IMR17617. Aug 23
IME010: Aufwendungsersatz nach § 284 BGB, Abgrenzung zum Schadensersatz, Rentabilitätsvermutung, AIDA-Klausel

IME - Irgendwas mit Examen

IME010: Aufwendungsersatz nach § 284 BGB, Abgrenzung zum Schadensersatz, Rentabilitätsvermutung, AIDA-Klausel

Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln

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Über diese Episode

Folge 176 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Intro - Wo wir stehen - Überblick 284 BGB - Der Aufwendungsbegriff - Klausurtaktik und § 284 BGB - Frustrierte Aufwendungen & Rentabilitätsvermutung - Der AIDA-Paragraph

In dieser Episode besprechen wir den § 284 BGB und die dazugehörigen Klausurtaktiken. Was versteht man unter dem Aufwendungsbegriff? Wie hilft das Verständnis dieses Paragraphen und der Konzepte wie frustrierte Aufwendungen bei der Examensvorbereitung? Welche Rolle spielt die Rentabilitätsvermutung? Und was ist der AIDA-Paragraph? Antworten auf diese Fragen erhaltet ihr in Folge 176 von Irgendwas mit Recht. Viel Spaß!

Kapitel:

  • 00:49 - Intro
  • 00:59 - Wo wir stehen
  • 01:35 - Überblick 284 BGB
  • 03:20 - Der Aufwendungsbegriff
  • 06:30 - Klausurtaktik und § 284 BGB
  • 11:42 - Frustrierte Aufwendungen & Rentabilitätsvermutung
  • 20:43 - Der AIDA-Paragraph

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Barbara Dauner-Lieb

Barbara Dauner-Lieb

Kapitel

  • 00:00:49.905Intro
  • 00:00:59.878Wo wir stehen
  • 00:01:35.527Überblick 284 BGB
  • 00:03:20.875Der Aufwendungsbegriff
  • 00:06:30.149Klausurtaktik und § 284 BGB
  • 00:11:42.500Frustrierte Aufwendungen & Rentabilitätsvermutung
  • 00:20:43.979Der AIDA-Paragraph

Über Universität zu Köln

Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.

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Der §284 BGB, der Ersatz vergeblicher Aufwendungen regelt, ist eine Innovation des Schuldrechts und hilft, trotz fehlender Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, Aufwendungen zu ersetzen, die im Vertrauen auf die Leistung gemacht wurden.

Sneak Peak – Q&A mit Barbara Dauner-Lieb

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

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1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu irgendwas mit zivilrechtlichem Examen Folge 10 mit Barbara Dannerlieb. Hallo.

1:07 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Hallo.

1:09 Min
Marc Ohrendorf:

Barbara, wo stehen wir? Heute steht hier in der Überschrift für diejenigen, die auf diese Podcast-Folge geklickt haben, irgendwas mit 284, naja wir nennen es ein bisschen anders, aber es wird rausgekommen sein.

1:19 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, wir sind immer noch im Leistungsstörungsrecht, also im allgemeinen Schuldrecht und sie erinnern Worum geht es im Leistungsstörungsrecht? Um all die Probleme, die auftauchen, wenn bei der Abwicklung eines Vertrags irgendetwas schief läuft.

1:35 Min
Marc Ohrendorf:

Worum geht es heute konkret?

1:37 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir befassen uns heute nochmal mit den Rechtsfolgen einer Leistungsstörung. Wir hatten uns ja in der letzten Folge sehr ausführlich mit den Grundlagen der Paragraphen 280 fortfolgende befasst, also mit dem Schadensersatz und heute geht es nun um eine ganz besondere Norm am Ende der Regelungen zum Schadensersatz, Nämlich um den Paragrafen 284, der hat die Überschrift Ersatz vergeblicher Aufwendung.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wir sollten uns den vielleicht mal gemeinsam anschauen. Ich lese den mal vor, wenn ich das darf.

2:11 Min
Marc Ohrendorf:

Klar.

