"Ohne Stellvertretung keine Arbeitsteilung."

Stellvertretungsrecht | Willensmängel | Zurechnung | Prokura | § 15 HGB

Folge 004 deines zivilrechtlichen Examenspodcasts.

In der vierten Folge des zivilrechtlichen Examenspodcasts „Irgendwas mit Examen“ geht es um die Stellvertretung. Sowohl in der Praxis als auch im Examen kann die Rolle der Stellvertretung kaum überschätzt werden. Denn: „Ohne Stellvertretung keine Arbeitsteilung.“ Warum der Themenkomplex stoffmäßig trotzdem nicht so umfangreich ist und wieso es besonders hier auf grundlegendes Verständnis ankommt, erläutert Prof. Dauner-Lieb in dieser spannenden Folge. Anhand von Praxisbeispielen stellt sie zunächst die gesetzliche Grundstruktur plastisch dar und zeichnet dann anhand von BGH Urteilen die Weiterentwicklung der Vertretungsgrundsätze in einzelnen Problemfeldern nach. Viel Spaß und viel Erfolg für Eure Examensvorbereitung!

Inhalt:

  • 00:00 Sponsor: PWC Legal
  • 00:56 Intro
  • 01:32 Papier und Stift bereitlegen
  • 04:17 Überblick: Stellvertretung, §§ 164ff. BGB
  • 04:42 „Ohne Stellvertretung keine Arbeitsteilung.“
  • 06:30 Zurechnung von Verschulden, § 278 BGB
  • 06:59 § 278 vs § 831 BGB
  • 08:46 § 164 Abs. 1 BGB
  • 11:51 Vollmacht, § 166 Abs. 1 BGB
  • 12:52 „Im Namen des Vertretenen“, § 164 Abs. 1 BGB
  • 14:14 Das unternehmensbezogene Geschäft
  • 17:26 Handeln unter fremdem Namen
  • 23:06 … „innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht“
  • 23:31 Prokura, § 49 HGB
  • 26:00 Missbrauch der Vertretungsmacht
  • 28:01 Anscheins- und Duldungsvollmacht
  • 33:11 Handeln ohne Vertretungsmacht, § 179 BGB
  • 34:43 Willensmängel, § 166 BGB
  • 36:50 Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht
  • 40:21 Wissenszurechnung, vgl. 166 Abs. 2 BGB

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Transkript


Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:04:41
Ohne Stellvertretung keine Arbeitsteilung. Niemand kann alles selbst tun, schon gar nicht, wenn er beruflich, geschäftlich, unternehmerisch unterwegs ist. Jeder ist darauf angewiesen zu delegieren. Dazu gehört auch, dass es möglich sein muss, dass andere vertragliche. Dinge erledigen und dafür braucht man Stellvertretung. Ich lasse jetzt mal hier beiseite, was auch interessant ist, aber jetzt nicht in diesem Konzept. Es gibt natürlich noch eine gesetzliche Vertretung der Eltern für die Kinder. Und dann gibt es die Organschaft. Jede juristische Person braucht Organe. Sie ist ja eine Fiktion, eine Konstruktion. Sie braucht Menschen, die für sie handeln. Das steht dann im GmbH-Gesetz, vorne im BGB für den Verein und im Aktiengesetz. Wir konzentrieren uns für Examenzwecke jetzt erst mal auf die rechtsgeschäftliche Stellvertretung durch Vollmacht und die Antwort lautet Arbeitsteilung und jetzt kommen wir schon wieder zu einer ganz großartigen juristischen Errungenschaft, einer kulturellen Errungenschaft in unserem System, 164 fortfolgende, zu denen wir gleich kommen, ist es so, dass ein Rechtsobjekt für ein anderes Rechtssubjekt vertragliche Wirkungen erzeugen kann. Wir haben in der letzten Folge gehört, ein Vertrag setzt voraus, dass zwei Rechtssubjekte übereinstimmende Willenserklärungen abgeben. Und jetzt kommen wir zum nächsten Punkt. Ein drittes Rechtssubjekt kann Willenserklärungen abgeben, die so wirken, als ob ich die selber abgegeben hätte. Das ist das Wesen der Stellvertretung und ohne Stellvertretung keine Arbeitsteilung.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:13:14
