IMR6022. Sep 20
IMR060: Mündliche Prüfung im juristischen Staatsexamen | Interview Prüferin

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IMR060: Mündliche Prüfung im juristischen Staatsexamen | Interview Prüferin

Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln

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Über diese Episode

Folge 60 Deines Jurapodcasts zu allen Karriere- und Examensthemen

mündliche Prüfung - Rechtsgespräch - Juristische Kompetenzen - Juristisches Handwerk - Argumentation - Gesetzesauslegung - Anspruchsgrundlagen - Gutachtensstil - Systemverständnis - Rechtsprechung - Prüfertypen - Prüfungskommission - Prüfungsprotokolle - Lebenslauf - Bewerbungsfoto - Vorgespräch - Vortrag - Notenberatung - JAG - § 823 BGB - § 823 II BGB - § 826 BGB - § 138 BGB - § 1369 BGB - § 1365 BGB - GVG - ZPO - StPO - Grundrechte

Ein Blick in die (vermeintliche) Black Box mündliche Examensprüfung: Im Gespräch mit Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb, die langjährige Prüferin und Prüfungskommissionsvorsitzende im Staatsexamen in NRW ist. Auf welche Fähigkeiten achten Prüfer tatsächlich? Warum spielt Detailwissen eine deutlich geringere Rolle als gedacht? Weshalb ist ein vermeintlich unbekannter Sachverhalt dankbar? Was bespricht die Prüfungskomission abseits des Tisches? Das und vieles mehr erfahrt Ihr in dieser Episode von Irgendwas mit Recht – damit Ihr typische Fehler in der mündlichen Examensprüfung vermeidet, euch erfolgreich vorbereiten könnt und mit einem ordentlichen Notenschub aus der selbigen herauskommt. Happy listening! 😉

Kapitel:

  • 00:52 - Zweck der mündlichen Prüfung
  • 06:14 - Gutes juristisches Handwerkszeug
  • 09:02 - Zusammenhänge verstehen
  • 12:27 - Mündlicher Anteil im Studium
  • 18:02 - Die Prüfertypen
  • 23:54 - Prüfungsprotokolle
  • 33:22 - Ein ordentlicher Lebenslauf
  • 39:58 - Das Vorgespräch
  • 45:13 - Der Vortrag in der mündlichen Prüfung
  • 50:52 - Was besser laufen könnte
  • 57:09 - Die Notenberatung

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Barbara Dauner-Lieb

Barbara Dauner-Lieb

Kapitel

  • 00:00:52.021Zweck der mündlichen Prüfung
  • 00:06:14.013Gutes juristisches Handwerkszeug
  • 00:09:02.025Zusammenhänge verstehen
  • 00:12:27.332Mündlicher Anteil im Studium
  • 00:18:02.171Die Prüfertypen
  • 00:23:54.299Prüfungsprotokolle
  • 00:33:22.605Ein ordentlicher Lebenslauf
  • 00:39:58.632Das Vorgespräch
  • 00:45:13.211Der Vortrag in der mündlichen Prüfung
  • 00:50:52.560Was besser laufen könnte
  • 00:57:09.647Die Notenberatung

Über Universität zu Köln

Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.

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Die mündliche Prüfung ist ein Gespräch auf Augenhöhe, bei dem es nicht nur um Faktenwissen geht, sondern darum, mit Vernunft und Mut zu argumentieren und sich als guter Jurist zu zeigen.

Sneak Peak – Q&A mit Barbara Dauner-Lieb

Transkript

KI-basiert und kann Fehler enthalten.

Music:

0:11 Min
Marc Ohrendorf:

Herzlich willkommen zu einer neuen Episode Irgendwas mit Recht, jetzt schon Episode 60. Ich spreche heute mit einem Gast, den ihr schon kennen dürftet, nämlich mit Frau Prof. Dana Lieb.

0:23 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Guten Tag, freue mich.

0:25 Min
Marc Ohrendorf:

Ich grüße Sie. Wir wollen heute mal ein heikles Thema miteinander besprechen, nämlich die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen. Sie sind ja auch Vorsitzende und regelmäßig Prüferin im Zivilrecht, hier in Köln nehme ich an, ne?

0:39 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, in Köln. Früher habe ich auch in Düsseldorf noch geprüft. Aber ich konzentriere mich jetzt hier auf das Feld, wo ich auch lehre und wo ich die Prüflinge meistens auch in irgendeiner Form im Studium kennengelernt habe.

0:52 Min
Marc Ohrendorf:

Dann lassen Sie uns mal kurz erstmal vielleicht zum Ausgang unseres Gesprächs beleuchten. Warum eigentlich eine mündliche Prüfung? Wofür ist diese mündliche Prüfung im Staatsexamen gedacht?

1:04 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Es lohnt sich, einen Blick ins JAG zu werfen. Da steht nämlich relativ genau drin, was dort passieren soll. Dort soll ein Rechtsgespräch geführt werden. Man will ganz andere Kompetenzen abprüfen, als man etwa mit den Klausuren spricht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Feststellen will. Es geht in der mündlichen Prüfung nicht darum, irgendeinen Fall richtig so schnell wie möglich unter Abspulen eines festen Wissens zu lösen, sondern es geht darum, festzustellen, ob man sich mit dem jungen Menschen, der da steht, vernünftig auf Augenhöhe juristisch unterhalten kann. Und ich verrate Ihnen gleich schon einen Maßstab, der eigentlich für uns alle gilt, die wir in der ersten Staatsprüfung prüfen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Bei jedem Prüfling stellen wir uns die Frage, möchte man den morgen als Referendar im Referendardienst haben? Kann man mit dem was anfangen oder sagt man um Himmels Willen, der macht nur Arbeit und erledigt keine Arbeit, der soll erstmal in der Universität nochmal lernen, was er braucht, um unsere Arbeit zu machen. Das ist wirklich der Maßstab, den fast alle Prüfer haben, ob sie es sagen oder nicht, möchte ich mit dem Menschen morgen als Referendar weiterarbeiten.

2:21 Min
Marc Ohrendorf:

So ein bisschen ja auch wie im zweiten Examen, wo man sich fragt, möchte ich, dass er oder sie morgen potenziell meine Kollegin wird.

2:27 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Genau. Und das sind natürlich ganz andere Kompetenzen. Das Wissen ist wichtig. Ohne Wissen geht gar nichts. Aber man will vor allem feststellen, kann jemand pragmatisch, praktisch, fundiert, verlässlich dieses Wissen im Gespräch zur Lösung von Problemen präsentieren.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und entscheidend ist dabei, dass der Prüfer häufig selber gar nicht weiß, wie die Lösung des Problems aussehen soll. Er möchte sich mit dem Kandidaten oder der Kandidatin einfach vernünftig darüber unterhalten, wie man für die gestellten Probleme eine Lösung finden könnte.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und da ist der normale Prüfer auch ganz offen für neue Lösungen, für kleine Irrwege, für kleine Abwege. Es geht um ein gemeinsames Gespräch. Das ist Ändert natürlich nichts daran, dass manchmal auch Wissen abgefragt wird.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dazu kommen wir gleich noch, wo man wirklich aufpassen muss, wo man nicht zu dünn vorbereitet sein soll. Aber zunächst einmal geht es darum, dass man in der Lage ist, mit einem Erwachsenen, Erfahrenen, beruflich erfolgreichen Juristen über juristische Themen und Arbeit sprechen zu können.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und jetzt merken Sie natürlich schon, das ist völlig was anderes, als eine Klausur zu schreiben.

3:42 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, das ist dann ja aber eigentlich auch eine ganz gute Nachricht, wenn ich mir überlege, dass viele Prüfungen beispielsweise auch aktuelle Themen ansprechen. Stell mir jetzt mal allgegenwärtig Corona vor. Wenn ich dann als Prüfling natürlich nicht gut irgendwie auswendig lernen kann, was jetzt das alles für Auswirkungen hat, dann ist aber doch die gute Nachricht, dass ich sozusagen mit meinem juristischen Denken und auch mit der Tatsache, dass es keine vorgefertigte Lösung sozusagen gibt, weil es da keine Urteile oder ähnliches gibt, denen ich folgen soll, recht weit komme in der mündlichen Prüfung.

4:13 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, selbstverständlich. Wobei es ja ohnehin immer ein Missverständnis ist, dass das Wichtigste ist, dass man etwas weiß und dass die Prüfung darauf zielt, Wissen abzufragen. Die ganze juristische Prüfung dreht sich eigentlich darum festzustellen, was der Kandidat oder die Kandidatin kann, wenn sie nichts mehr weiß.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ob sie dann mithilfe ihres Handwerkszeugs, mithilfe der Methodenlehre, mithilfe von Transferwissen, Zurecht kommt und vernünftig argumentieren kann. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, ich garantiere Ihnen, in irgendeiner mündlichen Prüfung in diesem Monat werden verschiedene Prüfer Zivilrecht, Trafrecht die Frage stellen, Was ist eigentlich mit der jungen Dame in Garmisch-Partenkirchen, die damit rechnen musste, dass sie bereits Corona infiziert ist und sich trotzdem fröhlich in Bars und Nachtclubs rumtrieb.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das hat strafrechtliche Aspekte, das hat aber auch zivilrechtliche Aspekte, da muss man 823 prüfen, vielleicht 8232, vielleicht 826, man kann überlegen, ob das eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne ist, das weiß man nicht. Das kann man auch nicht wissen, dazu gibt es noch keine Gerichtsentscheidung, aber wenn man sich gut im Deliktsrecht auskennt, muss man dazu vernünftig argumentieren können und im Grunde ist das wunderbar, weil wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat und die Grundstrukturen der Rechtsgebiete drauf hat, dann kann man eigentlich zu jedem Thema strukturiert vernünftig diskutieren.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist das Ziel der juristischen Prüfung. Wir reden ja gleich noch über bestimmte Wissenskernbestände, wo man nicht dünn auf der Brust sein muss, aber eigentlich darf man sich darauf freuen, dass es ein wohlwollendes Gespräch mit einem Juristen auf Augenhöhe sein soll und je souveräner, gelassener und handwerksfest man da auftritt, erwachsen bitte und nicht wie ein Kaninchen, desto größer sind die Chancen, dass auch gute Punkte vergeben werden.