2:13 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, ich kann ja immer nur predigen, Gesetz, Gesetz, Gesetz. Alles was Sie denken und tun, sollte seinen Anfang nehmen in der Lektüre des Gesetzes. Ich lese mal vor, anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung, Paragraf 280, Absatz 3, Sie erinnern sich, kann der Gläubige Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Diese Regelung, jetzt kommt eine Vorbemerkung, gehört zu den ganz wenigen Regelungen des neuen Schuldrechts, die tatsächlich auch einen neuen Inhalt haben. Ich habe Ihnen ja sehr ausführlich berichtet, dass die Schuldrechtsreform in weiten Bereichen eigentlich nur eine bessere Rechtstechnik wollte und die Gesetzesgrammatik geändert hat.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Beim Paragrafen 284 haben wir tatsächlich eine Innovation und diese Innovation war ein ganz besonderes persönliches Anliegen von Klaus Wilhelm Canaris, des Vorsitzenden der.

3:21 Min
Marc Ohrendorf:

Schuldrechtskommission. Aufwendungen. Wenn ich mich zurück erinnere, dann kommt mir da irgendwas in den Sinn mit freiwillige Vermögensopfer.

3:27 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das ist die übliche Definition. Das steht auch in sehr vielen Büchern als Definition für Aufwendung drin. In der Regel sind tatsächlich Aufwendungen freiwillige Vermögensopfer und das grenzt man ab von Schäden. Und das sind die unfreiwillig erlittenen Nachteile.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Aufwand und Schaden heißt also freiwillig, heißt die Abgrenzung freiwillig, unfreiwillig. Das ist gefährlich, meine Damen und Herren, weil es auf den Kontext ankommt. Aufwendungen, das kann je nach Kontext auch ein Schaden sein und Schäden können auch Aufwendungen sein.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das kommt wirklich auf den jeweiligen regulativen Kontext an. Das heißt, die sollten in aller Regel vermeiden, nur begrifflich zu argumentieren und sagen, es ist eine Aufwendung, weil es hier ein freiwilliges Vermögensopfer ist. Ich bringe ein Beispiel, die Selbstauferopferung im Straßenverkehr bei der GOA, die ist Ihnen bekannt.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Da sind Schäden, die Sie erleiden, Aufwendungen im Sinne von § 683, die Sie liquidieren können.

4:32 Min
Marc Ohrendorf:

Ich spiele mal die Rolle desjenigen, der hier gerade sich fragt, selbstaufopferung im Straßenverkehr, was genau ist das?

4:40 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Selbstaufopferung im Straßenverkehr, was ist das? Wir kommen in der GOA noch ganz ausführlich dazu. Das sind die berühmten, im Ergebnis heute weitestgehend geklärten Fälle, dass jemand als Autofahrer, dem ein Kind auf dem Fahrrad entgegenkommt, das Steuer rumreißt und sich selber vor einen Baum setzt, um das Kind nicht zu verletzen.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Jetzt nehmen wir mal an, ihn trifft selbst nicht das geringste Verschulden an dieser Situation. Dann stellt sich die Frage, wir lassen mal Straßenverkehrsrecht ganz außen vor, dann stellt sich im Rahmen der GOA die Frage, kann er Schäden, die er hat, im Wege der GOA gegenüber dem Kind liquidieren.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und das scheitert jedenfalls nicht darin, dass seine Schäden kein freiwilliges Vermögensopfer sind. Ich nehme nochmal ein anderes Beispiel, was vielleicht das auch gut erklärt. Wenn ein Autofahrer am Straßendrand einen blutenden Verletzten sieht und nimmt den mit und bringt ihn ins Krankenhaus und nun ist sein ganzes Auto verschmutzt, dann kann er die Reinigungskosten als Aufwendungen im Zuge der GOA geltend machen, obwohl das natürlich Schäden sind.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das sind keine freiwilligen Vermögensopfer. Was ich sagen will ist, die Begriffe müssen im Kontext ausgelegt werden. Es ist umgekehrt so beim § 122 Schadensersatz nach Anfechtung, dass der Ersatz des Vertrauensschadens fast immer in freiwilligen Vermögensopfern besteht. Ich bekomme das ersetzt, was ich nicht investiert hätte, wenn ich den Vertragspartner nie getroffen hätte und was ich rentiert hätte, wenn der Vertrag tatsächlich abgewickelt worden wäre.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist eine erste Annäherung, freiwillige Vermögensopfer, aber es gibt eben Schäden, die eigentlich Aufwendungen sind und Aufwendungen, die eigentlich Schäden sind, da muss man ganz genau hingucken.