Fragen, die wieder zurückführen auf das, was wir im letzten Podcast schon erörtert haben, nämlich das Recht der Willenserklärung. Die Erklärung kann ausdrücklich im Namen des Vertretenden erfolgen oder konkludent. Also ich kann sagen, ich trete hiermit auf für meinen Chef, Herrn Dr. Müller. Müller. Es kann sich aber auch aus den Umständen ergeben, dass ich als Vertreter agiere. Das ist erstmal ganz wichtig. Es gilt hier wieder das ganz stinknormale Recht der Rechtsgeschäftslehre. Sie merken, eins baut auf dem anderen auf und die Willenserklärung, die der Vertreter abgibt im Namen eines anderen unterliegt den allgemeinen Regeln, die in Willenserklärungen eben unterliegen. Da gibt es ein paar kleinere Dinge, die lassen wir jetzt aber weg. Ich gerne auf einen Punkt sofort eingehen, der bei Examenskandidatinnen und Kandidaten häufig nicht bekannt ist, nämlich unternehmensbezogenes Geschäft. Ich muss jetzt ein bisschen duzieren. Sie haben in der Wirklichkeit ja sehr häufig die Konstellation, dass Sie irgendwo einen Vertrag abschließen. Wir nehmen jetzt mal ein Geschäft. Sie wissen gar nicht, was das Geschäft für eine Rechtsform ist, wem das eigentlich gehört, Einzelkaufmann, Aktiengesellschaft. Sie wissen nicht, ob der, der Ihnen was verkauft, der Inhaber ist, ein Angestellter, irgendwas. Das heißt, das interessiert Sie auch gar nicht. Sie wissen nur, Sie wollen etwas kaufen. Frage ist, wann tritt der, der Ihnen etwas verkauft, im Namen des Vertretenden auf und Wer wird eigentlich Vertragspartner? Und da hat die Rechtsprechung in einer Entscheidung, die Sie sich nicht merken müssen, die schon sehr alt ist, sehr kompliziert ist und deren Probleme im Übrigen erledigt sind, einen Satz gesagt, der heute richtig ist. Wenn jemand für ein Unternehmen auftritt, sichtbar, dann kommt es nicht mehr darauf an, ob er irgendwas sagt. Er muss nicht sagen, ich trete im Namen der Kaufhof AG auf, sondern dann kommt das Geschäft, wenn es mit Vertretungsmacht zustande kommt. Demjenigen zustande, der tatsächlich derjenige ist, der das Unternehmen trägt. Die GmbH, die AG, der Einzelkaufmann. Da kommt es dann auf die Details nicht mehr an. Der Ursprungsfall, den könnte ich im Sachverhalt doch kurz andeuten. Da war jemand, der war mal Einzelkaufmann. Bedachungsmaterial verkaufte der. War Einzelkaufmann und der hat dann seine Unternehmung eingebracht in eine neu gegründete GmbH und Co. KG. Der hat aber weiter verwendet das Briefpapier D-Bedachung. Also sein Vertragspartner konnte gar nicht wissen, dass da eine GmbH und Co. KG ist. Heute müsste man das im Briefpapier schreiben, aber das Firmenrecht war damals noch anders. So und da hat der Bundesgerichtshof gesagt, der Vertrag kommt zustande mit der GmbH und Co. KG, Obwohl die nie erwähnt worden ist. Das Problem was hier lag jetzt für Fortgeschrittene und Nerds, der Vertragspartner hatte gedacht, da ist ein Einzelkaufmann, der persönlich haftet und Sie wissen natürlich, dass in der GmbH keiner da ist und da hat der Bundesgerichtshof gesagt, vielleicht haftet der aber aus Rechtscheinsgründen auch noch zusätzlich. Wir kommen nachher auf diese Rechtscheinsthematik nochmal zurück. Aber der Satz, der heute für Sie als Prüfling gilt, ist, wenn für ein Unternehmen agiert wird, dann ist klar, dass in fremdem Namen gehandelt wird, weil klar ist, das Unternehmen soll Vertragspartner werden und es wird dann derjenige Vertragspartner, der tatsächlich der Träger des Unternehmens ist, auch wenn das nie gesagt worden ist.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:19:07
