Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb, Professor | Universität zu Köln
Prüfungsrecht - Klausuren - Staatsexamen - Mündliche Prüfung - Juristische Ausbildung - Lehrqualität - Stoffmenge - Klausurenlänge - Gutachtenstil - Reflexion - Gesellschaftliche Relevanz - Softskills - Teamfähigkeit - Kommunikationsfähigkeit - E-Examen - Qualitätssicherung - Reformen - Justizministerkonferenz - Schwerpunktbereich - BGB - Art. 1 II GG
Mit Frau Professor Dauner-Lieb diskutieren wir, wie Ihr erfolgreich eure Klausuren besteht. Sei es Allgemeines Zivilrecht, Schuldrecht, Sachenrecht oder euer Schwerpunktbereich: Hier erfahrt ihr, welche Änderungen euch womöglich in den nächsten Jahren in der Prüfungspraxis erwarten. Außerdem erhaltet ihr Hintergründe von der anderen Seite des Prüfungstisches (auch da läuft nicht alles rund!) und hört von Frau Professor Dauner-Lieb, inwieweit es tatsächlich auf den Gutachtenstil ankommt - oder ob nicht viel mehr gesunder Menschenverstand gepaart mit starken "Grundlagenfähigkeiten" beim Berufseinstieg als Anwältin, Richterin oder Staatsanwältin im Vordergrund stehen.
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Die Uni Köln ist Deutschlands größte juristische Fakultät. Sie zeichnet sich durch mehrfach ausgezeichnete Lehre und juristische Forschung aus. IMR verbindet mit der Uni Köln ein besonderes Verhältnis, denn der Podcast startete hier im Jahr 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb. Prof. Dauner-Lieb engagiert sich zudem seit Jahrem im Rahmen des Examenspodcasts Irgendwas mit Examen, der Teil von IMR ist. Dort erhaltet Ihr sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht einen kontinuierlichen kostenfreien Examenskurs in Podcast-Form.
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
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Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Prof. Dr. Matthias Kilian , Professor
Prof. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb , Professor
Die juristische Ausbildung fokussiert zu sehr auf Technik und Klausuren – wir brauchen mehr Reflexion, Teamfähigkeit und gesellschaftliche Relevanz, um Juristen für die Zukunft wirklich fit zu machen.
KI-basiert und kann Fehler enthalten.
Herzlich willkommen zu einer weiteren Episode Irgendwas mit Recht, heute wieder von der Universität in Köln und ich spreche mit Frau Prof. Dauner-Lieb. Ich grüße Sie.
Ja, ich grüße Sie auch.
Frau Prof., was machen Sie hier an der Uni eigentlich alles?
Forschen, Lehren, Verwaltung, Gremienarbeit, Priorität Lehre.
Priorität Lehre, warum das denn eigentlich? Das hört man ja gar nicht so häufig von Professoren.
Das macht mir Spaß.
Was daran macht Ihnen Spaß?
Ich lerne selber immer wieder was dazu. In jeder Vorlesungsstunde bekomme ich von den Studierenden Anregungen, Herausforderungen, Kritik. Ich arbeite gerne mit jungen Leuten, die selber was dazu lernen wollen. Lernen ist das Allerschönste.
Wie hat sich denn die Lehre in den letzten Jahren verändert aus Ihrer Sicht? Nicht.
Vollständig. Mein Mann, 20 Jahre älter als ich, sicherlich ein guter und sehr interessanter Professor. Ging in den Hörsaal, hatte ein BGB mit, sonst nichts, nicht mal eine Karteikarte, keine Gliederung und hielt eine Vorlesung Handelsrecht vier Stunden am Stück, ohne auch nur ein einziges Mal auf irgendetwas zu gucken.
Es gab keine Visualisierung, es gab keine Gliederung, es gab keine Materialien. Das heißt, der Hörer war im Wesentlichen darauf angewiesen, Notizen zu machen und sich aus dem Vortrag so weit inspirieren zu lassen, dass er eine Vorstellung hatte, wie er nun sich selbst den Stoff erarbeitet. Es gab natürlich auch noch die Fälle, in denen tatsächlich ein Manuskript vorgelesen wurde.
Das war zum Teil sehr, sehr anstrengend, aber die fortschrittlichen Lehrer haben schon in den 70er Jahren dieses sokratische Gespräch geführt. Allerdings eben ohne alle Hilfsmittel, die wir heute ganz selbstverständlich zur Verfügung stellen und die uns abgefordert werden. Es gab übrigens auch noch kaum Lehrbücher, wie ich studiert habe, in der typischen Fassung.
Es gab den Diederichsen AT, ein ganz dünnes kleines Heft, wo aber auch keine Aufbauhinweise gegeben wurden oder Gutachtensstil oder irgendetwas, sondern man musste sich im Wesentlichen den Stoff durch Lektüre des Gesetzes und durch Lektüre von BGH-Entscheidungen selbst erarbeiten. Also ganz anders, viel mühsamer.
Man bekam im zweiten Semester pro Stunde etwa 10 bis 15 BGH-Entscheidungen zur Lektüre, was man natürlich nie nachholen konnte, nacharbeiten konnte. Das heißt, der Student war in viel, viel größerem Maße auf sich selbst gestellt und hatte kaum Anleitung, wie er an die Dinge herangeht.
Lässt das die Schlussfolgerung zu, dass es dann heute einfacher geworden ist für die Studierenden?
Nein. Es war früher leichter. Warum? Es gab viel weniger Stoff. Es wurde auch viel weniger Lernen verlangt. Problemerkenntnis war eigentlich schon Prädikat. Wenn man das Problem verstanden hatte und beschrieben hatte, dann hatte man eigentlich seine Schulaufgaben in der Klausur schon gemacht.