6:29 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt müssen wir auch noch mal hinschauen, wo sich der 284 im Gesamtgefüge der 280 fortfolgende einordnet. Ich erinnere mich an eine Karteikarte zurück. P war immer Problem oder Meinungsstreit, aber auch Scheindebatte. 284 eigene Anspruchsgrundlage?

6:48 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Der Wortlaut könnte, könnte darauf hindeuten, dass es eine Anspruchsgrundlage bildet. Insoweit als das steht, kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendung verlangen. Der Wille des Gesetzgebers ist völlig eindeutig.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die Anspruchsgrundlage ist § 280 Absatz 1 und auch die Systematik spricht dafür, dass das keine eigene Anspruchsgrundlage ist. Das steht am Ende der Schadensersatzregelung, für die es eben nur eine Anspruchsgrundlage gibt, mit den Paragrafen 280 Absatz 1. Man kommt auch, wenn man sofort mit 284 anfängt, aufbaumäßig in Teufelsküche.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also ich würde es im Examen nie als ganz großen Fehler anstreichen, aber es ist keine Anspruchsrunde.

7:33 Min
Marc Ohrendorf:

Das heißt, ich gehe in der Klausur so vor, dass ich mich über den 280 Absatz 1 näher und damit beginne.

7:40 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich würde auf jeden Fall mit dem 280 Absatz 1 beginnen, weil man dann nämlich tatsächlich das Problem, das der Paragraph 284 lösen will, überhaupt erst findet. Wenn man mit dem Paragraphen 284 anfängt, kommt man überhaupt nicht zu der eigentlichen zu sehen. Wundenstelle und zu den Problemen, die dahinter stecken.

8:00 Min
Marc Ohrendorf:

Kannst du das mal an einem Beispiel deutlich machen, bitte?

8:03 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, ich nehme jetzt den Klassiker, um den es bei den Diskussionen bei der Einführung von Paragraf 284 auch die ganze Zeit ging, den Stadthallenfall. Vereinfache das etwas, da war eine P-Partei, die hatte die Stadthalle der Gemeinde G gemietet, um dort eine große politische Veranstaltung abzuhalten.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Zur Vorbereitung, um für Regen Besuch zu sorgen, hatte man im Vorfeld Plakate und Flyer gedruckt. Ganz kurz vor der Veranstaltung bekam die GNU kalte Füße und erklärte, dass die Stadthalle nicht zur Verfügung stehe. Warum bekam sie kalte Füße? Wegen der problematischen Orientierung der Partei, die sich, wenn überhaupt, nur noch am Rande des demokratischen Spektrums befasst.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Man kann das auch sehr deutlich sagen, die Gemeinde war der Meinung, eigentlich hätten diesen Mietvertrag nie abschließen sollten. Kleiner Hinweis, im öffentlichen Recht gibt es das Problem immer noch. Es gibt einen Gleichbehandlungsanspruch.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn die Gemeinde einer großen demokratischen Partei eine Stadthalle vermietet, muss sie das auch allen anderen, die vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten sind und deswegen ist das ein mega Thema auch im öffentlichen Recht. Okay, also hier war es so gewesen, die Gemeinde hatte aus relativ nachvollziehbaren Gründen kurz vorher gesagt, machen wir nicht, ihr kriegt die Stadthalle nicht.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So und die Partei verlangte jetzt zurück als Schadensersatz die Kosten für die Plakate und die Flyer. Also die hatte Plakate gedruckt und die ganze Veranstaltung lief nicht.

