IMR292. Jul 19
IMR029: Arbeitsrecht in der internationalen Wirtschaftskanzlei | Interview Counsel

IMR - Original

IMR029: Arbeitsrecht in der internationalen Wirtschaftskanzlei | Interview Counsel

Dr. Steffen Nguyen-Quang, Counsel | Simmons & Simmons

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Über diese Episode

Folge 029 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

Arbeitsrecht - Wirtschaftsrecht - Karriere - Berufsalltag - Anwalt - Prozessführung - Betriebsräte - Restrukturierung - Internationale Kanzlei - Englischkenntnisse - Zeiterfassung - Kündigung - Mandantenkontakt - Teamwork - Praktikum - § Arbeitszeitgesetz - § Kündigungsschutzgesetz

Macht eine Karriere im Wirtschaftsrecht für Dich Sinn? Wie sieht der Berufsalltag eines Berufsanfängers aus? Was macht ein erfahrener Anwalt bzw. Counsel? Rechtsanwalt Dr. Steffen Nguyen-Quang berichtet von seiner Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt im Arbeitsrecht. Wir sprechen darüber, welche Themen des Jurastudiums auch in der Praxis relevant sind, warum Teamwork wichtig ist wie du dir die Arbeit in der Kanzlei einmal persönlich anschauen kannst.

Kapitel:

  • 00:23 - Vorstellung
  • 02:00 - Allgemeine Tipps für Absolventen
  • 03:33 - Typische Fallkonstellationen im Arbeitsrecht
  • 05:44 - Typische Juristische Themen
  • 07:10 - Ein Fallbeispiel
  • 08:21 - Überlappungen mit anderen Rechtsgebieten & Teamwork
  • 09:29 - Deutsches Arbeitsrecht im internationalen Vergleich
  • 10:22 - Anknüpfungspunkte zum Studium
  • 11:23 - EuGH-Entscheidung zur Zeiterfassung
  • 15:44 - Die Kanzlei kennenlernen

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Zu Gast

Steffen Nguyen-Quang

Steffen Nguyen-Quang

Kapitel

  • 00:00:23.000Vorstellung
  • 00:02:00.000Allgemeine Tipps für Absolventen
  • 00:03:33.000Typische Fallkonstellationen im Arbeitsrecht
  • 00:05:44.000Typische Juristische Themen
  • 00:07:10.000Ein Fallbeispiel
  • 00:08:21.000Überlappungen mit anderen Rechtsgebieten & Teamwork
  • 00:09:29.000Deutsches Arbeitsrecht im internationalen Vergleich
  • 00:10:22.000Anknüpfungspunkte zum Studium
  • 00:11:23.000EuGH-Entscheidung zur Zeiterfassung
  • 00:15:44.000Die Kanzlei kennenlernen

Über Simmons & Simmons

Simmons & Simmons ist eine international ausgerichtete Großkanzlei, die in Deutschland mit Büros in Düsseldorf, Frankfurt am Main und München vertreten ist. Rund 140 Anwältinnen und Anwälte beraten dort besonders Mandanten aus den Sektoren Finanzdienstleistungen, Life Sciences, Technologie und Energie bei komplexen Transaktionen, Streitigkeiten und regulatorischen Fragen.

Die Sozietät zeichnet sich durch ihre stark internationale Ausrichtung, frühe Einbindung von Nachwuchsjuristinnen und -juristen sowie durch innovative Legal-Tech-Lösungen und ein ehrliches Bekenntnis zu Diversität aus. Lust auf mehr Einblicke? Dann klick dich direkt in die IMR-Folge mit Simmons & Simmons und hör rein, was Praxis wirklich bedeutet.

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Im Arbeitsrecht lernt man, strategisch zu denken und auch kulturelle Unterschiede zu verstehen, um Mandanten optimal zu beraten. Englisch zu beherrschen wird immer wichtiger, um international konkurrenzfähig zu bleiben.