Der Gutachtenstil war gerade erst in der Entwicklung. Ich erzähle immer, dass er eigentlich erst zur Blüte kam, nachdem Medicus das BGB in Anspruchsgrundlagen auf den Markt kam. Bis dahin hat man leise strukturierte Besinnungsaufsätze geschrieben.
Das Schlimmste heute ist die Stoffhülle und die Länge der Klausuren. Also insofern würde ich sagen, die Prüfung ist schwerer als früher und das Studium ist zwar viel begleiteter, viel verschulter, es gibt viel mehr Unterstützung, aber auf der anderen Seite viel weniger Freiraum und es ist einfach mehr Masse als Denken.
Und insofern würde ich sagen, es war früher trotz allem einfacher.
Und am Ende der meisten Vorlesungen, aber vor allem auch des Studiums steht die Klausur ohne Hilfsmittel, was Sie mal als, naja, weithin wohl so wahrgenommen die beste Prüfungsform beschrieben haben. Was ist denn Ihre persönliche Ansicht dazu? Ist es die beste Prüfungsform?
Nein, überhaupt nicht. Also zum einen prüft die Klausur natürlich nur ganz bestimmte Kompetenzen ab, nämlich in einem sehr begrenzten Zeitrahmen ohne Hilfsmittel, nur mit dem Gesetz, sehr schnell eine pragmatische Lösung für ein praktisches Problem zu finden. Das eine, was ich daran kritisiere, ist das Fehlen von Hilfsmitteln.
Ich glaube, dass alles, was man mit einem Blick in den Parlern finden kann, eigentlich nicht wert ist, in unser Langzeitgedächtnis gespeichert zu werden. Also würde ich immer dafür plädieren, die Hilfsmittel im ersten Examen auch schon zuzulassen.
Das tut man letztlich aus Kostengründen nicht, alles andere sind Vorwände. Das zweite ist aber auch, dass diese Fälle alle für fünf Stunden zu lang geworden sind. Wenn man tatsächlich mal auf alte Fälle zurückguckt, also mein Studium, Examen 1979, da wurde das als Examensklausur gestellt, was man heute im ersten Semester als mittleren Abschlusstest macht.
Das heißt, die Fälle sind heute viel länger, viel komplexer, das hat viele, viele Gründe und insofern wird der sehr fleißige, sehr nervenstarke, auch bereits zum Mainstream sich zu neigende, nicht allzu deutlich nachdenkende Kandidat bevorzugt. Ein sehr berühmter Professor, dessen Namen ich nicht nennen wollte, mit dem ich mich letzte Woche unterhalten habe, sagte zu mir, naja, also Kreativität und Denken ist für die Examensnote nicht förderlich.
Das sehe ich nicht ganz so, aber wir gehen da in eine falsche Richtung. Ich habe noch eine Hausarbeit geschrieben und bei allem Thema, was man da macht mit Plagiat, alles übertrieben, hat das den Vorteil, dass das eine ganz andere Kompetenz abprüft, nämlich die Fähigkeit, sich über eine längere Zeit sinnvoll mit den Quellen auseinanderzusetzen, etwas gründlicher nachzudenken und die Kombination gibt sicherlich ein besseres Bild von der juristischen Leistungsfähigkeit eines Kandidaten als die reine Klausur.
Die Studierenden werden, sagen wir es mal so genannt, rational apathisch durch das aktuelle Prüfungssystem.
Ja klar, die gucken nichts anderes an, als das, was ihnen klausurtechnisch interessant erscheint. Wenn ich Familienrecht lese, fange ich natürlich an, was ist eine Familie, was ist Verwandtschaft, was bindet diese Menschen zusammen. Hochinteressant, in jedem englischen Lehrbuch des Familienrechts nimmt das mindestens ein Drittel des ganzen Lehrbuchs ein, diese Grundlagenfragen.
Die Reaktion der Studenten ist, es ist endlich mal interessant. Das hat Spaß gemacht, aber es ist ja leider nicht examensrelevant. Und das ist nicht ganz falsch.
Fehlt dann Identifikation mit dem Stoff?
Nein, aber wir beschränken den Stoff derzeit auf die saubere Anwendung der Rechtstechnik und die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Reflexion über den Stoff, die in meiner Studienzeit und erst recht in der Studienzeit meines Mannes noch ein ganz wichtiger Bestandteil der Prüfung war, kommt praktisch nicht mehr vor.
Also die Frage nach Sinn und Zweck eines Systems, die Frage, warum gibt es eigentlich ein Pflichtseitsrecht oder die erschreckende Frage im Mündlichen, was ist denn eigentlich eine Familie? Die kommt normalerweise nicht mehr vor, sondern was vorkommt, ist Anspruch entstanden, untergegangen, also Schemata abprüfen, möglichst noch im System, das ist dann noch gut, manchmal aber auch mit Formeln, die sich gar nicht mehr aus dem Gesetz rauslegen lassen.
Ich will das nicht zu schwarz malen, aber wir haben im Moment eine Tendenz, dass das Examen sich nach dem Repetitor richtet und nicht nach dem, was eine gute wissenschaftliche juristische Arbeit ist. Und das ist auch gefährlich für die Praxis, weil das grundlegende Nachdenken und Reflektieren der Strukturen ein Teil der juristischen Arbeit ist.
Wenn man das ausblendet, werden wir zu Technikern.