9:33 Min
Marc Ohrendorf:

Wollen wir das mal schubuchmäßig vielleicht nach 280 Absatz 1 durchprüfen?

9:38 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Genau, wir fangen jetzt mal wirklich von vorne an. Schuldverhältnis ist der zwischen P und G geschlossene Mietvertrag, völlig eindeutig. Ein Satz. Die Nichtüberlassung der Stadthalle ist eine Pflichtverletzung.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Die haben im letzten Augenblick gesagt, kriegst du nicht. Das war vorsätzlich. Da braucht man mit der Vermutung gar nicht hin. Die haben gesagt, mach mal nicht, wollen wir nicht.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist blanker Vorsatz. Damit war eigentlich klar, a, dass die Tatbestandsmerkmale erfolgt sind, aber, Fraglich war nun, ob der Partei tatsächlich ein Schaden entstanden ist, der auf die Pflichtverletzung zurückgeht. Pflichtverletzung ist, ich breche den Vertrag, ich gebe dir die Stadthalle nicht.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, bei jedem Schadensersatz, meine Damen und Herren, müssen Sie anfangen mit der Differenzmethode. Sie vergleichen die Vermögenslage vor und nach der Pflichtverletzung mit oder ohne Pflichtverletzung. Wenn Sie das jetzt hier machen, dann stellen Sie fest, naja, die Kosten waren ja entstanden.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Auch ohne die Pflichtverletzung war dieses Minus im Vermögen da. Das heißt, bei unbefangener Betrachtung stand die Partei als Folge der Pflichtverletzung vermögensmäßig nicht anders da als vorher. In ihrem Vermögen war das Minus für die Plakatkosten entstanden.

10:46 Min
Marc Ohrendorf:

Flyer sind gedruckt, klar.

10:48 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und wenn Sie das jetzt juristisch formulieren, kann man einfach sagen, die Pflichtverletzung war nicht kausal für die Vermögenseinduße. Damit war der Schadensersatzanspruch eigentlich weg. Einen normalen Schadensersatzanspruch gibt es nicht.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und wenn man es jetzt auf eine etwas höhere Abstraktionsebene zieht, das war hier kein Vermögensschaden, sondern sogenannte frustrierte Aufwendung. Aufwendungen, deren Nutzen man nicht mehr genießen konnte, weil irgendetwas passierte und deswegen frustrierte Aufwendung. Das haben wir im Deliktsrecht als Thema übrigens auch noch.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

So, aber klar war jedenfalls, dass diese Konstellation, und es ging tatsächlich um eine demokratisch nicht ganz unproblematische Partei, darüber diskutierte man die ganze Zeit, dass hier mit dem Schadensrecht nicht weiterzuhelfen war, sodass diese Partei in der Konstellation vor dem Bundesgerichtshof auch verloren hat.

11:42 Min
Marc Ohrendorf:

Wenn ich jetzt an das Stichwort frustrierte Aufwendungen denke, dann denke ich auch an die Rentabilitätsvermutung. Da sind wir zwar hier nicht ganz in unserem Fallbeispiel, dazu dann gleich, aber wir müssen das glaube ich kurz dazwischen schieben. Was ist die Rentabilitätsvermutung und dann entsprechend auch Folgefrage, warum bringt die uns hier nichts?