Aber wir sind gar nicht weit weg.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:19:10
Genau, darum geht's. Jemand lässt seinen Rechner offen und hat auch seine Passwortliste daneben liegen. Und daraufhin kommt der studentische Mitbewohner F und sagt, ich wollte mir mal ein paar neue Turnschuhe bestellen. Das tut er. Wenn man da jetzt rechtsgeschäftlich vom Empfängerhorizont geht, sagt man, wer immer diese Bestellung erhält, geht davon aus, das ist der Rechner desjenigen, der berechtigt ist. Sprich, jetzt in diesem Fall mal ich. Das ist ein Handeln unter fremden Namen. Wenn der, der nun etwas bestellt mit dem Rechner eines anderen, tut so, als ob er berechtigt ist, als ob er derjenige ist, der zuständig ist für den Rechner. Und das hat der BGH tatsächlich so gelöst und hat gesagt, voilà, plötzlich gibt es das Handeln unter fremden Namen. Und er war da außerordentlich großzügig. Er hat nämlich gesagt, der handelt ohne Vertretungsmacht, genau wie immer, 177 fortfolgende. Und wenn der Berechtigte nicht genehmigt, dann findet 179, das ist die Regel Vertreter ohne Vertretungsmacht Anwendung, aber jedenfalls der haftet nicht. Was der Bundesgerichtshof, alte Herren, überwiegend, weiße, alte Herren. Nicht berücksichtigt hat, dass vielleicht doch klar ist, dass man seinen Rechner mit der Passwortliste und den Zugangsdaten für Amazon und was da alles gibt, nicht offen auf dem Schreibtisch stehen lässt. Da wäre nämlich schon noch so was wie eine Rechtscheinshaftung, Vertrauenshaftung in Betracht gekommen. Aber der Bundesgerichtshof ist da bisher sehr großzügig gewesen und hat immer gesagt, wer einen fremden Rechner einsetzt, Da mit den Zugangsdaten was macht, da kann der andere nichts dafür, der muss in einem Haushalt auch liberal sein Ding rumstehen lassen dürfen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:23:14
Also erst einmal, die Vertretungsmacht haben wir eben schon gehört, kann durch Vollmacht erteilt werden und die Vollmacht ist eine Willenserklärung, die wird ausgelegt, die unterliegt allgemeinen Regeln und da sind wieder eigentlich keine Besonderheiten zu beachten. Wir kommen aber zu einem Thema, mit dem man sich genauer befassen sollte, nämlich mit einer standardisierten Vollmacht, das ist die Procura. Die Prokura ist eine kaufmännische Vollmacht, ist im Gesetz geregelt, HGB geregelt. Und die Prokura bedeutet, dass derjenige, der Prokura bekommt, ins Handelsregister eingetragen wird und alles darf außer Grundstücksgeschäfte. Nicht darf, sondern alles kann. Nach außen hin hat er Vertretungsmacht für alles. Warum ist das so? Weil ein Geschäftspartner nicht fragen müssen soll, sagen sie mal, dürfen sie das, was Was soll ich da tun? Oder wie weit geht ihre Vollmacht eigentlich, sondern der Prokurist darf alles außer Grundstücksgeschichte. Er darf natürlich nicht alles. Er kann alles. Er darf nicht, weil in aller Regel im Innenverhältnis zu seinem Prinzipal natürlich die Vertretungsmacht beschränkt ist. Ich kann Ihnen wieder ein ganz einfaches Beispiel nehmen. Ich kriegte relativ früh Prokurat, war da sehr stolz drauf, durfte mit PPA unterschreiben und vorne auf dem Direktor an Parkplatz so genannte