6:14 Min
Marc Ohrendorf:

Was macht denn, Sie haben es gerade schon mehrfach angesprochen, das gute juristische Handwerk aus Ihrer Sicht aus? Wann sagen Sie bei einer Kandidatin oder einem Kandidaten, Mensch, das mag inhaltlich auch gar nicht meine Meinung gewesen sein, aber wie das argumentiert wurde, wie das vorgetragen wurde, wie das analysiert wurde, das hat mich überzeugt.

6:30 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja. Wissen Sie, das ist eigentlich entsetzlich banal, weil das fängt im ersten Semester an und schon da kämpft man drum, weil die Studierenden die Bedeutung nicht wissen. Das allererste ist, man guckt ins Gesetz.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also der Kandidat, der sofort losschwätzt und sagt, da gibt es drei Theorien, das ist gar nicht gut, der gefällt uns überhaupt nicht. Sondern am Anfang steht für uns kontinentaleuropäer, kodifikationsgewöhnte Juristen das Gesetz. Nämlich, wir müssen uns mal überlegen, um welche gesetzliche Grundlage es sich handelt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Im Zivilrecht wird man sagen, wenn gefragt ist, kann der das und das verlangen. Anspruchsgrundlage. Äh, so. Und dann wird geschaut und ich frage dann zum Beispiel immer, wissen Sie eigentlich, was eine Anspruchsgrundlage ist? Ich bin immer erschüttert, wie wenig Kandidatinnen dazu was Sinnvolles sagen können.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und wenn ich dann gerade noch die Brutalität habe zu sagen, sagen Sie mal, Gutachtensstil, was machen Sie denn jetzt eigentlich? Sie reden jetzt im Gutachtensstil. Was ist denn das eigentlich ein Gutachten? Was ist die Methode? Das ist das, was ich unter Handwerkszeug verstehe, dass man nämlich verstanden hat, wie das Zivilrecht tickt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dass man weiß, Anspruchsgrundlagen sind der Schlüssel in dem Fall und an Einwendungen und Einreden sind die Verteidigung und man muss immer anfangen, erst einmal zu gucken, welche Grundlagen bietet das Gesetz. Dann muss man auf die Tatbestandsmerkmale gehen, man muss auf den Wortlaut gehen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist überhaupt das Allerwichtigste, dass die meisten Kandidatinnen unterschätzen, Dass man ganz genau mit dem Wortlaut arbeiten müssen. Die meisten fangen sofort an mit irgendwelchen Meinungen, anstatt wirklich hinzuschauen, was steht da. Im Strafrecht ist das natürlich noch viel wichtiger, aber im Zivilrecht erwarten wir, dass zunächst einmal die richtige Norm gefunden wird und dass man dann sagt, ja, da steht, und dann anfängt abzuleiten, passt das auf den Fall oder passt das nicht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn ein Fall geprüft wird, manchmal wird auch anders geprüft, da kommen wir sicherlich drauf. Aber Handwerkszeug heißt eigentlich, ganz banal, Deswegen spreche ich nicht von Methodenlehre, sondern von Handwerkszeichen. Gesetz, Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Sinn und Zweck und wenn man noch ein bisschen was zum Kontext und zur historischen Auslegung sagen kann, ganz großartig.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber es heißt im Grunde, dass man sorgfältig aus dem Gesetz mithilfe der gesetzlichen Grundlagen argumentiert und nicht irgendwelche Details, die man sich angelernt hat oder Entscheidungen, die man sich angelernt hat. Erstmal vorne anfangen mit dem Gesetz.

9:01 Min
Marc Ohrendorf:

Ich erinnere mich noch, in meinem, ich glaube, ersten Semester war es, da sagte ein Professor, Jura ist wie so ein kleines Mosaik. Sie lernen so kleine Steinchen und wenn sie sich sozusagen vorarbeiten in die Materie, dann gelingt es ihnen immer weiter vom Bild wegzutreten und irgendwann erkennen sie, dass das eben ganz viele zusammenhängende Steine sind.

9:21 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist jetzt ein, ich unterbreche Sie jetzt, ein ganz, ganz wichtiger Aspekt der mündlichen Prüfung. Außer diesem Handwerkszeug, was ja auch in der Klausur die relevante, die große Relevanz hat, spielen die Erkenntnisse der Zusammenhänge eine große Rolle. Dafür gibt es eigentlich auch das Prädikat, nämlich wenn jemand versteht, dass das ganze Teil eines größeren Bildes ist und nicht nur irgendein winziges Steinchen, dessen Kontext man überhaupt nicht versteht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also ich bringe Ihnen wieder ein Beispiel aus meiner Praxis, wenn man anfängt in irgendeinem Fall, in dem Paragraf 138 eine Rolle spielt. Dann frage ich natürlich, was ist das? Eine Generalklausel. So, die guten Sitten.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Was ist das? Kennen Sie Fallgruppen? Wie macht die höchstrichterliche Rechtsprechung das? Das ist übrigens auch wichtig. Ich werde sehr ärgerlich, wenn ich das Gefühl habe, ich habe einen Kandidaten vor mir im Mündlichen, der sich überhaupt noch nie mit Urteilen beschäftigt hat, der überhaupt noch nie eine BGH-Entscheidung gelesen hat.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist für meine Begriffe schon für die Klausur tödlich. Aber im Mündlichen erwarte ich, dass jemand sieht, was macht die Rechtsprechung. Das ist beispielsweise bei der Sittenwidrigkeit, da gibt es die Ehegattenbürgschaften oder da gibt es die Globalzession, der verlängerte Eigentumsvorbehalt, was hat das miteinander zu tun und dann fängt man interessant an, über Zusammenhänge zu sprechen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich habe zum Beispiel auch zum Entsetzen der Kandidaten in einer meiner letzten Prüfungen gesagt, sagen Sie mal, was ist denn eigentlich eine Familie? Sie haben alle ein bisschen Familienrecht gemacht, nicht allzu viel, aber ein bisschen was. Was ist eine Familie? Die kamen alle ins Stottern.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, ich sage, definiert das Familienrecht die Familie? Nein, tut es nämlich nicht. Was regelt denn das Familienrecht? So, das sind jetzt nicht einfache Fragen, das ist schon schwerer als ein Fall. Aber da kann ich sofort feststellen, ist da ein Mensch vor mir, der in der Lage ist, ein bisschen über den kleinen Einzelfall hinaus zu denken und ein bisschen versteht, wie die Dinge eigentlich zusammenhängen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist nun schon die Kür, wo ich sage, wenn ich jemandem neun bis zehn Punkte an Aufwärts geben will, dann muss er auch zu solchen Fragen was sagen können. Für einen befriedigend reicht es im Allgemeinen, wenn man den Fall, den ich stelle, halbwegs sauber runterlösen kann.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber wenn jemand in den Prädikatsbereich will und dazu auch das Potenzial hat, dann muss er natürlich auch ein bisschen verstehen, wie das zusammenhängt. Er muss beispielsweise dann auch wissen, dass das Bundesverfassungsgericht, Dann sagt die Generalklauseln des bürgerlichen Rechts müssen im Lichte der Grundrechte ausgelegt werden.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also dann erwarte ich auch, dass man über die einzelnen Fächer hinaus den Kontext sieht. Und je größer der Blick ist, den sie jetzt nennen, je mehr das Mosaik weiter weg liegt, desto besser ist nachher eigentlich die Note. Da kann man ziemlich genau feststellen, wie weit der einzelne Prüfling schon ist in seiner Erfassung des Gesamtbildes.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dass die Details halbwegs funktionieren müssen und dass er Steinchen zusammensetzen können muss, das ist fürs Befriedigen oder Ausreichen sowieso erforderlich.

12:27 Min
Marc Ohrendorf:

Ja und dann kommt ja noch die Komponente hinzu, dass es nicht nur juristische Zusammenhänge über Rechtsgebiete hinweg gibt, sondern gerade beim Familienrecht, muss ich gerade daran denken, immer ja auch sich die Frage stellt, wie wirkt sich denn diese Rechtsregelung jetzt auch auf unsere Gesellschaft aus und umgekehrt, weil welche gesellschaftlichen Zusammenhänge bildet denn jetzt das Recht hier gerade

NaN
Marc Ohrendorf:

ab?