Eine Bekannte, mit der ich mich letzte Woche unterhielt, sagte, naja, sie bereitet sich gerade für das Vorgespräch in der mündlichen Prüfung vor, im ersten Examen. Was sage ich denn da auf die Frage, warum ich Jura studiere? Und da habe ich gesagt, sag doch die Wahrheit.
Und ihre Antwort war, naja, sie hat erst Philosophie studiert und anschließend gedacht, ich will aber irgendwie wissen, wie die Gesellschaft funktioniert. Ich will wissen, was die Rädchen sind, die hier alles am Laufen halten oder wo es auch schon mal stockt und deswegen hätte sie irgendwann mal Jura gemacht.
Bei dem, was ich gerade von Ihnen höre, frage ich mich natürlich, bleibt dann, wenn die Reflexion auf der Strecke bleibt, nicht auch auf der Strecke, dass die Juristen von morgen sich mit den gesellschaftlichen und mit den politischen Themen mehr auseinandersetzen?
Genau das ist meine Kritik. Natürlich ist die handwerklich saubere Lösung von Erbscheinsproblemen wichtig. Das lernt man freilich auch an der Job noch genauer. Aber man muss das genaue handwerkliche Arbeiten üben.
Aber die Befassung mit gesellschaftlichen Fragen, mit relevanten Fragen, bleibt zunehmend auf der Strecke und das ist nicht nur das Desinteresse der Studierenden, sondern das ist einfach der Sog. Es wird gelernt, was geprüft wird und wenn nichts Relevantes geprüft wird, dann wird auch nichts Relevantes angeboten.
Selbst die Professoren untereinander sagen ja schon, jetzt braucht man noch eine Arbeitsgemeinschaft für Zivilrecht und jetzt muss noch mal eine Arbeitsgemeinschaft Gutachtenstechnik. Anstelle der Frage, brauchen wir nicht ein bisschen mehr volkswirtschaftliche Hintergründe, bevor wir das Handelsrecht und Gesellschaftsrecht machen? Brauchen wir nicht, wenn wir Kapitalmarktrecht anbieten, schon eine Vorlesung eines Kapitalmarktwirtschaftlers, der versteht, wie das eigentlich geht.
Also wir koppeln uns ab von den Zusammenhängen, die wir regeln wollen und das halte ich für sehr gefährlich.
Aber es funktioniert doch, könnte man spitz zugesagt sagen.
Was funktioniert?
Naja, Gerichte kriegen neue Richter, Wirtschaftskanzleien kriegen neue Anwälte, das ganze System ist noch nicht den Bach runtergegangen, warum was ändern?
Das ist sicherlich einer der Gründe, warum sich nichts ändert. Der tiefere Grund ist natürlich, dass dieses System schon eine gewisse Auswahl bewirkt für die Jobs der Richter, für die Jobs der Kanzleien, die beide, wie alle Berufsstände natürlich gern die besten wollen. Man kann es auch anders sagen.
Es gibt ja auch Systeme, in denen es gar kein Jurastudium gibt, sondern man lernt das praktisch on the job. Eigentlich ist den Anwälten ziemlich egal, was wir studiert haben. Die wollen die besten Köpfe haben.
Und wenn dieses durch den Reifen springen ein Wettbewerb ist, bei dem man die geistige Fähigkeit zum Kombinieren abtestet, dann nehmen sie da halt die Besten und sagen, alles andere bringen wir ihnen sowieso bei. Aber ich fürchte, dass eine wichtige Zeit im Leben verloren geht, in der man sich mit Relevanten beschäftigen müsste und könnte, nämlich in der Zeit, in der man noch nicht im Beruf ist und wo es halt nicht nur um Technik gehen darf, das ist das eine.
Das zweite ist, dass nach meiner Erfahrung gute Studierende nach Sinn sich sehnen und dass diese Art von Ausbildung und vor allen Dingen von Prüfung dazu führt, dass wir. Dass potenzielle Jurastudenten verlieren, die sagen, das ist mir zu blöd.
Das ist mir zu blöd, das ist mir zu langweilig. Ich sage immer, wir sind das einzige Studium, wo das Berufsleben tausendmal besser ist als alles, was vorher ist. Wenn man Geschichte studiert, ist das sensationell schön, dann sagt man, hm, und hinterher, wie sind meine Jobaussichten.
Im Job des Juristen kann man einfach nur sagen, es gibt wunderbare Dinge, das macht mir heute noch wahnsinnig Spaß, aber das Studium, so wie es läuft, jedenfalls in der Vorbereitung auf dieses Nadelöhr-Examen, empfinde ich als ziemliche Zumutung. Also, wenn mir Leute sagen, sie haben 120 Klausuren auf 5 Stunden geschrieben, also 120 volle Tage mit Sachverhalten, wo es unter anderem darum geht, ob es eine Nötigung darstellt, wenn jemand Klingelmäuschen spielt, dann meine ich, verlieren wir den Anschluss an die gesellschaftliche Relevanz.
Das ist nicht nötig, wir können gute Juristen auch auswählen, indem wir wieder etwas mehr gucken, was hat eigentlich wirklich Bedeutung und was ist wirklich wichtig und ich glaube nicht, dass dann der Berufsstand schlechter funktionieren würde. Man kann natürlich sagen, es wird immer behauptet, unser System ist toll, die ganze Welt bewundert unsere Juristen.
Das ist aber nicht ganz richtig. Die ganze Welt bewundert uns für eine bestimmte Fähigkeit, technisch Akten zu zerlegen. Aber meine französischen Freunde sagen immer, ja und wenn es dann nicht um Gutachtenstechnik ist, kriegt der Deutsche keinen Satz raus.
