Prof. Dr. Henning Radtke, Richter | Universität Bielefeld
Erfolgsqualifizierte Delikte - Gefahrverwirklichungszusammenhang - Unmittelbarkeitszusammenhang - Letalitätstheorie - Rechtsprechung Bundesgerichtshof - Sanktionssprung - Erfolgshaftung - Objektive Zurechnung - Versuch (erfolgsqualifiziertes Delikt) - erfolgsqualifizierter Versuch - Rücktritt (erfolgsqualifizierter Versuch) - Gubener Hetzjagd - Pistolenschlagsfall - Eigenverantwortliche Selbstgefährdung - Lernplan (Examen) - Motivationstiefs (Examen) - Lerngruppen (Examen) - Gerichtsentscheidungen (Lektüre) - § 11 Abs. 2 StGB - § 18 StGB - § 227 StGB - § 251 StGB - § 306c StGB - § 239 Abs. 3 StGB - § 239 Abs. 4 StGB - § 223 StGB - § 224 StGB - § 222 StGB - § 249 StGB - Art. 103 Abs. 2 GG - §§ 22 ff. StGB - §§ 25 ff. StGB - § 24 Abs. 1 S. 1 StGB
In dieser Folge von IMR begrüßen Marc und Charlotte erneut den Bundesverfassungsrichter und Strafrechtsexperten Prof. Dr. Radtke. Gemeinsam tauchen sie tief in das Thema der erfolgsqualifizierten Delikte im Strafrecht ein – ein Bereich, der Studierende regelmäßig vor Herausforderungen stellt. Die beiden Experten erläutern zunächst grundlegende Prinzipien wie die Bedeutung von §§ 11 II, 18 StGB für die Prüfung der Erfolgsqualifikation und diskutieren typische Delikte wie Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) oder Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB). Welche Rolle spielen der Gefahrverwirklichungszusammenhang bzw. der Unmittelbarkeitszusammenhang bei der Fallbearbeitung? Wo liegen die Unterschiede zwischen der Letalitätstheorie und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei § 227? Wie wirkt sich die Auslegung auf die Strafzumessung aus, etwa im berühmten Fall der sogenannten Gubener Hetzjagd? Welche Prüfungsrelevanz haben Versuch und Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Delikt, und an welchen Stellen kann man in der Klausur systematischer vorgehen und sich damit das Leben einfacher machen? Im Anschluss gewähren die Gäste persönliche Einblicke in ihren eigenen Alltag während der Examensvorbereitung und geben hilfreiche Tipps zum Umgang mit Lernplänen, Accountability, Motivationstiefs und der Bedeutung von Ausgleich. Wie kann man Erfolg und Ausgeglichenheit in Einklang bringen? Was unterscheidet individuelle Herangehensweisen und welche allgemeineren Empfehlungen lassen sich daraus ableiten? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhaltet Ihr in dieser Folge von IMR. Viel Spaß!
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Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy , Professor
Prof. Dr. Anne Sanders | Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich | Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch
Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy , Professor
Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy , Professor
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Motivationstiefs sind normal. Wichtig ist, sich mit der eigenen Intention zu verbinden und daran zu denken, warum man das Examen macht – für mehr Freiheit in der Berufswahl und ein besseres Leben danach.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Examen, Strafrechtsedition, wieder direkt, aber nicht live aus dem Bundesverfassungsgericht. Es fühlt sich einfach schön an, das sagen zu können. Und ich begrüße wieder Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Henning Rattke, hallo.
Guten Tag, es freut mich, dass wir wieder zusammen sind.
Und Charlotte Schmidt-Leonardi, Professorin in Bielefeld, hi.
Hallo.
Heute wollen wir uns mit den erfolgsqualifizierten Delikten ein kleines bisschen beschäftigen. Was ist denn das eigentlich?
Die erfolgsqualifizierten Delikte sind vor allen Dingen ein Angstthema, glaube ich. So erlebe ich meine Studierenden immer wieder. Oder sie scheinen kompliziert, sie haben merkwürdige Begriffe wie diesen Gefahrverwirklichungszusammenhang, von dem man nicht so genau weiß, was es ist.
Dann werden sie weggeschoben als einzelne BT-Tatbestände, die einfach besonders schwierig sind. Und ich glaube, sie sind all das nicht. Ich glaube, sie sind relativ gut in den Griff zu bekommen, wenn man sich auch erneut, das ist ja auch ein Ansatz, für den Sie stehen, Radke, die Prinzipien bewusst macht, ein paar Strukturen auch aus dem AT, paar Normen aus dem AT heranzieht.
In den prüfungsrelevanten Versionen ihrer selbst 227, 251, 306c und 239 Absatz 3 Absatz 4 aus meiner Sicht, würde ich sagen. Und da würde ich auch sagen, 227 und 251 sind wahrscheinlich immer mal wieder Gegenstand von Prüfungen. Das ist die Version, die Ihnen begegnen kann.
Aber da sollten wir eigentlich gar nicht anfangen, oder Herr Radke? Eigentlich sollten wir weit nach vorne blättern, denn wir brauchen zwei Normen aus dem AT.
Genau so ist es. Wir kommen nicht aus, wenn wir das Verständnis für erfolgsqualifizierte Delikte und den Umgang mit ihnen erklären wollen, ohne den Paragrafen 11 Absatz 2 StGB und den Paragrafen 18. sehen.
Beginnen wir kurz mit 11 Absatz 2. Da knüpfe ich an das an, was Frau Schmidt-Leonardi gerade gesagt hat. Erfolgsqualifizierte Delikte sind solche, bei denen auf eine vorsätzlich begangene Tat ein weiterer Erfolg aufgesetzt wird.
Nehmen wir das einfachste Beispiel, § 227, die Körperverletzung mit Todesfolge. Das Vorsatzdelikt ist etwa eine einfache Körperverletzung nach Paragraf 223 und aus der Begehung dieser Vorsatztat resultiert ein weiterer schwerer Erfolg, nämlich hier der Tod eines anderen Menschen. Warum Paragraf 11 Absatz 2 und warum Paragraf 18? Das eine, Paragraf 227, enthält kein weiteres Merkmal, das sich mit der Frage beschäftigt, wie steht eigentlich der Täter des Körperverletzungsdelikts zu dem Tod, den er verursacht hat.
Es gibt keine subjektive Verknüpfung. Da steht nicht drin, wer durch die Begehung einer Körperverletzung vorsätzlich den Tod eines anderen herbeiführt. Da steht allerdings auch nicht drin, wer durch die Begehung einer vorsätzlichen Körperverletzung fahrlässig den Tod herbeiführt.
Das lässt der Wortlaut von § 227 StGB als dem praktisch wichtigsten erfolgsqualifizierten Delikt offen. Und jetzt stellen sich zwei Fragen. Wie ist es denn mit der subjektiven Verknüpfung zwischen vorsätzlicher Körperverletzung und dadurch bewirktem Tod? Die Antwort finden wir im Paragrafen 18.
Das ist die Grundregel für alle erfolgsqualifizierten Delikte, die wir nachher noch ein bisschen näher eingrenzen müssen, weil es auch noch andere gibt, die so ähnlich heißen, aber nicht wirklich erfolgsqualifizierte Delikte sind. Und der sagt, in Bezug auf die schwere Folge muss wenigstens fahrlässig gehandelt werden.
Was bedeutet denn wenigstens fahrlässig? Das heißt doch, Fahrlässigkeit ist die unterste Stufe, aber drüber gibt es etwas.
Genau, drüber geht immer und dieses drüber geht immer kann zweierlei Bedeutung haben. Das eine ist, wir kennen einen Teil von erfolgsqualifizierten Delikten. Die dann durch die Regelung des entsprechenden Tatbestandes im besonderen Teil die schlichte Fahrlässigkeit, die Sie kennen, die einfache Fahrlässigkeit, nicht ausreichen lassen, was 18 StGB eigentlich tut, sondern eine schwerere Form von Fahrlässigkeit etwa und klassischerweise die Leichtfertigkeit voraussetzen.