12:46 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist völlig richtig, deswegen prüfe ich auch ganz gerne Familien- und Erbrecht, selbstverständlich nur in dem Sinne, wie es im JAG vorgegeben ist, aber man kann dann relativ schnell herausfinden, ob jemand entweder darüber schon nachgedacht hat über die Gesellschaftsrechte, das steht übrigens auch im JAG, dass man das reflektieren können muss, das Recht, in seinen sozialen und politischen und geschichtlichen Bezügen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist keineswegs so, dass man den Rechtsstoff einfach nur neutral in seinen Kopf reinstopfen soll, sondern man soll ihn reflektieren. Und das kann man ziemlich gut ausprobieren, indem man beispielsweise fragt, sagen Sie mal Pflichtteilsrecht, das müssen Sie jetzt nicht im Detail können.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Selbstverständlich nicht. Aber was ist denn das eigentlich? Warum haben wir das eigentlich? Warum haben wir eigentlich Erbrecht? Was wäre denn die Alternative? Das ist etwas, wo die Prüflinge häufig schockiert sind, anstatt zu sehen, dass das eine ungeheure Chance sein kann, wenn sie einen Prüfer haben, der ihnen die Gelegenheit gibt, über plattes Faktenwissen hinaus auch Verständnis zu zeigen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber das Systemverständnis ist Teil der Prüfungsanforderungen. Darüber sind wir uns auch alle einig. Das wird unterschiedlich stark ausgespielt. Wir kommen ja gleich auf die verschiedenen Prüfertypen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber damit müssen sie rechnen und deswegen beginnt die Prüfung, die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung, meine Damen und Herren, selbstverständlich ziemlich am Anfang des Studiums schon. Die Vorstellung, jetzt mache ich mal mein Schriftliches und dann vier Wochen vor der mündlichen Prüfung überlege ich mal, wie ich mich aufs Mündliche vorbereite, ist völlig irrig.

14:22 Min
Marc Ohrendorf:

Müssten wir aber nicht mehr mündliche Anteile im Studium haben? Also irgendwer, jemand sagte mal, man kommt mit so ein bisschen Schreiben und Schweigen ganz gut durch und dann soll man auf einmal im Schwerpunktbereich einen Vortrag halten und im Examen eine mündliche Prüfung plus natürlich auch Aktenvortrag abliefern.

14:38 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also in einer Massenuniversität können sie natürlich nur begrenzt erzwingen, dass Leute den mündlichen Anteil üben. Aber jeder, der ein bisschen über sein Fach nachdenkt, weiß, dass der Jurist natürlich nicht nur ein schreibender Berufstätiger ist, sondern in großem Umfang auch ein sprechender, ein kommunizierender.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die ganze juristische Arbeit ist Kommunikation. Ich will Probleme lösen für jemand, der gegenübersteht und der das dann auch verstehen muss. So, es gibt unendlich viele Möglichkeiten, das wird auch gepredigt, wie man im Studium das machen kann.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das fängt an mit der privaten Arbeitsgemeinschaft, das fängt an, Und mit der Diskussion, das fängt an damit, dass man sich in der Vorlesung auch meldet. Es gibt keine Vorlesung, wo es keine Gelegenheit gibt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich zwinge niemanden, aber ich sage vom ersten Semester an, brechen Sie über das, was Sie tun. Erstens ist es dann nicht so langweilig. Zweitens merken sie, was sie nicht verstanden haben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn sie es nicht erklären können, haben sie es nicht verstanden und kümmern sie sich jetzt darum und nicht später. Aber da ist auch eine gewisse Eigenverantwortung der Studierenden, dass sie sich bitte da rechtzeitig drum kümmern. Vor dem Schwerpunkt ist ja heute das Vorbereitungsseminar gestellt, jedenfalls in Köln, in Bonn glaube ich auch.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das muss man eigentlich auch nochmal vorher üben, wenn man allerdings sagt, Leute, jetzt stellt euch bitte mal hin und tragt diesen Fall vor, dann stößt man auf Widerstand. Ich mache ja in meinem Examenskurs jeden Mittwochnachmittag so eine Vortragsübung, auch in Vorbereitung auf den vortragsmündlichen Examen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Es melden sich immer dieselben Leute. Übrigens alle diese Leute haben mir hinterher gesagt, ich habe mindestens eine Note besser gemacht, als ich erwartet habe. Das ist ganz spannend. Das ist ein ganz hoher Erfolg.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wer das fünf bis zehn Mal gemacht hat, hat wirklich eine Chance, sehr viel besser abzuschneiden. Nur es gibt viele, die fangen damit an, erst wenn sie die Punkte haben oder die trauen sich nicht oder die meinen, sie müssen perfekt sein. Alles Quatsch.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Reden muss man von Anfang an und das ist die Eigenverantwortung des Studierenden, ab dem ersten Semester zu sagen, ich muss sprechfähig sein.

16:49 Min
Marc Ohrendorf:

Zu dem Punkt, dass man Dinge erst dann so wirklich durchdrungen hat, wenn man sie auch erklären kann, ist vielleicht auch ein ganz guter Tipp, Lerngruppen zu bilden. Also das hört ihr ja eh überall, aber auch da dann ganz bewusst mal vorzugehen und zu sagen, einer stellt jetzt mal ein Thema vor oder eine Falllösung, weil man dann auch relativ schnell natürlich checkt, wie man mit Einwänden umgehen kann und ob man das wirklich flüssig auch darstellen kann.

17:10 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, selbstverständlich und es ist eigentlich heute, selbst in Corona-Zeiten ja viel einfacher als früher, Lerngruppen zu bilden. Das geht digital, das geht mit etwas Abstand sogar präsent, aber ich habe schon in meiner Examsvorbereitung 1978 eine Lerngruppe von vier Leuten gehabt und wir sind alle überdurchschnittlich erfolgreich gewesen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und nicht nur, weil wir ohnehin vielleicht schon engagiert und interessiert und nicht ganz blöd waren, sondern weil wir wirklich jede Woche vier Stunden über das gesprochen haben, was wir erarbeitet haben. Wir haben uns die Köpfe heiß geredet.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wir haben nicht nur über Privates gesprochen, wir haben hart gearbeitet und der Erfolg hat uns einfach recht gegeben. Ich halte das für viel, viel wichtiger sogar, als sich in der Vorlesung zu melden. Das ist ganz wichtig, aber wichtiger ist, dass man sagt, ich baue mir meine eigene Struktur auf.

18:02 Min
Marc Ohrendorf:

Und die führt dann zu einem souveränen Umgang mit dem Prüfer und der Prüferin. Es kommt aber natürlich ein bisschen darauf an, mit wem man es zu tun hat. Sie haben eben schon angesprochen, dass es verschiedene Prüfertypen gibt. Wen gibt es denn da?

18:15 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, Prüfertypen gibt es ganz unterschiedliche. Das hängt damit zusammen, dass es ganz unterschiedliche Juristenpersönlichkeiten gibt und ganz unterschiedliche juristische Berufe. Ich mach's mal praktisch. Wir haben den Staatsanwalt, der seit 20 Jahren im wesentlichen Bereich den Bereich Vermögensdelikte abdeckt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wir haben den Strafverteidiger, der in großen Wirtschaftsskandalen Wirecard die Verteidigung übernimmt. Wir haben den Bundesrichter, der in einem Spezialsanat für Baurecht sitzt und wir haben den Richter oder die Richterin am Oberlandesgericht, die allgemeine Zivilsachen machen. Wir haben einen Präsident einer Fachhochschule, wir haben den ...

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Justitia in der Einkaufsabteilung der Bundeswehr. Wir haben noch viel, viel mehr. Wir haben den Präsident des Arbeitsgerichtes Köln. Wir haben aber auch natürlich die Professoren.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Übrigens viel weniger, als die meisten künftigen Prüflinge denken. Nach meiner Erfahrung prüfen etwa nur 20 Prozent Professoren. Schauen, wir können von Glück sagen, wenn in jeder dritten Kommission ein Professor mitprüft, obwohl das eigentlich die Regel sein sollte und auch so vorgesehen ist, es gibt nicht genug professorale Prüfer.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das heißt, das, was sie in der Uni als Gesprächspartner finden, ist nicht ihr Prüfer. Sie haben im Allgemeinen Praktika. Das muss man schon mal sehen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

So, diese Praktiker machen beruflich völlig unterschiedliche Dinge und wenn sie den Familienrichter haben, von dem sie wissen, dass er seit zehn Jahren Familienrecht macht, Dann werden sie von dem kaum Details des Sachenrechts gefragt werden. Es handelt sich um die 1369, 1365, die familienrechtlichen Normen, die einen sachenrechtlichen Einschlag haben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und diese Überlegung, was für Prüfertypen es gibt, ist einfach zentral, um sich auch mit dem Wissen, was man noch erwerben kann in 14 Tagen, super vorzubereiten. Ich bringe nochmal ein Beispiel, was mir ganz stark am Herzen liegt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn Sie einen Staatsanwalt fürs Strafrecht haben, dann müssen Sie davon ausgehen, dass der kein Völkerstrafrecht prüft. Und Sie müssen davon ausgehen, dass der das prüft, was er im täglichen Geschäft dauernd unter den Händen haben und das ist Strafprozessordnung. Das ist zwar im Studium nicht so wichtig, aber die Strafprozessordnung, und zwar die ganz banalen Dinge, GVG, wie sind die Gerichte zusammengesetzt, wie ist ein Eröffnungsbeschluss, wie geht das alles hintereinander.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich bin da nicht gut, aber ich sehe es als Vorsitzende immer mit an. Es ist einfach grob fahrlässig, wenn man einen Staatsanwalt hat, da nicht noch schnell ein bisschen nachzubessern. Oder wenn ich einen Richter habe, muss ich einfach den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit und so ein paar Dinge in der ZPO mir noch aneignen, wenn ich es vorher nicht gemacht habe.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Der wird nicht fünf Theorien zum Streitgegenstand verlangen, das interessiert den gar nicht. Aber das ganz normale tägliche Geschäft, das ist vielleicht nicht wahnsinnig geeignet für eine erste Staatsprüfung, aber es ist gefährlich, weil er wird es vielleicht prüfen, weil es ihm so nahe liegt. Sie merken schon, es ist ungeheuer wichtig, sich mit seiner eigenen Prüfungskommission umzusetzen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ganz genau zu befassen, weil man dann nämlich einen Instinkt dafür kriegt, wie man diese letzten Tage vor der mündlichen Prüfung noch nutzen kann und man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Zeit man noch hat und was man da alles noch tun kann und was man da alles noch erreichen kann, wenn man das zielgerichtet und vernünftig macht.