Sneak Peak – Q&A mit Steffen Nguyen-Quang

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

Music:

0:09 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu einer weiteren Episode Irgendwas mit Recht, heute aus Düsseldorf und ich spreche mit Steffen Nguyen-Quang.

0:15 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Hallo Marc.

0:16 Min
Marc Ohrendorf:

Hallo Steffen, ich grüße dich. Du machst Arbeitsrecht bei Simons & Simons. Wie bist du denn hier hingekommen?

0:23 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja, das ist ein bisschen eine längere Geschichte. Ich habe mich in meinem gesamten Studium, im gesamten Referendariat überhaupt nicht mit Arbeitsrecht beschäftigt. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, war immer mit dem Fokus Gesellschaftsrecht eigentlich tätig.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das heißt, während meiner Dissertation habe ich in einer bankrechtlich orientierten Kanzlei gearbeitet, habe auch zu einem kapitalmarktrechtlichen Thema promoviert und nie Arbeitsrecht auf den Schirm gehabt wirklich. Nach meinem Referendariat habe ich dann aber lange überlegt, in welche Richtung es gehen soll.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Und mir hat es sehr viel Spaß gemacht, vor Gericht aufzutreten. Deswegen war ich gedanklich schon eher dabei, in vielleicht eine mittelständische Kanzlei zu gehen, in der auch die Prozessführung eine große Rolle spielt. Und dann hat mich eine Kollegin im Referendariat darauf gebracht, mir mal das Arbeitsrecht anzuschauen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Die war damals bei einer anderen großen internationalen Kanzlei und hat gesagt, du im Arbeitsrecht, die sind ständig zum Gericht gegangen, vielleicht ist das was für dich. Und das war das erste Mal, dass ich mir überhaupt Gedanken darüber gemacht habe.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Habe dann auch sehr viel recherchiert und mir Gedanken dazu gemacht, ob das vielleicht was sein könnte. Ja, und so bin ich dann letztlich zum Arbeitsrecht gekommen.

1:29 Min
Marc Ohrendorf:

Wo hast du studiert und Referendariat gemacht?

1:31 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ich habe angefangen in Bayreuth, habe dort auch die wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung gemacht, bin dann nach Münster gewechselt und habe das Referendariat dann in Wuppertal gemacht. Ah ja, okay.

1:42 Min
Marc Ohrendorf:

Bevor wir auf deine tägliche Praxis eingehen, wir haben im Vorgespräch darüber gesprochen, dass du immer ein großes Interesse daran hast, Interessenten an eurer Kanzlei, aber vielleicht auch generell Absolventen, die in eine größere Kanzlei gehen möchten, so ein paar allgemeine Tipps zu geben. Was sind denn diese Tipps?

2:00 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja, also das ist eine Herzensangelegenheit von mir, weil ich auch lange gebraucht habe, um meinen Weg zu finden. Deswegen möchte ich das immer gerne weitergeben. Ganz, ganz wichtig ist für mich, dass man sich nicht zu langfristig den Lebenslauf vorstellt.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Also wir bleiben nicht mehr ein Leben lang bei einem Unternehmen. Das heißt, wenn ein Bewerber plant, den nächsten Schritt, dann sollte er vielleicht die nächsten drei Jahre ins Auge fassen. Da ist ganz, ganz wichtig für mich, arbeitet auf Englisch.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das ist ansonsten eine Einbahnstraße. Man kann als Anfänger viele Fehler machen, man wird langsam an die Themen herangeführt und kann sich, sage ich mal, so im Englischen entwickeln. Wer diese Entwicklung nicht mitmacht, wird aber meines Erachtens früher oder später nicht mehr mithalten können, weil es wird internationaler und es ist extrem wichtig.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das war zum Beispiel für mich auch eine Hürde. Ich habe während meines Studiums und Referendariats im Prinzip nur eine Auslandsstage in Bangkok gehabt, hatte also auch immer das Gefühl, dass vielleicht mein Englisch nicht gut genug ist, aber das holt man auf im Job, das ist möglich.