Das ist das eine.
Beispiel dafür 251.
Genau, Paragraf 251, Paragraf 306c, den Sie genannt haben. Warum das so ist?
Und da steht auch wenigstens leichtfertig in der Norm drin. Das ist Ihr Hinweis.
Deshalb noch mal kurz zur Systematik. Wenn Sie erkannt haben, Sie gehen mit einem erfolgsqualifizierten Delikt um und Ihr erfolgsqualifiziertes Delikt sagt nichts über die subjektive Beziehung zwischen der immer benötigten vorsätzlichen Tat und der schweren Folge, dann gilt § 18 wenigstens fahrlässig. Haben Sie einen Tatbestand wie etwa den Raub mit Todesfolge Dann schauen Sie in diesen Tatbestand und stellen fest, aha, da steht drin, leichtfertig den Tod verursacht hat.
Dann ist klar, die einfache Fahrlässigkeit genügt nicht, um die subjektive Verknüpfung zwischen Vorsatztat, Raub und schwerer Folge Tod herbeizuführen, sondern Sie brauchen die höhere Stufe der Leichtfertigkeit. Und jetzt kommt der zweite Umstand.
Leichtfertig oder fahrlässig im Sinne von 18 ist nicht exklusiv. Es schließt also nicht aus, dass der Täter sogar vorsätzlich handelt. Nun wissen Sie aber alle, das ist ja auch ganz einfaches Handwerk.
Wenn jemand vorsätzlich den Tod einer anderen Person verwirklicht, dann sind wir im Bereich des Totschlags oder vielleicht des Mordes. Das schließt aber nicht aus, dass tatbestandlich auch ein erfolgsqualifiziertes Delikt verwirklicht ist. Und auch das werden Sie jetzt ahnen, wir sind dann bei einem reinen Konkurrenzproblem.
Das können wir vielleicht ganz am Ende doch beurteilen. Man muss nur einmal das System verstanden haben. Erstens, ich muss erkennen, es ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt. Zweitens, ich schaue, gibt es in meinem erfolgsqualifizierten Delikt ein tatbestandsspezifisches Merkmal, das sich auf die subjektive Verknüpfung von Vorsatz, Tat und schwerer Folge bezieht, etwa leichtfertig.
Wenn das nicht der Fall ist, gilt 18. Es reicht jede Form von Fahrlässigkeit und es reicht immer natürlich der Vorsatz. Das ist die eine Komponente. Die zweite Komponente, die wir brauchen, ist der Paragraf 11 Absatz 2.
Der sagt, dass erfolgsqualifizierte Delikte qua gesetzlicher Anordnung behandelt werden wie ein Vorsatzdelikt. Jetzt können Sie natürlich fragen, was hat das mit meiner Prüfung zu tun? Was hat dann mit Ihrer Prüfung zu tun, sobald Sie an der Verwirklichung eines erfolgsqualifizierten Delikts mehr als einen Beteiligten auf Täterseite haben? Dann spielt es eine Rolle zu wissen, ob die Regeln über Täterschaft und Teilnahme, also die Paragrafen 25 bis 27 StGB einschließlich der Abrundungen 28 und 29, auf dieses Delikt anwendbar sind oder nicht.
Denn 11 Absatz 2 sagt, Erfolgsqualifikationen werden wie Vorsatzdelikte behandelt. Sie erinnern sich, nur als sozusagen Anfängerfehler, Mittäterschaft gibt es nicht bei Fahrlässigkeit. Das ist ein schwerer Fehler.
Das heißt, 11 Absatz 2 öffnet die erfolgsqualifizierten Delikte für Täterschaft und Teilnahmekonstellationen, die durchaus prüfungsrelevant sind. Und 11 Absatz 2 öffnet auch für den Versuchsbereich, der auch ein wenig tricky wird. Wir werden darauf eingehen, aber grundsätzlich ist auch der Versuch in diesem Bereich möglich.
Genau so ist es und deshalb müssen Sie sich klar machen, was ist Paragraph 11 Absatz 2? Das ist die Regelung einer Fiktion. Ein Delikt, von dem wir gerade kennengelernt haben, dass es sich zusammensetzt aus einer Vorsatzkomponente, nämlich der Begehung des erforderlichen vorsätzlichen Grunddelikts und einem Fahrlässigkeitsdelikt, nämlich der wenigstens fahrlässigen Herbeiführung einer schweren Rechtsgutsfolge, etwa Tod einer anderen Person.
Trotz der Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit, legt der Gesetzgeber fest, dieses kombinierte Delikt trotz seiner starken Fahrlässigkeitskomponente ist ein Vorsatzdelikt. Und das ist nichts anderes als eine Fiktion. Eine gesetzgeberische Setzung, die dann genau die Konsequenzen hat, die Frau Schmidt-Leronadi angesprochen hat.
Es ist die Möglichkeit strafbarer Teilnahme in den drei Formen, die wir kennen. Täterschaft, noch untergliedert, kommt jetzt nicht darauf an. Anstiftung und Beihilfe geöffnet. Und es ist, mit kleinen Unterschieden, bei den einzelnen Delikten auch der Versuch grundsätzlich eröffnet.
Wenn wir diese gesetzliche Fiktion nicht hätten, wäre uns sowohl der Zugriff auf die 25 folgende als auch der Zugriff auf die 22 folgende, also die Regelung über den Versuch, versperrt.
So ist es. Das heißt, wir haben ein zusammengesetztes Delikt, das qua AT-Vorgaben und Fiktionen eigentlich wie ein Vorsatzdelikt behandelt wird. Das aber besteht aus einem vorsätzlichen Grundtatbestand. Wenn wir bei 227, das ist so der Prüfungsklassiker, bleiben, ist das eben die vorsätzliche Körperverletzung 223 und wir haben eine oft fahrlässige Folge, die, wie Sie es herausgehoben haben, Herr Radtke, manchmal auch leichtfertig verursacht worden sein muss in 251, aber eine fahrlässige Folge, die wir aus 222 kennen.
Aber doch haben wir 227 und wenn Sie, liebe Studierende, ins Gesetz geschaut haben, dann werden Sie bemerkt haben oder vielleicht sind Sie auch ganz verblüfft, dass 223 ein Maximum von fünf Jahren Freiheitsstrafe hat, 222 ein Maximum von fünf Jahren, aber 227 ein Minimum von drei Jahren. Das heißt für alle, die aufpassen, natürlich Bewährung ist nicht mehr möglich und einen deutlich erhöhten Strafrahmen.
Das ist doch durchaus weitreichend, dass 223 plus 222 in keiner Weise 227 ergibt, oder?
Exakt, so ist es. Und wir können das Ganze noch auf die Spitze treiben. Jetzt wechseln wir tatsächlich noch mal das Delikt. Gehen wir mal rein in § 306c und schauen Sie sich dort mal den Strafrahmen an. Nicht unter zehn Jahren.
Wow.
Das heißt, wir sind schon da, soweit es noch um die zeitige Freiheitsstrafe geht, im Bereich von mindestens zehn bis, das ist jetzt die allgemeine Begrenzung für Freiheitsstrafen zeitiger Natur, 15 Jahre. Und optional lebenslänglich.
Lebenslänglich für ein Delikt, das sich zusammensetzt aus der vorsätzlichen Begehung bestimmter Brandstiftungstaten und dem dadurch herbeigeführten Tod eines anderen Menschen. Aus der Kombination als Minimum eines Vorsatzdelikts plus eines Fahrlässigkeitsdelikts, das der Sache nach wieder ein Paragraf 222 StGB ist, kommen wir auf einmal sogar in den Bereich der lebenslangen Freiheitsstrafe, wenn auch nicht absolut wie beim Mord, aber optional.