21:59 Min
Marc Ohrendorf:

Ja und ich denke ein ganz wichtiger Punkt ist eben auch diese Dezernatsarbeit, dass eben Richter und Staatsanwälte nicht nur einen Fall nach dem nächsten lösen, sondern ganz praktisch auch einfach mal einen Aktenstapel von 10, 12, 50 im schlimmsten Fall Fällen da liegen haben und die müssen dann gewissermaßen bearbeitet werden. Und dann kann es auch nur mal heißen, Verfügung so und so, Zustellung an den und den, ja.

NaN
Marc Ohrendorf:

Das ist natürlich das, was der Prüfer dann auch einfach im Kopf hat, wenn der mit reinkommt und sagt, sag mal, wie läuft das denn eigentlich, wenn da eine Akte liegt, da ist jetzt gerade eine Klage eingegangen, was mache ich denn da eigentlich?

22:31 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Was mache ich dann? Das ist eine sehr häufige Frage. Da kommt irgendwas von der Geschäftsstelle. Wie mache ich das? Oder was ist ein Geschäftsverteilungsplan? Ein Dauerthema in der mündlichen Prüfung. Übrigens verfassungsrechtlich relevant.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Der Geschäftsverteilungsplan spiegelt das Recht auf den gesetzlichen Richter. Das ist also nicht nur eine technokratische Frage. Man kann nicht einfach sagen, ach, die Kammer hat jetzt zu viel zu tun, ich schmeiße die Akte mal woanders hin.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und das sind Dinge, von denen man natürlich sagen kann, eigentlich gehören sie noch nicht zur Lebenswirklichkeit Eines Kandidaten, einer Kandidatin im ersten Examen. Aber man muss diese Dinge einfach ein bisschen vorbereiten, weil auch gutwillige Praktiker manchmal nicht ganz so drüber nachdenken, was eigentlich die Prüflinge im ersten Examen noch nicht wissen können und dass die da noch keine große Anschauung haben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also ich finde es nicht besonders sinnvoll, die Zusammensetzung des Schöffengerichts im Einzelnen und die Zuständigkeiten im GVG durchzuprüfen, aber es kommt vor und ein kluger Prüfling befasst sich einfach mit der Frage, was könnte genau dieser Prüfer als Individuum, als Mensch, was könnte dem mich geneigt sein zu fragen. Das ist intelligente Vorbereitung auf die mündliche Prüfung.

23:54 Min
Marc Ohrendorf:

Für diese Vorbereitung habe ich dann aber ja lediglich drei, vier, je nach Bundesland fünf Wochen Zeit, weil ich ja erstmal wissen muss, wer ist mein Prüfer und gegebenenfalls, genau, aber irgendwie nur ein paar Wochen vorher und dann gewissermaßen ja auch noch einen zweiten Anhaltspunkt habe, denn in den meisten Fällen habe ich ja ein Prüfungsprotokoll. Wie würden Sie da rangehen? Was kann man daraus tatsächlich lesen?

24:18 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also ich halte die Prüfungsprotokolle für eine existenzielle, wichtige Quelle für die Vorbereitung auf das Mündliche. Das ist das allererste, was man sich beschafft und damit beschäftigt man sich sehr, sehr, sehr gründlich, allerdings mit einem intelligenten Approach, über den wir jetzt sprechen. Entsprechend, es gibt Fachschaftsprotokolle, da kenne ich mich technisch nicht mehr so ganz aus, aber das wissen Prüflinge, wo sie die kriegen und das ist das Allerwichtigste, dass sie die schnell kriegen und sofort anfangen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

So. Die Prüfungsprotokolle sind im Allgemeinen nicht gut. Nicht gut in dem Sinne, dass man da bitte keine richtigen Aussagen daraus erwarten kann. Ich habe aus bestimmten Gründen immer wieder mir Protokolle angeguckt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich mache das als Vorbereitung für meinen Examenskurs, nicht nur meiner eigenen, sondern auch von Kollegen. Und die erste Erkenntnis, die man hat, ist schockierend. Die ehemaligen Prüflinge, die inzwischen zum Teil mit Prädikatexamen abgelegt haben, sind samt und sonders so gut wie nie in der Lage, auch nur halbwegs präzise aufzuschreiben, was gefragt worden ist.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also das finde ich schon spannend. Oder wenn ein Fall gestellt worden ist, erschließt sich der Fall bei mir erst, wenn ich den fünften Kandidaten gelesen habe, dann sage ich, ach, jetzt scheint mir klar zu werden, was da eigentlich gefragt wurde. Also unfassbar, die Antworten sind regelmäßig nicht richtig.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich sag jetzt mal nicht falsch, aber da kann man nichts mit anfangen. Das Einzige, was man aber wirklich dem entnehmen kann, ist, in welchen Feldern und mit welchen Interessen hat sich der Prüfer eigentlich mit den Kandidaten unterhalten. Und gleich dazu was zum Thema Protokollfest, darüber existieren die komischsten Vorstellungen, so gut wie kein Prüfer prüft denselben Fall immer wieder.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

So blöd sind wir ja nun auch nicht. Das hat es zu meiner Studienzeit noch gegeben, da gab es einen Herrn aus der schönen Stadt Hamm, der prüfte immer die Bestechung einer Lehrerin, immer abwechselnd mit Schokolade und Blumen und die armen Kandidaten prüften dann Blumen und er hatte diesmal den Fall mit Schokolade gestellt und sagt, ha ha ha, sie glauben, ich bin Protokollfest.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also das sind aber so die Anekdoten, die heute keinen hohen Realitätsgehalt mehr haben. Das geht alles viel professioneller. Also derselbe Fall kommt selten. Aber dieselben Strukturen, dieselben Rechtsgebiete, dieselben Interessen kommen so gut wie immer.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Entschuldige, die Leute werden ja nicht andere Menschen mit jeder Prüfung. Also natürlich kann das sein, dass Sie feststellen, ein guter Richter im allgemeinen Zivilrecht prüft vom AT bis zum Erbrecht alles. Aber wenn Sie genauer gucken, stellen Sie fest, der interessiert sich besonders für Methode oder der interessiert sich vielleicht besonders für Sittenwidrigkeit oder der interessiert sich besonders für die GbR.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dann prüft er vielleicht auch mal Erbengemeinschaft, denn das ist auch eine Gesamthandsgemeinschaft. Also, wenn sie ein Protokoll vor sich haben, sollten sie zunächst mal gucken, wo wird Faktenwissen geprüft, SDPO, ZPO und das müssen sie können. Das kann man aber in der Zeit locker.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Man kann ein ganzes Lehrbuch der Zivilprozessordnung fürs Mündliche noch durchziehen, wenn das nötig ist. Also man guckt erstmal, was sind da für Fakten angesprochen und mit denen beschäftigt man sich. Und dann kommt die tiefere Analyse, wie tickt der denn? Was für Fälle interessieren den? Interessiert den mehr die Abwägung oder interessiert den mehr die Begrifflichkeit? Da sind dann wieder die unterschiedlichen Typen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn Sie einen Öffentlich-Rechtler haben, der am Verwaltungsgericht hinterbliebenen Versorgungsregeln macht, das wird er Sie nicht prüfen, aber der wird natürlich wahrscheinlich... Allgemeines Verwaltungsrecht prüfen. Also, das müssen Sie sowieso immer kommen können.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Grundrechte. Schadet dann auch nie, auch wenn der nie Grundrechte geprüft hat, aber der hat die Grundrechte natürlich immer über seinem allgemeinen Verwaltungsrecht hängen. Und wenn Sie so an ein Protokoll rangehen, dann haben Sie unfassbar viele Erkenntnisse.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Sie werden zum Beispiel feststellen können, prüft da einer sehr schnell, macht der drei verschiedene Gebiete, um die große Breite zu gehen, dann dürfen sie nicht rumnölen und auf einen Punkt kauen. Es gibt aber genau den umgekehrten Prüfer, ich sag mal, der das Temperament einer Gelobtschnecke hat und jedes, häufig im Strafrecht, jede einzelne Definition wirklich liebevoll ausgepinselt haben will.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Auch nicht schlecht, aber dann dürfen sie dem nicht in drei Minuten den Fall kaputt machen. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass er plötzlich anfängt, wild zu prüfen, irgendwie so freischwebend, das ist ganz gefährlich. So, und all diese Dinge können Sie aus den Protokollen ziemlich gut ablesen, worauf ich überhaupt nichts geben würde, wenn da steht, der Prüfer ist nett oder der ist wohlwollend.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und meine Damen und Herren, glauben Sie mir, nett ist keine Kategorie. Ja, also Freundlichkeit ist billig in dem Kontext. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es gibt aber auch welche, die nicht freundlich wirken, aber außerordentlich gut benoten.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich sage den Prüflingen immer vorher, wenn sie über acht Punkte wollen, muss ich sie was Schweres prüfen und ich muss sie hart prüfen. Für die Definition der Wegnahme gibt es kein Vollbefriedigung. So, und das müssen sie auch wissen, wenn sie ein bisschen weiterkommen wollen, darf sich das nicht in banaler Freundlichkeit und nettes Unterhalten erschöpfen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dafür kriegen sie dann irgendwie ihre sieben Punkte und wenn das nicht das ist, was sie brauchen, dann sind sie sehr enttäuscht. Also geben Sie nichts drauf, ob ein Prüfer liebevoll, freundlich, lächelt, es ist einzig und allein relevant, stellt er gute Fragen, kann er das Gespräch gut führen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dann bleibt er selber strukturiert, verliert er selber nicht den Faden, verlieren auch manche und vor allem ist nachher die Note entsprechend dem Prüfungsgegenstand. Ist das halbwegs so? Das können Sie den Protokollen relativ gut entnehmen und daran müssen Sie arbeiten.