Bonzen-Schaukel parken und nicht mehr hinten hinterm Werk. Procura ist ein Statussymbol, viel wichtiger als eine rechtliche Institution. Und natürlich durfte ich als Rechtsabteilung, Leiterin der Rechtsabteilung, nicht Papier verkaufen und Maschinen einkaufen. Ich durfte eigentlich relativ wenig als Jurist, außer mit unterschreiben. Aber wenn ich etwas getan hätte, was ich nicht durfte, hätte mein Vertragspartner zunächst einmal davon ausgehen dürfen, das ist ihr Problem, das ist das Problem der Firma, dass meine Procura im Innenverhältnis viel weniger dürfen, als nach außen können war. Das ist eigentlich die Definition, der Prokurist kann mehr, als er darf. Das spielt im Handelsverkehr zunächst mal keine Rolle. Ich habe eben schon in einer anderen Folge gesagt, die Prokura kommt dann häufig mit dem Handelsregister. Warum? Es wird vergessen, die Prokura einzutragen, dann wird sie wieder rufen, dann wird das nicht wieder ausgetragen. Also in der Klausur kommt das meistens zusammen mit 15 HGB, dann noch kombiniert mit dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben und der kaufmännischen Rügelpflicht. Die Prokura ist deswegen etwas, mit der Sie sich befassen sollten.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:28:09
Hochinteressantes, extrem wichtiges Thema. Übrigens auch in der Praxis. Wir haben bisher gesagt, der Vertretene wird geschützt durch das Erfordernis der Vertretungsmacht, Vollmacht. Wenn er keine Willenserklärung abgegeben hat, dass der Vertreter etwas tun soll und darf, dann wird er nicht gebunden, der Vertretene. Häufig passiert das nicht, aber der Vertretene verhält sich in einer Art und Weise, dass der Rechtsverkehr davon ausgehen muss, dass er Vertretungsmacht erteilt hat. Jetzt sind wir im Bereich der Rechtscheinslehre. Die Duldungsvollmacht wird dahingehend von der Rechtsprechung definiert, dass jemand weiß, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht für ihn auftritt und nichts dagegen tut und die anscheinend vollmacht ist noch etwas weniger er könnte es wissen, und hat aber nichts getan, weil er sich nicht drum gekümmert hat. Das läuft eigentlich alles unter dem Label, ich müsste mich kümmern, ich tue es aber nicht. Wenn ich dulde, dass jemand in meiner Firma, bei uns war es jemand in der Kirche, unentwegt Dinge tut, für die er keine Vollmacht hat, und ich sage, mir ist das egal, kann ich eines Morgens sagen, das da, das durfte er aber nicht. Sondern dann werde ich gebunden, nicht weil ich es gewollt habe, sondern weil ich ein Verhalten an den Tag gelegt habe, was mir zurechenbar ist, auf das der andere vertraut hat. Und damit haben wir schon die drei wesentlichen Elemente der Rechtscheinslehre, nämlich Rechtscheinsdatbestand, Zurechenbarkeit und Vertrauen. Das wird uns unentwegt wieder begegnen, weil das etwas ist, was das ganze Recht durchzieht. Manchmal gibt es Rechtsmodelle, die das tatsächlich so anordnen. Dann braucht man über Rechtscheinslehre nicht zu sprechen. Da werden wir drauf kommen. 932 fortfolgende, der gutgläubige Erwerb, den könnte man als Ausprägung des Rechtscheinsprinzips verstehen. Aber es gibt viele Konstellationen, wo es nicht im Gesetz steht und man es trotzdem genau so judiziert. Das ist sozusagen eine weitere Ebene neben der rechtsgeschäftlichen Legitimation. Es ist die Vertrauensebene und das spielt in unserem Privatrecht, Vertrauenshaftung, Rechtscheinslehre eine ganz zentrale Rolle.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:30:53