Und das ist weitreichend und begründungsbedürftig und soll auch Ihre Aufmerksamkeit eben auf die besonderen Voraussetzungen der erfolgsqualifizierten Delikte lenken, aber eben auch auf diese, ja wirklich diesen ungewöhnlichen Sanktionssprung lenken. Das ist etwas, das es, wenn ich es richtig sehe, aber bitte belehren Sie mich, wenn ich falsch liege, in allen Rechtsordnungen in irgendeiner Form existierte.
Es wird teilweise begründet mit einer Form von Dolus Malus. Im US-amerikanischen Bereich gibt es eine etwas weitere Felony-Murder-Rule, wo also sozusagen das schlimme Ergebnis einer gefährlichen Handlung assoziiert wird mit dem Täter. Also es ist so ein bisschen ein tragisches The Winner Takes It All.
Wenn eben etwas ganz Gefährliches oder von der Rechtsordnung besonders riskant markiertes Verhalten mit einer schlimmen Folge dem Tod einhergeht, dann wird dieser Sanktionssprung angesetzt. Einige sagen, das ist oft in Konstellationen, in denen der Tötungsvorsatz nicht nachgewiesen werden konnte, dass man eben sich darauf verlegt.
Wollen Sie uns da vielleicht zum Hintergrund noch ein bisschen, weil ich finde, daraus erklärt sich dann auch die Strenge, die wir vielleicht haben im Hinblick auf den Unmittelbarkeitszusammenhang, dass das eben wirklich durchaus eng sein muss, um diesen Sanktionssprung zu rechtfertigen.
Wir können uns glücklich schätzen in unserem heutigen Rechtsstaat, dass wir erkannt haben, dass wir diesen Typus von erfolgsqualifizierten Delikten, den es eigentlich so lange gibt, wie es geschriebene strafrechtliche Normen gibt, dass es uns mittlerweile gelungen ist, die Voraussetzungen einzuhegen. Über zwei Elemente.
Sie haben sie angesprochen. Einerseits über das, was wir später noch erörtern werden, den Unmittelbarkeitszusammenhang oder spezifischen Gefahrzusammenhang und andererseits über die Anforderung an das subjektive verbindende Element. Das kann man bei der Leichtfertigkeit, so wie Sie 251-306c voraussetzen, nachher ganz schön demonstrieren.
Woher kommen wir? Wir kommen daher, dass, es ausgereicht hat, ein Vorsatzdelikt zu verwirklichen und daraus ursächlich eine schwere Folge hervorgegangen ist. Die Ursprungskonzeption ist so gewesen, dass es keinerlei subjektive Verknüpfung geben musste, sondern nur die objektive Kausalverknüpfung.
Habe ich einen Raub begangen und im Zusammenhang mit diesem Raub ist eine andere Person zu Tode gekommen, dann haftete ich aus dem erfolgsqualifizierten Delikt ohne jede weitere Voraussetzung. Und das immer schon mit dramatischen Strafandrohungen, die natürlich in früheren Strafrechtsordnungen noch viel heftiger, schwerwiegender gewesen sind.
Eine Erfolgshaftung.
Eine schlichte, eine ganz schlichte Erfolgshaftung und nur getragen von zwei Gedanken. Erstens, das Grunddelikt, an das man anknüpft, ist eines, das immer schon mit Gefahr für weitere Rechtsmüter verbunden gewesen ist. Und zweitens, mit dem Problem, das sie auch adressiert haben, dass wir häufig in diesen Konstellationen dynamischer Geschehen, die ja eigentlich intendieren, einen Raub zu begehen, eine Brandstiftung zu begehen, gar nicht darauf ausgerichtet sind, den Tod eines Menschen zu verursachen etc.
Dass wir Beweisschwierigkeiten haben, dass wir nicht sagen können, das ist der klassische Raubmord gewesen, dass wir nicht mit den Mitteln des Prozessrechts sagen können, das ist eine Brandstiftung gewesen, bei der mindestens mit bedingtem Vorsatz die Tötung von anderen Menschen in Kauf genommen worden ist. Sodass wir zwei Komponenten haben, die Begehung einer sowieso typischerweise lebensgefährlichen Handlung des Grunddelikts und die Schwierigkeiten des Vorsatznachweises.
Beides zusammen erklärt, warum wir diesen Typus haben und weil wir aber immer noch auch in unserem rechtsstaatlichen liberalen Strafrecht so hohe Sanktionsdrohungen haben. Brauchen wir Mechanismen, die das einfangen. Und jetzt kommt sozusagen die Klausurprüfung ins Spiel.
Sie müssen nämlich mit diesen beiden Mechanismen umgehen, dem Unmittelbarkeitszusammenhang und oder spezifischen Gefahrzusammenhang. Die Terminologie ist da unterschiedlich und eben den Anforderungen, gerade an die Leichtfertigkeit. Und wenn Sie das beides im Blick haben, dann kommen Sie auch da ziemlich gut durch jede Klausur.
Und Sie müssen sich, und das werden wir gleich hoffentlich ein bisschen befördern können, Nur nochmal klar machen, was wollen wir eigentlich mit dem spezifischen Gefahrzusammenhang ausdrücken und dann übertragen, was heißt das für die Prüfung? Wie muss ich daran gehen, um zu erkennen, ob der spezifische Gefahrzusammenhang gewahrt?
Dann steigen wir doch gleich dort ein und ich finde es dann besonders motivierend oder auch nützlich zu wissen, warum wir besondere Sorgfalt in diese Prüfung lenken müssen, weil wir eben einengen, was mit diesem hohen Sanktionsrahmen eben keine Erfolgshaftung sein darf. Begriffe sollten nie ihr Fokus sein, liebe Studierende, obwohl natürlich das auch den Abhackreflex des Korrektors auslöst.
Aber so ein Stück weit hilft vielleicht das Wort Gefahrverwirklichungszusammenhang. Herr Radtke hatte eben auch gesagt, es ist eine lebensgefährliche Handlung, um die es geht. Das heißt, es geht über einen Kausalzusammenhang hinaus.
Es ist natürlich nicht nur die bloße Verursachung des Todes durch die Handlung. Es geht über das, was Sie als objektive Zurechnung kennengelernt haben, also das Risiko, das Sie mit Ihrer Handlung gesetzt haben und das sich im Erfolg realisiert hat, geht drüber hinaus. Es muss irgendwie enger sein.
Es muss die spezifische Gefahr, das, was der Gesetzgeber in diesem Moment besonders adressieren wollte, das muss es sein, das sich in dieser fahrlässigen Folge realisiert hat, oder?
Ich würde trotzdem noch mal einen kleinen Schritt zurückgehen. Wir haben das beide durch unsere Formulierung eben schon immer vorausgesetzt, dass wir nach einem solchen Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen der Komponente Handlung des Grunddelikts und Eintritt der schweren Folge, typischerweise Tod, schauen müssen. Ganz selbstverständlich ist das nicht, sondern man kann auch darüber nachdenken, ob dieser Gefahrzusammenhang, der als solcher identisch ist, nicht einer ist zwischen der Handlung des Grunddelikts und der schweren Folge, sondern einer ist zwischen dem Erfolg und zwar dem tatbestandlich rechtsgutsverletzenden Erfolg des Grunddelikts und der schweren Folge.
Ganz wichtiger Punkt, insbesondere bei 227, da sind wir im Kern des Problems und ich war nachlässig mit meinen Worten, denn da ist ja eine ganz entscheidende Weiche, wo die herrschende Literatur und die herrschende Rechtsprechung absolut nicht einer Meinung sind.
Das liegt natürlich auch an der sehr offenen Formulierung in § 227 StGB, weil man dem Gesetzeswortlaut, was vor dem Hintergrund von Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz, Bestimmtheitsgebot, strenges Bestimmtheitsgebot bei strafrechtlichen Normen, nicht ganz unproblematisch ist, dass man dem Tatbestand nicht sofort entnehmen kann. Worauf stellt der eigentlich ab? Auf den Umstand, dass ich mit der Faust geschlagen habe? Oder auf den Umstand, dass ich mit der Faust den Kopf getroffen habe und am Kopf zunächst eine schwere Verletzung herbeigeführt habe, aus der dann der Tod resultiert?