Wenn der nicht am Anfang eine Anspruchsgrundlage hat, dann können wir den in die Tonne stopfen. Das heißt, wenn es dann um die Debatte geht, was ist wirklich sinnvoll, wenn es darum geht Jobs zu haben, wo es eben nicht nur um die dogmatische Lösung eines kleinteiligen Problems geht, dann ist natürlich jemand, der aus der Sciences Po in Frankreich kommt oder irgendeine amerikanische Ausbildung gehabt hat, doch ganz anders fundiert als wir.
Dann gehen wir mal auf den Punkt noch ein bisschen mehr ein, nämlich auf die Frage, was fehlt? Vielleicht fehlen ja Softskills, oder? Auch.
Nicht nur, aber auch. Also was fehlt ist viel mehr Fächer, die ich jetzt nicht gerne Grundlagenfächer nenne, weil es geht nicht darum, nun plötzlich ein bisschen mehr römische Rechtsgeschichte oder ein bisschen mehr, weiß ich nicht, Rechtsphilosophie zu lernen, zu lesen. Was meines Erachtens inzwischen völlig fehlt, ist die volkswirtschaftliche und soziologische Verankerung des Jurastudiums.
Wir koppeln uns also völlig ab. Die Geschichte ist für mich sehr, sehr relevant, um zu sehen, wie beliebig und vaterpängig das alles ist. Mir geht es aber vor allem darum, dass wir mit dem Rechtsstoff wieder kritischer umgehen und nicht nur anwenden, sondern durchdenken.
So, das sind jetzt die Inhalte. Die Softskills liegen auf einer anderen Ebene, die halte ich aber auch für wichtig und für zukunftstragend. Zunächst einmal werden wir ja alle zu vollständigen Einsiedlerschnecken erzogen, weil es immer nur darauf ankommt, kann man die Einzelleistung messen.
Niemand wird im juristischen Berufen noch alleine arbeiten, wie man sich das vorstellt. Also die Fähigkeit in einem Team sinnvoll gemeinsam Probleme zu lösen in der Interaktion auch zwischen verschiedenen Fächern, die wird überhaupt nicht trainiert. Mir sagte ein Leiter einer Großkanzlei in der letzten Woche, ich will nicht die besten Einzeljuristen, ich brauche das beste Team.
So, das ist aber ganz entscheidend, dass mir fünf Primadonnen, die nicht zusammenwirken können, überhaupt nichts nutzen, sondern dass ich Leute brauche, die gemeinsam Problemlösungen schaffen. Das nächste, das gehört nicht ganz zu Softskills, aber doch ist, dass den Juristen überhaupt nicht mehr vermittelt wird, dass sie zu 95% beruflich Dienstleister sein werden, sodass Kommunikationsfähigkeit, Problemanalyse, Empfängerhorizont des anderen, Kommunikationsfähigkeit einen entscheidenden Berufserfolg darstellen.
Also nur, weil man gute Klausuren schreibt, kann man keinen Mandanten überzeugen. Das ist völlig klar. Das Einzige, was mit unserem Examen gemessen wird, wird eine gewisse intellektuelle Analysefähigkeit in einem begrenzten Zeitfenster.
Und damit ist aber alles andere, was ich für extrem wichtig halte, eben Kommunikation, Teamfähigkeit, überhaupt die Fähigkeit, sich mündlich auszudrücken, in verschiedenen Formaten zu arbeiten, verschiedene Sprachebenen anzusprechen, Rhetorik, das kommt viel zu kurz. Und es wird, wenn überhaupt, immer in Spezialveranstaltungen abgestückt.
Eigentlich müsste das viel mehr Raum im Kontext der Stoffvermittlung und der Stoffbearbeitung gefordert und bearbeitet werden, weil es hat ja keinen Sinn, dass ich Rhetorik an sich erprobe und übe, sondern ich muss Rhetorik im Hinblick auf Schriftsatzgestaltung, im Hinblick auf Plädoyers vor Gericht gebracht werden. Also insofern ist da ein ganz großes Defizit, was ja nicht behoben wird immer mit dem Argument, wir müssen die Leute auf die Klausuren vorbereiten.
Wie sieht denn die ideale Welt aus? Lassen Sie uns mal alles wegwerfen, was wir gerade haben. Man wird ja noch träumen dürfen, so nach dem Motto. Wie sähe denn die ideale, fangen wir hinten an, weil die Prüfung dann doch so dominant ist.
Ich vermute, Ihre Antwort wird sein, die sollte nicht ganz so dominant sein für den Rest des Studiums, aber fangen wir mal dort an. Wie sieht denn die ideale Prüfung im ersten Staatsexamen aus,
Aus Ihrer Sicht? Also fangen wir mal an mit den derzeitigen Entwicklungen der Justizministerkonferenz. Die letzten Beschlüsse zeigen, dass diese Konferenz in ihrer großen Weisheit den Schwerpunkt weiter schwächen will. Es wird noch diskutiert, ob der Schwerpunkt rausgerechnet noch auf dem Zeugnis steht oder auf dem Zeugnis überhaupt nur noch steht bestanden.
Der ja für 70, 80, ich weiß nicht wie viel Prozent, aber so jetzt reines Bauchgefühl natürlich, der Studierenden die Identifikation mit dem Studium darstellt, die Motivation fördert und viele wahrscheinlich über die Ziellinien des Examens treibt.
Und ja, also es macht Freude, man ist motiviert, man kann sich endlich gründlich mit den Dingen befassen, man muss nicht nur immer Meinungen rezitieren, sondern darf mal drüber nachdenken, wie es alles funktioniert. Ich bin ein großer Anhänger des Schwerpunktes und ich halte dieses Argument, dass dadurch die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist, für absolut vordergründig.