30:27 Min
Marc Ohrendorf:

Zu diesem Punkt, dass Prüfer sich gewissermaßen immer in einem Feld bewegen, kann man sich ja vielleicht auch noch überlegen, dass Prüfer natürlich auch in der Prüfung nicht irgendwie dastehen wollen und sie haben es gerade Freiprüfen, glaube ich, oder Schwebenprüfen genannt und einfach nur irgendwas fragen. Das heißt, die machen natürlich ja was, das ist ja auch nur menschlich, was irgendwo ihr Britt ist sozusagen.

NaN
Marc Ohrendorf:

So stelle ich mir das jedenfalls vor. Wenn ich jetzt irgendwann Prüfer werden würde, dann würde ich natürlich was nehmen, wo ich mich auch selber auskenne.

30:57 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, oder, das eben nicht immer. Ich unterbreche sie mal. Es gibt natürlich die Kreativen, das kann man auch dem Protokoll entnehmen, die einfach Spaß dran haben, mal gemeinsam mit dem Prüfling auszutesten, was man über irgendetwas denken könnte. Das sind die Souveränen, die meistens auch ganz gut zensieren, aber dann darf man nicht vor Angst ins Mauseloch verzinken.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Sondern man muss sich überlegen, das ist ein Typ, der auch erlaubt, dass man mal irgendeinen Satz sagt, der vielleicht nicht vollkommen richtig ist. Aber genau das muss man vorher rauskriegen. Ist das der Konservative, der mit seinen Karteikarten und seinen Fällchen eigentlich Mainstream immer bei dem bleibt, was er gut beherrscht, der auch keine Überraschungen liebt? Oder haben sie da einen, der sich nicht langweilen will und vielleicht auch mal was ganz Tolles machen will? Ja, aber damit muss man sich befassen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Sie können sich gar nicht vorstellen, was alles passieren kann. Also die tollste Geschichte, die ich, dürfen Sie rausschneiden oder auch nicht, die ich hatte war, jemand prüfte einen Fall und die Kandidaten kriegten keine Antwort auf die Reihe und er prüfte und die Antwort passte nicht zu dem. Plötzlich sagt der Vorsitzende, Herr Kollege, wollen wir nicht mal die Norm gemeinsam laut lesen? Da war ich noch nicht Vorsitzender.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und daraufhin sagte der Prüfer, um Gottes Willen, ich habe hier die falsche Lösung zum Fall geheftet. Auch sowas kann passieren. Daraufhin sagte der Vorsitzende, meine Damen und Herren, shit happens, so ist das Leben, wir ziehen diese 10 Minuten ab, fangen nochmal von vorne an, Herr Kollege, prüfen Sie mal was anderes.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

So, also, es kommt drauf an, ob derjenige... Bereit es auch mal was Spontanes zu machen oder nicht. Aber das alles ist Teil Ihrer Prüfungsvorbereitung. Übrigens noch etwas.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Heute haben Sie Internet. Sie können feststellen, was der Mensch macht. Sie sollten nun nicht gerade an seiner Geschäftsstelle anfragen, was die letzten fünf Themen seiner Akten sind. Das ist neuerdings auch passiert, würde ich immer sagen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Kinder, don0027t overdo it. So was wirkt auch nicht gut. Aber Sie können bei fast allen Ihrer Prüfer ja herausfinden, was macht der so? Ist der in irgendeinem sozialen Netzwerk? Und je mehr Sie sich damit beschäftigen, desto mehr haben Sie die Chance, dass Sie ein guter Gesprächspartner genau für diesen Menschen sind.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Okay.

33:24 Min
Marc Ohrendorf:

Am Ende des Tages geht es ja auch darum, welches Bild der Prüfer von mir hat. Und dieses Bild beginnt, wenn ich mir das so durchdenke, ja eigentlich schon mit dem Lebenslauf und mit dem Foto. Wir hatten da auch im Vorgespräch kurz schon drüber gesprochen. Was haben Sie denn da für Erfahrungen gemacht?

33:40 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Gruselig. Ich bin immer wieder erstaunt, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen nicht drüber nachdenken, welche Bedeutung dieser Lebenslauf und das Foto hat. Vielleicht ist es wichtig schon, ihnen zu sagen, wo das eigentlich eine Rolle spielt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dieser Lebenslauf und dieses Foto... Sind ganz vorne in der Akte. Das heißt, wenn ich als Vorsitzender morgens vor dem Vorgespräch, auf das wir noch zu sprechen kommen, die Akte aufmache, sehe ich das Foto und dann lese ich den Lebenslauf. Und darüber berichte ich meinen beiden Kollegen, die mit mir prüfen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist schon mal ganz wichtig. Ich beschäftige mich mit dem Lebenslauf, ich sehe die Vornoten, da sind übrigens in der Akte auch die Klausuren drin, ich kann dann auch nochmal gucken, war das fair bewertet, woran lag das eigentlich, also wenn so ganz große Zacken sind, einer hat alles neun Punkte und da ist plötzlich in irgendeinem Fall eine zwei, war das ein Ausreißer, also ich habe die Klausuren, ich habe den Lebenslauf und ich habe das Foto und das sind meine Grundlagen, mich auf den Prüfling vorzubereiten.

34:43 Min
Marc Ohrendorf:

Muss man den Lebenslauf eigentlich immer noch per Hand schreiben oder darf man den mittlerweile digital einrichten?

34:47 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Man darf den digital einrichten. Das ist mir sogar lieber, weil dieses per Handschreiben, naja, ist optisch heute selten erfreulich, weil die Leute nicht mehr die Übung haben. Also wir wollen ja kein graphologisches Gutachten haben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wichtig ist, was steht da drin. Aber ich möchte erst noch was zum Foto sagen. Zeigen Sie bitte immer das Foto, was Sie da einreichen wollen, zwei, drei Menschen, die Ihnen wohlwollend gegenüberstehen. Also, das ist kein Foto für Tinder, das ist kein Foto für einen Grabstein, sondern das ist ein Foto für einen professionellen Kontext.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Da gehört dazu, dass die Frisur anständig ist, dass die Brille sitzt, dass man nicht völlig grinst, dass man nicht aussieht, wie man zur Beerdigung geht, dass der Kragen drauf ist, aber nicht bis zum Bauchnabel. Also investieren Sie in ein sympathisches, vernünftiges, aussagekräftiges Foto, bitte nicht von vor fünf Jahren, dann sehen Sie noch aus wie ein Anfängerbaby, sondern wählen Sie ein Foto und das kann auch ein bisschen Geld kosten, das Sie auch bei einer professionellen Bewerbung für einen Job oder für ein Praktikum verwenden würden und zeigen Sie es mal jemand anders.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was für gruselige Fotos ich sehe. So, äh, Das zweite ist, was schreibe ich in den Lebenslauf rein? Da gibt es nun viele, viele Philosophien, aber eins ist wichtig. Sie müssen mir ja vermitteln, worüber könnten wir im Lebenslauf miteinander sprechen, was ist wichtig, um Ihre Persönlichkeit plastischer zu machen, um zu zeigen, wo stehen Sie, wo wollen Sie hin, wie passt das zu Ihrem Leistungsbild aus dem Schriftlichen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also die ganz kurzen Lebensläufe sind eine verlorene Chance. Man kann natürlich sagen, ich bin geboren, ich habe studiert und jetzt bin ich hier. Schadet nichts, bringt aber auch nichts.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Nichts. Erste Frage ist immer, schreibt man, was die Eltern machen, ob man Geschwister hat oder nicht? Viele lassen das heute. Ich finde es immer interessant und sie können davon ausgehen, gerade wenn jemand es ein bisschen schwer gehabt hat, weil ersichtlich ist, da strömte das Geld nicht in die Tasche, wird man das immer wohlwollend berücksichtigen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Glauben Sie nicht, dass der Sohn eines Rechtsanwaltes oder die Tochter eines Professors besser behandelt wird, es ist eher umgedreht, aber ich finde es eigentlich für mich wichtig zu erkennen, mit was für einem Hintergrund ich zu tun habe. So, äh, dann kommt Schule und so weiter, angemessen, was uns interessiert ist ein Auslandsaufenthalt, weil das zeigt, habe ich einen breiten Blick, was mich interessiert, eigentlich uns interessiert als Vorsitzende, was haben sie für außerkurrikulare Aktivitäten, äh.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und hübsche Beispiele sind also Jugendarbeit. Man sollte das aber nicht hochmotzen, das muss schon ehrlich sein, das kriegen wir dann schon raus, wenn es nur gefakt ist. Aber hat man was gearbeitet? Und man kann zum Beispiel auch reinschreiben, ich habe meine Großmutter ein Jahr gepflegt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das kann manchmal nämlich erklären, warum das Studium ein bisschen länger gewesen ist. Parteipolitische Aktivität sehr lustig, manche tun das nicht. Einer schrieb rein, ich bin in der Jugendorganisation einer Partei.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dann habe ich ihn gefragt als Vorsitzende, in welcher? FDP. Ich sage ja, was genieren sie sich denn? Sie werden doch nicht schlechter behandelt, aber wir können ja nicht drüber reden. Dann haben wir uns einen Augenblick unterhalten über Wahlkampfstrategie und plötzlich war der viel lockerer.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und man konnte was miteinander anfangen. Also Sport, auch gut. Bücher sollten Sie nur reinschreiben, wenn Sie wirklich was anderes lesen als den Medikus. Und damit meine ich nicht den Medikus, das Lehrbuch, sondern Bücher heißt, ich lese wirklich ernsthaft irgendwas, was mal mehr als 150 Seiten hat.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Hobbys, meine Damen und Herren, darf man nicht übertreiben. Eine junge Dame hatte bei mir reingeschrieben, mein Hobby ist mein Pudelputzi. Gut, nicht so schlimm. Ich kam morgens ins ORG, stand unten eine junge Dame mit einem wunderschönen schwarzen Königpudel und dann habe ich den begrüßt gesagt, du bist sicherlich Putzi, aber du darfst jetzt nicht mit rauf.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also man kann das auch übertreiben. Es muss professionell wirken, aber es sollte Anlass geben für ein gutes Vorgespräch und es sollte ein positives und konsistentes Bild von Ihrem Lebenslauf geben. Wenn Sie krank waren, können Sie das reinschreiben und das ist manchmal hilfreich.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Sie werden deswegen nur noch wohlwollender behandelt. Wir wollen ja verstehen, warum hat jemand zwölf Semester studiert oder warum hat er sieben Semester studiert? Warum ist da ein Studienplatzwechsel? Warum ist da ein Fächerwechsel? Also Sie müssen einfach sehen, der Lebenslauf ist die Grundlage für das Gespräch mit dem Vorsitzenden im Vorgespräch.