Und das sehen Sie im Wortlaut, liebe Studierende. Schauen Sie sich die Norm an. Da steht durch die Körperverletzung. Das ist also die Verletzung.
Das könnte der Erfolg sein. Aber dann geht es weiter. Dann steht Klammer auf Paragrafen 223 bis 226a, wenn ich mich richtig erinnere. Das heißt, nach 223 oder in 223 ist auch der Absatz 2 die versuchte Körperverletzung.
Was ist gemeint? Ist es durch die Körperverletzung oder ist es durch den Körperverletzungstatbestand, der als Handlung eben auch den Versuch beinhaltet, mit ganz anderen Konsequenzen, oder?
Und deshalb müssen Sie sich für Ihre Prüfung eigentlich nur merken, und da geht es jetzt tatsächlich einmal darum, es sich zu merken, die einzige Vorschrift, bei der wir nicht völlig sicher sind, zwischen welchen beiden Komponenten der Gefahrzusammenhang oder Gefahrverwirklichungssusammenhang bestehen muss, ist der Paragraf 227. Bei den anderen erfolgsqualifizierten Delikten besteht, soweit ich es sehen kann und sich nichts verändert hat, Einigkeit darüber, dass es genauso ist, wie Frau Schmidler-Lonardi gleich einleitend gesagt hat, nämlich es geht um den spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen der Handlung des Grunddelikts und der schweren Folge.
Weil das meistens super gefährliche Handlungen sind. Die Raubsituation kann jederzeit ausatmen. Die Brandstiftungssituation in 306c ist an sich brandgefährlich. Das ist ein bisschen ein Low-Level-Joke, aber in der Tat, das sind super gefährliche Handlungen. Bei der Körperverletzung kann es aber auch anders sein, nicht wahr?
Genau, da kann es vollständig anders sein. Und die Beispiele, mit denen wir zu tun haben und in der Vergangenheit, die ja typischerweise Rechtsprechungsfälle der Vergangenheit sind, zeigen das auch. Denken Sie an eine Konstellation wie den Pistolenschlagsfall.
Ich setze eine geladene Schusswaffe ein, vorsätzlich intentional als Schlagwerkzeug. Ich will nur abwehren, eine Kopfverletzung, die selbst nicht tödlich ist, herbeiführen. Indem ich diese Handlung ausführe, löst sich aber der Schuss und der Schusstöte.
Nicht die Einwirkung des Schlages auf den Kopf, sondern die Einwirkung des unabsichtlich ausgelösten Schutzes tötet. Jetzt kommt es darauf an.
Die Literatur würde da sagen, werden wir doch mal konkret, die Literatur würde sagen, nee, nee, nee, 227 meint die Körperverletzung, das heißt den Körperverletzungserfolg. Der Begriff, den Sie in dem Zusammenhang kennen müssen, ist der der Letalitätstheorie.
Das ist der Begriff. Letal bedeutet tödlich. Das heißt, nur die an sich tödlich wirkende Verletzung rechtfertigt diesen Unmittelbarkeitszusammenhang. Also man muss sozusagen an der Verletzung ausgeblutet sein, man muss an den inneren Verletzungen gestorben sein.
Das ist die Vorstellung der 227-Konstellation.
Jedenfalls nach Auffassung dieser Literatur, so ist es während die Rechtsprechung und da mache ich jetzt aus meinem Herzen keine Mördergrube, richtigerweise darauf abstellt, es kann nur auf die Körperverletzungshandlung ankommen. Schon deshalb, weil Beispiele aus der Praxis zeigen, dass es eigentlich keinen tragenden Wertungsgrund gibt, zu unterscheiden, ob ich eine durch den Schlag mit der Pistole zunächst mal als eine Art Durchgangsstadium eine so schwere Kopfverletzung angelegt habe, die dann tatsächlich in den Tod mündet, oder dass ich bei Vorname der exakt selben Handlung den Tod direkt durch den ungewollt ausgelösten Schuss herbeiführe.
Ich glaube, auf der Wertungsebene ist ganz schwer zu erklären, warum ich diese beiden Fälle kategorial unterschiedlich behandeln muss. Und kategorial unterschiedlich knüpft wieder an das an, was Frau Schmidt-Leonadi erklärt hat. Wenn ich nicht zur Anwendung von § 227 in dieser Konstellation komme, dann bleibt es bei der Kombination aus § 224 ein Satz eines gefährlichen Werkzeugs, um die Körperverletzung durchzuführen, und fahrlässiger Tötung.
Die Strafzumessung, die dann vorzunehmen ist, Sie müssen sich das von der praktischen Konsequenz herstellen, bewegt sich in einem völlig anderen Strafrahmen als der Strafrahmen, der zur Verfügung steht, wenn wir zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge kommen. Und das ist der Hintergrund, dass man auf der Voraussetzungsebene darum ringt, was ist die richtige Lösung? Kombination aus 223, 224 plus 222 oder 227.
Das ist nicht la pour la, sondern das hat ganz dramatische Auswirkungen für die Person, die als Täter später dann in der Prozesssituation angeklagt hat, mit diesem Delikt konfrontiert wird.
Aber dann kusch ich direkt mal dagegen aus Perspektive der Literatur. Sie haben doch eben gesagt, man muss es restriktiv behandeln. Der Sanktionssprung ist so gravierend. Warum muss es dann nicht die tödlich wirkende Verletzung sein in diesem 227er-Kontext?
Weil der Gesetzgeber es anders entschieden hat. Und zwar aus den Gründen, die Sie genannt haben. Er knüpft eben an alle Varianten des Paragrafen 223 und damit natürlich auch an die tatbestandlichen Abwandlungen, also den Paragrafen 224 an.
Beim Paragrafen 224 als Qualifikation der einfachen Körperverletzung haben wir schon eine Fülle von Unrecht steigernden Merkmalen, die aber immer nur an eines anknüpfen, nämlich an eine Steigerung der Handlungsgefährlichkeit. Alle Begehungsvarianten des 224 knüpfen an die Gefährlichkeit der Handlung an und nicht an die mögliche Schwere des Körperverletzungserfolges.
Wenn der Gesetzgeber so konstruiert und als ein Grunddelikt der Körperverletzung mit Todesfolge wiederum § 224 ausdrücklich benennt, dann ist es schwer zu erklären. Warum gegen die Systematik dieses Grunddelikts, nämlich § 224 mit Steigerung der Handlungsgefährlichkeit, es jetzt für den spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang dann doch wiederum auf etwas ankommen soll, was für § 224 selbst irrelevant ist.
Das scheint mir an, wenn man das anders gelöst hätte, gesetzestechnisch, wäre ich vollständig bei Ihnen, dann wäre ich ein großer Verfechter der Theorie, dass es auf die Letalität, damit auf den Körperverletzungserfolg ankommt, aber ich glaube, dass der Gesetzgeber…, Ich habe es versucht, am Beispiel des 224 zu verdeutlichen, anders konstruiert hat. Und das ist seine Gestaltungsmacht, wenn er Straftatbestände konstruiert.
Und zwar mit weitreichenden Folgen. Also nochmal zur Erinnerung, wir sind beim Gefahrverwirklichungszusammenhang, der auch Unmittelbarkeitszusammenhang genannt wird. Auf der einen Seite die Letalitätstheorie, die tödlich wirkende, letal wirkende Körperverletzung, die also den Körperverletzungserfolg, den tödlichen, anknüpft und nur dann 227 öffnet.
Und auf der anderen Seite der BGH, der eben die tödliche Körperverletzungshandlung so wie auch normativ angelegt in 251 in 306c abstellt, der den Wortleid auf seiner Seite hat, nämlich die Klammer 223 bis 226a und der damit einen Bereich öffnet, der in einem sehr berühmt gewordenen Fall auch eine erhebliche Rolle gespielt hat. Nämlich in der sogenannten Gubener Hetzjagd.