Die Vergleichbarkeit zwischen Klausur im März und Klausur im Mai ist genauso wenig gegeben wie zwischen zwei Schwerpunkten. Das will nur niemand wahrhaben. Also der Schwerpunkt sollte so bleiben, wie er ist und er sollte Teil der Examensnote sein.
Und wenn dann tatsächlich mal der seltene Fall kommt, dass jemand in den Klausuren nur ausreichend und im Schwerpunkt ein Gut hat, dann würde ich sagen, jeder einstellende Arbeitgeber kann ja beurteilen, was ihm lieber ist und wen ja lieber ist. Er kann das ja sehen, er kann ja sagen, will ich lieber den gründlichen, langsamen, aber vielleicht auch denkenden Arbeiter oder brauche ich tatsächlich das Rennpferd? Das kann er sich ja überlegen, aber den Schwerpunkt weiter zu entwerten hat zur Folge, dass dieser Identifikationspunkt mit der Uni, mit dem Studium, die Motivation weiter geschwächt wird.
So innerhalb des Klausurexamens, so wie wir es haben, die Einführung der Hausarbeit wäre für mich ein Traum, das wird aber nicht wieder kommen aus vielerlei Gründen. Bei den Klausuren müssen wir etwas an der Aufgabenstellung tun und so wie es im Moment läuft, das weiß ja jeder, das ist sehr dezentralisiert.
Leute reichen Klausuren ein, die werden vom Justizprüfungsamt nach bestem Wissen und Gewissen überprüft, dann wird da eine Lösung dazu gemacht, aber niemand nimmt derzeit irgendeine Qualitätssicherung in der Weise vor, dass er sagt, das macht mal Sinn, was da geprüft wird oder nicht. Es steht ja noch nicht mal drin, was in jedem didaktischen Lehrbuch steht, dass man vorne mal überlegt, warum man das eigentlich prüft.
Also, was wichtig wäre, ist, dass man sagt, wir überlegen wieder ein bisschen, was muss der Student wirklich wissen, was muss er denken. Ich bin für eine partielle Zusatzfrage, die nicht rein gutachtens-technisch aufgezogen ist, sehr zu haben.
Also, wenn man beispielsweise eine. Allgemeine Frage, was ist eigentlich Culpa in contra Hento, was verstehen Sie eigentlich unter einem quasi kontraktlichen Anspruch hinzufügen würde. Mein Mann hat in Bayern noch die berühmte Ende 50er Jahre, da gab es das, die sogenannte Märchenklausur und der schrieb dann den Aufsatz in der Samstagsklausur im Bayerischen Staatsexamen, welche Bedeutung hat die Elitenbildung für den demokratischen Staat und werden Sie sagen, was hat das mit Jura zu tun.
Aber immerhin bedeutete das, dass man von den Studierenden und den Examenskandidaten erwartete, dass sie sich mit grundlegenden Fragen der gesellschaftspolitischen Entwicklung auch während ihres Studiums beschäftigten, weil sie einfach mit so etwas rechnen mussten. Und damit rechneten sie dann auch.
Also dieses etwas primitive, ich habe jetzt den Erbschein nicht ausreichend bearbeitet, das war einfach nicht möglich, weil wenn eine Klausur von sieben dann völliger Schwachsinn war, dann ging das nicht. Mein Bruder ist noch im Examen nach historischen Zusammenhängen des 19.
Jahrhunderts gefragt worden und dann hat ihm der Vorsitzende gesagt, eigentlich gebe ich kein Vollbefriedigend für jemanden, der die Zusammenhänge zwischen Bismarck und der Reichsgründung nicht im Ansätzen verstanden hat. Das ist vielleicht zu weitgehend, aber es hat sich wirklich stark geändert hin zum Technokraten.
Also ich meine, man muss nicht alles abschaffen, ich bin auch absolut gegen die Abschaffung des Staatsexamens, aber ich würde den Universitätsteil eher stärken als schwächen, ich würde eine starke Qualitätssicherung in der Prüfung einbauen, ich würde übrigens auch beim Mündlichen eine Qualitätssicherung einbauen. Weil es kann sein, dass eine sehr anspruchsvolle mündliche Prüfung stattfindet.
Es kann aber auch genauso sein, dass eine Stunde lang die Kompetenzen des Regierungspräsidenten abgeprüft werden. Und das könnte man schon etwas anders gestalten, wenn man sich die Mühe machen würde, mal drüber zu reden, was sind denn sinnvolle Prüfungsgegenstände und was sind es nicht.
Und ich bin auch nicht der Meinung, dass jemand, der gerade drei Jahre das zweite Staatsexamen hat, nun unbedingt in der Prüfung genau dasselbe Gewicht haben soll, wie jemand, der 30 Jahre Richter oder Professor war. Also da müsste auch Fortbildung stattfinden und so weiter.
Also ich bin nicht für die Revolution, aber ich bin entschieden dafür, dass Reformen angegangen werden und ganz sicherlich nicht im Sinne der Justizministerkonferenz, wie sie jetzt beschlossen hat.
Und woran scheitert es? Ist es nur Geld, dass man sagt, naja, dass es eigentlich einer Professionalisierung bedarf, ist ja offensichtlich, dass man sagt, naja, wir müssen standardisieren, wir müssen vielleicht auch mal Leitlinien intern aufstellen an der Stelle.
Es hängt mit ganz ganz vielen Dingen zusammen. Zunächst mal sind Behörden unfassbar beharrlich in ihren Gewohnheiten. Zweitens fehlt die Beobachtung, das ist für mich immer interessant, dass sich die Dinge…, Eher verschlechtern als verbessern. Das dritte ist, dass wir überhaupt keine Fehlerkultur haben.