Ja, also sie geht in ihrer Formulierung, so wie wir sie heute weitgehend verstehen, zurück auf den berühmten Rechtswissenschaftler Klaus Wilhelm Canaris, der jetzt inzwischen verstorben ist. Der hat seine Habil-Schrift geschrieben mit dem Titel Die Vertrauenshaftung. Und was hat der gemacht? Der hat aus dem gesamten Privatrecht die Regelungsmodelle herausgenommen und analysiert, die mit Vertrauen zu tun haben. Und daraus ein allgemeines Gebäude abgeleitet, was noch über dem Recht liegt. Das ist jetzt methodisch auch sehr interessant, muss man nicht glauben. Aber es hat sich in der Rechtsprechung als Knaller durchgesetzt. Die Rechtsprechung praktiziert Rechtsscheinslehre, als ob es im Gesetz drin stände. Also zurecht ist er dafür auch wohl der berühmteste Nachkriegsrechtswissenschaftler im Privatrecht geworden, weil er etwas... Entdeckt hat, entwickelt hat, könnte man methodisch schon wieder darüber streiten, was sich vollständig durchgesetzt hat. Nicht ganz so, wie er es gemeint hat, da könnte man wieder lange drüber reden, aber Vertrauenshaftung, Canaris, das steht. Und jetzt darf ich da eine kleine Seitenbemerkung machen. Sie wissen aus vielen Gründen natürlich viel zu wenig, wie die rechtswissenschaftliche Diskussion und der Zusammenspiel Rechtsprechung und Rechtswissenschaft tatsächlich erfolgt. Sie haben ein Buch, eins für jedes Rechtsgebiet, vielleicht sogar nur ein Skript, ganz schrecklich. Die großen Namen kennen Sie nicht, das ist aber sehr gefährlich, weil Sie reden ja dauernd über Streitstände. Und wenn ich dann im Examen frage, sagen Sie mal, was ist das eigentlich, ein Streitstand? Dann sehe ich oft ganz traurige Augen. Überlegen Sie mal, können wir auch mal bei Gelegenheit noch mal darüber reden, was ist das ein Streitstand? Wer streitet da mit wem und warum streiten diese sich? Und wie entwickelt sich ein Streit? Und wo kommt er her? Und wie endet er? Canaris hat jedenfalls hinter viele offene Fragen ein Ausrufezeichen, einen Punkt gesetzt. Und dann gab es keinen Streit mehr, weil man ihm gefolgt ist. In manchen Punkten, nicht in allen. Und deswegen ist er zu Recht so berühmt. Und deswegen ist die Vertrauenshaftung auf immer mit Canaris verbunden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:34:50
Ja, ich nenne jetzt mal zwei, nicht den Kleinkram im Grundstudium. Das eine ist ein Thema, was dramatisch überschätzt wird, was aber pausenlos drankommt, nämlich Willensmängel und Vertretung. Jetzt ist es nochmal ganz wichtig, dass Sie sich das Schaubild vielleicht nochmal kurz vor Augen führen. Wir haben hier ja zwei Willenserklärungen, nämlich einmal die Willenserklärung des Vertreters und dann haben wir die Willenserklärung des Vertretenen, nämlich die Erteilung der Vollmacht. Jetzt können in beiden Ebenen Willensmängel auftauchen. Wir fangen mal mit dem häufigeren an. Der Vertreter irrt sich. 119, irgendwas, ja? Dann sagt der 166 und das ist auch richtig, systematisch, es kommt auf den Vertreter an, weil der gibt ja die Willenserklärung ab. Soweit die rechtlichen Folgen eines Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennen müssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Heißt, Wenn der Vertreter sich irrt, dann kommt es auf ihn an, dann liegt hier der Willensmangel. Ob sich der Vertretene geirrt hat, ist völlig egal, aber, und jetzt ein