Denn auch das zur Erinnerung, da ging es darum, dass eine Gruppe von rassistisch motivierten Tätern den O, ein Opfer. Aufgemischt hat, gehetzt hat, verfolgt hat und O auf dieser Flucht einen gefährlichen Fluchtweg einschlug, um es abstrakter zu sagen. Die Geschichte ging eine ganze Weile und am Ende tritt er eine Glasscheibe einer Haustür ein und erleidet tödliche Verletzungen eben in diesem letzten Bestreben, nicht Opfer dieser Bande zu werden.
Und da verstirbt das Opfer. Es verstirbt zwar an Verletzungen, aber Vorsicht, Vorsicht, nicht an den Verletzungen, die die Gruppe ihm zugefügt hat. Also keine letal wirkenden Verletzungen der Gruppe, die man ihr vorwerfen kann.
Was man vorwerfen kann und woran man anknüpfen kann, ist an die Körperverletzungshandlungen oder die versuchten Körperverletzungen dieser Gruppe. Dieser Fall wurde lange diskutiert und da ist der BGH sogar noch einen Schritt weiter gegangen, nicht wahr?
Liebe Studierende, wenn Sie eben aufmerksam zugehört haben, was ich natürlich unterstelle, dann ist klar, wo wir uns bewegen. Wir behandeln zwar die besondere Problematik erfolgsqualifizierter Delikte, sind aber natürlich in einem Segment, das Sie allgemein kennen, nämlich bei Fragen der objektiven Zurechenbarkeit.
Und der Unterbrechungen dieser Zusammenhänge, nicht wahr?
Genau deshalb knüpfe ich daran an und Sie haben es ja deutlich gemacht. Beim Gubiner Fall ist doch das Besondere, dass die zum Tode führende Handlung. Auf einer Entscheidung des Opfers bot.
Es hat sich dafür entschieden, eine bestimmte Art der Flucht, des Versuchs, sich seinen Hetzern zu entziehen, dass das das auslösende, naturwissenschaftlich betrachtet, das auslösende Moment ist. Ich trete diese Glastür ein, aber natürlich so, dass ich mich beim Durchschlüpfen durch das Loch so massiv verletze, dass es zum Tod kommt.
Das ist doch eine typische Frage im Rahmen der objektiven Zurechnung. Kann ich jetzt dieses in Anführungsstrichen autonome Opferverhalten noch dem Täterverhalten, nämlich der Entschließung, die in die Umsetzungsphase eingetreten ist, wir hetzen den, um ihn mindestens zu verprügeln, zurechnen? Oder muss ich den Umstand, dass der Tod auf diese Weise eingetreten ist, dann doch auf der Opferseite belasten und sagen, dann hätte er eben, und das klingt zynisch, dann hätte er eben einen sichereren Fluchtweg wählen müssen.
Und natürlich habe ich diese Formulierung bewusst gewählt, weil mir ziemlich klar zu sein scheint, wie die Antwort auf diese Zurechnungsfrage sein muss. Es sind die Hetzer, die das Opfer überhaupt in die Situation gebracht haben, sich einer so gefährlichen sozusagen Rettungssituation zugunsten der eigenen Rechtsgüter auszusetzen.
Und deshalb kann man im Ergebnis, trotz der langen Diskussion um diesen Fall, mit sehr, sehr guten Gründen sagen, das ist ein Verhalten, das durch die Täter gerade herausgefordert worden ist. Das ist eine vorhersehbare Folge, dass wenn ich mich von einer rechtsextremen Meute als klar ausländische Person oder ausländisch aussehende Person gehetzt sehe, dass ich dann alles versuche, um mich dieser Meute zu entziehen.
Weil ich nämlich überhaupt nicht einschätzen kann, was mir ganz am Ende droht. Und welchen normativen Grund sollte es jetzt geben, das ausschließlich der Risikosphäre des Opfers zuzuweisen, wo es doch die vorhersehbare Folge des hetzenden und insofern dann Körper, auf Körperverletzung ausgelegten Verhaltens der Täter ist. Eine ganz klassische Zurechnungsfrage, die sich hier nur mit besonderer Schärfe stellt.
Und damit sind wir wieder beim Anfang. Weil hier die objektive Zurechnung, die wir sehen, hier spezifischen Gefahrzusammenhang darüber entscheidet, ob es am Ende die Kombination aus § 223 und § 222 ist oder die deutlich höhere Straftrohung aus § 227.
Und daran erkennen Sie einmal mehr, dass diese naturalistische Herangehensweise, dieses intuitive Schauen auf eine Situation eben auf Examensebene nicht mehr reicht. Sie sehen diese Situation und sagen, naja, er ist doch durch die Tür gestiegen, das war doch die Scherbe an der Tür.
Die objektive Zurechnung und dann in ihrer verschärften sozusagen engeren Version des Unmittelbarkeitszusammenhang ist eine normative Beziehung, die eben auch mit diesen normativen Erwägungen steht und fällt. Da hat der BGH ganz, ganz wichtige Leitplanken ganz deutlich eigentlich ausbuchstabiert.
Es geht um das Risiko, das gesetzt wurde durch die Handlung, welches sich in der schweren Folge realisiert hat. Ist es das lebensgefährliche Risiko dieser hetzenden Körperverletzungsversuche, dass sich in einem, und das sind Formulierungen des erwartbaren Fluchtverhaltens, also Sie haben da immer wieder auch normative Überlegungen, die Sie anstellen müssen, des erwartbaren, nachvollziehbaren Fluchtverhaltens.
Das Opfer konnte nicht anders, ganz anders, um es abzugrenzen. Wenn jetzt, ich überlege, das Opfer einfach sagen würde, Nö, ich will aber nicht ins Krankenhaus und stirb dann zu Hause an einer Sepsis oder so. Das ist nochmal was anderes.
Sondern ist es etwas, das Sie in diesen ganz engen Zusammenhang bekommen? Da hat der BGH eine ganz eindeutige Argumentation angeboten.
Genau so ist es und Ihre Worte haben eben auch nochmal deutlich gemacht. Es geht um allgemeine Zurechnungsfragen. Was ist jetzt in etwas andere Kategorien nochmal gebracht? Was schlagen wir dem Bereich einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zu, die immer dazu führt, auch außerhalb der erfolgsqualifizierten Delikte, dass wir den eingetretenen Erfolg einer daran beteiligten dritten Person nicht mehr zurechnen? Oder was ist eben veranlasst durch das ursprüngliche Täterverhalten? Und über das Veranlassen hinaus ist das, was das Täterverhalten veranlasst hat, gerade das, was mit seinem Verhalten in einer gefahrspezifischen Weise verknüpft sein kann.
Und wenn eine rechtsextreme Meute einen, ich verkürze, Ausländer hetzt, dann ist das Risiko für die gehetzte, bedrohte Person erheblich an körperlicher Unversehrtheit beeinträchtigt zu werden oder vielleicht gar durch die. Diese Körperverletzungshandlung in Todesgefahr zu kommen so hoch, dass es eine erwartbare Reaktion ist und gerade auch eine Realisierung des aus dem Hetzen folgenden Risikopotenzials im Tod des Opfers, selbst wenn die konkrete todesursächliche Handlung eine ist, die mit einem Opferverhalten verbunden ist.
Ja, das zeigt aber auch, welche Sicherungen wir einziehen. Wir prüfen erst auf der Ebene spezifischer Gefahrzusammenhang diese Wertungsfrage und schließen dann auf der zweiten Prüfungsebene an, weil wir brauchen ja auch den Paragrafen 18, mit dem wir begonnen haben. Das Ganze muss sich jetzt auch nochmal der Fahrlässigkeitsprüfung unterziehen.