3:01 Min
Marc Ohrendorf:

Was kann man denn machen, um sich schon im Studium dahingehend weiterzubilden, also Englisch ein bisschen besser drauf zu haben?

3:07 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Da erinnere ich mich noch an eine Aussage von einem Trainer. Ich habe Englischkurse auch während der Universität besucht und habe ihn auch gefragt, wie kann ich mich verbessern, weil das waren, glaube ich, zwei Stunden in der Woche, also nicht wirklich ausreichend. Er sagte ganz platt, schau englische Filme, schau Serien.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Was immer du in die Hände bekommst, lies auf Englisch. Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.

3:28 Min
Marc Ohrendorf:

Das ist ja heute auch einfacher denn je mit Netflix und so.

3:30 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Richtig, genau. Genau.

3:32 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, gehen wir ein bisschen auf deine tägliche Praxis ein. Wie gesagt, du machst Arbeitsrecht. In welchen typischen Konstellationen berätst du denn dort?

3:40 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Das Arbeitsrecht ist sehr, sehr vielfältig. Man hat sehr, sehr viel Mandantenkontakt. Das heißt, ich bin jetzt nicht der typische Schreibtischstädter, der acht Stunden vorm Schreibtisch sitzt und keinen Kontakt mit dem Mandanten hatte. Wir beraten zum einen sehr viel im Tagesgeschäft von Unternehmen, haben sehr engen Kontakt mit den HR-Abteilungen der Mandanten.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das heißt, es können Fragen wie geplante Abmahnungen, Kündigungen sein, auch mal ganz triviale Dinge wie Elternzeitantrag. Das ist das eine. Dann verhandeln wir mit Betriebsräten und sind da auch sehr stark involviert.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das heißt, einmal auf Unternehmensseite überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen, in welcher Stelle ein Betriebsrat eingebunden werden muss, aber dann auch wirklich, wenn es um die Verhandlungen mit dem Betriebsrat geht. Und der dritte größere Block sind dann wirklich Restrukturierungen, in denen wir auch in internationalen Teams, auch mit unseren Gesellschaftsrechtlern dann tätig werden und quasi unseren arbeitsrechtlichen Input liefern.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Die Besondere allerdings bei Simons & Simons ist, dass wir eine sogenannte Standalone-Praxis haben. Das heißt, wir haben originär arbeitsrechtliche Mandate, die jetzt nicht nur gesellschaftsrechtlich betreut werden und wir, sage ich mal, rennen von einer DD zur nächsten, sondern wir betreuen die alleine im Arbeitsrecht. Und das war bei meiner Auswahl der Kanzlei zum Beispiel auch ein sehr wichtiger Punkt.

5:05 Min
Marc Ohrendorf:

Um das mal so ein bisschen einzuordnen. Also nehmen wir mal an, du bist gerade im fünften, sechsten Semester, hast zum ersten Mal Arbeitsrecht gehört und kennst natürlich, hast eine Vorstellung vom Arbeitsrecht, kennst irgendwie Verfahren, wo vielleicht jemand mal eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat aus seinem Bekanntenkreis oder familiären Umfeld. Davon muss man das erstmal insoweit dann abgrenzen, wenn ich dich richtig verstehe, dass ihr die Unternehmen vertretet und nicht die Individuen.

5:28 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Genau, es ist selten, dass wir Individuen vertreten. Wir haben jetzt gerade erst ein, wie wir es sagen, Pro Bono-Mandat gemacht, in dem wir eine Arbeitnehmerin mal vertreten haben. Aber im Regelfall beraten wir nur Unternehmen, ganz selten nochmal Geschäftsführer oder Vorstände.

5:44 Min
Marc Ohrendorf:

Und was sind so typische juristische Themen, die dabei auftauchen?