12:02 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also die Rechtsprechung kannte natürlich diese Fälle und hatte sie bereits entschieden, dass eine Vertragspartei im Vertrauen auf einen Vertrag Aufwendungen gemacht hatte, die durch den Vertragsbruch frustriert wurden. Das hatte die Rechtsprechung schon öfter zu entscheiden.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und wenn es um Verträge ging, in denen die Parteien wirtschaftliche Ziele verfeuchten, also Mietvertrag, um da ein Popkonzert abzuhalten, da wurde dem Gläubiger, dem Geschädigten, geholfen mit der Rentabilitätsvermutung, etwas vereinfacht. Die Rentabilitätsvermutung heißt, es wird vermutet, dass der Gläubiger diese Aufwendungen zur Vorbereitung des Events durch die vereinbarte Gegenleistung sowieso wieder reingeholt hätten, sodass in seinem Vermögen am Schluss kein Minus war.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also nochmal, hätte der Mieter die Stadthalle gemietet, um ein Konzert zu veranstalten, dann hätte er Einnahmen gehabt und die Rechtsprechung hätte angenommen, dass sich das Konzert und damit auch die Werbemaßnahmen rentieren, sodass eben ohne die Pflichtverletzung des Vermieters auch ein Defizit im Vermögen entstanden wäre. Das funktioniert aber nicht, wenn der Gläubiger mit dem Vertrag, wie hier, nur ein ideelles Interesse verfolgt.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Weil dann sind keine Einnahmen, mit denen man diese Aufwendungen in irgendeiner Weise verrechnen kann. Dann steht von vornherein fest, dass der Gläubiger gar keine wirtschaftlichen Vorteile erzielt, mit denen er die in Erwartung der Durchführung des Vertrags gemachten Aufwendungen ausgleichen konnte. Das heißt, die Rentabilitätsvermutung, die die Rechtsprechung entwickelt hatte, Die funktioniert nur, wenn der Gläubiger des Vertrags mit dem Vertrag wirtschaftliche Ziele verfolgt, also selber wieder Geld reinholen will.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und das ist ja hier gerade bei diesen Fällen nicht der Fall gewesen, da ging es um eine ideelle Zwecksetzung und da kann man mit Rentabilität die Brücke über die Kausalität, über die fehlende Kausalität weg nicht schlagen und dann doch noch zu einem Schaden kommen.

14:03 Min
Marc Ohrendorf:

Das heißt, Folge der Rentabilitätsvermutung ist, dass ich im Schadensbegriff lande.

14:09 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ja, das kriegen sie bei ideeller Zielsetzung eben nicht hin. Dass alles sinnvoll war, kann man bestreiten. Das hat die Rechtsprechung so entschieden. Die Folgekonsequenz in der Schuldrechtsreform war, dass man nun die Verträge mit ideeller Zielsetzung denen gleichstellen wollte, für die die Rechtsprechung schon eine Lösung gefunden hat.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ob das nun tatsächlich sinnvoll war oder auch sogar notwendig, das kann man bezweifeln. Ich meine die Fälle, um die es hier geht, da kann man sagen, vielleicht mussten hier die Kläger auch nicht unbedingt den Fall gewinnen, aber jedenfalls wollte man hier eine strukturelle Bereinigung schaffen und das hat man auch getan und man hat das jetzt natürlich Aufwendung genannt, frustrierte Aufwendung, vergebliche Aufwendung, weil eigentlich klar ist, dass die Brücke der Rentabilitätsvermutung, die doch noch die Annahme eines Schadens ermöglicht, bei ideeller Zielsetzung scheitert.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Übrigens ist es umstritten, aber Gott sei Dank in Klausuren meines Erachtens nicht wirklich relevant, ob die Rentabilitätsvermutung neben § 284 für Fälle der wirtschaftlichen Zielsetzung nun weiter anwendbar ist. Meine Meinung ist methodisch natürlich nein.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Wenn der Gesetzgeber eine neue Regelung schafft, die ein Problem lösen soll, kann man nicht parallel noch den Bypass, den die Rechtsprechung mal entwickelt hatte, noch weiterverwenden. Aber da gibt es einen kleinen Streit.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es gibt im Schrifttum Menschen, die sagen, das ist parallel noch weiter anwendbar.

15:42 Min
Marc Ohrendorf:

Bedeutet, das wäre eventuell ein Thema hier für die richtigen High Performer, ist aber nichts, wo man sich ansonsten regelmäßig in der Klausur darüber auslassen müsste. Ja, High Performer haben aber ein Problem.