Ich prüfe auf der Tatbestandsebene, habe ich den spezifischen Gefahrzusammenhang, habe ich den bejaht, prüfe ich noch, ist die eingetretene Todesfolge, in dem Fall eben das Verbluten unseres Flüchtenden, ist das in fahrlässiger Weise herbeigeführt worden. Und dann sind sie, wie in einer ganz normalen Fahrlässigkeitsdogmatik, prüfen die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges, die objektive Sorgfaltspflichtverletzung, die relativ einfach ist, wenn das Verhalten, das Sorgfaltswidrig ist, selbst schon strafbar ist.
Schon strafbar ist, sie haben ja das Grunddelikt dann, genau. Ja wunderbar, das heißt wir sind wieder und so muss man erfolgsqualifizierte Delikte denken, doch wieder im AT bei unserem 18. Und das führt mich vielleicht zum letzten interessanten, prüfungsrelevanten Abschnitt.
Der 11 Absatz 2 öffnet uns die Tür, das haben wir eben gesagt, zum Versuch. Das heißt, es gibt den Versuch. Er hat mehrere Gestalten.
Genau.
Das liegt ja auch nah, dass er mindestens zwei Gestalten hat. Und das hat wiederum damit zu tun, was wir auch zu Beginn betont haben, mindestens fahrlässig. Das heißt … Mindestens fahrlässig bedeutet, ich kann ein erfolgsqualifiziertes Delikt auch durch eine Vorsatz-Vorsatz-Konstellation und Kombination verwirklichen.
Wenn das möglich ist, ist aber klar, dass ich etwas haben kann, phänomenologisch betrachtet, was wir den Versuch der Erfolgsqualifikation nennen. Der ist ganz einfach zu beschreiben. Der Täter, um den es dann geht, hat Vorsatz in Bezug auf die Verwirklichung des Grunddelikts und er hat Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge.
Und dann sind sie in der ganz normalen Versuchsdogmatik. Keine Besonderheiten.
Keine Besonderheiten. Das ist also die Gestalt des Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts. Das heißt, das wäre Vollendung des Grunddelikts mit Vorsatz und aber auch Vorsatz hinsichtlich der schweren Folge. Möglich über 18, weil da steht wenigstens fahrlässig, bedeutet fahrlässig oder leichtfertig oder eben vorsätzlich.
Zweite Erscheinungsform des Versuchs wäre aber der erfolgsqualifizierte Versuch. Das wäre also ein Grunddelikt, das nur im Versuch realisiert wurde, also im Versuchsstadium stecken geblieben ist und in diesem Versuchsstadium ist schon aber die schwere Folge eingetreten. Im Grunde haben wir ja darüber gerade gesprochen und auch diskutiert.
Das geht natürlich nur, wenn man kein Anhänger der Literalitätstheorie ist im Bereich des 227, oder?
So hängen die Dinge miteinander zusammen. Je nachdem, wie ich den spezifischen Gefahrzusammenhang auf der Komponentenebene zuweise, habe ich die Vorentscheidung für die Strafbarkeit dieser Versuchskonstellation, also des erfolgsqualifizierten Versuchs, schon getroffen. Nur wenn ich bereit bin, den spezifischen Gefahrzusammenhang zwischen der Handlung des Grunddelikts und der schweren Folge anzuerkennen, kann ich diese Form des Versuchs als strafbarer erkennen.
Also gehe ich auf Ihren Pistolen-Aushol-Schuss-löst-sich-Fall-ein. Gehen wir es einmal durch. Es wird ausgeholt bei diesem Ausholen. Der Kopf ist noch ungetroffen, löst sich ein Schuss. Wir haben also den Versuch der Körperverletzung mit dem Pistolenkolben.
Den Versuch der Körperverletzung, also im Bereich des Grunddelikts, sind sie im Versuch stecken geblieben. Frage ist, Ist ein Versuch möglich? Dafür brauchen Sie den 11 Absatz 2. Er ist möglich, weil es wie ein Vorsatzdelikt behandelt wird.
Also ganz normale Versuchsprüfung, Nichtvollendung, zunächst der subjektive Tatbestand. Dann zusätzliches nächstes Problem, geht das auch bei 227? Wenn Sie Anhänger der Letalitätstheorie sind, würden Sie sagen, nee, nee, das geht auf gar keinen Fall. 227 ist nur möglich, wenn sozusagen die tödlich wirkende Verletzung im Raum stand.
Das ist hier nicht der Fall. Der BGH hat aber gesagt, ja, das ist mir völlig egal. In der Klammer steht ja 223 bis 226a, inkludiert 223 Absatz 2. Der Versuch der Körperverletzung, das heißt Versuch des Grunddelikts kein Problem und so würde der BGH weitergehen und dann sagen, schwere Folge liegt vor, wir haben hier eine Leiche rumliegen, zwar durch den Schuss, aber es war der Versuch der Körperverletzung und wir kämen zu einem 227, 22, 23.
Genau. Und wenn wir jetzt Ihr Beispiel nochmal auf ein weiteres erfolgsqualifiziertes Delikt erstrecken, dann können wir noch einen weiteren kleinen Punkt, der auch durchaus prüfungsrelevant sein kann. Nehmen wir mal das zusammengesetzte Delikt des Raubes und damit den Raub mit Todesfolge.
Da können wir unser Beispiel ja so bilden, dass ein Raub vorsätzlich begangen werden soll und die Gewalthandlung, sprich die Nötigungshandlung erfolgt durch Gewalt gegen eine Person. Bildlich, ich habe einen Knüppel in der Hand, schlage auf den Kopf meines Opfers ein in der Vorstellung, dass sobald ich das Opfer niedergeschlagen habe, ich auf das Portemonnaie zugreife und mit dem Inhalt des Portemonnaies dann verschwinde.
Vom Vorsatz her ein klassisches Raubdelikt. Jetzt passiert Folgendes. Ich schlage versehentlich so heftig ... Dass das Opfer an den Folgen dieses Schlages verstirbt. Und damit wir jetzt noch das Zusatzproblem bekommen, das erschreckt mich so, dass ich jetzt von meinem weiteren Plan, nämlich dem zweiten Teil des zweiaktigen Deliktes Raubes, Abstand nehme, also das Portemonnaie nicht mehr wegnehme.
Jetzt habe ich die Situation, es ist phänomenologisch völlig eindeutig. Ich habe einen versuchten Raub begangen. Ob der strafbar ist, dazu kommen wir gleich. Das ist ja das Problem.
Tatbestandlich ist es jedenfalls erstmal ein versuchter Raub. Aus diesem versuchten Raub ist völlig eindeutig ein gefahrspezifischer Zusammenhang zu erkennen zum Tod. Eindeutiger geht es nicht, denn der Tod resultiert hier unmittelbar ursächlich aus der Vornahme der Gewalthandlung und damit einer Komponente der Tathandlung des zweieaktigen Delikts 249.
Jetzt kommt aber das Interessante. Kein Problem auf der Rechtswidrigkeitsebene, kein Problem auf der Schuldebene. Aber wie gehen wir mit dem Umstand um, dass der Täter trotz Möglichkeit den Raub nicht mehr vollendet hat? Was heißt das jetzt? Führt das jetzt dazu, dass die allgemeine Rücktrittsdogmatik gilt und man sagen muss, na ja, wir erinnern uns, erfolgsqualifizierte Delikte sind die Kombination aus einem Vorsatzdelikt.
Das kann selbstverständlich auch das Versuchsdelikt sein, unter schweren Folge. Wenn aber die Kombination notwendige Voraussetzung der Strafbarkeit ist und unsere allgemeine Rücktrittsdogmatik dazu führt, dass ich vom strafbaren Versuch des Raubes strafbefreiend zurückgetreten bin, weil die Voraussetzungen 24 Absatz 1 Satz 1 vorliegen, was heißt das jetzt für die Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs? Der Bundesgerichtshof ist eindeutig und er hat die ganz große Mehrheit der Strafrechtswissenschaften auf der Seite und nimmt genau dieses Bild auf und sagt, wenn ich vom Grunddeliktsversuch zurücktrete, dann entfällt die Basis für die Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs.