39:23 Min
Marc Ohrendorf:

Und der sollte, weil ich das gerade in anderen Zusammenhängen auch immer sehe, bitte rechtschreibfehlerfrei sein.

39:28 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Selbstverständlich. Also das mal sowieso und er sollte optisch anständig sein. Das darf ja heute eigentlich keine Schwierigkeit mehr sein und wenn sie es nicht können, dann bitten sie jemanden, sie kennen bestimmt jemanden, der es kann. Also eigentlich ist das für mich eine gewisse Visitenkarte, um zu sehen, nimmt da jemand das schon ernst.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das sagt nichts über ihre fachliche Leistung, aber das sagt etwas darüber, ob sie sich schon professionell bewegen können. Und für die Frage, ob ich jemand morgen ein Referendar haben will oder nicht, ist das ein winziges Bausteinchen für die Gesamtbeurteilung.

39:58 Min
Marc Ohrendorf:

Und dann gibt es das Vorgespräch am Morgen der Prüfung. Ja. Wie sollte man denn da rangehen?

40:04 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Offen. Gesprächswillig, nervös wird man sein, mehr oder weniger, bereit, ein bisschen Auskunft zu geben. Also man sollte davon ausgehen, in der Regel, dass sie einen Vorsitzenden haben, oder eine Vorsitzende, so viele sind es nicht, aber dem sie sich öffnen und wirklich ihre Anliegen auch artikulieren.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Da sind die unterschiedlichen Typen natürlich auch wieder von Relevanz. Der eine Vorsitzende spricht mehr, der andere weniger, der eine spricht nur über die kommende Prüfung, aber sie haben die Chance, ihre Anliegen unterzubringen. Etwa, ich habe das Gefühl, meine Klausuren, da habe ich nicht so gut abgeschnitten, wie ich dachte.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also ob man gleich sagt, ich habe Pech gehabt, das darf man sagen, weil man muss vorsichtig sein, aber wir sehen ja auch aus dem Studium ihre Noten, Sie müssen ja sehen, Ihre Studienbogen sind da auch und wenn die Klausuren da überhaupt nicht deckungsgleich sind, dann darf man das auch adressieren. Übrigens, ich habe eben was ganz Wichtiges vergessen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn Sie mehr als das Pflichtseminar gemacht haben in der Uni, wenn Sie plötzlich gezeigt haben, dass Sie sich noch für irgendein besonderes Fach interessieren, wenn Sie einen Mutkort gemacht haben, das schreiben Sie bitte auch in den Lebenslauf rein. Das kann man zwar auch so sehen, aber das ist wichtig.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das hebt Sie, das zeigt, dass Sie sich engagiert haben. Ehrlich gesagt, keine Prüfungskommission findet die am besten, die nur bei Altmann gewesen sind. Und wenn ich das noch sagen darf, das habe ich eben vergessen, In den Lebenslauf schreibt man bitte nicht rein, dass man studiert hat bei Altmann oder Hämmer.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also entschuldige, was denken Sie denn, was das bei mir auslöst, wenn mir einer erzählt, ich war gar nicht in der Uni, sondern ich war bei Altmann oder Hämmer. Gruselig.

41:48 Min
Marc Ohrendorf:

Tatsächlich passiert, ja?

41:49 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Permanent. Jedes zweite Mal.

41:51 Min
Marc Ohrendorf:

Hm, okay. Okay.

41:54 Min
Barbara Dauner-Lieb:

So, aber jetzt hatten Sie noch gesagt, wie geht man in das Gespräch? Also, wenn man gefordert werden will, darf man das sagen. Also bitte nicht zu dick auftragen und auch bitte nicht irgendwelche Sprechblasen, die man irgendwo gelesen hat. Aber wenn man sagt, ich würde gerne das Prädikat erreichen, geben Sie mir eine Chance, dann ist das erlaubt.

42:18 Min
Marc Ohrendorf:

Was ja gar nicht unbedingt selbstverständlich ist. Also ich höre von vielen Studierenden, naja, sollte man da eigentlich seine Ziele sagen, seine Note sagen, lehnt man sich damit nicht zu weit aus dem Fenster? Ich persönlich würde immer sagen, naja, wenn man Ziele hat und es realistisch die zu erreichen, dann sollte man die auch kommunizieren.

42:34 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, außerdem müssen Sie eins sehen, im Examen mögen alle Kommissionen lieber den Kämpfer als das Weichei. Das ist ganz, ganz wichtig. Der Kämpfer, auch wenn er mit einem schlechten schriftlichen antritt, wird immer honoriert, vor allen Dingen von den Praktikern und erst recht von denen, die, sag ich mal, Anwälte sind, weil jeder weiß, das Leben ist hart und wenn einer kämpfen kann, hat er zumindest eine juristische Kernkompetenz schon dokumentiert.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wir hatten einen Kandidaten, der im Mündlichen plötzlich sagte zu dem Strafrechtsprüfer, entschuldigen Sie, wenn Sie jetzt das weiter prüfen, Sie merken doch, das können wir nicht, dann falle ich durch. Können Sie bitte was anderes prüfen, das hat doch keinen Sinn, jetzt noch 20 Minuten diese Fragen weiter zu verfolgen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und wir haben ihn letztlich durchkommen lassen, ob dieses Mut ist. Denn der Prüfer hat dann was anderes geprüft und der Knabe hat so gekämpft, dass wir zum Schluss gesagt haben, doof ist er nicht, was immer in seinem Studium falsch gelaufen ist. Der wird in der Referendarzeit durchzulegen und wir lassen ihn jetzt durchkommen, weil jemand, der so hart Mut beweist, hat einfach schon was, was ein guter Jurist haben muss.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also dieses, das ist nicht gut, sondern eher dranbleiben, nicht frech werden, aber dranbleiben.

43:48 Min
Marc Ohrendorf:

So Pi mal Daumen, wie oft kommt es denn eigentlich vor, dass jemand in der mündlichen Prüfung noch durchfällt? Ich habe immer den Eindruck gehabt, wenn man es in die mündliche geschafft hat, ist man eigentlich auch so gut wie durch.

43:58 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, das liegt daran, dass da die Anforderungssysteme zur Zulassung geändert worden sind. Ich habe noch, in meinen Prüfungen ist noch nie einer durchgefahren.

44:05 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, dann habe ich das Vorgespräch am Morgen.

44:08 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Darf ich am Vorgespräch noch eine Sache sagen? Klar. Es wird oft gefragt, möchten Sie mich noch etwas fragen? Und dann wird immer gefragt, wie lange dauert das? Machen wir eine Mittagspause? Also rein technokratischer Kram. Man sollte sich überlegen, wenn man einen Vorsitzenden hat, der offen und interessant ist, ob man den mal was fragt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Warum sind Sie Jurist zu werden? Was macht Ihnen wirklich Spaß? Ich bin immer ein bisschen traurig. Ich habe dann noch fünf Minuten und wir könnten uns eigentlich noch ein bisschen nett unterhalten. Oder wenn der Kandidat sagt, warum sind Sie politisch tätig? Also nicht für jeden Vorsitzenden, aber ich würde mir ein Gesprächsthema im Köcher behalten, falls der Vorsitzende oder die Vorsitzende noch Zeit für mich hat, weil das schafft eine Bindung, eine Beziehungsebene.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und Sie müssen immer sehen, das geht nicht nur auf der Sachebene, die Prüfung, sondern jede Prüfung geht irgendwie auch auf der Beziehungsebene ab. Das heißt, je mehr Sie auch versuchen, immer höflich, immer distanziert und korrekt, aber je mehr Sie versuchen, diese Beziehungsebene auch vernünftig zu pflegen, desto mehr Chancen haben Sie.

45:13 Min
Marc Ohrendorf:

Jetzt dann aber zum Vortrag. Genau. Wie sieht denn der nochmal aus? Ehrlich gesagt ist das bei mir ein bisschen zu lange her, ich weiß das gar nicht mehr so ganz genau. Was muss man da hier in NRW machen?