15:53 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Ich sage immer, zu schlau ist ganz schlecht. Also High Performer sollten immer daran denken, dass sie korrigiert werden von Menschen, ganz überwiegend aus der Praxis, die eine pragmatische, überzeugende Lösung mögen, aber nicht unbedingt, wie sagte das neulich ein Richter, Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2018 eine Lösung ohne theoretische Überfrachtung.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also die theoretische Überfrachtung sollten Sie meiden, wenn es keine Auswirkungen aufs Ergebnis hat, sollten Sie auch als High Performer solche Streitigkeiten ganz klein halten.

16:28 Min
Marc Ohrendorf:

Also Vorsicht. 284 hilft also, kommen wir zum Fall zurück und zum eigentlichen sozusagen Zweck auch der Norm über die fehlende Kausalität hinweg. Ansonsten müssen ja alle Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung, wichtig, vorliegen. Was muss man denn jetzt noch prüfen?

16:47 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also außer den Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung, insbesondere muss man da noch eine Fristsetzung prüfen, in aller Regel aber nicht, wie hier. Da hat sich ja Lenz erledigt, es ist Unmöglichkeit eingetreten. Also die Aufwendungen müssen, das steht im Gesetz, im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht worden sein.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Es muss sich also um Aufwendungen handeln, die zur Durchführung des Vertrages und im Vertrauen darauf, das wird schon alles laufen, gemacht wurden. Da liegen rechtlich selten Probleme. Ich habe noch keins gesehen.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und diese Aufwendungen müssen ihren Zweck infolge der Pflichtverletzung verfehlt haben. Da liegt auch selten ein Problem.

17:25 Min
Marc Ohrendorf:

Ersatzfähig sind jetzt aber nur die Aufwendungen, die der Gläubiger billigerweise auch machen durfte. Wenn ich das so lese und ich nähere mich vielleicht dieser Norm mit etwas weniger Vorkenntnissen, könnte ich darauf die Idee kommen, dass das Aufwendungen sind, die in einem angemessenen Verhältnis zum Vertrag oder vielleicht zur wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrags, zum Vertragsvolumen stehen müssten.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist aber hier nicht ganz gemeint, oder?

17:49 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nein, obwohl heute viele Studierende das so lesen und auch in literarischen ... Äußerungen nicht mehr ganz klar ist, was mit billiger Weise gemeint ist. Canaris, der ja maßgeblich für die Schöpfung dieser Norm steht, wollte mit diesem billiger Weise eigentlich nur Extremfälle ausschließen und zwar Extremfälle, in denen der Gläubiger bereits Verdachtsmomente hatte, dass dieser Vertrag nicht laufen wird und der dann noch fröhlich investierte.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Dann durfte er das billiger Weise nicht machen. So kann man lesen, war es ursprünglich gemeint. In der Schuldrechtsreform haben wir über dieses Beispiel sehr intensiv und zum Teil sehr ironisch diskutiert, über dieses billigerweise. Ich bringe Ihnen mal ein Beispiel, was Ihnen vielleicht Spaß macht, weil es so absurd ist.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also ein Käufer kauft einen sehr kostbaren Fisch, nämlich einen Koi, an dem er auch ganz individuell, das ist jetzt wichtig, Gefallen gefunden hat. Und er lässt für den ein goldenes Aquarium bauen.

18:50 Min
Marc Ohrendorf:

Was man so macht.