Weil die Grunddeliktskomponente ist weg. Strafbefreiung, die ist zwingend nach § 224 auf der Rechtsfolge. Ebene. Ob das wertungsmäßig unbedingt so sein muss, lassen wir mal offen.
Sie sollten es nur wissen, da gibt es nochmal ein spezifisches Problem. Welche Konsequenzen hat der Rücktritt beim erfolgsqualifizierten Versuch? Und wenn Sie da jedenfalls mal als grobe Linie im Hinterkopf haben, ganz überwiegend wird davon ausgegangen, dass der Rücktritt vom Versuch des Grunddelikts dann auch die Strafbarkeit wegen des erfolgsqualifizierten Versuchs, der phänomenologisch da ist, entfällt, sind sie auf der sicheren Seite.
Konsequenz ist dann relativ einfach, Sie bestrafen dann ganz am Ende nur wegen fahrlässiger Tötung, denn die hat natürlich unser verhinderter Räuber ganz eindeutig verwirklicht.
Ganz wunderbar. Dann tatsächlich noch damit abgerundet mit einem tatsächlich wirklich prüfungsrelevanten aktuellen Problem, dass nicht nur den Versuch, der bei diesem komplizierten, erfolgsqualifizierten Delikt möglich ist, sondern eben auch den Rücktritt noch reingebracht hat. Und damit sind wir schon wieder am Ende einer Folge, die wie immer mich sehr bereichert hat. Aber Marc schaut auf die Uhr.
Jedenfalls soweit, dass sozusagen den vorbereiteten Inhalt betrifft. Wir haben wie immer ja unsere Zuschauerfrage, die ihr jetzt gleich nach dem Piep hört. Und ich darf für heute schon mal, auch wenn ich in diesem Podcast gar nicht so viel zu Wort komme, aber das ist auch gut so in diesen Folgen, vielen herzlichen Dank sagen.
Es hat wieder viel Freude gemacht, hier dabei sein zu dürfen. Und ich bin mir sicher auch vielen unserer Zuhörenden. Tschüss!
Hallo liebes Podcast-Team, mein Name ist Sarah und meine Frage richtet sich an Frau Schmidt-Leonardi. Frau Schmidt-Leonardi, wie sah ihr Alltag während der Examsvorbereitung aus? Weil man hört immer wieder, dass man sechs Tage die Woche lernen muss, dass die Freizeit, Freunde und Familie zu kurz kommen in dieser Zeit und dass man einen festen Lernplan hat, dass man an gewissen Tagen Zivilrecht lernt und nur an einem Tag zum Beispiel Strafrecht.
Haben Sie auch so einen Plan gehabt und wenn ja, haben Sie sich daran gehalten? Und mich würde auch interessieren, wie Sie mit Motivationstiefs umgegangen sind.
Ja, weil ich direkt angesprochen werde, aber das schließt sie sozusagen mittelbar mit ein, Herr Radke, aber dann fange ich mal an. Also ich kann berichten, dass es keine gerade Linie war bei mir. Ich wünschte, ich könnte sozusagen ganz preußisch durchorganisiert gelernt haben, das war nicht der Fall.
Was ich schon ernst genommen habe, ist eine grobe Planung der Lerninhalte. Also ich hatte einen Lernplan, der aber nicht, wie einige meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen, hat ihn ganz ausdifferenziert auf Tage und Freitage und so. Das hatte ich alles nicht gemacht.
Ich habe in der Tat vor allen Dingen diesen Accountability-Faktor sehr ernst genommen, über den ich in den ersten zwei Folgen berichtet habe. Das heißt Feedback aus meinen Klausurergebnissen, ernst genommen aus den Lerngruppen, wenn ich einfach gemerkt habe, dass es noch fehlt in einem Bereich.
Dann habe ich da mehr gearbeitet. Was ich empfehlen kann, ist wirklich in Bezug auf jedes Fach das Lernformat zu finden, das passt. Also ich hatte zum Beispiel im öffentlichen Recht ein ganz dickes Skript aus einem kommerziellen Crashkurs.
Ich hatte kein kommerzielles Rap gemacht, aber hatte diesen Crashkurs gemacht. Das war ein hervorragendes Skript. Und da hatte ich immer auf den linken Seiten mit Bleistift alles vollgeschrieben an Notizen. Das war dann so ein 200 Seiten Skript und das habe ich so geliebt, dass ich damit auch wirklich ganz intensiv gearbeitet habe.
Strafrecht war es ein Ordner, in dem auch noch Notizen aus den allerersten Vorlesungen bei Herrn Radtke waren, den ich immer weiter ausdifferenziert habe. Im Zivilrecht, was leider für mich ein notwendiges Übel war, war es eine Kombination aus mehreren Mitteln.
Also das kann ich zu dem Lernplan sagen, der war für mich vor allen Dingen inhaltsbezogen mit diesen Feedback-Loops, die ich jedem empfehlen würde, einfach um seinen Wissensstand einzuordnen. Zu den Motivationstiefs möchte ich vor allen Dingen sagen, sie sind normal.
Das heißt machen sie sich nicht verrückt, wenn sie kommen. Was für mich damals wie heute, also damals geholfen hat und heute immer noch ist, mich zu verbinden mit meiner Intention. Warum mache ich das hier? Und für mich war es so, dass ein besseres Examen, für mich war es eher dann die Qualität des Ergebnisses.
Das kann für Sie auch vielleicht der Examenstermin sein, wenn Sie zum Beispiel Schulden abbauen wollen und einfach sagen, ich muss früh das Examen machen, früh in einen Job kommen, weil ich zum Beispiel meine Schulden abbauen will oder irgendwo investieren will, dann kann das ein ganz legitimes Ziel sein. Für mich war es sozusagen die bessere Examensnote erlaubt mir mehr Freiheit in meiner Berufswahl für das nächste Kapitel.
Das heißt, damit habe ich mich immer wieder verbunden, um mir nochmal bewusst zu machen, das ist eine Phase, die vorbeigeht und das, was du willst, hat eben sozusagen vielleicht einen höheren Sinn. Alltag und auch das geht immer noch heute.
Ich habe irgendeinen Sportfaktor drin gehabt, damals war es glaube ich Yoga, heute jogge ich gerne, irgendetwas, das meinen Körper fit hält. Ich bin ein großer Fan von irgendeiner Form von innerer Arbeit, auch weil sie nach dem Examen erwachsene Rechtsanwender werden, die die Gesellschaft beeinflussen werden.
Es ist zwar anders als bei Medizinern, spritzt zwar kein Blut, aber sie haben genauso tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Das heißt, irgendeine Form von innerer Arbeit, Meditation, vielleicht ist das eine Religionsgemeinschaft, was auch immer für sie passt.
Und dann, ich weiß gar nicht, wie das klingt, aber ich sage es ganz ehrlich, das, was sie lieben. Und auch das ist zwar meine Liebe, damals ist meine Liebe heute, Wolfram, oh Gott, das klang jetzt sehr kitschig, aber wir müssen auch sowas cool machen.
Also das ist auch tatsächlich so meine Zeit mit Wolfram. Ich habe eine Freundesfamilie mittlerweile seit Jahrzehnten und ich glaube, dass die Tage endeten mit Wolfram, mit meinen Freunden. Um meistens was zu essen, ein Glas Wein, irgendwas Schönem an einem Tisch.
Das habe ich erst im Nachhinein gemerkt, das merke ich aber heute. Das gibt mir eine Energie, die man fast nicht quantifizieren kann, um dann wieder wirklich einzusteigen und sich über viele Stunden zu konzentrieren. Also so ein Mix, ein Mix an Planung, die nicht zu rigide ist für ihren Typ, Normalisierung von Motivationstiefs, eine Verbindung mit ihrer eigenen Intention und dann eine Kombi aus Sport, Reflexion und ein bisschen Zeit und Raum für das, was sie lieben.
Wäre ich damit durchgekommen, Herr Radtke, was sagen Sie in der Bewertung?