Keine Justizbehörde, kein Gericht wird offen sagen, wir haben einen Fehler gemacht. Keine Justizbehörde, kein Justizprüfungsamt wird sagen, ich gebe Ihnen gerne zu, dieser Fall war einfach Müll. Wir sind uns völlig einig.
Ich sehe es an Ihren Gesichtern, dass Sie es sehen wie ich. Sie werden nicht sagen, ja, Sie haben recht, das war Müll. Warum? Dahinter lauert das Verwaltungsgericht.
Das finde ich gar nicht so schlimm. Stimmt, dann verdammt nochmal, geht halt irgendeine Anfechtungsklage mal durch. Aber das Beharrungsvermögen zu sagen, wenn drei Juristen da drüber gesessen haben oder fünf, dann machen wir nichts falsch. Diese Fiktion wird eisern perpetuiert.
Und nochmal, die Individuen, die da arbeiten, sind besten Willens, sind großartige Juristen, sind wahnsinnig kooperativ. Aber das System, so wie es ist, sieht einfach keine externe Kontrolle vor und die will man auch nicht haben. Also ich habe ja mal den Vorschlag gemacht, nach Auslosung setzt sich der Präsident des Oberlandesgerichts zweimal im Monat hinten in eine mündliche Prüfung hinein.
Zwei Stunden. Ich garantiere Ihnen, alles würde sich ändern. Antwort des Prüfungsamtes, ja dann werden viele Leute gar nicht mehr prüfen. Ja, genau. Und darüber sollten wir nachdenken.
Wäre das nicht gut? Ja, eben. Ich mahne seit langem an, die Lösungshinweise sollten nicht so formuliert sein, wie der Klausurenkurs seine Lösungshinweise macht. Also nicht Anspruch ist entstanden, sondern der Fall wirft folgende Probleme auf.
Antwort, das können viele Prüfer nicht. Dann können die nicht korrigieren. Ja, eben. Ja, also man könnte Dinge mit ganz geringen, kleinen Veränderungen an den Stellschrauben deutlich besser machen, aber das setzt die Bereitschaft voraus und nach meiner Beobachtung ist die Bereitschaft aus vielen Gründen null.
Und sei es auch nur, dass man sagt, dann öffnen wir die Wege zum Verwaltungsgericht, also beispielsweise Remonstrationen, kommen ja nicht sehr viele, aber es kommen welche, jemand legt Widerspruch ein gegen die Bewertung einer Klausur. Also jetzt sage ich ganz offen, ein bis zwei Punkte kann man sich immer streiten.
Aber natürlich wird es nicht rasend gern gesehen, wenn man rauf geht. Also nochmal, vorzügliche Juristen tun das Beste, was sie können. Es ist das System, was etwas anders gebaut werden muss.
Ich glaube, dass die Staatsprüfung eine etwas größere Kooperationspflicht nach außen mit Hochschullehrern haben sollte. Vielleicht, ich habe es mal vorgeschlagen, ein gemeinsames Komitee in NRW, dass die Klausuren nochmal von einem Dritten gesehen werden. Es gibt natürlich eine ganz radikale Maßnahme.
Ein Professor oder ein Richter muss die Klausur vorher selber schreiben. Was meinen Sie, wie sich das Prüfungsverfahren ändert? Ich könnte jede zweite von den Klausuren, die ich korrigieren muss, aus dem Stand in fünf Stunden nicht prädikatsmäßig schreiben, weil ich einfach so viel nicht im Kopf habe. Ich kann das mit dem Palern natürlich, aber in der Schnelligkeit es auswendig können mit einem Haufen Details, jetzt möchte ich noch einen Punkt bringen, noch dazu sehr rechtsprechungsorientiert, also eben nicht wissenschaftlich, sondern wie hat es der BGH gemacht, das ist einfach verbesserungsfähig.
Ich lasse das erstmal so stehen an der Stelle, würde aber gerne auf einen weiteren Punkt noch eingehen und zwar gibt es aus Ihrer Sicht einen psychologischen Widerstand dahingehend bei vielen Entscheidern heutzutage, dass man sagt, naja, man selber ist ja auch da durchgegangen und damals war es eine harte Zeit, warum sollen es denn alle anderen einfacher haben?
Da bin ich ganz sicher. Es gibt zwei Arten von erwachsenen Juristen. Die, die sagen, die jungen Leute müssen das nicht durchmachen, was wir durchgemacht haben und die, die sagen, wenn wir das geschafft haben, müssen die das auch schaffen. Das sind sozusagen die beiden Pole.
Im Übrigen kommt natürlich hinzu, dass diejenigen, die heute über 40 sind, überhaupt im Regelfall keine praktische Anschauung haben, was tatsächlich derzeit im Examen gefragt und gemacht wird. Ich habe verglichen meine Klausuren, die meines Mannes, dann noch welche aus den 80er und 90er und die jetzt und ich kann wieder nur wiederholen, sie werden immer länger, sie werden immer komplexer, sie werden natürlich von den Rechtsfragen nicht objektiv schwieriger, aber es werden mehr Rechtsfragen und sie werden immer spezieller.
Und das führt dazu, dass die Leute glauben, mehr und mehr und mehr und mehr lernen zu müssen und das führt zu dieser totalen seelischen Überforderung, die einfach vor allen Dingen Resilienz erfordert und die haben nicht sehr viele. Also ich glaube, dass diejenigen, die sagen, System haben wir auch geschafft.