45:23 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also in NRW ist das ganz genau formalisiert. Sie kriegen eine Woche oder 14 Tage vorher, ich glaube mit der Prüfungskommission, mitgeteilt, in welchem Gebiet Sie den Vortrag kriegen. Das wird ausgelost.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Manche haben Pech, manche haben Glück. Sie kriegen vormittags zu einer ganz bestimmten Zeit einen Fall, manchmal mit einer Zusatzfrage, und Sie haben genau 60 Minuten, einen Vortrag von genau 10 Minuten mit 2 Minuten Nachspielzeit vorzubereiten. Hier gilt das, was ich eben schon gesagt habe.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wer mit der Vortragsvorbereitung beginnt, wenn er das Schriftliche hinter sich hat, ist Jahre zu spät dran. Das mündliche Vortragen von Falllösungen, und zwar möglichst nicht ausformuliert, übt man möglichst ab dem ersten Semester. Ich verweise auf meine Ausführungen oben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

So, diese Vorträge sind unfassbar leicht und die meisten Leute scheitern daran, dass sie glauben, da käme irgendwas Kompliziertes mit fünf Theorien, alles Quark. Aber in diesen Vorträgen wird im Allgemeinen ein praktischer Fall mit ein oder zwei Mini-Problemchen, die aber nicht unbedingt theoretischer Natur sein müssen, gestellt.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die Fälle sind nicht kurz, die sind in aller Regel eine ganze Seite. Also man braucht sowieso schon seine zehn Minuten, um genau zu kapieren, was da drin ist. Und dann muss man die Hörer überzeugen, Von seiner Lösung ein gutes Gutachten machen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Jetzt ist eins wichtig. Nur einer von den Prüfern oder Prüferinnen ist ja vom Fach. Die beiden anderen sind von einem anderen Fach. Das ist aber gleich wichtig für die Kommunikation.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich muss mich so ausdrücken, dass ich möglichst auch die beiden anderen überzeuge und nicht nur den Fachmann. Das heißt, so wahnsinnig tief kann ich überhaupt nicht gehen. Und jetzt gibt es ein paar Regeln beim Vortrag.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die erste Regel ist, ich habe den Sachverhalt wirklich verstanden. Ich vertausche nicht die Personen. Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie oft die Personen vertauscht werden im Vortrag. Ich vertue mich nicht mit den Zahlen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich vertue mich nicht mit den Daten. Ich habe den Sachverhalt im Griff. 2. Ich prüfe alle Rechtsnormen und ich lese nochmal, ob da vielleicht unten steht, dass Straßenverkehrsprobleme nicht zu prüfen sind.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Passiert dauernd, dass die Leute blind da reingehen? Also, ich befasse mich mit dem Sachverhalt so gründlich, dass da kein Unglück passiert. jetzt. Zweiter Punkt, ich werde fertig.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Nichts ist schlimmer als der Fall heute in der Mitte auf. Drittens, ich werde innerhalb von elf Minuten fertig. So, das alles kann man üben und man sollte das so oft wie möglich üben.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die Vorträge sind inhaltlich nicht schwer. Das ist eine Übung für das Berufsleben und eine bessere gibt es überhaupt nicht, denn Sie werden Ihr ganzes Leben als Jurist so etwas machen. Nicht immer auf den Punkt elf Minuten, aber selbst wenn Sie Syndikus sind, wird der Vorstand Ihnen morgens sagen, ach bitte Herr Dr.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Müller und in einer halben Stunde möchten wir zu diesem Rechtsproblem oder zu dieser Fallgestaltung Vortrag, bitte nicht länger als fünf Minuten, mehr haben wir nicht Zeit und bitte so, dass wir es sofort verstehen. So, das hier ist die Vorübung für ihr Berufsleben, viel mehr als die Klausur und sie werden wieder von den Prüfern und Prüferinnen eigentlich zunächst mal danach beurteilt, will ich den Vortrag morgen In meiner Kammer so hören? Kann ich damit was anfangen? Also, erwachsen, vernünftig, in ganzen Sätzen, gehobene Sprechsprache, aber bitte nicht egal ist und kein Slang, Nicht mit M, M, M, M, einmal darf man, wenn man den Faden verliert, wieder aufnehmen und, sag ich mal, halbwegs mit getragener Stimme.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und ich wiederhole, üben, üben, üben. Unter 15 Vorträge sollten Sie nicht ins Mündliche gehen, sonst kann Sie das eine Note kosten.

49:33 Min
Marc Ohrendorf:

Wenn ich da noch hinzufügen darf, gewissermaßen ist der Vortrag ja, auch wenn nur eine Person spricht, trotzdem Interaktion. Man kann ja auch während des Vortrags, wenn man ein bisschen geübt ist, recht gut herausfinden, bin ich hier gerade auf der richtigen Fährte, hört man mir zu, muss ich vielleicht auch mal eine Pause machen, weil der eine Prüfer gerade total abwesend ist, dass er mal nach vorne schaut und so weiter.

49:54 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Aber das ist gefährlich, weil die Prüfer leider den Prüfling in aller Regel nicht angucken. Warum? Weil sie mitschreiben. Das muss man akzeptieren, das ist auch nicht böse gemeint, aber sie predigen im Grunde gegen die Wand.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist sehr unangenehm. Ich versuche als Vorsitzende, wenn es nicht im Zivilrecht der Vortrag ist, immer den Prüfling anzugucken, damit er wenigstens einen hat, mit dem er spricht. Aber ich sage mal, je pingeliger und unerfahrener der Prüfer ist, desto mehr hängt er über seine Detailnotizen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Da muss man einfach mit leben. Aber Sie haben vollkommen recht, Vortrag ist Kommunikation. Und bitte, im Vortrag ist die klare Gedankenführung. Das A und O, also nicht quaddeln, sondern durchgliedern, vernünftig auch zusammenfassen, sagen, jetzt komme ich zum Tatbestandsmerkmal sowieso und dann weiter in ganzen kurzen Sätzen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Keep it short and simple, kiss, gilt hier in besonderem Maße.

50:52 Min
Marc Ohrendorf:

Gut, dann lassen Sie uns zum Abschluss unseres Gesprächs noch einen kleinen Blick hinter den Vorhang werfen. Zunächst würde mich interessieren, weil ja viele Studierende und auch diejenigen, die es geschafft haben, so ein bisschen rummäkeln an dem ganzen Prüfungssystem. Was könnte denn aus Ihrer Sicht da noch ein kleines bisschen besser laufen oder ist es eigentlich ganz gut in der mündlichen Prüfung?

51:11 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also ich halte die mündliche Prüfung mit dem Vortrag, wie wir ihn jetzt haben, für das beste Element des Examens. Ich bin sehr kritisch gegenüber dem Klausurenexamen, so wie es jetzt praktiziert und korrigiert wird. An sich ist Klausuren, Examen wichtig und gut.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich bin etwas kritisch gegenüber der Art der Aufgabenstellung und der Korrektur. Aber eins ist jedenfalls klar, das Mündliche funktioniert an sich sehr gut. Warum? Es sind in aller Regel erfahrene Prüfer und es sind fast überwiegend wohlwollende Prüfer.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Da ist, auch wenn viel geklatscht wird, normalerweise, also ich kenne praktisch keine anderen, ich prüfe so gut wie immer nur mit wohlwollenden Prüfern und wenn dann mal einer dazwischen ist, der so ein bisschen griffelspitzig rumbohrt, wird das ausgeglichen, dafür hat man ja auch eine Kommission. Also das ist ein gutes System.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich halte den Vortrag für extrem aussagekräftig. Der ist allerdings sehr schwer und das ist auch der unangenehmste Teil. Ich halte den Vortrag für viel herausfordernder als eine Klausur. Sie haben fünf Stunden, kriegt man alles hin, wenn man halbwegs kühlen Kopf hat.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Einen Vortrag muss man wirklich auf den Punkt setzen. Man muss sich konzentrieren können. So, okay. Die mündliche Prüfung, was könnte man besser machen? Es wäre wichtig und gut, wenn man sich stärker verständigen könnte, was sinnvolle Inhalte der ersten Prüfung sind und was nicht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Also ich glaube, dass das Abfragen von Zuständigkeiten, Behördenaufbau, Dezernatsarbeit Gegenstand des zweiten sein muss, aber nicht Gegenstand des ersten Examens, weil da einfach noch die Anschauung fehlt. Äh, da könnte man mehr darüber reden, was einfach sinnvoller Stoff ist.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Insgesamt bin ich aber mit den Erfahrungen, die ich mache in der ersten Prüfung, sehr zufrieden und was ich höre, was schiefläuft, sind Ausfälle. Es gibt natürlich da auch bestimmte Verdächtige, von denen ich sage, da muss irgendwas dran sein, wenn immer dieselben Dinge erzählt werden.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber insgesamt glaube ich, dass das Mündliche ein sehr gutes Format ist. Ich glaube auch nicht, dass man es schwächen sollte gegenüber dem Schriftlichen und sagen, die Bedeutung des Schriftlichen sollte mehr betont werden. Ich glaube auch, dass der Gerechtigkeitsgehalt der Benotung des Mündlichen ziemlich hoch ist mit einem kleinen Abstrich.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Es gibt Kommissionen, die praktisch nicht bereit sind, mehr als einen Punkt über das Schriftliche hinaus zu gehen. Da gibt es eine große Varianz. Es gibt Kommissionen, die sagen, also zählt genauso, wir gucken jetzt hin.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Es gibt andere Kommissionen, bei denen man sagt, naja, also über das Klausurniveau hinaus einen Punkt, aber mehr nicht. Finde ich nicht richtig. Ich habe oft überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn die Prüfungskommission die Vornoten nicht kennen würde.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Ich fürchte aber, das würde zu einem so wahnsinnigen Chaos führen, dass das nicht machbar ist.