5:47 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ganz klar Kündigung. Das heißt Vorbereitungen von Kündigungen, das können Einzelfälle sein, das können auch sehr große Kündigungen sein mit 200 Betroffenen. Da ist es auch sehr viel strategische Planung. Man muss auch sagen, als Arbeitsrechtler ist man nicht nur im rechtlichen Bereich unterwegs.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Man muss ein sehr gutes Gespür dafür entwickeln, wo die eigentlichen Probleme liegen und ich sage mal auch so ein bisschen außerhalb des juristischen Denkens. Man muss strategisch langfristig auch den Mandanten dahin bringen, dass bestimmte Entscheidungen vielleicht erstmal gar nicht sinnvoll sind und vielleicht der Fehler auch ganz woanders liegt und muss die Kultur verstehen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das ist auch etwas, wir haben zum Beispiel ein Unternehmen aus dem japanischen Bereich und da muss man einfach wissen, dass krankheitsbedingte Kündigungen zum Beispiel nicht vorkommen und dass auch leistungsbedingte Kündigungen eher selten sind. Und dafür muss man ein Verständnis entwickeln, um den Mandanten auch richtig beraten zu können.

6:48 Min
Marc Ohrendorf:

Was sind denn dann Kündigungsgründe in japanischen Unternehmen? Kriegt es überhaupt welche?

6:52 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ganz selten. Also das müssen wirklich quasi Fälle sein, in denen das Tafelsilber gestohlen wird. Extrem selten. Man kennt das ja, dass die Arbeitnehmer sehr loyal gegenüber dem Unternehmen sind, aber das spiegelt sich auch darin wider, dass das Unternehmen auch sehr loyal gegenüber seinen Mitarbeitern ist.

7:09 Min
Marc Ohrendorf:

Wo du gerade Tafelsilber gestohlen ansprichst, kannst du natürlich abstrakt mal so einen spektakulären Fall schildern, mit dem du mal zu tun hattest?

7:19 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja, wir hatten einen Fall, der ein bisschen kurios war. Da ist ein Arbeitnehmer wirklich durch das Unternehmen gelaufen und hat gesagt, das wären eigentlich nur Peanuts, die er in einem Unternehmen verdient. Er würde sehr viel mehr mit seinem Side-Business verdienen und hat sich herausgestellt, dass er halt im großflächigen Stil Elektroschrott repariert und wieder weiterverkauft.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Und wir haben dann tatsächlich einen Detektiv auf ihn angesetzt, weil sich da die Verdachtsmomente, verhärtet haben und ich kann mich jetzt noch an die Bilder erinnern, wie er in Jogginghose gemeinsam mit seiner Mutter fünf Stunden lang die ganzen Schrotthöfe abgefahren ist und Elektroschrott, verkauft hat und man fragt sich immer, wie blöd kann jemand sein? Er ist also wirklich damit hausieren gegangen, aber ja, so ist es dann manchmal und Und das endete dann auch in einem Gerichtsverfahren, wo wir uns dann auf eine relativ schnelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben.

8:20 Min
Marc Ohrendorf:

Okay. Und in der täglichen Praxis, du hast es eben schon angesprochen, gibt es öfter mal Überlappungen, auch wenn ihr eine Standalone-Praxis seid, mit anderen Rechtsgebieten. Ich nehme an, dann arbeitest du auch mehr im Team, als jetzt der Eigenbrötler zu sein, oder?