Ja, ich würde gerne noch einen Punkt sagen. Wissen Sie, das ist gleichzeitig traumatisch. Ich treffe alte Herren, 80 Jahre alt, berühmte Männer, große Funktionen in der Bundesrepublik und die unterhalten sich einen ganzen Abend, dass sie in der Klausur im öffentlichen Recht in Bayern 1956 im Sommer versehentlich falsch bewertet worden sind.
Noch 60 Jahre nach Abschluss ihres Examens denken die über die Noten nach. Ich kenne alte Herrschaften, die noch im Sanatorium, im Altenheim Albträume über ihre Zwangsvollstreckungsklausur im zweiten Staatsexamen gehabt haben. Aber wir sind schon sehr speziell.
Ja, schade, dass es manchmal kein Bild beim Podcast gibt, dann hätte man mein großes Kopfschütteln gerade sehen können.
Ja, genau. Ja, aber das ist so. Unfassbar. Also selbst mein vorzüglicher Mann, der wirklich sehr gute Examen hat, hat pausenlos von der öffentlich-rechtlichen Klausur im zweiten Staatsexamen geträumt. Solange er lebte, war das immer wieder so, alle sechs Wochen kam ein Albtraum über das zweite Examen.
Schon interessant. Bei einem total erfolgreichen, wirklich auch überragend guten Juristen, diese Prüfung, so wie sie läuft ... Ist ein Initiationsritus und das ist das, was viele vielleicht auch gar nicht schlecht finden. Das war so wie früher beim Militär.
Ich stelle keinen Juristen ein, der nicht beim Militär war. Und manche Anwälte haben natürlich irgendwo auch noch diesen Spirit, dass sie sagen, naja, wer damit gut durchgegangen ist, der hat jedenfalls gute Nerven und genau den Typen brauche ich für meine Transaktion. Man muss nur sehen, das ist ein Typ Jurist.
Ich sage nicht, dass das schlecht ist. Ich sage nur, das sind nicht die Qualitäten, die allein ausschlaggebend sind für das, was nachher erforderlich ist.
Ja, man verschenkt eben viel Potenzial bei anderen, die vielleicht auch anders gestrickt sind, die aber auch in anderen Einsatzgebieten hervorragende Juristen werden können.
Ja, es kommt auch noch etwas hinzu. Diese Art von Ausbildung ist natürlich ein Grund dafür, warum wir an Führungskraft als Juristen immer mehr verlieren. Wie viele Vorstände gab es, die Juristen waren und es werden eigentlich immer weniger und auch an sonstigen Führungskräften, wenn heute ein Jurist im Unternehmen anfängt, kommt er aus der Rechtsabteilung nicht einfach raus.
Früher war das relativ durchlässig, wenn er sich in einer Abteilung bewährt hatte, dann wurde er noch Vorstandsassistent und dann wurde er ganz was anderes. Man sagte, das ist ein kluger, strukturierter Kopf, der kann eigentlich alles lernen.
Aber das setzt halt voraus, dass der mal irgendwann im Studium auch über was anderes nachgedacht hat, als nur über die Feinmechanik des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses.
Zum Abschluss würde ich gerne noch auf das gute alte oder jetzt bald auch neue E-Examen zu sprechen kommen. Ich war, wann war das, ich glaube letztes Jahr, war ich auf einer Veranstaltung in Leipzig, wo auch über die Reformierung des ersten Staatsexamens diskutiert wurde und da war E-Examen natürlich ein ganz großes Thema und da sagte einer der Beteiligten, ich glaube leider eines Prüfungsamtes, naja, macht euch nichts vor, das was da kommt ist eine schlechte Schreibmaschine, da wird es ohnehin keine Rechtschreibkorrektur geben mit der Realität.
Microsoft Word, ja, man tippt da irgendwie seinen Schriftsatz rein, in einem Gericht oder in einer Kanzlei hat das nichts zu tun. Selbst wenn es kommt. Was sind Ihre Meinungen dazu?
Also, ähm, Es wird für den Prüfer selbst mit Sicherheit insofern eine Erleichterung, als das Thema Handschrift vom Tisch ist. Wenn ich korrigiere und viele Arbeiten korrigiere, merke ich eine gewisse Ungeduld, wenn Leute, die eigentlich nicht mehr viel mit der Hand schreiben, es so nicht so schreiben können und ich muss mir unheimlich viel Mühe machen, zu kapieren, was die schreiben.
Also insofern Fortschritt. Zweitens, ich glaube, dass die schlechte Schreibmaschine ein Zwischenstadium sein wird. Die Technik entwickelt sich so, das wird auch besser. Es wird die Art des Denkens verändern, weil Sie nämlich, wenn Sie tatsächlich mit einer ordentlichen Textverarbeitung arbeiten, ich rede nicht von Rechtschreibkorrektur, das ist mir völlig egal, aber Sie müssen natürlich nicht mehr von vorne anfangen und nach hinten schreiben, sondern Sie können zum Beispiel in der Mitte einen Textblock erstmal absondern, Sie können erstmal eine Gliederung schreiben, dann in die Gliederung abschreiben.
Sie müssen nicht mehr vorschreiben, sondern sie können korrigieren. Wenn ich meine Fortschritte und meine Beschleunigungen bei der Herstellung wissenschaftlicher Manuskripte mit vor zehn Jahren vergleiche, dann sage ich Lichtjahre. In der Tiefe, in der Verbesserung, ich brauche keine Hilfe mehr und ich glaube, es ist auch besser geworden, weil ich viel mehr kreativen Freiraum habe, nochmal was zu ändern.
