, das machen wir jetzt hier nicht, weil das ist etwas, das kann man in einer halben Stunde sich noch mal vor Augen und Ohren führen, das ist nicht so kompliziert. Aber diese Erklärung vom Empfängerhorizont, das muss man auch üben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und da muss man sich auch immer wieder zwingen, weil selbst Erfahrene sagen, wieso, das hat der doch nicht gewollt. Das reicht nicht, um einen Dissens anzunehmen. Der Dissens kommt im deutschen Recht praktisch nicht vor.

45:18 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt müssen wir uns noch ein kleines bisschen mit Weinversteigerungen beschäftigen und der Frage, was ist eigentlich Erklärungsbewusstsein?

45:26 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ein ebenfalls statistisch irre relevantes Thema. Gibt es ganz viel Klausuren, mehr als es in der Praxis vorkommt, als Thema. Die Willenserklärung, haben wir gesagt, setzt voraus eine Erklärung und einen Willen. Und das Erklärungsbewusstsein liegt sozusagen noch eine Ebene vor einem konkreten Rechtsfolgewillen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nämlich, ich habe, ich weiß, dass ich irgendetwas tue, was überhaupt eine rechtliche Bedeutung hat. Das klassische Beispiel, Trierer Weinversteigerung. Ein Tourist geht in ein, in Trier, in eine Veranstaltung, ein Event und da wird Wein versteigert.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das hat er aber nicht verstanden. Und er hat vor allen Dingen nicht verstanden, dass man Gebote durch Handzeichen gibt. Und er winkt seiner Frau hinten zu und hat ein Fasswein ersteigert. Hat er eine Willenserklärung abgegeben.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das war über Jahrzehnte außerordentlich streitig. Streitig heißt, es war in der Rechtsprechung noch gar nicht angekommen, aber es wurde in Büchern diskutiert. Und das Interessante ist, dass das BGB in seiner Ursprungsfassung 1900 selbstverständlich davon ausgeht, wenn jemand gar nichts wollte, rechtsgeschäftlich, dann war auch da das auch keine Willenserklärung.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der Bundesgerichtshof hat das inzwischen längst entschieden in einer Entscheidung, die nicht ganz einfach zu lesen ist, zur Bürgschaft, die ich Ihnen jetzt nicht erkläre. Aber wenn man das, was der BGH gesagt hat, auf eine ganz einfache Formel bringt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der Bundesgerichtshof sagt, auch wenn das Erklärungsbewusstsein fehlt, liegt eine Willenserklärung vor, man kann sie aber anfechten und daraus folgt für den Studierenden und den Prüflingen, was aussieht wie eine Willenserklärung, ist auch eine Willenserklärung, auch wenn der notwendige Wille und das Erklärungsbewusstsein nicht da ist. Es kann angefochten werden.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da hat sich also das Recht durch die Rechtsprechung verändert, denn nochmal, der Gesetzgeber des BGBs hätte in diesen Fällen keine Willenserklärung angenommen. Der BGH nimmt aber eine Willenserklärung an. Das ist das Thema Erklärungsbewusstsein und weil das so grundstürzend verändernd gewesen ist, kommt das in ganz verschiedenen Variationen in Klausuren immer wieder vor.

47:55 Min
Marc Ohrendorf:

Letztes Themenfeld und dann habt ihr es sozusagen, die hier zuhört und du auch, die du hier so ein bisschen duzierst, kann man es ja schon fast nennen oder auch einfach ein bisschen Hintergründe erläuterst, geschafft. Warum ist das Themenfeld der artlistigen Täuschung so bedeutsam.

48:12 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das Feld der arglistigen Täuschung ist ja zunächst einmal eingebunden in den Problemkreis Anfechtung. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber ganz was anderes als die Anfechtung wegen Irrtums. Die Studierenden und Prüflinge verwenden unglaublich viel Zeit auf den 119, der in der Praxis und nach meiner Erfahrung auch in der Examenspraxis keine so große Rolle spielt.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der 123 und die arglistige Täuschung ist zentral wichtig. Warum? Weil die arglistige Täuschung nicht nur in 123 eine Rolle spielt, sondern bei der Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses, 444, bei der Verjährung, die läuft nämlich anders bei Agnes der Täuschung, 438, und dann natürlich auch noch im Kontext des 826, zu dem wir später kommen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Warum ist das jetzt praktisch so wichtig? Meine Damen und Herren, Grundstücke. Bei Grundstücken gibt es einen Gewährleistungsausschluss, den gibt es bei Verbrauchsgüterkaufverträgen ja gar nicht. Aber im gesamten Grundstücksgeschäft können alle jegliche Haftung für Mängel ausgeschlossen werden, aber nicht, wenn sie arglistig verschwiegen worden sind.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und durch haben und weil das dann häufig auch noch arglistische Täuschung durchunterlassen ist, ich bringe Ihnen wieder ein Beispiel, der Verkäufer eines Grundstücks sagt nicht, dass im Dachstuhl Pilzbefall ist. Frage ist, musste er das sagen? Das ist eine typische Klausur, die Verjährungsfrist ist selbstverständlich abgelaufen, da ist ein Gewährleistungsausschluss und dann haben wir noch den 123.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und um solche sehr relevanten Fälle bewältigen zu müssen, müssen Sie sich beschäftigen mit der Frage, was ist eigentlich Arclist? Wann muss ich aufklären, also Arclis durchunterlassen? Welche Pflichten habe ich? Muss ich nicht sagen, der kann sich doch selber darum kümmern, kann sich das Haus ja angucken. Kauft wie besehen.

1:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist ein Feld, wo Sie ein bisschen was lesen sollten und sich mit beschäftigen sollten. Einfach, weil es oft vorkommt und eben auch wirklich sehr spannend ist.

50:39 Min
Marc Ohrendorf:

Gutes Beispiel wieder für die entsprechenden Zusammenhänge, die auch in eurer Examensvorbereitung eine Rolle spielen. Der Zusammenhang vom 123 ist eben nicht, dass er mit 119 zusammensteht und so weiter, sondern der Zusammenhang ist eben genau dieser, dass er zum Beispiel in Verbindung mit einer entsprechenden Grundstücksproblematik in der Klausur vorkommen kann.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Und das ist eben auch das Ziel, was wir hier haben, weswegen wir diese Serie machen. Ich finde, das ist wieder wunderbar zum Vorschein gekommen. Vielen herzlichen Dank.

51:07 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Vielen herzlichen Dank. Es war mir eine Freude.

51:09 Min
Marc Ohrendorf:

Tschüss.

51:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Tschüss.

51:10 Min
Marc Ohrendorf:

Und wenn euch diese Episode von Irgendwas mit Recht gefallen hat, dann schaut mal vorbei auf www.irgendwasmitrecht.de. Da findet ihr neben diesen Examensfolgen, die an Donnerstagen herauskommen, natürlich auch unsere normalen Podcast-Folgen, wo wir spannende Juristinnen und Juristen, die eventuell auch ein Vorbild für euch sein können, interviewen.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Diese Folgen erscheinen immer montags und das Podcast-Abo ist selbstverständlich bei allen Episoden kostenfrei. Tschau.

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