Fehler, den ich letzte Woche im Examenskurs wieder aufgedeckt habe, bei ganz guten Leuten, anfechten kann nur der Vertretene. Geirrt hat sich der Vertreter. Also 166, 119, aber die Anfechtungserklärung muss der Vertretene abgeben. Junge Leute im Hörsaal wollten das einfach nicht glauben, es ist aber die Konsequenz der Konstruktion. Die Willenserklärung gibt der Vertretende ab, aber der Vertreter ist ja Vertragspartner geworden. Nur der Vertragspartner kann anfechten und nicht sein Vertreter. Das ist das eine. Das kriegen Sie in den Griff, wenn Sie es einmal verstanden haben. Das Problem, was in Klausuren dauernd vorkommt, ist ein anderes. Nämlich, der Vertreter irrt sich bei der Abgabe seiner Willenserklärung, nämlich der Vollmacht. Also es geht gar nicht um ein Irrtum beim Geschäft, sondern der irrt sich gegenüber dem Vertreter. Meine Damen und Herren, es ist schon ganz schwierig, einen vernünftigen Fall zu konstruieren. Weil, wie irre ich mich bei der Erteilung einer Vollmacht? Dann wird immer gebracht, man glaubt, der Vertreter ist antiquarisch gebildet und in In Wirklichkeit ist er einfach nur jemand, der was verkauft. Nehmen wir mal an, es gibt einen relevanten Irrtum des Vertretenen. Dann hängt daran, ein Problem, kann er das anfechten, wenn der Vertreter nun bereits losgelaufen ist und das Geschäft abgeschlossen hat? Das ist das berühmte, völlig überschätzte, meines Erachtens aus dem Curriculum zu entfernende Problem der Anfechtbarkeit der ausgeübten Innenvollmacht. Meine Damen und Herren, nochmal, es kommt praktisch nicht vor. Ich kann mir keinen vernünftigen Fall vorstellen bisher, aber es wird geprüft. Wie gehen Sie damit um? Da gibt es fünf Theorien, die ich gar nicht verstanden habe und Untertheorien. Ich würde damit anders umgehen im Examen. Ich würde nämlich mit dem Gesetz anfangen und erstmal schreiben, was dann passiert. Wenn der Vertretene die Vollmacht anficht, passiert was? 142, das hat Rückwirkung, dann hat der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt. Das bedeutet, der Dritte kann nach 179 den Vertreter in Anspruch nehmen und der kann vielleicht im Innenverhältnis, wenn der Vertreter sich unklar ausgedrückt hat, den nach 122 in Anspruch nehmen. Ist das so schlimm? Nein, das ist nicht so schlimm. Denn der Dritte kann nie darauf vertrauen, dass der Vertreter Vertretungsmacht hat. Es sei denn, es gibt einen Rechtscheinstatbestand und der Vertreter muss immer damit rechnen, dass der Vertretene irgendetwas nicht verstanden hat oder falsch ausgedrückt hat und dafür ist 122 BGB da. Die Vollmacht ist eine stinknormale Willenserklärung. Warum soll der Vertretene nicht anfechten können? Wenn Sie das halbwegs sauber hingeschrieben haben, einfach nur, was passiert, wenn man das Gesetz anwendet? Sind Sie für diesen Fragenteil auf dem Niveau eines VBs? Es lohnt sich nicht, fünf Theorien, warum das vielleicht falsch sein sollte, jetzt noch zu behalten, die behalten sie sowieso nicht, ich vergesse das immer nach drei Tagen wieder, weil den halben Punkt bei ein Prozent Gefahr, dass dieses Problem kommt, das lohnt sich alles nicht. Also da würde ich Sie ermutigen, schreiben Sie was im Gesetz steht, problematisieren, Sie können noch einen Satz bringen, fraglich ist, ob dieses Ergebnis völlig unhinnehmbar ist oder zu völlig unakzeptablen Ergebnissen führt, es tut es nicht.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:39:52