Nur da gibt es ja gerade sogar Stimmen, die sagen, dass Kopieren und Einfügen gerade nicht erlaubt sein sollte, nicht möglich sein sollte.
Das mache ich ja auch gar nicht. Aber ich kann natürlich sagen, ich mache erst mal ein Gerüst und arbeite dann an Teilen, wo ich noch nicht fertig bin, vertieft. Also ich würde eine Klausur, eine E-Klausur, wenn ich sie schreiben dürfte, heute ja so schreiben, ich mache erst mal einen Rohentwurf, damit das Ding steht.
So, wenn ich durch bin, dann fange ich da an zu vertiefen, wo ich sage, da fehlt noch ein Argument. Ich kann ganz anders arbeiten. Ich brauche nicht mehr sagen, in der ersten Frage vorne, sondern ich sage, ich schreibe es jetzt mal durch, sozusagen eine aufgemotzte Gliederung und dann poliere ich.
So mache ich meine Aufsätze. Copy-Paste mache ich gar nicht. Und ich glaube, dass das Denken und die Art und Weise bearbeiten verändern wird. Das wird aber ohnehin bei der juristischen Arbeit, das haben wir schon jetzt.
Sie merken bei Anwälten, dass die Art, Schriftsätze zu schreiben, sich verändert hat. Und zwar auch ohne Copy-Paste. Die Guten machen nicht Copy-Paste.
Es geht ja auch mehr um das Umstellen beispielsweise. Dass man sagt, man schiebt mal einen Absatz von hier nach oben, weil er wichtiger ist.
Oder man stellt fest, man hat da einen falschen Weg gegangen. Ich glaube, dass man in fünf Stunden ... Sehr viel Besseres produzieren kann, dass man diese Zufallsfehler, den man dann auf Seite 10 entdeckt, dass man auf Seite 9 falsch war, viel leichter korrigieren kann.
Also ich halte das für den richtigen Weg, allerdings natürlich nicht mit einer alten Schreibmaschine, das nutzt nur dem Leser. Aber wenn man damit anfängt, dann wird man das durchziehen. Ich würde aber auf Dauer weitergehen und sagen, alles, was man per Internet während der Klausur finden kann, lass sie doch suchen.
Man hat sowieso nicht die Zeit. Die Realität des Anwalts ist, er sitzt da, hat ein Paarland und sein Ding. So, das ist übrigens auch die Realität des Firmenjuristen, der in Dubai auf dem Flughafen ist.
Der hat den Pala noch nicht mal mit, der hat BackOnline. So, sollen die Leute doch in der Zeit zeigen, was sie kriegen? Dieses Hängen an Definitionen und an auswendig Lernen, das ist Luther.
Naja, wenn wir uns aber anschauen, dass 50 Prozent der jetzigen Absolventen tatsächlich Anwälte werden.
Ja, dann sollen die so arbeiten, wie sie später arbeiten.
Sehe ich genauso, aber laufen wir da nicht einem alten Weltbild hinterher, dass wir sagen, naja, die Juristenausbildung ist für den Richterjob gemacht und darauf ausgerichtet.
Der arbeitet auch nicht anders als der Anwalt. Ich höre von den Präsidenten, dass die Richter nicht in die Bibliothek gehen, sondern es übers Internet recherchieren. Ich glaube, dass die eigentlich diese sogenannte Richterorientierung für meine Begriffe, das ist nicht das Hauptproblem, sondern das Hauptproblem ist das, ein überwiegender Teil unseres Exams von Richtern korrigiert wird, sodass deren Stil und deren Erwartungshorizont stilprägend ist, ja, ein Anwalt wird etwas anderes noch zusätzlich honorieren, also zum Beispiel eine gute Schreibe und einen guten Stil, da wird der unter Kommunikationsfähigkeit einen Punkt drauf geben, ein Richter vielleicht nicht.
Nämlich, ich halte es sowieso für ein ganz, ganz großes Problem, dass in den Ländern, wo wir kein Kampagnesystem haben, nach dem, was ich höre, über 80 Prozent von der Justiz korrigiert wird. Aber die Professoren tun es auch nicht, aus Gründen, die wir jetzt nicht erörtern können.
Nur nochmal zurück zur E-Klausur. Ich halte das für eine Frage der Zeit und ich halte das für eine gute Sache und die Frage ist, wie viel technische Entwicklung wartet man ab, da also irgendwie so alte Hündchen hinzustellen, halte ich für Quatsch. Ich bin der Meinung, es muss möglich sein, du nimmst deinen eigenen Laptop mit und dann los.
Und das setzt natürlich eine andere Klausur voraus. Das setzt eine voraus, die man nicht gelöst im Internet findet. Das ist aber möglich, das ist nur eine Frage des Nachdenkens.
Vielen Dank. Ich glaube, das hat vielen Studierenden Mut gemacht. Es ist immer wieder erfrischend, auch mal eine Perspektive zu sehen, die das Ganze etwas kritisch sieht, was wir hier gerade so im Prüfungsrecht machen. Gibt es abschließend noch etwas, was Sie den Studierenden gerne mitgeben würden?
Ja, durchhalten. Das Arbeitsleben eines Juristen ist super spannend. Es gibt ganz, ganz viele Möglichkeiten, sie zu entfalten. Es ist ein Spiel, es ist eine Kunst, es ist eine Wissenschaft, es ist ein Kampf.
Man kann ganz viel Geld verdienen, man kann in allen Feldern tätig werden. Also das System, wie es ist, ist nicht optimal, aber es lohnt sich da durchzugehen und zu sagen und dann mache ich was Gutes und werde ein richtig guter Jurist.
Vielen Dank. Tschüss. Tschüss.
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