8:32 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja, absolut. Wir arbeiten schon innerhalb der Arbeitsrechtspraxis sehr stark in Teams. Ich bin jetzt Counsel, das heißt, wir arbeiten mit den Junior-Anwälten zusammen, lassen von denen Dinge vorbereiten, die wir dann gemeinsam besprechen und an den Mandanten schicken. Aber wir arbeiten halt auch mit den Gesellschaftsrechtlern.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das ist natürlich klar, wenn die M&A-Transaktionen haben, spielt das Arbeitsrecht oft eine sehr, sehr große Rolle, kann teilweise sogar die entscheidende Rolle spielen. Wir sind dabei als internationale Kanzlei mit Sitz in London auch sehr stark internationale Teams eingebunden.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Was uns jetzt zum Beispiel gerade beschäftigt, sind die Brexit-Verlagerungen. Also ich kann gar nicht mehr zählen, wie viel Planung wir schon haben von Mandanten, die jetzt ihren Geschäftssitz von London nach Deutschland verlegt haben. Das geht dann von den gesellschaftsrechtlichen Themen, Gründung einer Zweigenanlassung, aber auch zu den Fragen, wie bekomme ich überhaupt die Arbeitnehmer dann in die neue Gesellschaft.

9:29 Min
Marc Ohrendorf:

Eines der Klischees, was mir dabei in den Sinn kommt, wäre ja, dass das deutsche Arbeitsrecht deutlich arbeitnehmerfreundlicher ist als vielleicht das britische. Trifft das zu?

9:38 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja. Es sei denn, es geht um den Bereich Harassment und Mobbing. Da werden meine englischen Kollegen immer ganz nervös. Das ist einer der wenigen Fälle, in denen wir Deutschen immer sagen können, das ist in Deutschland nicht ganz so groß aufgehangen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Aber in der Tat, das ist eine Herausforderung und das ist auch immer wichtig für uns, den Kollegen das verständlich zu machen und auch den Mandanten. Insbesondere, wenn wir mit amerikanischen Mandanten arbeiten, ist das eine Herausforderung, weil, um es gelinde auszudrücken, der Amerikaner hat nicht ganz so viel Verständnis für das deutsche Kündigungsschutzrecht.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Und wenn wir ihm dann beschreiben müssen, wie langwierig doch ein Verfahren sein kann und dass es vielleicht doch nicht möglich ist, einen Arbeitnehmer rauszuschmeißen, nur weil er an der falschen Stelle geräuspert hat, dann ist das dem Amerikaner oft nicht so klar.

10:23 Min
Marc Ohrendorf:

Welche Anknüpfungspunkte siehst du denn neben dem Kündigungsschutzrecht, was man ja auch im Studium schon mal öfters sieht oder auch mal lernt, in deiner Praxis zu dem, was du da im Studium gelernt hast oder hättest lernen können, wenn jetzt zum Beispiel jemand einen Arbeitsrechtsschwerpunkt macht? Was kann er denn davon nachher in der Praxis nutzen?

10:40 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ich würde es sogar lösen von dem arbeitsrechtlichen Schwerpunkt, weil das bekommt man in der Praxis ohnehin früher oder später mit und zwar in einer Detailtiefe, der es natürlich für einen Vorteil ist, wenn jemand einen Schwerpunkt im Arbeitsrecht hat, aber die Themen, die uns beschäftigen, die sind dann oft doch so an Details aufgehangen, dass das auch nicht im Studium behandelt wird.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Aber ich finde es viel wichtiger, dass auch normale zivilprozessuale Themen eine Rolle spielen oder das Strafrecht zum Beispiel. Natürlich muss ich als Arbeitsrechtler auch einschätzen können, ob das ein strafbarer Vorwurf ist, wie denn die Chancen sind, weil letztendlich das auch wieder eine Auswirkung haben kann auf das Kündigungsschutzverfahren beispielsweise.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Beispielsweise.

11:23 Min
Marc Ohrendorf:

Vor kurzem ging das Arbeitsrecht mal wieder durch die Medien. Da hat der EuGH geurteilt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, korrigiere mich, wenn ich das jetzt ungenau zitiere, Arbeitnehmern die Zeiterfassung stets zu ermöglichen. Das war, glaube ich, ein Fall der Deutschen Bank, wo jemand gesagt hat.

11:39 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Genau, Deutsche Bank in Spanien.