54:21 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, ich habe da die Erfahrung gemacht, ich weiß nicht, wie das in NRW ist, ich habe zweites Staatsexamen in Berlin gemacht, dass ja auch zumindest bei manchen Prüfungskommissionen die mündliche Prüfung so ein bisschen als Korrektiv gewertet wird, wenn man sagt, ach, da hatte jemand vielleicht eine Stärke eher in der mündlichen Präsentation und nicht so sehr im schriftlichen, dass man dann auch ganz bewusst sagt, naja, dann benoten wir hier ein kleines bisschen besser, damit dann die Gesamtnote wieder stimmt.

NaN
Marc Ohrendorf:

Ist das manchmal so?

54:48 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, da kommt es jetzt ein bisschen auf die Prüfertypen an und ein bisschen auf deren Grundeinstellung zum Recht. Also, ich plaudere jetzt sehr aus dem Nähkästchen. Nach meiner Beobachtung gibt es eigentlich zwei Arten von Prüfern.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die einen glauben an die absolute Genauigkeit von Punktvergaben und die anderen sagen, das alles ist im weitesten Sinne auch ein Gesamtbild mit einem gewissen Spielraum. So, es gibt Prüfer, die notieren, rechnen und dann steht das fest.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und da gehen sie auch nicht mehr von ab. Und es gibt welche, die sagen, wie war denn das Gesamtbild des Kandidaten? Wie war seine juristische Lebensleistung im Studium? Der hat zwei Seminare im Gesellschaftsrecht mit gut gemacht. Der hat jetzt eine Zivilrechtsklausur, die nur fünf Punkte war oder vier Punkte.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Die kann ihm doch jetzt nicht das Prädikat verhageln. Da kann man ein bisschen Glück und ein bisschen Pech haben. Das muss man einfach sehen, dass da das Mündliche in der Bewertung, was diese Chance nach oben betrifft, auch ein bisschen Glück ist.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Dass man unter die schriftlichen Schnitt sinkt, kommt praktisch nicht vor. Und dass man nicht besteht, haben wir ja schon gehabt, kommt praktisch auch nicht vor. Ob man die Chance kriegt, sich eine Note zu verbessern, das hängt ein bisschen davon ab, mit welcher Grundeinstellung die Prüfer da rangehen und welche Kriterien die einfließen lassen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Man kann ja zum Beispiel sagen, jemand hat zwar falsch gelegen mit irgendeinem Argument, aber er hat eine fantastische Formulierungsweise und wenn er einmal in Parland geguckt hätte, hätte er es gewusst. Also der von mir hochverehrte Carsten Schmidt hat immer gesagt, alles falsch, aber sehr intelligent, voll befriedigend.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Das ist als Tendenz meines Erachtens natürlich überspitzt, aber nicht ganz verkehrt. Wieder gilt, wenn wir den morgen als Referendar haben, wenn der die Pläne hat, der oder die natürlich immer, verdient der jetzt im Gesamtbild vielleicht noch einen Punkt mehr oder weniger. Und diejenigen, die behaupten, sie hätten rechnerisch auf dem Punkt herausfinden können, was der nun heute war, spitz auf Knopf, ich glaube da nicht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und die meisten, die ich wertschätze, glauben da auch nicht dran.

57:09 Min
Marc Ohrendorf:

Und das ist dann auch Inhalt der Notenberatung oder wie muss man sich die vorstellen?

57:16 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also das ist natürlich Inhalt der Notenberatung. Man guckt auf das Gesamtbild, man guckt, was war der Vortrag, wie lag der da, man guckt, wie waren die Einzelbeiträge, Sie wissen ja, es wird jedenfalls in Nordrhein-Westfalen, dann für die drei Prüfungsgespräche wird dann letztlich eine Gesamtnote gebildet und da wird häufig ein bisschen ausgeglichen Und der eigentliche Unterschied besteht eigentlich darin, ob das offengelegt wird oder ob es einfach still gemacht wird.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Aber insgesamt wird, also ich habe die Erfahrung, aber das liegt vielleicht auch an mir, dass wir sehr offen diskutieren, war der oder die methodensicher, das ist uns, in meinen Kommissionen, da lege ich großen Wert drauf, mir imponiert das überhaupt nicht, wenn einer entsetzlich viel weiß, aber irgendwie die Puzzlesteine nicht zusammenkriegt. Hat der gut argumentiert? War der bereit, auch mal sich aus der Deckung zu wagen und einen Augenblick selber nachzudenken und was Neues zu kriegen? Und das Ganze fließt dann in ein Gesamtbild ein und eigentlich nach allem, was ich erfahren habe bisher, eher wohlwollend.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Und manchmal, wenn ein Kollege dann allzu streng ist, dann macht der andere, also ich habe jetzt einen Fall vor Augen, wo der eine Kollege für meine Begriffe auch nicht sehr sinnvoll Wissen abgefragt hat und dann merkte ich, der auf der rechten Seite, der ging mit seiner Benotung sofort hoch und mir war klar, was der gemacht hat. Der hat in aller Stille ausgeglichen, was der andere vielleicht, und dafür ist man ja auch eine Kommission.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Mhm.

58:51 Min
Marc Ohrendorf:

Und sagen Sie, was besprechen Sie denn eigentlich sonst, wenn die Prüflinge draußen sind, so in den Pausen miteinander? Wie muss man sich das vorstellen?

58:58 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Also morgens redet man natürlich erstmal über die Lebensläufe und das ist wichtig, dass man da auch mitteilen kann, der hat kein gesundheitliches Problem, aber der hat eine schwierige häusliche Situation, der war im Ausland. So, worüber sprechen wir? Also, erstmal sprechen wir über unseren Beruf.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wir tauschen uns aus und das ist eigentlich für uns, für mich das Schönste, dass man, wenn man Mittagessen geht, auch die ganze Realität der juristischen Community wieder ein bisschen miterleben kann. Wenn man im OLG in der Kantine sitzt, im Moment ist das nicht so lustig, aber sonst ist das sehr lustig.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Man hat einen Verwaltungsrichter und hört, was macht der gerade und man hat einen Staatsanwalt und sagt, sind sie da irgendwie mit drin jetzt in den Cum-Ex-Fällen. Also der Austausch unter Kollegen, bisschen Personalklatsch, Urlaub natürlich immer, wenn man sich ein bisschen näher kennt, natürlich auch mal Kinder oder Forschungsgegenstände, aber eigentlich ist es ein lockerer, professioneller Austausch.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Man redet eigentlich außerhalb des Prüfungsraums nicht über die Prüflinge, weil alle immer denken, naja, vielleicht ist doch irgendwo eine Tür offen, sondern dann redet man ja über das, was einem Spaß macht und das ist der Beruf.

60:12 Min
Marc Ohrendorf:

Und im Prüfungsraum, wenn jemand gerade irgendwie rausgegangen ist, findet da dann noch irgendwie Großkommunikation statt oder ist das dann einfach so, Zeit ist rum und jetzt kommt der Nächste?

60:24 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Ja, da die Wachtmeister nicht wollen, dass wir nach jedem Vortrag schon beraten, das sind nämlich nur fünf Minuten und das klappt dann immer nicht Und manchmal schweigen wir, aber meistens reden wir ein bisschen nett, aber nicht unbedingt über den Kandidaten, denn da sitzen ja auch noch die Zuhörer drin und das ist immer witzig. Manchmal reden wir mit den Zuhörern und manchmal nicht.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Manchmal fragen wir, wer ist jetzt als nächster dran, wenn die ein bisschen offen sind, dann quatscht man auch ein bisschen, manchmal jagt man denen auch ein bisschen Schrecken ein. Also ich hatte jetzt einen Kollegen, fand ich witzig, der sagte übrigens, ich frage normalerweise immer, wer die Herren sind, die da hinten hängen.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Meine Damen und Herren, bitte, wer in die mündliche Prüfung geht, weiß, dass im Oberlandesgericht die Bundespräsidenten hängen und mindestens drei sollte man erkennen. kennen. Also manchmal joken wir ein bisschen mit denen, das kommt drauf an.

NaN
Barbara Dauner-Lieb:

Wenn das Prüflinge sind, die uns Sorgen machen, fangen wir nicht an, Faxen zu machen, dann sind wir ziemlich ruhig. Wenn das alles eh total easy geht und man das Gefühl hat, das ist ein angenehmer und auch lustiger Tag, dann machen wir mit denen auch Witze oder fragen mal nach dem Studium oder so irgendwas.

61:26 Min
Marc Ohrendorf:

Ja, ich würde sagen, mit einer guten Stunde haben Sie den Studierenden und vielleicht auch allen anderen Interessierten jetzt hier einen sehr, sehr spannenden einen Einblick und gute Insights gegeben, was denn in der mündlichen Prüfung wirklich, wirklich wichtig ist. Vielen herzlichen Dank von meiner Seite. Gibt es noch was, was Sie hinzufügen möchten?

61:45 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Seien Sie optimistisch und mutig. Die mündliche Prüfung kann auch ein ganz wunderbarer, ein wunderbares Event sein, ein wunderbarer Tag. Genießen Sie den Tag auch und ziehen Sie sich etwas an, in dem Sie gut aussehen und bequem sind.

61:57 Min
Marc Ohrendorf:

Danke, tschüss.

61:58 Min
Barbara Dauner-Lieb:

Tschüss.

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