Also nochmal, ich will niemanden bashen, der sich dazu schriftlich geäußert hat und man hatte früher an solchen reinen technisch-dogmatischen Problemen viel mehr Spaß als heute. Das ist aber so ein Thema, von dem ich sage, die Dimension, die es im Prüfungsgeschäft hat, steht in keinem Verhältnis zu seinem Erkenntniswert und zu seiner praktischen Bedeutung. Und wenn Sie sich ans Gesetz halten, können Sie nichts wirklich verkehrt machen und nicht unterhalb des guten Befriedigendes liegen. Was will man mehr? Ja, das zweite Problem. Darf ich das noch kurz erwähnen? Das ist ein Problem, was in ganz andere Bereiche führt. Ich möchte es aber hier schon mal andeuten. Das wird immer in 166 Absatz 1 verortet. Das ist das ganz große Problem Wissenszurechnung. Ich habe schon gesagt, der 166 sagt etwas, was eigentlich konsequent ist, was nicht eigentlich konsequent was konsequent ist, nämlich es kommt auf den Irrtum des Vertreters an. Bei der Wissenszurechnung geht es um ganz etwas anderes. Da geht es um die Frage, was weiß eigentlich die juristische Person? Der Fall, an dem sich alles entzündet hat, ist ganz kurz zu schildern. Es war eine Gemeinde, die hatte ein Gebäude. Dieses Gebäude war mangelhaft. Das war auch in den Akten vermerkt. Aber als dieses Gebäude verkauft wurde, durch den vertretungsberechtigten Bürgermeister der Gemeinde, war es so, dass der Bürgermeister davon gar nichts wusste. So, 166 sagt, es kommt auf den Vertreter an, wenn man das 1 zu 1 angewendet hätte, dann wäre es nicht zur Haftung gekommen. Das war ein Fall 444, 438. Also bei Wissen wäre auch arglistig unterlassen da gewesen, dann hätte der Käufer noch Rechte gehabt. Und der Bundesgerichtshof hat gesagt, das kann nicht sein, dass es in der juristischen Person nur auf das Wissen desjenigen ankommt, des Organs, was gerade tätig ist, dann würde die juristische Person nämlich viel besser stehen als die natürliche Person, die alles in einem Kopf hat. Die juristische Person hat vieles in vielen Köpfen. Und der Bundesgerichtshof hat eine Doktrin entwickelt, die heute im Zeitalter der Digitalisierung noch viel weiser erscheint, als sie damals war. Der hat gesagt, dass, ich vereinfache es jetzt sehr, und es Es lohnt sich, sich mit dem Thema mehr zu befassen. Die juristische Person weiß nicht nur das, was ihr Organ in dem Augenblick weiß, sondern zugerechnet wird alles Wissen, was unter vernünftigen Umständen aktenmäßig festgehalten und auch weiter kommuniziert wird. Das heißt, es hat eine Pflicht für die juristische Person entwickelt, die heute von großer Bedeutung ist, relevante Fakten sinnvoll zu dokumentieren und Prozesse aufzusetzen, dass das Wissen gehoben wird, wenn es im Geschäftsprozess erforderlich ist. Klingt außerordentlich modern, das ist alles aber 90er Jahre gewesen und das ist der Anfang der Wissenszurechnung, die heute aber viel weiter geht. Ich sage nur, Dieselgate, die stellt sich im 826, die stellt sich übrigens auch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und wir werden im Laufe der weiteren Folgen auf die Thematik der Wissenszurechnung immer wieder zurückkommen.
Marc Ohrendorf 0:43:25
Tschüss.
Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb 0:43:25
Tschüss.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb

Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb Professorin, Universität zu Köln

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