11:40 Min
Marc Ohrendorf:

Deutsche Bank Spanien. Und die Entscheidung hat recht große Wellen gemacht. Könntest du die für die Zuhörerinnen und Zuhörer bitte mal einordnen?

11:48 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Ja, sehr gerne. Ich habe da auch einen Kommentar dazu geschrieben. Im Prinzip ist folgendes passiert. Das deutsche Recht, genauso wie das spanische Recht, hat die Arbeitgeber immer nur verpflichtet, die Mehrarbeit aufzuzeichnen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das ist nach deutschem Verständnis die Zeit, die acht Stunden überschreitet. Man konnte also nicht nachprüfen, ob zum Beispiel Ruhephasen eingehalten wurden oder an welchen Tagen gearbeitet wurde teilweise. Das lag daran, dass sowohl die Arbeitgeber als auch die deutschen Behörden eher ein geringes Interesse daran haben, sich an die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und der entsprechenden Richtlinie zu halten, weil sie einfach wenig Flexibilität bieten.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Das Spiel hat so lange funktioniert, solange es nicht schwarz auf weiß in den Akten der Unternehmen war. Jetzt ist der EuGH hingegangen und hat gesagt, ich kann die Richtlinie nicht effektiv umsetzen, wenn ich die Zeit nicht vollständig erfasse, weil ich eben die Ruhephasen, Pausen etc.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

nicht aufzeichne. Das führt jetzt dazu, dass ein Riesenaufschrei durch ganz Europa geht, oh Gott, der EuGH hat jetzt entschieden, wir müssen die Zeit aufschreiben. Ich vergleiche das so ein bisschen wie mit Blitzern.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Niemand regt sich über die Geschwindigkeitsbegrenzung auf. Wenn dann aber geblitzt wird, dann fangen die Leute an, nervös zu werden. Und so ist es auch hier. Es ändert im Prinzip nichts an den Regeln.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Die Regeln bestanden schon vorher. Jetzt muss aber aufgeschrieben werden, jetzt kann man sich also nicht mehr in diesem Graubereich ducken und sagen, ich habe meinen Arbeitnehmer gebeten, das aufzuzeichnen und bin davon ausgegangen, dass er das auch ordnungsgemäß macht. Und das wird jetzt zu Folgen führen, die in der Praxis noch schwer absehbar sind, weil wenn ich als Geschäftsführer, als Vorstand in meinen Akten Zeiten habe, die eklatant gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, dann muss ich handeln.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Im schlimmsten Fall könnte ich mich strafbar machen. Und das ist das eigentliche Problem, dass jetzt auf einmal ernst wird. Es kann aber meines Erachtens auch dazu führen, dass jetzt die Diskussion im europäischen Raum nochmal neu entbrannt, ist die Richtlinie und ist auch das deutsche Arbeitszeitgesetz überhaupt zeitgemäß? Weil man hat immer den ausbeuterischen Arbeitgeber im Auge, der die Arbeitnehmer viel zu lange arbeiten lässt, aber im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle spiegelt das gar nicht mehr die Realität wider.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Viele Arbeitnehmer möchten sich gerne um ihre Kinder kümmern, abends nochmal den Laptop aufklappen und eine E-Mail zu Ende schreiben. Das könnte nicht mehr funktionieren, wenn die Ruhephasen von elf Stunden fest eingehalten werden müssen. Mhm.

14:20 Min
Marc Ohrendorf:

Ruhephasen sind dann das eine Thema. Das andere Thema sind auch wahrscheinlich, ich denke an so einen Fall, wo so ein Praktikant mal in London in der Bank nach drei Tagen Durcharbeiten umgekippt ist. Solche Fälle, oder? Das ist vor allem jetzt im Finanzsektor, aber bestimmt auch woanders, der auch Arbeitgeber gibt oder Unternehmen, deren Businessmodel fast darauf ausgelegt ist, dass Menschen 16 bis 20 Stunden am Tag arbeiten.