Erstens zeigt Ihr weitere Schicksal, dass Sie ideal damit zurecht und durchgekommen sind. Zum Zweiten unterscheidet sich das nicht substanziell von dem, wie ich Examsvorbereitung angelegt habe. Schon die Rahmenbedingungen sind ähnlich gewesen, weil ich es auch ohne ein kommerzielles Repetitorium gemacht habe.
Und das, weil ich nun doch schon ein bisschen älter bin, in Zeiten, in denen auch Fakultäten eben noch keine strukturierten Examsvorbereitungen hatten, sieht man mal von den Klausurenkursen, die es selbst in den frühen 80er Jahren schon gab, ab. Aber ansonsten gab es das nicht.
Das heißt, man war relativ deutlich darauf angewiesen, Eigeninitiative zu ergreifen. Das habe ich in zweierlei Hinsicht getan. Das eine ist fast parallel zu Ihnen. Ich habe immer versucht, für die drei Rechtsgebiete dann wirklich abschnittsweise mir die Räume zu schaffen, in denen ich mich damit beschäftigt habe.
Und obwohl zu meinen Zeiten die Zahl der Klausuren in den drei Pflichtfächern gleich war, also es ist nicht diese 3-2-1-Verteilung gab, ist es natürlich so gewesen, dass man sich mit Zivilrecht und öffentlichem Recht viel stärker beschäftigt hat, weil das Feld größer ist als Strafrecht. Da habe ich immer versucht, mich daran zu orientieren, in welchen Rechtsgebieten werden eigentlich die zentralen Wertentscheidungen getroffen.
Ich mache es mal deutlich am Bereicherungsrecht. Wenn Sie verstanden haben, nach welchen Kriterien Sie in Dreiecksverhältnissen Risiken zuweisen, wer etwa das Insolvenzrisiko tragen muss, dann kommen Sie durch jeden Bereicherungsrechtsfall. Also habe ich mich darum bemüht, in zwei Wochen ungefähr, in der ich ziemlich viele, sogar Monografien zum Bereicherungsrecht gelesen habe, zu gucken, wo sind so die harten Entscheidungslinien und nach welchen Kriterien werden die getroffen.
Das habe ich in fast allen Rechtsgebieten versucht und bin damit ziemlich gut durchgekommen. Und zweites, das hat Frau Schmidt-Leonardi auch angesprochen, ist, ich würde immer dazu raten und hoffe, dass alle von Ihnen das haben, jedenfalls einen Teil der Examsvorbereitung immer in der Kleingruppe zu machen.
Wie man das dann organisiert, das ist jedem Einzelnen überlassen. Aber man braucht erstens das Feedback und zweitens den Trainingseffekt. Sobald Sie anfangen in einer Gruppe anderen ein Rechtsproblem zu erklären, haben Sie eine gute Gewähr, dass Sie das Problem gut erfasst haben.
Und wenn Sie jetzt noch Ihre Probleme, die Sie darstellen wollen, clever lösen und anlegen und es wiederum auf die zentralen systematischen Erwägungen, die zentralen Prinzipien runterbrechen, dann kommen Sie mit jedem Einzelfall gut zur Rende, auch wenn Sie ihn nicht vorher schon mal irgendwie als Fall gehört haben. Das ist der eine Bereich.
Der zweite Bereich ist tatsächlich, wie organisiere ich den Alltag. Einer meiner Strafrechtsprofessoren hat immer mal gesagt, gehen Sie davon aus, Sie seien ein normaler Arbeitnehmer oder eine normale Arbeitnehmerin, dann haben Sie einen Acht-Stunden-Tag und Acht Stunden meint dann Acht Stunden die Pausen rausgerechnet. Und versuchen Sie das auch nur mal an fünf Tagen, dann haben Sie eine 40-Stunden-Woche im Ergebnis.
Halten Sie die ein. Wie Sie das verteilen, wann Sie anfangen, alles Ihre Sache. Aber versuchen Sie das einzuhalten. Und wenn Sie drei Tage nichts gemacht haben, dann fehlen Ihnen auf einmal relativ viele Stunden und überlegen Sie, wie Sie die reinholen.
Entweder indem Sie an den nächsten Tagen dann eben länger Lerneinheiten machen oder indem Sie dann ein bisschen später ins Examen gehen. Das kann man wieder machen, wie man will. Aber sozusagen als Merkposten, das sollte man getan haben, würde ich nach wie vor so empfehlen.
Der dritte Punkt, Sport, hat bei mir eine ganz große Rolle gespielt während der ganzen Studienzeit, damit auch während der Examensvorbereitungszeit. Ich habe damals sehr aktiv Handball gespielt, das heißt teilweise dreimal die Woche trainiert und jedes Wochenende spiel. Und trotzdem ist das völlig problemlos in der Examsvorbereitung zu integrieren gewesen.
Wenn man irgendwie um 20 Uhr mit dem Training beginnt, dann kann man bis 19 Uhr oder in dem Fall 18 Uhr, wo ich relativ weit fahren musste, gelernt haben. Dann macht man Sport, dann hat man Ausgleich und man hat gleichzeitig auch wiederum noch eine Tagesstruktur, die einem dabei hilft.
Man weiß dann auch, okay, du musst jetzt irgendwie heute noch ein bisschen was geschafft haben, aber danach gehst du in die Halle und kommst gespitzt wieder zurück und gehst dann in die Dusche und irgendwann ist dann dieser Tag auch rum, aber man hat was völlig anderes gemacht. Fand ich immer sehr, sehr hilfreich.
Was ich immer raten würde... Allein um die Fähigkeit zu formulieren, und zwar schriftlich wie mündlich, ist tatsächlich die Lektüre von Gerichtsentscheidungen. Und zwar nicht, um jeden Einzelfall zu kennen, davon würde ich sogar ganz, ganz dringend abraten, sondern nur um die Diktion zu lernen.
Weil wenn Gerichtsentscheidungen gut gemacht sind, dann sind die Sätze in der Regel deutlich knapper als etwa in Lehrbüchern. Es gibt weniger Relativierungen, weniger Relativsätze und das ist auch für eine Klausur häufig eben ein guter Weg, sehr präzise auszudrücken, was man da eigentlich in der Sache sagen will und den Satz so knapp zu fassen, dass er für die Korrektorin, den Korrektor auch gut zu verstehen ist.
Das würde ich jetzt wiederum aus meiner eigenen Prüfererfahrung sagen. Je komplizierter Sie einen Satz bauen, desto länger brauche ich als Prüfer, um ihn zu erfassen. Und je häufiger ich den Satz lesen muss, desto eher komme ich darauf, dass der auch in der Sache gar nicht stimmt.
Ja, also auch das würde ich in meine Examsvorbereitung ernsthaft einbauen. Das fangen sie teilweise auf durch die Kommunikation in Lerngruppen, aber auch indem sie einfach mal diese Produkte der praktischen Juristen lesen, weil wie gesagt, das liest sich anders. Klaus Roxin schreibt anders als die Mitglieder des ersten Strafsenats des BGH.
Und deshalb würde ich eben nicht nur Klaus Roxin lesen, den würde ich ständig lesen, weil der einfach brillant formuliert. Aber ich würde mich eben auch auf diese ganz, ganz knappe, sehr, sehr nüchterne Sprache von Gerichtsentscheidungen einlassen. Wenn man das noch einbauen kann, das kriegt man ja prima hin, auch mit Zeitschriften, die dann Kurzwiedergaben haben.
Aber ab und zu auch mal die Originalentscheidung und nicht nur die Wiedergabe. Das ist, glaube ich, auch noch etwas, was man gut einbauen sollte. Letztes Stichwort Motivations-Tiefs kann ich sagen, Glück gehabt, habe ich nicht gehabt habe ich auch keine Zeit gehabt, sonst hätte ich das mit dem Handball nicht hingekriegt ich wollte gerade sagen.
Wunderbar vielen Dank, Herr Radke.
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