18:52 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und der Koi stirbt durch Verschulden des Verkäufers vor Übergabe. Der Käufer will auch keinen anderen Koi, weil er genau den haben wollte. Sonst funktioniert das ja alles nicht mehr.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Also eine Stückschuld. So, kann er jetzt Ersatz der Aufwendungen für das goldene Aquarium verlangen? Oder durfte er diese Aufwendung billigerweise nicht machen? Canaris soll ernsthaft gesagt haben, dass der Käufer in der Weise, wie er seine Kaufsache verwendet, nicht beschränkt sei und dass das mit dem billigerweise nichts zu tun hat, dass er also Ersatz für dieses goldene Aquarium, Sie sehen, das übertriebene Beispiel, verlangen kann.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das führt dann natürlich zu Folgefragen, meine Damen und Herren. Muss der nicht den Wert des Aquariums abziehen lassen? Nein. Das Aquarium kann er anders nicht nutzen. Muss er sagen, ich tue da einen anderen Koi rein? Nein.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das muss er nicht. Muss er aber vielleicht wenigstens das Gold hergeben, was er da verbaut hat? Also Sie sehen, dass diese Konstruktion interessante Folgefragen aufwirft. Ich nehme jetzt nochmal ein Beispiel, was nicht ganz so absurd ist.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Jemand kauft einen... Eine Zeichnung, einen kleinen Stich, der 50 Euro wert ist, der ihm aber sehr liegt. Und für dieses sehr spezielle Exemplar lässt er einen Rahmen ausdrücklich anfertigen. Gut, dieser Rahmen kostet 500 Euro, der Stich kostet 50 Euro.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Nun verbrennt der Stich durch Verschuldung des Verkäufers vor Übergabe. Kann ich jetzt die Kosten des Rahmens verlangen? Ist nicht ganz so extrem wie das Goldene Aquarium. Muss ich dafür dann nicht wenigstens den Rahmen ausgeben? Spielt es eine Rolle, ob ich da was anderes reinhängen kann? Wir halten fest, mit dem billigerweise ist jedenfalls nicht gemeint.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Er darf nur günstige im Sinne von billiger Aufwendungen ersetzt verlangen. Jedenfalls dann, wenn man dem Vorsitzenden Canaris auch hier noch folgen wird. Bill.

20:43 Min
Marc Ohrendorf:

Wenn wir diese Podcastfolgen hier aufnehmen und wenn wir ihnen einen Namen geben, dann sind wir ja immer um Seriosität bemüht. Ich hoffe, das gelingt uns. Ich sage das an dieser Stelle deswegen, weil man wunderbar, ihr seht gleich warum, jetzt in diesen Titel hätte schreiben können, von Opern, Kreuzfahrtschiffen und 284 BGB.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Das haben wir mal nicht gemacht. Wenn ihr das übrigens gut findet, dass wir sowas nicht machen, um euch fehlzuleiten, dann gebt uns gerne fünf Sterne bei Spotify und iTunes. So viel Werbung muss an der Stelle jetzt doch gerade mal sein.

1:00 Min
Marc Ohrendorf:

Aber ganz im Ernst, du nennst häufiger den 284 den AIDA-Paragrafen. Ich weiß nicht warum, deswegen habe ich das gerade so eingeleitet. Erklär uns doch mal ein kleines bisschen auf.

21:30 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Das ist eine Spur persönlich. Mein verehrter und geliebter akademischer Lehrer, Professor Horst Conson, war Mitglied dieser Canaris-Kommission und die trafen sich immer am Samstag in Berlin im Justizministerium, um die Schuldrechtsreform voranzutreiben. Und mein Lehrer hat mir erzählt, dass an dem Abend des Samstages, an dem Paragraf 284 diskutiert worden ist, AIDA gegeben wurde und alle Mitglieder der Kommission einen Platz in der Loge der Ministerium in der Oper hatten.

1:00 Min
Prof. Dauner-Lieb:

Und er hat mir auch immer wieder gesagt, dass der Paragraph deshalb nicht so richtig zu Ende beraten worden sei und ich habe immer für mich gedacht, und vielleicht ist er deswegen auch nicht so ganz gelungen. Aber meine Damen und Herren, das ist selbstverständlich Legende, das ist Oral History, aber deswegen heißt der Paragraph für mich persönlich der AIDA-Paragraph.

22:28 Min
Marc Ohrendorf:

Schön, vielen Dank. Tschüss. Tschüss!

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