NaN
Marc Ohrendorf:

Die werden doch wahrscheinlich ein Problem bekommen, oder?

14:45 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Richtig, das wird extrem schwer und ich möchte da auch mal so ein bisschen das Bild von dem wieder raffgierigen Arbeitgeber weglenken. Wir haben sehr viele Mandanten, zum Beispiel auch der japanische Mandant, die Teams haben, die teilweise in den USA sitzen und teilweise in Japan sitzen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Wenn man versucht, eine Telefonkonferenz mit diesen Teams aufzusetzen, dann merkt man sehr schnell, da müssen einige Kollegen sehr früh aufstehen oder sehr spät nochmal an der Telco teilnehmen, sonst ist es überhaupt nicht möglich, diese Zeitzonen unter einen Hut zu bringen und das führt dann auch zu Problemen. Und die Antwort muss nicht sein, dass der Arbeitnehmer daran teilnehmen muss, aber oft ist es so, dass die Arbeitnehmer das natürlich auch wollen, weil sie Teil des Teams sind.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Insofern meine ich, müsste man denen die Möglichkeit eröffnen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber von den Regeln abweichen, wobei natürlich sichergestellt werden muss, dass das kein erpresstes Einverständnis auch sein des Arbeitnehmers wäre.

15:42 Min
Marc Ohrendorf:

Okay. Vielen Dank für deine Stellungnahme dazu. Wenn die Zuhörenden jetzt Lust auf mehr bekommen haben und sagen, das würde ich mir gerne mal aus der Nähe angucken und vielleicht sogar bei Simons & Simons. Was kann man denn dann bei euch machen? Wahrscheinlich auch wie überall Praktikum und oder Referendariat, oder?

16:00 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Praktikum und Referendariat sind ja die klassischen Mittel. Es gibt Workshops, die wir veranstalten. Da bekommt man zumindest für einen Tag einen sehr guten Einblick in verschiedene Praxisgruppen, kann auch mit Kollegen sprechen. Ich glaube, es macht immer Sinn, einfach auch den Kontakt mit Kanzleien zu suchen.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Wir haben auch Studenten in Nebentätigkeit bei uns. Sonst, generell sollte man keine Scheu haben. Ich persönlich habe es auch viel zu spät gemacht, habe mich auch geärgert, dass ich nicht schon während meines Studiums stärker den Kontakt gesucht habe, weil letztlich sind das normale Kanzleien.

NaN
Steffen Nguyen-Quang:

Wir haben sehr großes Interesse daran, Studenten und Referendare früh kennenzulernen. Insofern, wer Interesse hat, kann sich gerne melden. Ich muss sagen, dass auch Simons & Simons, um jetzt ein bisschen Eigenwerbung zu machen, glaube ich, eine ganz gute Adresse da ist, weil wir die Studenten und Referendare auch intensiv in die Mandatsarbeit einbinden und die sehr gutes Verständnis dafür bekommen, was eigentlich passiert und nicht nur recherchieren und dann im Prinzip nichts mehr von ihrer Arbeit haben.

16:56 Min
Marc Ohrendorf:

An welchen Standorten gibt es euch?

16:58 Min
Steffen Nguyen-Quang:

In Düsseldorf, Frankfurt und München.

17:01 Min
Marc Ohrendorf:

Dann sei an dieser Stelle noch ein kurzer Hinweis erlaubt auf die weitere Folge Irgendwas mit Recht mit Nicola Bergmann, die hier bei euch in Düsseldorf in der HR tätig ist, mit der wir auch nochmal ein bisschen allgemein den Bewerbungsprozess in Wirtschaftskanzleien beleuchten werden. Vielen Dank Steffen, dass du dir heute die Zeit genommen hast und weiterhin viel Erfolg.

17:22 Min
Steffen Nguyen-Quang:

Danke Marc.

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